BGH, Urteil vom 28.05.2015 - 3 StR 89/15
Fundstelle
openJur 2015, 11196
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 27. Oktober 2014 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zur Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Dagegen wenden sich die jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel des Angeklagten erweist sich als unbegründet; die wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat hingegen Erfolg.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts betrat der Angeklagte am Tattag ein Juweliergeschäft, aus dem er wertvolle Schmuckstücke entwenden wollte. Dabei hoffte er, diese in einem unbeobachteten Moment einstecken zu können; für den Fall, dass dies nicht gelingen würde, hatte er sich mit einem Elektroschockgerät und Pfefferspray ausgerüstet, um damit die Herausgabe der Schmuckstücke oder die Duldung ihrer Wegnahme notfalls mit Gewalt durchzusetzen. Da der Angeklagte, der sich eine Vielzahl von Ringen und anderem Schmuck zeigen ließ, das Misstrauen der Angestellten des Geschäfts, der Zeugin D. , erregte und diese deshalb sehr vorsichtig agierte, ergab sich die Möglichkeit, den Schmuck unbemerkt zu entwenden, nicht. Der Angeklagte entschloss sich daher, das Elektroschockgerät einzusetzen, und schaltete es ein, wobei er zunächst selbst einen Stromschlag erlitt. Sodann hielt er es der Zeugin an den Kopf und löste mindestens vier weitere Stromschläge aus. Die Zeugin ging daraufhin fast zu Boden und begann, in Panik laut zu schreien. Der Angeklagte verlor nunmehr die Kontrolle über die Situation: Er hatte infolge des selbst erlittenen Stromschlags einen Krampf in der Hand, weshalb er unkontrolliert und ungezielt unentwegt weitere Stromschläge auslöste. Da er im Umgang mit einem solchen Gerät nicht vertraut war, wusste er nicht, wie er es abschalten konnte, und geriet darüber und wegen der Schreie der Zeugin selbst in Panik. Nachdem es ihm gelungen war, den Elektroschocker von seinem Handgelenk abzuschütteln, war er gleichwohl nicht in der Lage, noch einen klaren Gedanken zu fassen, und wollte nur noch weglaufen. Er verließ deshalb fluchtartig das Geschäft, ohne Teile des nunmehr offen in seinem Zugriffsbereich liegenden Schmucks mitzunehmen.

2. Das Rechtsmittel des Angeklagten hat keinen Erfolg.

a) Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung; insbesondere ist es entgegen der Revision des Angeklagten nicht zu beanstanden, dass das Landgericht einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch abgelehnt hat. Stehen - wie hier - äußere Umstände einer Tatvollendung nicht entgegen, kann es gleichwohl an der Freiwilligkeit des Abbruchs der weiteren Tatausführung fehlen, wenn willensunabhängige Tatumstände das Weiterhandeln unmöglich machen. Solche können gegeben sein, wenn der Täter an der weiteren Tatbegehung wegen unwiderstehlicher innerer Hemmungen, etwa infolge Schocks oder seelischen Drucks gehindert ist (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 10. Mai 1994 - 1 StR 19/94, BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Freiwilligkeit 23; Beschluss vom 15. Oktober 2003 - 1 StR 402/03, BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Freiwilligkeit 28). Entscheidend ist in diesen Fällen, ob der Täter "Herr seiner Entschlüsse" bleibt und die Ausführung seines Tatplans noch für möglich hält (BGH, Beschluss vom 13. Januar 1988 - 2 StR 665/87, BGHSt 35, 184, 186).

Nach diesen Maßstäben brach der Angeklagte die weitere Tatausführung nicht freiwillig ab, vielmehr geriet er in Panik und war nicht mehr in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen, blieb also gerade nicht Herr seiner Entschlüsse. Der Umstand, dass der Angeklagte beim fluchtartigen Verlassen des Geschäfts keine Schmuckstücke an sich nahm, beruhte damit nicht auf einer willensgesteuerten Entscheidung. Ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch der besonders schweren räuberischen Erpressung liegt mithin nicht vor.

b) Auch der Strafausspruch lässt im Ergebnis keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen.

Soweit die Revision geltend macht, das Landgericht habe zu Unrecht die Voraussetzungen der Aufklärungshilfe nach § 46b StGB verneint, kann ihr aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nicht gefolgt werden.

Bei der Strafrahmenwahl hat die Strafkammer die Annahme eines minder schweren Falles nach § 250 Abs. 3 StGB abgelehnt und dazu ausgeführt, auch unter Berücksichtigung der zu seinen Gunsten sprechenden Gesichtspunkte - zu denen es die Entschuldigung des Angeklagten bei der Zeugin D. und sein Bemühen um Wiedergutmachung gezählt hat - handele es sich noch um einen üblichen Fall der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung. Den danach zugrunde zu legenden Strafrahmen des § 250 Abs. 2 StGB hat das Landgericht sodann indes wegen Versuchs nach § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB und wegen der Annahme eines Täter-Opfer-Ausgleichs nach § 46a Nr. 1, § 49 Abs. 1 StGB doppelt gemildert. Dies begegnet insoweit rechtlichen Bedenken, als die Strafkammer sich nicht ausdrücklich dazu verhalten hat, dass nach Ablehnung eines minder schweren Falles auf der Grundlage der allgemeinen Strafzumessungsumstände zunächst weitergehend zu prüfen ist, ob der mildere Sonderstrafrahmen bei zusätzlicher Heranziehung eventuell gegebener gesetzlich vertypter Strafmilderungsgründe eröffnet ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juli 2014 - 3 StR 276/14, juris Rn. 4 mwN).

Der Senat kann jedoch insoweit ausschließen, dass der Strafausspruch zu Ungunsten des Angeklagten auf einem Rechtsfehler beruht. Dies folgt zunächst daraus, dass der doppelt gemilderte Strafrahmen des § 250 Abs. 2 StGB milder ist als derjenige des § 250 Abs. 3 StGB, so dass ein milderer Strafrahmen als der angewandte nur in Betracht käme, wenn das Landgericht unter Heranziehung nur eines vertypten Milderungsgrundes zur Anwendung des § 250 Abs. 3 StGB gelangt wäre und diesen Strafrahmen alsdann erneut (einfach) nach § 49 Abs. 1 StGB gemildert hätte. Dieser Annahme stehen indes die Erwägungen der Strafkammer zur Strafrahmenwahl entgegen: Der Sache nach hat sie sowohl den Umstand, dass die Tat im Versuchsstadium stecken blieb, als auch die Wiedergutmachungsbemühungen des Angeklagten in die Abwägung einbezogen und gleichwohl die Annahme eines minder schweren Falles abgelehnt. Waren damit aber die strafmildernden Umstände, die die vertypten Strafmilderungen begründen, bereits Gegenstand der Abwägung, schließt der Senat aus, dass die Strafkammer ohne Verbrauch beider vertypter Strafmilderungsgründe (vgl. § 50 StGB) zur Annahme eines minder schweren Falls gelangt wäre.

3. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Zu Recht rügt die Beschwerdeführerin, dass die Ausführungen des Landgerichts nicht ausreichen, um die Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs im Sinne von § 46a Nr. 1 StGB zu belegen.

Für einen solchen ist ein kommunikativer Prozess zwischen Täter und Opfer erforderlich, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftaten verursachten Folgen gerichtet sein muss. Aus diesem Grund reicht das einseitige Wiedergutmachungsbestreben durch den Täter ohne den Versuch einer Einbeziehung des Opfers nicht aus. Regelmäßig sind dazu insbesondere Feststellungen erforderlich, wie sich das Opfer zu den Bemühungen des Täters gestellt hat, denn ein erfolgreicher Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne von § 46a Nr. 1 StGB setzt grundsätzlich voraus, dass das Opfer die erbrachten Leistungen oder Bemühungen des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2002 - 1 StR 405/02, BGHSt 48, 134, 142 f. mwN).

Aus den Urteilsgründen ergibt sich zwar, dass der Angeklagte bereits vor der Hauptverhandlung einen Betrag in Höhe von 2.000 € als Entschädigung für die verursachten körperlichen und seelischen Verletzungen über seine Verteidiger an die Geschädigte überweisen ließ und sich zudem vor und in der Hauptverhandlung bei ihr entschuldigte und sie um Verzeihung bat. Es fehlen indes jegliche Angaben dazu, wie die Zeugin D. auf diese Ausgleichsbemühungen reagiert hat.

Solche Darlegungen waren schließlich nicht mit Blick darauf entbehrlich, dass es nach § 46a Nr. 1 StGB ausreichen kann, wenn der Täter die Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt. Denn auch insoweit ist es grundsätzlich erforderlich, dass sich das Opfer auf freiwilliger Grundlage zu einem Ausgleich bereitfindet und sich auf ihn einlässt (BGH, Urteil vom 7. Dezember 2005 - 1 StR 287/05, NStZ 2006, 275, 276 mwN); etwas anderes soll ausnahmsweise etwa dann gelten können, wenn sich die Verweigerung durch das Opfer nicht mehr als Wahrnehmung rechtlich schützenswerter Interessen darstellt (vgl. Schädler, NStZ 2005, 366, 368 f.; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 46a Rn. 10d; kritisch ["zu weitgehend"] insoweit MüKoStGB/Maier, 2. Aufl., § 46a Rn. 28). Angesichts der massiven Gewalteinwirkung und der nachhaltigen Folgen - die Geschädigte befindet sich seit der Tat in psychotherapeutischer Behandlung und ist aufgrund der durch die Tat hervorgerufenen Angstzustände sowohl in ihrer Arbeitstätigkeit als auch im täglichen Leben eingeschränkt - lag auch mit Blick auf die Höhe der geleisteten Zahlung eine solche Fallkonstellation einer nicht zu billigenden Weigerung des Opfers indes fern.

Schäfer Pfister RiBGH Hubert befindet sich im Urlaub und ist deshalb gehindert zu unterschreiben.

Schäfer Mayer Gericke