VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31.03.2015 - 10 S 2417/14
Fundstelle
openJur 2015, 8373
  • Rkr:

1. Es ist offen und in einem Hauptsacheverfahren klärungsbedürftig,

1.1 ob die Neuregelung des § 4 Abs. 3 StVG n.F. über die Löschung von Punkten bei Erteilung einer Fahrerlaubnis auch dann gilt, wenn die Fahrerlaubnis vor dem Inkrafttreten der Neuregelung (01.05.2014) erteilt worden ist, und

1.2 ob das Tattagprinzip bei Zuwiderhandlungen vor dem 01.05.2014 zumindest dann im Verhältnis zur Übergangsvorschrift des § 65 Abs. 3 Nr. 3 StVG n.F. vorrangig zu berücksichtigen ist, wenn das dort vorgesehene Abstellen auf den späteren Zeitpunkt der Eintragung im Fahreignungsregister zu Lasten des Betroffenen zu einer Punkteerhöhung führen würde.

2. Die gesetzgeberische Wertung, dass die Erteilung einer Fahrerlaubnis eine die Löschung bis dahin angefallener Punkte rechtfertigende positive Eignungsbeurteilung enthält, ist jedenfalls bei der Beurteilung des Gefährdungspotentials im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen.

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 2. Dezember 2014 - 1 K 2386/14 - geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 15.10.2014 wird angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig (§§ 146, 147 VwGO) und begründet.

Auf der Grundlage der Beschwerdebegründung, auf deren Prüfung das Beschwerdegericht nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, hat die Beschwerde Erfolg. Die in der Beschwerdebegründung noch hinreichend dargelegten Gründe führen dazu, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die kraft Gesetzes (4 Abs. 9 StVG in der ab dem 01.05.2014 geltenden Fassung - StVG n.F.) sofort vollziehbare Verfügung des Antragsgegners vom 15.10.2014 anzuordnen ist. Auch bei einer Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO hat das Gericht eine Abwägung vorzunehmen zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verfügung und dem Interesse des Betroffenen, bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens von Vollzugsmaßnahmen verschont zu bleiben, bei der aber die gesetzgeberische Entscheidung für den grundsätzlichen Vorrang des Vollzugsinteresses zu beachten ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., § 80 Rn. 114, 152a m.w.N.). Bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage sind die Erfolgsaussichten des Widerspruchs des Antragstellers und einer eventuell nachfolgenden Anfechtungsklage zumindest offen (dazu unter 1.). Eine von den Erfolgsaussichten der Hauptsache unabhängige Interessenabwägung führt nicht zu dem Ergebnis, dass dem öffentlichen Interesse an der gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehung der Vorrang einzuräumen ist (dazu unter 2.).

1. Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der abschließenden Entscheidung der handelnden Verwaltungsbehörde, also der Zeitpunkt des Erlasses des - hier noch ausstehenden - Widerspruchsbescheids. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bestimmt sich der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts nicht nach dem Prozessrecht, sondern richtet sich nach dem jeweiligen materiellen Recht. Im Zweifel gilt die Regel, dass bei Verwaltungsakten ohne Dauerwirkung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgebend ist, soweit sich aus dem einschlägigen materiellen Recht keine abweichende gesetzgeberische Entscheidung ergibt (im Grundsatz ständige Rechtsprechung, siehe etwa BVerwG, Urteil vom 06.04.2000 - 3 C 6.99 - DVBl. 2000, 1614; Senatsurteil vom 14.05.2012 - 10 S 2693/09 - VBlBW 2012, 431). Allerdings kommen dem einschlägigen materiellen Recht zu entnehmende Modifikationen in Bezug auf einzelne Tatbestandsmerkmale in Betracht, so hier insbesondere mit Blick auf das nunmehr in § 4 Abs. 2 Satz 3, Abs. 5 Sätze 5 bis 7 StVG in der Fassung vom 28.08.2013 (BGBl. I S. 3313) bzw. vom 28.11.2014 (BGBl. I S. 1802) geregelte Tattagprinzip einerseits und die Übergangsvorschrift des § 65 Abs. 3 Nr. 3 StVG andererseits (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 02.09.2014 - 10 S 1302/14 - NJW 2015, 186).

Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragstellers ist § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG n.F. Danach ist die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen, wenn sich acht oder mehr Punkte ergeben und sich der Fahrerlaubnisinhaber damit unwiderlegbar als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat. Bei Umstellung auf das neue Fahreignungs-Bewertungssystem mit Ablauf des 30.04.2014 waren für den Antragsteller im Verkehrszentralregister 16 Punkte gespeichert, die grundsätzlich nach der Übergangsregelung des § 65 Abs. 3 Nr. 4 StVG n.F. mit 7 Punkten in das Fahreignungs-Bewertungssystem überzuleiten waren. Nach dieser Vorschrift sind vor dem 01.05.2014 im Verkehrszentralregister gespeicherte Verkehrszuwiderhandlungen in das Fahreignungs-Bewertungssystem nach Maßgabe der einschlägigen Tabelle einzuordnen, und die erreichte Stufe wird für Maßnahmen nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem zugrunde gelegt (§ 65 Abs. 3 Nr. 4 Sätze 1 und 2 StVG n.F.), wobei die Einordnung allein nicht zu einer Maßnahme nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem führt (§ 65 Abs. 3 Nr. 4 Satz 3 StVG n.F.). Danach war der vom Antragsteller nach altem Recht erreichte Punktestand an sich auf 7 Punkte umzurechnen; er war mit der Stufe „2: Verwarnung“ nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG n.F. in das Fahreignungs-Bewertungssystem einzuordnen und diese Stufe ist Maßnahmen wie der Fahrerlaubnisentziehung nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG n.F. zugrunde zu legen. Allerdings wirft die Punktewertung bzw. deren Überführung in das Fahreignungs-Bewertungssystem im vorliegenden Fall Fragen auf, deren abschließende Klärung dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten ist.

1.1 Der Antragsteller macht sinngemäß geltend, die - erstmalige - Erteilung der Fahrerlaubnis der Klasse B am 15.05.2012 nach Vorlage eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens verwehre einen Rückgriff auf die von ihm wegen zwischen dem 11.04.2004 und 28.05.2010 begangener und rechtskräftig geahndeter Straftaten angesammelten Punkte, so dass er jedenfalls nach dem neuen Fahreignungs-Bewertungssystem unterhalb von 8 Punkten liege. Dieses Vorbringen ist nicht von vornherein unplausibel. Zwar hat die Erteilung der Fahrerlaubnis nach altem Recht nicht dazu geführt, dass die Punkte für die zuvor begangenen und - wie hier und vom Antragsteller nicht substantiiert in Zweifel gezogen - für sich genommen nicht tilgungsreifen Zuwiderhandlungen zu löschen gewesen wären. Dies ergab sich aus dem gebotenen Umkehrschluss aus § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG a.F., wonach nur die Entziehung der Fahrerlaubnis oder die Anordnung einer Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB die Löschung der zuvor angesammelten Punkte zur Folge hatte (vgl. dazu auch Senatsurteil vom 20.09.2011 - 10 S 2850/10 - VBlBW 2012, 307; bestätigt durch BVerwG, Urteil vom 27.09.2012 - 3 C 33/11 - NJW 2013, 552: keine analoge Anwendung bei Versagung einer Fahrerlaubnis). Demgegenüber führt die zum 01.05.2014 in Kraft getretene Neuregelung in § 4 Abs. 3 StVG n.F. dazu, dass die Erteilung einer Fahrerlaubnis die Löschung von zuvor angesammelten Punkten zur Folge hat. Ob diese Regelung nur bei ab dem 01.05.2014 erteilten Fahrerlaubnissen oder auch bereits für Fälle gelten soll, in denen eine Fahrerlaubnis vor dem 01.05.2014 erteilt worden ist, kann den punktuellen, diese Fragestellung nicht explizit thematisierenden Übergangsvorschriften in § 65 StVG n.F. nicht zweifelsfrei entnommen werden. Zwar knüpft die Umrechnungsvorschrift des § 65 Abs. 3 Nr. 4 StVG n.F. an den Punktestand an, der unter der Geltung des alten Rechts bis zum 30.04.2014 erreicht worden ist. Dies schließt aber die Annahme einer prioritären Eliminierung von Punkten - hier auf Grund des § 4 Abs 3 StVG n.F. - vor der Umrechnung möglicherweise nicht aus, wie sie der Senat für den Anwendungsbereich des § 65 Abs. 3 Nr. 1 StVG n.F. erwogen hat (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 02.09.2014 - 10 S 1302/14 - a.a.O.). Gegebenenfalls wären auch einschränkende Konsequenzen für die Anwendung der Folgeregelung in § 65 Abs. 3 Nr. 2 StVG n.F. zu bedenken.

1.2 Fraglich und im auf summarische Rechtsprüfung ausgelegten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ebenfalls nicht abschließend zu klären ist ferner, ob - wie vom Antragsgegner angenommen - aufgrund eines weiteren Geschwindigkeitsverstoßes vom 25.04.2014 sich für den Antragsteller ein zusätzlicher Punkt nach dem neuen Fahreignungs-Bewertungssystem ergeben hat und mithin die Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG n.F. vorliegen. Nach der vom Antragsgegner herangezogenen Übergangsregelung des § 65 Abs. 3 Nr. 3 n.F. StVG sind dieses Gesetz und die aufgrund des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe s StVG erlassene Rechtsverordnung in der ab 01.05.2014 geltenden Fassung anzuwenden auf Entscheidungen, die bis zum Ablauf des 30.04.2014 begangene Zuwiderhandlungen ahnden und erst ab dem 01.05.2014 im Fahreignungsregister gespeichert werden. Dies trifft für die Verkehrsordnungswidrigkeit des Antragstellers vom 25.04.2014 zu, die vor dem 01.05.2014 begangen, aber erst nach dem 01.05.2014 (nämlich am 19.08.2014) ins Fahreignungsregister eingetragen wurde, nachdem die Entscheidung hierüber am 06.08.2014 rechtskräftig geworden ist. Daraus ergibt sich bei dem vom Antragsgegner und vom Verwaltungsgericht vertretenen Normverständnis der Übergangsvorschrift des § 65 Abs. 3 Nr. 3 StVG n.F. ein Punktestand im Fahreignungsregister von 8 Punkten, da der Geschwindigkeitsverstoß vom 25.04.2014 sowohl nach altem als auch nach neuem Recht mit einem Punkt bewertet ist.

Zweifelhaft bleibt jedoch, in welchem systematischen Verhältnis die Übergangsvorschrift des § 65 Abs. 3 Nr. 3 StVG n.F. zum sogenannten Tattagprinzip steht. Hat der Inhaber einer Fahrerlaubnis einen Punktestand erreicht, der nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG n.F. die mangelnde Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zur Folge hat, ist eine danach eintretende Tilgung von Punkten im Fahreignungsregister oder eine Punktereduzierung für die Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung ohne Bedeutung. Mit der Begehung einer Tat, die zum Erreichen von acht Punkten und mehr im Fahreignungsregister führt, obwohl die vorgelagerten Stufen des Maßnahmenkatalogs des § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG n.F. durchlaufen worden sind, greift mithin die unwiderlegliche Vermutung der fehlenden Kraftfahreignung ein, die zwingend zur Entziehung der Fahrerlaubnis führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.09.2008 - 3 C 21.07 -BVerwGE 132, 57; Senatsbeschlüsse vom 07.12.2010 - 10 S 2053/10 - NJW 2011, 2311; sowie vom 03.06.2014 - 10 S 744/14 - NJW 2014, 2600). Der Gesetzgeber hat sich bewusst für die Beibehaltung des in der Rechtsprechung entwickelten Tattagprinzips entschieden und dieses nunmehr ausdrücklich gesetzlich geregelt (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 3, Abs. 5 Sätze 5 bis 7 StVG n.F.). Wie sich der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des Vierten Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze vom 06.03.2013 entnehmen lässt, hat sich der Gesetzgeber bewusst für die Normierung des sogenannten kombinierten Tattag- und Rechtskraftprinzips entschieden, unter anderem um die nötige Transparenz für den Fahrerlaubnisinhaber und die Vorhersehbarkeit der mit dem Fahreignungs-Bewertungssystem vorgesehenen Maßnahmen für die Betroffenen sicherzustellen (vgl. BT-Drs. 17/12636, S. 19 ff.). Gerade der in der Begründung des Gesetzentwurfs hervorgehobene, auch in der Schaffung eines Auskunftsanspruchs des Betroffenen nach § 30 Abs. 8 StVG n.F. zum Ausdruck kommende Gesichtspunkt der Transparenz und der Vorhersehbarkeit von Maßnahmen für den Betroffenen, der regelmäßig den Tattag der von ihm begangenen Zuwiderhandlungen kennt, könnte dafür sprechen, dass sich in Anwendung des Tattagprinzips bereits mit Begehung der Ordnungswidrigkeit vom 25.04.2014 17 Punkte nach altem und nach Umrechnung nur 7 nach neuem Recht ergeben haben. Indes kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass das Tattagprinzip grundsätzlich den Vorrang vor der nach dem Wortlaut einschlägigen Übergangsregelung des § 65 Abs. 3 Nr. 3 StVG n.F. genießt. Denn das Tattagprinzip in seiner von der Rechtsprechung vorgenommenen Ausgestaltung betrifft zunächst lediglich die Fragestellung, ob spätere Tilgungen und Punktereduzierungen - sei es vor, sei es nach dem Erlass der Entziehungsverfügung - deren Rechtmäßigkeit berühren. Andererseits stellt die erstmalige Normierung des Tattagprinzips, möglicherweise darüber hinausgehend, in § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG n.F. explizit auf die Begehung der Straftat oder Ordnungswidrigkeit für das Entstehen von Punkten ab, und § 4 Abs. 5 Satz 5 n.F. StVG gibt der Fahrerlaubnisbehörde für das Ergreifen von Maßnahmen nach Satz 1 ausdrücklich vor, den Punktestand zum Zeitpunkt der Begehung der letzten einschlägigen Tat heranzuziehen. Demgegenüber erscheint die mit der Übergangsvorschrift des § 65 Abs. 3 Nr. 3 StVG n.F. offenbar allein aus verwaltungspraktischen Erwägungen vorgenommene Abweichung vom Tattagprinzip, die zu mit dem Transparenz- und Voraussehbarkeitsanliegen der Gesetzesnovellierung schwerlich kompatiblen Zufallsergebnissen zu Lasten des Betroffenen führen kann, tendenziell inkonsistent (vgl. die lapidare Begründung für die Übergangsregelung in BT-Drs. 17/12636, S. 50). Gleichwohl bleibt zweifelhaft und weiterer Klärung bedürftig, ob das Tattagprinzip die in § 65 Abs. 3 Nr. 3 n.F. StVG für die Überleitungsproblematik ausdrücklich getroffene Regelung überspielen kann (vgl. zur ähnlich gelagerten Problematik im Kontext der Löschungsregelung des § 65 Abs. 3 Nr. 1 StVG n.F. Senatsbeschluss vom 02.09.2014 - 10 S 1302/14 - a.a.O.).

Nach alldem bestehen Zweifel, ob das materielle Recht gebietet, bei der noch ausstehenden Widerspruchsentscheidung in der vorliegenden Konstellation auf den Zeitpunkt der Tatbegehung abzustellen. Die aufgeworfenen Rechtsfragen sind jedenfalls nicht ohne weiteres zu Lasten des Antragstellers zu beantworten und bedürfen einer Klärung im Verfahren der Hauptsache (ähnlich Sächs. OVG, Beschluss vom 31.07.2014 - 3 B 152/14 - juris).

2. Der Senat geht davon aus, dass auch die Interessenabwägung im Übrigen nicht die Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung gebietet. Nach Aktenlage hatte der Antragsteller allerdings von 2004 bis 2010, vor allem wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, einen Punktestand von weit über 18 Punkten nach altem Recht im Verkehrszentralregister erreicht, der gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 a.F. StVG nur deshalb auf 13 Punkte zu reduzieren war, weil die Fahrerlaubnisbehörde vor der Erteilung der Fahrerlaubnis keine Maßnahmen nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 a.F. StVG ergriffen hatte. Gleichwohl wurde dem Antragsteller aber am 15.05.2012 nach einer medizinisch-psychologischen Untersuchung mit für ihn positivem Ausgang eine Fahrerlaubnis erteilt. Dies hätte bei Anwendbarkeit des neuen Rechts, wie oben (1.1) ausgeführt, gemäß § 4 Abs. 3 Sätze 1 und 2 StVG n.F. zur Löschung der bis dahin erreichten Punkte geführt. Auch wenn eine unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift auf vor dem 01.05.2014 erteilte Fahrerlaubnisse zweifelhaft sein mag, ist ihr doch die gesetzgeberische Wertung zu entnehmen, dass die Erteilung der Fahrerlaubnis eine positive Eignungsbewertung enthält und der Rückgriff auf davor liegende Verkehrsverstöße bzw. Punkte grundsätzlich einen Wertungswiderspruch darstellen würde (vgl. dazu die Begründung im Regierungsentwurf, BT-Drs. 17/12636, S. 39 f.). Dies legt es nahe, auch bei der Beurteilung des Gefährdungspotentials des Fahrerlaubnisinhabers im Rahmen der Interessenabwägung jedenfalls primär auf das Verkehrsverhalten in der Folgezeit nach der Erteilung der Fahrerlaubnis abzustellen.

Danach ist von zwei Verkehrsverstößen des Antragstellers auszugehen, die es bei einer Gesamtbetrachtung noch nicht geboten erscheinen lassen, den Antragsteller mit sofortiger Wirkung von der Verkehrsteilnahme auszuschließen. Der Antragsteller hat nach Erteilung der Fahrerlaubnis vom 15.05.2012 zwar zunächst am 12.11.2012 eine mit 3 Punkten zu Buche schlagende Verkehrsordnungswidrigkeit in Gestalt des Fahrens mit einem überladenen Anhänger begangen. Er hat jedoch zwischenzeitlich (vom 25.10.2013 bis 12.11.2013) an der von der Fahrerlaubnisbehörde auf der Grundlage von § 4 Abs. 3 Nr. 2 StVG a.F. angeordneten Maßnahme eines Aufbauseminars teilgenommen. Hinzugekommen ist seither allerdings noch eine weitere Verkehrsordnungswidrigkeit in Gestalt der Geschwindigkeitsüberschreitung am 25.04.2014 um 23 km/h, die nach altem wie nach neuem Recht aber nur mit einem Punkt und damit als nicht besonders gravierend einzustufen war. Da der Antragsteller sich auch - nicht zuletzt durch das vorliegende Entziehungsverfahren - der Gefahr des Verlustes der Fahrerlaubnis bei weiteren Verkehrszuwiderhandlungen und der damit einhergehenden einschneidenden beruflichen Konsequenzen bewusst geworden sein dürfte, hält der Senat beim jetzigen Erkenntnisstand eine Suspendierung der Entziehungsverfügung für angemessen. Nach allem kommt hier daher dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung entgegen der gesetzlichen Grundentscheidung kein Vorrang gegenüber den hiermit verbundenen erheblichen Folgen für die berufliche und private Lebensführung des Antragstellers zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren findet ihre Grundlage in § 63 Abs. 2, § 47 sowie § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen Nrn. 1.5 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (Sonderbeilage VBlBW vom Januar 2014).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.