BGH, Beschluss vom 17.02.2015 - VIII ZR 236/14
Fundstelle
openJur 2015, 8785
  • Rkr:
Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision der Klägerin durch einstimmigen Beschluss gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen.

Gründe

1. Der Beklagte ist seit dem Jahr 2007 Mieter einer Wohnung der Klägerin in Berlin. Die monatliche Miete betrug ab März 2010 378 € (inklusive einer Nebenkostenvorauszahlung von 98 €). Im März 2010 zahlte der Beklagte einen Teilbetrag von 143,38 € nicht. Mit Bescheid vom 30. August 2012 teilte das Jobcenter dem Beklagten mit, dass die Miete ab 1. Oktober 2012 übernommen und direkt an die Klägerin überwiesen werde. Für die Monate November und Dezember 2012 unterblieb die Überweisung des Jobcenters versehentlich. Dies erfuhr der Beklagte erst durch die ihm am 6. Dezember zugegangene fristlose und hilfsweise ordentliche Kündigung vom 5. Dezember 2012. In der dem Beklagten am 20. Februar 2013 zugestellten Klagschrift vom 23. Dezember 2012 wiederholte die Klägerin die Kündigung wegen derselben Rückstände, nämlich der Mieten für die Monate November und Dezember sowie den ausstehenden Teilbetrag aus dem Monat März 2010.

Das Jobcenter überwies die Mieten für November 2012 bis Januar 2013 Mitte Januar 2013; auf den Rückstand aus dem Monat März 2010 zahlte der Beklagte am 31. Januar 2013 100 €.

2. Es besteht kein Grund für die Zulassung der Revision. Das Berufungsgericht hat die Revision - beschränkt auf die Kündigungen vom 6. und 23. Dezember 2012 - mit Rücksicht auf die Frage zugelassen, welche Auswirkungen das Ausbleiben einer vom Jobcenter für den Mieter zu erbringende Transferleistung auf den Zahlungsverzug des Mieters hat. Diese Frage rechtfertigt die Revision nicht (mehr). Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, lässt der Umstand, dass der Schuldner (Mieter) auf behördliche Transferleistungen angewiesen ist, das von ihm nach allgemeinen Grundsätzen zu tragende Risiko eines unverschuldeten Geldmangels nicht entfallen (Senatsurteil vom 4. Februar 2015 - VIII ZR 175/14, zur Veröffentlichung bestimmt).

3. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Die Würdigung des Berufungsgerichts, dass in der hier vorliegenden besonderen Ausnahmesituation - in der der Beklagte erst durch die Kündigung vom 5. Dezember 2012 erfahren hat, dass das Jobcenter entgegen des mehrere Monate zuvor erlassenen Bescheides die angekündigte Direktzahlung der Mieten für die Monate November und Dezember 2012 zunächst nicht vorgenommen hatte - jedenfalls bei der ersten Kündigung ein unverschuldeter Tatsachenirrtum vorlag, der dem Eintritt des Verzuges entgegenstand, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Der danach noch verbleibende Verzug bezüglich des Rückstands aus dem Monat März 2010 rechtfertigte, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, weder die fristlose noch die außerordentliche Kündigung vom 5. Dezember 2012.

Ob auch noch bei Ausspruch der weiteren fristlosen Kündigung vom 23. Dezember 2012 ein unverschuldeter Tatsachenirrtum des Beklagten den Eintritt des Verzuges hinderte, bedarf ebenso wenig einer Entscheidung wie die auch vom Berufungsgericht offen gelassene Frage, ob die materiellen Voraussetzungen einer Zahlungsverzugskündigung nach § 543 Abs. 3 BGB auch noch im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vorliegen müssen. Jedenfalls ist diese Kündigung dadurch unwirksam geworden, dass die Rückstände - bis auf einen geringfügigen Betrag von 43,88 € (der sich möglicherweise noch um eine im Februar 2013 erfolgte Überzahlung um weitere 18 € reduziert) - innerhalb der Schonfrist (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB) nachgezahlt wurden. Zwar erfordert § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB die vollständige Begleichung der Rückstände innerhalb der Schonfrist. Hier ist es aber im Hinblick auf die außergewöhnlichen Umstände ausnahmsweise geboten, den verbleibenden Rückstand mit Rücksicht auf Treu und Glauben (§ 242 BGB) außer Betracht zu lassen. Denn der noch nicht vollständig beglichene Rückstand betraf einen nur geringen Teilbetrag aus einem weit zurückliegenden Zeitraum; die übrigen Rückstände waren weit vor Ende der erst am 20. April 2013 ablaufenden Schonfrist durch die Zahlungen des Jobcenters Mitte Januar und des Beklagten Ende Januar getilgt. Auch sonst waren die Umstände der zunächst ausgebliebenen Zahlung des Jobcenters angesichts des dem Beklagten bereits im August 2012 erteilten gegenteiligen Bescheides außergewöhnlich.

Die mit Schreiben vom 23. Dezember 2012 hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung hat das Mietverhältnis ebenfalls nicht beendet, weil es bezüglich der Mieten für die Monate November und Dezember 2012 an einer schuldhaften Pflichtverletzung des Beklagten im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB fehlt und der weitere (geringfügige) Rückstand keine ordentliche Kündigung rechtfertigt. Da das Jobcenter hinsichtlich der Mietzahlung an den Vermieter nicht als Erfüllungsgehilfe des auf Transferleistungen angewiesenen Mieters anzusehen ist (vgl. Senatsurteil vom 21. Oktober 2009 - VIII ZR 64/09, NJW 2009, 3781 Rn. 27 ff.), kann dem Beklagten das Versäumnis des Jobcenters nicht gemäß § 278 Satz 1 BGB zugerechnet werden.

4. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Achilles Dr. Schneider Kosziol Hinweis:

Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.

Vorinstanzen:

AG Berlin-Mitte, Entscheidung vom 11.02.2014 - 5 C 596/12 -

LG Berlin, Entscheidung vom 24.07.2014 - 67 S 94/14 -