BGH, Beschluss vom 08.01.2007 - II ZR 267/05
Fundstelle
openJur 2011, 9348
  • Rkr:
Tenor

Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers durch Beschluss gemäß § 552 a ZPO zurückzuweisen.

Gründe

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts bedarf es hier einer Entscheidung des Revisionsgerichts weder zur Klärung entscheidungserheblicher Grundsatzfragen noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Entscheidung des vorliegenden Falles ergibt sich vielmehr aus übereinstimmenden Grundsätzen der Rechtsprechung des Senates und des Bundesarbeitsgerichts. Danach hat die Revision auch keine Erfolgsaussicht.

1. Im Ergebnis zutreffend hält das Berufungsgericht die von dem klagenden GmbH-Geschäftsführer ursprünglich bei dem Arbeitsgericht erhobene und nach Verweisung gemäß §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17 a Abs. 2 GVG bei der ordentlichen Gerichtsbarkeit anhängige "Kündigungsschutzklage" (§ 4 i.V. mit § 1 Abs. 2 KSchG) für unbegründet, weil das Anstellungsverhältnis des Klägers bei der beklagten GmbH & Co. KG nicht dem Kündigungsschutz gemäß §§ 1 ff. KSchG unterlag und deshalb die Kündigung der Beklagten keiner sozialen Rechtfertigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG bedurfte.

a) Nach dem im vorliegenden Rechtsstreit ergangenen Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 6. August 2003 (5 AZB 79/02, ZIP 2003, 1722) gilt der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH einer KG gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG - auch bei einem von dem Bundesarbeitsgericht so genannten "arbeitnehmerähnlichen" Status im Einzelfall - nicht als Arbeitnehmer i.S. des Arbeitsgerichtsgesetzes, weil er gemäß §§ 161 Abs. 2, 125, 170 HGB, 35 Abs. 1 GmbHG mittelbar zur Vertretung der KG, also einer "Personengesamtheit" i.S. von § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG berufen sei und Arbeitgeberfunktionen für sie wahrnehme.

Ob damit zugleich schon aus arbeitsrechtlichen Gründen ein materieller Kündigungsschutz des Geschäftsführers einer Komplementär-GmbH gemäß der für Vertreter einer Personengesamtheit geltenden Ausnahmevorschrift des § 14 Abs. 1 Nr. 2 KSchG generell ausscheidet, wie das Berufungsgericht annimmt, hatte das Bundesarbeitsgericht in dem genannten Beschluss nicht zu entscheiden; eine entsprechende Aussage ist dem Beschluss auch nicht zu entnehmen (vgl. dagegen BAGE 39, 16). Im Schrifttum ist die Frage umstritten (dafür Löwisch/Spinner, KSchG 9. Aufl. § 14 Rdn. 7; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG 13. Aufl. § 14 Rdn. 6; Kiel in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht 7. Aufl. § 14 KSchG Rdn. 4; Zimmer/Rupp, GmbHR 2006, 572, 576; a.A. Biebl in Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, § 14 KSchG Rdn. 10; Kittner/Däubler/Zwanziger, Kündigungsschutzrecht, 6. Aufl. § 14 KSchG Rdn. 12). Für die Unanwendbarkeit des materiellen Kündigungsschutzes bei dieser Fallgestaltung spricht immerhin, dass § 4 KSchG ersichtlich von einem übereinstimmenden Anwendungsbereich des Arbeitsgerichtsgesetzes und des Kündigungsschutzgesetzes ausgeht (vgl. auch BAGE 39, 16, 26 f.; BGH, Urt. v. 25. Juli 2002 - III ZR 207/01, ZIP 2002, 1593 f.), weil gemäß § 4 KSchG der materielle Kündigungsschutz eines Arbeitnehmers durch "Anrufung des Arbeitsgerichts" geltend gemacht werden muss und insoweit eine Ausnahme für Geschäftsführer, welche das Arbeitsgericht nicht anrufen können, aber dennoch als "Arbeitnehmer" Kündigungsschutz genießen sollen, im Gesetz nicht vorgesehen ist.

Die Frage, über die die ordentlichen Gerichte autonom zu befinden haben und für deren Beantwortung es wesentlich auf den organschaftlichen Charakter eines Geschäftsführeranstellungsvertrages ankommt, ist hier nicht entscheidungserheblich, weil der Kläger schon aus anderen Gründen keinen Kündigungsschutz gemäß dem ersten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes in Anspruch nehmen kann.

b) Im vorliegenden Fall besteht nämlich die Besonderheit, dass die Beklagte zur Zeit des Abschlusses des Geschäftsführeranstellungsvertrages zwischen ihr und dem Kläger im Dezember 1998 noch in der Rechtsform einer GmbH existierte. Gemäß der negativen Fiktion des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG gilt der allgemeine Kündigungsschutz nach dem ersten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes nicht für die Organvertreter einer juristischen Person, und zwar nach einhelliger Auffassung auch dann nicht, wenn ihr Anstellungsverhältnis ausnahmsweise nicht als freies Dienst-, sondern als Arbeitsverhältnis ausgestaltet ist (vgl. BAGE 39, 16, 25 = ZIP 1983, 607, 609 f.; Sen.Urt. v. 10. Januar 2000 - II ZR 251/98, ZIP 2000, 508, 510), wie der Kläger unter Hinweis auf verschiedene Bestimmungen seines Anstellungsvertrages geltend macht. Die von den Gesellschaftern der Beklagten im Dezember 2000 beschlossene und im April 2001 in das Handelsregister eingetragene formwechselnde Umwandlung der Beklagten in eine GmbH & Co. KG führte zwar zu einer Beendigung der ursprünglichen Organstellung des Klägers; sein Anstellungsvertrag blieb aber davon unberührt und setzte sich mit der Beklagten in ihrer neuen Rechtsform fort, ohne dass sich die Rechtsnatur des Vertrages dadurch änderte (vgl. Senat aaO; BAG, Beschl. v. 21. Februar 1994 - 2 AZB 28/93, ZIP 1994, 1044, 1046; Urt. v. 13. Februar 2003 - 8 AZR 654/01, NZA 2003, 552, 555; Lutter/Decher, UmwG 3. Aufl. § 202 Rdn. 30, 39). Der Kläger erlangte deshalb durch die Umwandlung der Beklagten nicht einen Kündigungsschutz, den er vorher nicht hatte. Daran ändert auch die Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Beklagten nichts; dieser Bestellung lag der mit der Beklagten als GmbH geschlossene Anstellungsvertrag zugrunde. Anders als im Fall des BAG-Urteils vom 15. April 1982 (2 AZR 1101/79, BAGE 39, 16 = ZIP 1983, 607) wurde hier nicht ein bisheriger Arbeitnehmer einer KG zum Geschäftsführer ihrer Komplementär-GmbH bestellt (vgl. dazu Baums, Der Geschäftsleitervertrag, S. 398 f.), dessen Arbeitsverhältnis in diesem Fall als ruhendes fortbestünde (vgl. dazu BAGE 49, 81; 55, 137). Ebenso wenig ist durch die - am Widerstand des Klägers gescheiterten - Verhandlungen der Parteien über den Abschluss eines Geschäftsführeranstellungsvertrages mit der Komplementär-GmbH der Beklagten ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen (vgl. BAG, Beschl. v. 21. Februar 1994 aaO S. 1047). Arbeitnehmer der beklagten GmbH & Co. KG war der Kläger zu keinem Zeitpunkt. Auch als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Beklagten unterlag er lediglich dem gesellschaftsrechtlich fundierten Weisungsrecht der GmbH-Gesellschafter (§ 46 Nr. 6 GmbHG; vgl. BGHZ 75, 321, 326; Fleck, ZHR 149, 387, 403 ff.) oder einer von ihnen beauftragten Person, nicht aber einem arbeitsrechtlichen Direktionsrecht der Beklagten, für die er vielmehr diese und andere Arbeitgeberfunktionen gegenüber Arbeitnehmern der KG selbst wahrzunehmen hatte.

2. Entgegen der Ansicht der Revision hatten über die Kündigung gegenüber dem Kläger nicht sämtliche Gesellschafter der beklagten KG zu entscheiden. Es handelte sich vielmehr um eine Geschäftsführungsmaßnahme, die allein der Komplementär-GmbH oblag (vgl. § 164 HGB; Sen.Urt. v. 1. Dezember 1969 - II ZR 224/67, WM 1970, 249, 251; Baums, Der Geschäftsleitervertrag, S. 93, 391), wobei für diese - wie auch sonst bei der Abberufung und Kündigung gegenüber einem GmbH-Geschäftsführer - deren Gesellschafterversammlung aufgrund ihrer Annexkompetenz gemäß § 46 Nr. 5 GmbHG zu entscheiden hatte (vgl. BGHZ 89, 48, 54 f.; Sen.Urt. v. 25. März 1991 - II ZR 169/90, ZIP 1991, 580, 582; Henze in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB § 177 a Anh. A Rdn. 72, 76). Der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH Dr. W., der die Kündigung gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 22. Oktober 2001 namens der Beklagten erklärt hat, war unstreitig zugleich Vertreter der Alleingesellschafterin der Komplementär-GmbH der Beklagten und konnte daher sowohl über die Kündigung gemäß § 46 Nr. 5 GmbHG entscheiden als auch die Kündigung namens der Beklagten gegenüber dem Kläger erklären (vgl. Sen.Urt. v. 27. März 1995 - II ZR 140/93, ZIP 1995, 643, 645).

Goette Kurzwelly Kraemer RiBGH Prof. Dr. Gehrlein kann Caliebeurlaubsbedingt nicht unterschreiben.

Goette Vorinstanzen:

LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 07.10.2004 - 2/5 O 472/03 -

OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 06.06.2005 - 18 U 140/04 -