OLG Stuttgart, Urteil vom 11.08.2011 - 7 U 73/11
Fundstelle
openJur 2015, 9035
  • Rkr:
Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart - 22 O 582/10 - vom 11.03.2011 wird

z u r ü c k g e w i e s e n .

2. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen, soweit die Rechtsfrage betroffen ist, ob die Vorschrift des § 5a Abs. 2 S. 4 VVG in der Fassung vom 21.07.1994 für die Zeit 29.07.1994 - 31.07.2001 den Regelungen der Europäischen Union entsprochen hat.

Berufungsstreitwert: 12.598,43 EUR

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts Stuttgart, mit dem ihre Klage auf Rückzahlung von geleisteten Versicherungsbeiträgen nebst Nebenforderungen abgewiesen wurde. Mit der Berufung verfolgt sie ihre Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung nebst Nebenforderungen wegen der aus ihrer Sicht nicht anwendbaren Vorschrift des § 5 a VVG a. F. weiter.

Die Klägerin stellte bei der … am 17.01.1996 (Anlage B 1, Bl. 98 ff.) einen Antrag auf Abschluss einer Kapitallebensversicherung mit Unfall- und Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Als Versicherungssumme wurden unter anderem für den Erlebensfall 50.000 DM mit dynamischem Zuwachs vereinbart. Der Versicherungsantrag enthält unter der Ziffer 22 eine Widerspruchsbelehrung (Anlage B 1, Bl. 100). Die … stellte am 23.01.1996 entsprechend dem Versicherungsantrag einen Versicherungsschein aus, in dem ebenfalls eine Widerspruchsbelehrung enthalten ist (Anlage K 1, Bl. 29 ff.). Die Klägerin erhielt im Januar 1996 den Versicherungsschein vom 23.01.1996. Als Versicherungsbeginn wurde der 01.02.1996 vereinbart. Die Versicherungsdauer sollte 31 Jahre betragen. Der anfängliche monatliche Beitrag betrug 118,50 DM.

Die Klägerin bezahlte am 01.02.1996 die erste Versicherungsprämie. Mit Anwaltsschreiben vom 21.07.2010 (Anlage K 2, Bl. 33 ff.) ließ die Klägerin für den von ihr geschlossenen Versicherungsvertrag unter anderem den „Widerspruch“ gem. § 5a VVG a. F. erklären und verlangte von der Beklagten die Rückzahlung der gezahlten Beiträge. Hilfsweise wurde im genannten Anwaltsschreiben der Versicherungsvertrag widerrufen und die Kündigung erklärt (Anlage K 2, Bl. 33 ff.). Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin insgesamt 14.103,41 EUR bezahlt. Die Beklagte behandelte das Schreiben vom 21.07.2010 als Kündigung des Versicherungsvertrages und zahlte einen Rückkaufswert in Höhe von 10.912,14 EUR an die Klägerin aus.

Die Versicherung ging auf Versichererseite auf die Beklagte über.

Die Klägerin hat im ersten Rechtszug unter anderem behauptet, sie habe mit dem Versicherungsschein nicht die allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformationen erhalten. Die Beklagte habe den Zugang der nach § 10a VAG a. F. notwendigen Verbraucherinformationen nicht beweisen können. Sie macht die Differenz der gezahlten Prämien zum Rückkaufswert in Höhe von 3.191,29 EUR, Zinsverluste in Höhe von 9.407,14 EUR und außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.574,85 EUR geltend.

Die Klägerin ist der Rechtsauffassung, dass § 5 a VVG a. F. europarechtswidrig sei und daraus ein unbefristetes („ewiges“) Widerspruchsrecht des Versicherungsnehmers folge. Ferner ist sie der Ansicht, dass ihr ein Widerrufsrecht infolge eines entgeltlichen Zahlungsaufschubs zustehe. Im Übrigen wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Klägerin stünden keine Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung gem. § 812 Abs. 1 BGB wegen Widerspruchs gem. § 5 a VVG a.F. zu. Ihr habe auch kein Widerrufsrecht nach § 499 Abs. 1 in Verbindung mit § 495 BGB zugestanden. Schließlich könne sie keinen Schadensersatzanspruch gem. § 280 Abs. 1 i.V.m. §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB wegen behaupteter Fehlberatung geltend machen. Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Die Berufung verfolgt die erstinstanzlichen Anträge teilweise weiter. Die Beklagte habe als Versicherung einen „Zahlungsaufschub“ gewährt. Ein Zahlungsaufschub liege vor allem bei einem vertraglichen Hinausschieben der Fälligkeit in Abweichung zu einer gesetzlichen Fälligkeit vor. Die Klägerin habe Ansprüche aus dem erst 2010 erklärten Widerspruch nach § 5a VVG a. F., weil sie diesen auch nach Ablauf der Einjahres-Frist gem. § 5a Abs. 2 S. 4 VVG a. F. noch habe ausüben dürfen. Der deutsche Gesetzgeber sei zuletzt ebenfalls von einer Europarechtswidrigkeit des § 5a VVG a. F. ausgegangen.

Die Klägerin beantragt:

Unter Abänderung des am 11.03.2011 verkündeten Urteils des Landgerichts Stuttgart, Az. 22 O 582/10:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12.598,43 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.10.2010 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Rechtsanwaltskosten für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 1.574,85 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil. Entgegen der Behauptung der Klägerin gehe auch die aktuelle obergerichtliche Rechtsprechung fast einhellig mit der herrschenden Literaturmeinung von der Europarechtskonformität des § 5 a VVG a. F. aus. Ein Bereicherungsanspruch gem. § 812 BGB bestünde nicht, weil die rechtlichen Voraussetzungen für die Annahme eines Teilzahlungsgeschäftes nicht vorlägen. Die Beklagte habe auch keinen Ratenzahlungszuschlag erhoben.II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils wird zunächst Bezug genommen.

1. Der Klägerin stehen keine Bereicherungsansprüche nach Widerruf des Vertrages zu.

Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Herausgabe der Beiträge nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB sowie auf Nutzungsersatz nach § 818 Abs. 1 Alt. 1 BGB, weil sie den Versicherungsvertrag widerrufen und aus diesem Grund die Beiträge ohne rechtlichen Grund gezahlt hätte.

Ein Widerrufsrecht stand der Klägerin nicht zu.

Ein Widerrufsrecht aus §§ 499 Abs. 1, 495 Abs. 1 BGB besteht auch dann nicht, wenn dem neuen und nicht mehr zuzulassenden Vortrag der Klägerin ein behaupteter entgeltlicher Zahlungsaufschub unterstellt würde.

Im Übrigen war die Klägerin nicht nach §§ 499 Abs. 1, 495 Abs. 1 BGB a. F. (vgl. Art. 229 § 22 Abs. 3, § 5 Satz 2 EGBGB) zum Widerruf nach § 355 a. F. BGB berechtigt.

Ein Widerrufsrecht aus §§ 499 Abs. 1, 495 Abs. 1 BGB stand der Klägerin deshalb nicht zu, weil die Beklagte ihr mit der Möglichkeit monatlicher statt jährlicher Beitragszahlung keinen entgeltlichen Zahlungsaufschub zu den Verbindlichkeiten aus dem Versicherungsvertrag gewährte.

Ein Zahlungsaufschub ist das Hinausschieben der vereinbarten Fälligkeit der vom Verbraucher geschuldeten Zahlung gegenüber der sich aus dem dispositiven Recht ergebenden Leistungszeit, um ihm die Zahlung des vereinbarten Preises zu erleichtern (BGH, Urteil vom 11.07.1996, Az. III ZR 242/95 = NJW-RR 1996, 1266; MüKo, Schürnbrand, § 499 BGB, Rn. 8), wobei eine bloße Fälligkeitsvereinbarung nicht genügt (Palandt, Weidenkaff, Vor § 499 BGB, Rn. 3).

Generell ist bei Dauerschuldverhältnissen davon auszugehen, dass die Zahlung entsprechend der Leistung der ständig neu entstehenden Leistungspflichten während der Dauer der Rechtsbeziehung zu erfolgen hat. Daher liegt kein Zahlungsaufschub vor, wenn der Anbieter der Leistung nach Zeitabschnitten gestaffelte Tarife gewährt, auch wenn sie unterschiedlich hoch sind, solange er damit nicht zugunsten des Zahlungsverpflichteten vom dispositiven Recht abweicht (BGH, Urteil vom 16.11.1995, Az. I ZR 177/93 = NJW 1996, 457; BGH, Urteil vom 11.07.1996, Az. III ZR 242/95 = NJW-RR 1996, 1266). Entwickelt hat die Rechtsprechung diesen Grundsatz zwar für Dienstverträge, deren Vergütung nach § 614 BGB ohnehin nach Leistung der Dienste bzw. nach Ablauf der jeweiligen Zeitabschnitte zu entrichten ist.

Auch bei Versicherungsverträgen, bei denen der Versicherer für eine bestimmte oder unbestimmte Zeit kontinuierlichen Versicherungsschutz bietet, handelt es sich aber um vergleichbare Dauerschuldverhältnisse.

Die Parteien haben keine zugunsten der Klägerin vom dispositiven Recht abweichende Bestimmung der Fälligkeit vorgenommen. Sie vereinbarten schlicht von vornherein monatlich fällige Prämien, ohne von einer nach dispositivem Recht vorgesehenen – im voraus – jährlichen Fälligkeit abzuweichen. Denn eine solche gesetzliche Regelung gibt es nicht. Die einzige gesetzliche Fälligkeitsregelung für Versicherungsprämien findet sich in § 35 VVG a.F. Dieser bezieht sich jedoch nur auf Einmal- bzw. Erstprämien. Fälligkeitsregelungen zu Folgeprämien trifft das VVG nicht (Hahn in: Beckmann/Matusche-Beckmann VersR-Hdb., 2. Auflage, § 12, Rn. 26; Wandt, VersR, 5. Auflage, Rn. 507 zwar jeweils zum neuen, aber materiell insoweit unveränderten Recht; s. auch Hadding, VersR 2010, 697 [700 f.]; Looschelders, VersR 2010, 977 [979 f.]).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 9 VVG a.F. Danach gilt zwar als Versicherungsperiode, falls die Prämie nicht nach kürzeren Zeitabschnitten bemessen ist, der Zeitraum eines Jahres. Die Versicherungsperiode enthält jedoch keine Regelung zur Fälligkeit der jeweiligen Prämien, sondern dient hinsichtlich der Prämien lediglich als Bemessungsgrundlage, also ihrer Berechnung (Fausten in: Langheid/Wandt, § 12 VVG, Rn. 18; Hadding, VersR 2010, 697 [700]; Looschelders, VersR 2010, 977 [979 f.]; Wandt, VersR, 5. Auflage, Rn. 499). Der Versicherungsperiode ist auch keine Bestimmung der Leistungszeit im Sinn des § 271 Abs. 1 BGB zu entnehmen. Die Bemessung der Prämie anhand der Versicherungsperiode beruht letztlich auf Praktikabilitätserwägungen, da die Prämien insbesondere bei Zeitversicherungen und auf unbestimmte Zeit laufenden Versicherungen auf irgendeiner objektiven Grundlage berechnet werden müssen (vgl. auch Fausten aaO, Rn. 5). Darüber hinausgehende, materiell-rechtliche Wirkungen zur Fälligkeit sind an sie nicht geknüpft.

Die abweichende Ansicht, dass sich aus § 9 VVG a. F. eine Fälligkeitsregelung ergibt, wonach die Prämien entsprechend der – üblicherweise – jährlichen Versicherungsperiode jährlich im Voraus fällig werden (MüKo, Schürnbrand, § 499 BGB, Rn. 10; Staudinger 2004, § 499 BGB, Rn. 9) verkennt den Unterschied zwischen Bemessungsgrundlage und Fälligkeit. Auch aus § 271 Abs. 1 BGB lässt sich nicht auf die Fälligkeit der Beiträge für die gesamte Versicherungsperiode zu deren Beginn schließen. Denn § 271 Abs. 1 BGB sieht die sofortige Fälligkeit nicht als Grundsatz vor, von dem eine Abweichung möglich ist, sondern lediglich subsidiär für den Fall, dass vertragliche Vereinbarungen nicht bestehen (so auch MüKo, Krüger, § 271 BGB, Rn. 1, 33; nach Looschelders, VersR 2010, 977 [980] passt § 271 BGB auf Dauerschuldverhältnisse nicht). Im gleichen Sinne ist § 9 VVG a. F. als eine im Zweifelsfall zur Auslegung eines Versicherungsvertrages heranzuziehende Norm anzusehen (Berliner Kommentar zum VVG § 9 Rn. 1, Bruck/ Möller, VVG, 9. Auflage, § 12 Rn 2).

Hier haben die Parteien eine Vereinbarung zur monatlichen Fälligkeit im Versicherungsvertrag getroffen. Dabei handelt es sich nicht um eine Abweichung vom dispositiven Recht, sondern um dessen Ausfüllung.

Deswegen lässt sich daraus, dass Versicherungsverträge aus dem Anwendungsbereich weder des Verbraucherkreditgesetzes noch des § 499 BGB a. F. (und auch nicht des § 506 BGB n. F.) nicht ausdrücklich ausgenommen sind, entgegen der Berufung, auch kein Schluss auf einen entgeltlichen Zahlungsaufschub bei unterjähriger Prämienzahlung ziehen. Denn ein Ausschluss wäre nur erforderlich gewesen, wenn die Voraussetzungen der Anwendung des Gesetzes sonst gegeben wären. Daher hat der Gesetzgeber folgerichtig lediglich in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 11/5462 S. 17) darauf hingewiesen, dass Dauerschuldverhältnisse mit eigenen Tarifen für unterschiedliche Zahlungsweise wie etwa Versicherungsverträge nicht in den Anwendungsbereich fallen.

Auch aus dem Anerkenntnisurteil des Bundesgerichtshofs vom Juli 2009 (Az. I ZR 122/07), mit dem das Urteil des Landgerichts Bamberg vom 18.01.2006 wiederhergestellt wurde, lässt sich nicht entnehmen, dass der Bundesgerichtshof bei unterjähriger Prämienzahlung von einem entgeltlichen Zahlungsaufschub ausgeht. Zum einen ging es im dortigen Verfahren um einen Anspruch auf Unterlassung und zwar einer anderslautenden Klausel. Zum anderen kann das Anerkenntnis auf gänzlich anderen Gesichtspunkten beruhen.

2. Die Klägerin hat keinen Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB wegen behaupteten Wegfalls des Versicherungsvertrages mittels „Widerspruchs“ gem. § 5a Abs. 1 VVG a. F. (in der Fassung vom 21.07.1994 für die Zeit vom 29.07.1994 - 31.07.2001) nach Ablauf der Widerspruchsfrist.

Die Klägerin wurde sowohl im Versicherungsantrag (Anlage B 1) als auch im Versicherungsschein (Anlage K 1) über das Widerspruchsrecht gem. § 5a VVG a. F. schriftlich und drucktechnisch in ausreichend deutlicher Form belehrt. Dahinstehen kann, ob diese Belehrung im Übrigen ausreichend ist. Denn der erst 2010 erklärte Widerspruch ist jedenfalls gem. § 5a Abs. 2 S. 4 VVG a. F. verfristet, weil die Klägerin die erste Versicherungsprämie bereits am 01.02.1996 bezahlt hat.

a) Anwendbares Recht

Bei dem 1996 abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag handelt es sich um einen Altvertrag nach Art. 1 Abs. 1 EGVVG, auf den das Versicherungsvertragsgesetz in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung anzuwenden ist. Gemäß § 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG a. F., in der vom 29.07.1994 - 31.07.2001 geltenden Gesetzesfassung, galt für den Fall, dass der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10 a VAG a. F. unterlassen hat, der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation als geschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von vierzehn Tagen nach Überlassung der Unterlagen in Textform widersprach (die 30-Tage-Frist gem. § 5 a Abs. 2 S. 2 VVG a. F. in der zuletzt geltenden Fassung bis 31.12.2007 galt für den vorliegenden Fall nicht, weil diese besondere Widerspruchsfrist für Lebensversicherungsverträge erst durch Art. 6 des Gesetzes vom 02.12.2004 normiert wurde).

b) Zustandekommen des Vertrages

aa) Vorliegend ist der Versicherungsvertrag nicht schon mit der Übersendung des Versicherungsscheins vom 23.01.1996 zustande gekommen, sondern der Vertrag wurde gemäß § 5a Abs. 1 und Abs. 2 VVG a. F. nach Ablauf der Frist des § 5a Abs. 2 S. 4 VVG a. F. rückwirkend wirksam. Weil die Klägerin im Zeitpunkt ihrer Antragstellung die AVB und die Verbraucherinformation nicht übergeben bekommen hatte, war ein Fall des § 5a Abs. 1 S. 1 VVG a. F. gegeben. Trotz der übereinstimmenden Willenserklärungen beider Vertragsparteien war der dadurch geschlossene Vertrag zunächst schwebend unwirksam und hätte durch einen rechtzeitigen Widerspruch der Klägerin endgültig unwirksam werden können.

bb) Nach § 5a Abs. 1 VVG a. F. wurde der schwebend unwirksame Vertrag mit Ablauf der Ein-Jahres-Frist des § 5a Abs. 2 S. 4 VVG a. F. endgültig rückwirkend wirksam. Nach § 5 a Abs. 1 VVG a. F. wurde der schwebend unwirksame Vertrag spätestens im März 1997 endgültig wirksam, da die Klägerin die Erstprämie am 01.02.1996 bezahlt hat.

c) Kein Verstoß des sog. Policenmodells gegen Europarecht

Die Regelungen des § 5 a Abs. 1 und 2 VVG a. F. sind unter Berücksichtigung des europäischen Rechts nicht zu beanstanden.

aa) Kein Verstoß gegen die Richtlinien 92/96 EWG und 2002/83/EG

§ 5 a VVG a. F. setzt weder Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96 EWG des Rates vom 10. November 1992 noch Art. 36 Abs. 1 der ablösenden Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 fehlerhaft um. Die genannten Richtlinien-Bestimmungen haben folgenden Wortlaut:

"Vor Abschluss des Versicherungsvertrages sind dem Versicherungsnehmer mindestens die in Anhang II Buchstabe A aufgeführten Angaben mitzuteilen" bzw. "Vor Abschluss des Versicherungsvertrages sind dem Versicherungsnehmer mindestens die in Anhang III Buchstabe A aufgeführten Angaben mitzuteilen".

Hiergegen verstößt § 5 a VVG a. F. nicht.

aaa) Gem. § 5 a Abs. 1 S. 1 VVG a. F. ist der Vertrag bis zum Ablauf einer 14-tägigen Widerspruchsfrist nach vollständiger Überlassung des Versicherungsscheins und der näher bezeichneten Unterlagen sowie der Belehrung über das Widerspruchsrecht schwebend unwirksam. Damit ist gewährleistet, dass die vertragliche Bindung des Versicherungsnehmers erst eintritt, nachdem die erforderliche Verbraucherinformation vorliegt. Die Zielsetzung der genannten Richtlinien-Bestimmungen ist damit erreicht.

bbb) Selbst wenn man den Begriff „vor Vertragsschluss“ im Rahmen der gebotenen autonomen Auslegung enger verstehen müsste, als dem Vertragsschluss-Mechanismus des § 5 a Abs. 1 VVG a. F. zugrunde gelegt, ergäbe sich kein Bedürfnis, aber auch keine Möglichkeit, diese Vorschrift des nationalen Rechts im Wege der Auslegung oder der richterlichen Rechtsfortbildung an ein solches abweichendes europarechtliches Verständnis anzugleichen. Zwar ergibt sich aus dem Auftrag an die nationalen Gesetzgeber zur Umsetzung der Richtlinien in nationales Recht und dem Grundsatz der Gemeinschaftstreue die Aufgabe der nationalen Gerichte, die zur Richtlinien-Umsetzung erlassenen Gesetze „richtlinienkonform“ auszulegen und dabei nötigenfalls das nationale Recht - beispielsweise im Wege der teleologischen Reduktion - auch über das Maß hinaus fortzubilden, das eine Gesetzesauslegung im engeren und hergebrachten Sinne ermöglichen würde (vgl. EuGH in der Rechtssache Cofinoga Mérignac, Urteil vom 04.03.2004, C-264/02, zu den Verbrauchkredit-Richtlinien 87/102/EWG und 90/88/EWG). Aber auch die „richtlinienkonforme“ Auslegung und Rechtsfortbildung findet ihre Grenze dort, wo sich keine Anhaltspunkte für eine offene oder wenigstens verdeckte Regelungslücke des nationalen Gesetzes im Sinne planwidriger Unvollständigkeit finden (vgl. BGH, NJW 2009, 427 m.w.N.). Dabei kann sich eine solche Regelungslücke bereits daraus ergeben, dass der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung ausdrücklich seine Absicht bekundet hat, eine richtlinienkonforme Regelung zu schaffen, dieses Ziel aber verfehlt hat.

ccc) Ein Verstoß des nationalen Gesetzgebers gegen die genannten EU-Richtlinien kann vorliegend nicht festgestellt werden.

Die genannten Richtlinien geben keine Vorgaben für das Versicherungsvertragsrecht auf, sondern bezwecken ausdrücklich die Harmonisierung der Versicherungsaufsicht.

So lauten die Erwägungsgründe Nrn. 5 und 19 zu Artikel 31 und Anhang II. A. der Richtlinie 92/96/EWG:

„(5) Der gewählte Ansatz besteht in einer wesentlichen, notwendigen und ausreichenden Harmonisierung, um zu einer gegenseitigen Anerkennung der Zulassungen und der Aufsichtssysteme zu gelangen, die die Erteilung einer einheitlichen, innerhalb der ganzen Gemeinschaft gültigen Zulassung sowie die Anwendung des Grundsatzes der Aufsicht durch den Herkunftsmitgliedstaat erlaubt.…

(19) Die Harmonisierung des für den Versicherungsvertrag geltenden Rechts ist keine Vorbedingung für die Verwirklichung des Binnenmarkts im Versicherungssektor. Die den Mitgliedstaaten belassene Möglichkeit, die Anwendung ihres eigenen Rechts für Versicherungsverträge vorzuschreiben, bei denen die Versicherungsunternehmen Verpflichtungen in ihrem Hoheitsgebiet eingehen, stellt deshalb eine hinreichende Sicherung für die Versicherungsnehmer dar.“

Die Erwägungsgründe Nrn. 2 und 44 zu Artikel 36 Abs. 1 der Richtlinie 2002/83/EG bestimmen:

„(2) Zur Erleichterung der Aufnahme und der Ausübung der Tätigkeiten der Lebensversicherung sind gewisse Unterschiede zwischen dem Aufsichtsrecht der verschiedenen Mitgliedstaaten zu beseitigen, wobei ein angemessener Schutz der Versicherten und der Begünstigten in allen Mitgliedstaaten gewahrt bleiben muss. Zu diesem Zweck sind insbesondere die Vorschriften über die an Lebensversicherungsunternehmen gestellten finanziellen Anforderungen zu koordinieren.…

(44) Die in den Mitgliedstaaten geltenden Vorschriften des Vertragsrechts für die in dieser Richtlinie genannten Tätigkeiten sind unterschiedlich. Die Harmonisierung des für den Versicherungsvertrag geltenden Rechts ist keine Vorbedingung für die Verwirklichung des Binnenmarkts im Versicherungssektor. Die den Mitgliedstaaten belassene Möglichkeit, die Anwendung ihres eigenen Rechts für Versicherungsverträge vorzuschreiben, bei denen die Versicherungsunternehmen Verpflichtungen in ihrem Hoheitsgebiet eingehen, stellt deshalb eine hinreichende Sicherung für die Versicherungsnehmer dar. Die Freiheit der Wahl eines anderen Vertragsrechts als das des Staates der Verpflichtung kann in bestimmten Fällen nach Regeln gewährt werden, in denen die spezifischen Umstände berücksichtigt werden.“

Eine andere Zielrichtung ist auch nicht dem Erwägungsgrund Nr. 52 der Richtlinie 2002/83/EG zu entnehmen, den die Kommission der Europäischen Gemeinschaften betreffend eines Beschwerdeverfahrens in dem Aufforderungsschreiben an die Bundesrepublik Deutschland vom 04.04.2006, AZ. 2005/5046K(2006)1309, als Grund für einen möglichen Verstoß des Policenmodells gegen Artikel 36 Abs. 1 der Richtlinie 2002/83/EG heranzog (vgl. auch die schriftliche Stellungnahme der Kommission vom 12.10.2006, Az.: 2005/5046K(2006)4688):

„(52) Im Rahmen eines Versicherungsbinnenmarkts wird dem Verbraucher eine größere und weiter gefächerte Auswahl von Verträgen zur Verfügung stehen. Um diese Vielfalt und den verstärkten Wettbewerb voll zu nutzen, muss er im Besitz der notwendigen Informationen sein, um den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen. Da die Dauer der Verpflichtungen sehr lang sein kann, ist diese Information für den Verbraucher noch wichtiger. Folglich sind die Mindestvorschriften zu koordinieren, damit er klare und genaue Angaben über die wesentlichen Merkmale der ihm angebotenen Produkte und über die Stellen erhält, an die etwaige Beschwerden der Versicherungsnehmer, Versicherten oder Begünstigten des Vertrages zu richten sind.“

Diese Erklärung ist vielmehr im Zusammenhang mit dem Inhalt des Erwägungsgrundes Nr. 2 zu deuten, so dass sich die Mindestvorschriften ausschließlich auf das unterschiedliche Aufsichtsrecht der verschiedenen Mitgliedstaaten beziehen.

Den Vorgaben für die Regelung der Versicherungsaufsicht hat der Gesetzgeber durch die Umsetzung in § 10 a VAG a. F. Genüge getan.

ddd) Damit trifft § 5 a VVG a. F. von vornherein keine Regelungen für die Geltungsbereiche, auf die die genannten Richtlinien abzielen und es besteht kein Bedürfnis, das Normverständnis des § 5a VVG a. F. an dasjenige der in Rede stehenden Richtlinien-Bestimmungen anzupassen. Da der deutsche Gesetzgeber mit den Regelungen des § 5a VVG a. F. auch nicht darauf abzielte, diese Richtlinienbestimmungen umzusetzen, kann es andererseits auch keine Regelungslücke im oben dargestellten Sinne geben.

bb) Kein Verstoß gegen die Richtlinie 92/49/EWG

Auch ein Verstoß gegen Artt. 31 Abs. 1, 43 Abs. 2 der Richtlinie 92/49/EWG des Rates vom 18.06.1992 (Dritte Schadenversicherungsrichtlinie) liegt nicht vor. Die genannten Regelungen haben folgenden Wortlaut:

„Artikel 31

(1) Vor Abschluss eines Versicherungsvertrags sind dem Versicherungsnehmer folgende Informationen zur Verfügung zu stellen:

- auf den Vertrag anwendbares Recht für den Fall, dass die Parteien keine Wahlfreiheit haben, oder, wenn die Parteien das anwendbare Recht frei wählen können, das von dem Versicherungsunternehmen vorgeschlagene Recht;- Bestimmungen zur Bearbeitung von den Vertrag betreffenden Beschwerden der Versicherungsnehmer, gegebenenfalls einschließlich des Hinweises auf eine Beschwerdestelle; dies gilt unbeschadet der Möglichkeit für den Versicherungsnehmer, den Rechtsweg zu beschreiten.

Artikel 43

…(2) Wird eine Versicherung im Rahmen der Niederlassungsfreiheit oder der Dienstleistungsfreiheit angeboten, so ist dem Versicherungsnehmer, bevor irgendeine Verpflichtung eingegangen wird, der Mitgliedstaat des Sitzes und gegebenenfalls der Zweigniederlassung, mit dem bzw. der der Vertrag geschlossen wird, mitzuteilen.“

Diese Richtlinie betrifft nach Artikel 2 Abs. 1 Richtlinie 92/49/EWG i.V.m. Artikel 1 der Richtlinie 73/239 EWB die Aufnahme und Ausübung der selbständigen Tätigkeit der Direktversicherung durch Versicherungsunternehmen, die in einem Mitgliedstaat niedergelassen sind oder sich dort niederzulassen wünschen, aber ausdrücklich nicht die Lebensversicherung. Im Übrigen ist auch § 10 a VAG a. F. dieser Vorgabe nachgekommen.

cc) Kein Verstoß gegen die Richtlinie 93/13/EWG

Die Richtlinie 93/13/EWG vom 05.04.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen sieht unter anderem vor, dass der Verbraucher tatsächlich die Möglichkeit haben muss, von allen Vertragsklauseln Kenntnis zu nehmen. Durch die Möglichkeit des „Widerspruchs“ gem. § 5a VVG a. F. bewirkt das Policenmodell entsprechend der Zielsetzung der Richtlinie einen wirksamen und ausreichenden Schutz vor Überrumpelung des Verbrauchers mit unangemessenen Klauseln.

d) Kein Verstoß des § 5a Abs. 2 S. 4 VVG a. F. gegen Europarecht

Auch verstößt § 5a Abs. 2 S. 4 VVG a. F. als Ausnahmevorschrift entsprechend der herrschenden Meinung (vgl. dazu OLG Düsseldorf VersR 2001, 837; OLG Frankfurt, VersR 2005, 631; OLG Karlsruhe, Urteil vom 07.05.2009, 12 U 241/08; OLG Stuttgart, Urteil vom 17.09.2009, 7 U 75/09; OLG Köln, Beschluss vom 05.02.2010, VersR 2011, 245; OLG Köln, Beschluss vom 09.07.2010, 20 U 51/10; OLG Köln, Beschluss vom 29.10.2010, VersR 2011, 248; Prölss/Martin, 27. Auflage, § 5a VVG Rn. 9 ff. m.w.N.) nicht gegen die genannten Richtlinien.

aa) Die Vorschrift schafft im Interesse des Versicherungsnehmers Rechtssicherheit und entspricht der Billigkeit. Nach Ablauf eines Jahres und Zahlung der ersten Prämie innerhalb der Versicherungsperiode gemäß § 9 VVG a. F. ist ein weiteres Informationsbedürfnis des redlichen Versicherungsnehmers nahezu auszuschließen und tritt jedenfalls hinter dem mit dem gewählten Versicherungsprodukt tatsächlich gewollten Versicherungsschutzbedürfnis zurück (OLG Düsseldorf VersR 2001, 837; OLG Frankfurt, VersR 2005, 631; OLG Karlsruhe, Urteil vom 07.05.2009, 12 U 241/08; OLG Stuttgart, Urteil vom 17.09.2009, 7 U 75/09).

bb) Dass nach § 5a Abs. 2 S. 4 VVG a. F. der Vertrag nach Ablauf eines Jahres und Zahlung der ersten Prämie auch dann zustande kommt, wenn keine ausreichende Belehrung über das Widerspruchsrecht erfolgte, widerspricht nicht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Heininger ./. Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG (NJW 2002, 281), denn die hier in Betracht kommenden Richtlinien sehen anders als die in der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs maßgebliche Richtlinie 85/5677 EWG des Rates vom 20.12.1985 kein Widerrufs- bzw. Widerspruchrecht für den Versicherungsnehmer vor, welches der nationale Gesetzgeber begrenzt hat. Deshalb hat auch der Bundesgerichtshof in seinen Entscheidungen kein unbefristetes Widerspruchsrecht angenommen (vgl. BGH, VersR 2008, 337).

e) Keine Vorlagepflicht an den EuGH

Ein Verstoß gegen EU-Richtlinien, insbesondere 92/49/EWG, 92/96 EWG und 2002/83/EG, liegt nicht vor. Ein Bedarf zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof besteht nicht.

Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gem. Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEU) ist nicht veranlasst. Eine Vorlagepflicht besteht dann nicht, wenn die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (EuGH, Rs. 283/81, Slg. 1982, 3415, Rn. 16 ff. - C.I.L.F.I.T; BGH NJW 1989, 2689; BVerfG RiW 1989, 823; BVerfG ZIP 1991, 1283). Hier besteht auch unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Gemeinschaftsrechts, der besonderen Schwierigkeiten seiner Auslegung und der Gefahr voneinander abweichender Gerichtsentscheidungen innerhalb der Gemeinschaft kein vernünftiger Zweifel daran, dass gegen Gemeinschaftsrechts nicht verstoßen wurde.

Eine Befristung des Widerspruchsrechts auf vierzehn beziehungsweise 30 Tage, wie im nationalen Recht in den unterschiedlichen Fassungen des § 5a Abs. 1 S. 1 VVG a. F. umgesetzt, ist nach der EU-Richtlinie möglich.

Nichts Anderes ergibt sich aus der „Heininger“-Entscheidung des EuGH zur Haustürgeschäfterichtlinie, die eine Befristung nur für Sachverhalte mit einer „fehlenden“ oder „fehlerhaften“ Belehrung ausschließt (EuGH, NJW 2002, 281 ff.). Dies ist hier nicht der Fall, weil die Klägerin die Versicherungsunterlagen übersandt erhalten hat und über die Widerspruchsfrist ausreichend belehrt wurde.

3. Der Klägerin steht auch kein Schadensatzanspruch aus culpa in contrahendo (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB) wegen Verletzung von in Schutzgesetzen formulierten Nebenpflichten zu.

a) Die Klägerin hat keinen Schadenersatzanspruch wegen Nichtangabe des effektiven Jahreszinses unter Verstoß gegen § 4 PAngV.

Der Anspruch scheitert nicht daran, dass § 4 PAngV a. F. kein Schutzgesetz wäre – soweit es darauf überhaupt ankommt. Die PAngV dient vornehmlich der Verbraucherinformation und damit jedenfalls auch dem den jeweiligen Vertrag schließenden Verbraucher. Die von der Klägerin hervorgehobene ordnungsrechtliche Funktion steht lediglich daneben (vgl. auch Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Auflage, Vorbem. § 1 PAngV, Rn. 2; an Regelungsgehalt und Charakter hat sich insoweit nichts geändert).

Der ursprüngliche Versicherer, … hat durch die Nichtangabe des effektiven Jahreszinses aber nicht gegen § 4 Abs. 1 PAngV verstoßen, weil es sich bei dem Versicherungsvertrag trotz der vereinbarten unterjährigen Prämienzahlung nicht um einen Kredit i. S. d. § 4 PAngV handelt. Denn das ist eine entgeltliche Finanzierungshilfe in Form eines Darlehens, eines entgeltlichen Zahlungsaufschubs oder einer sonstigen entgeltlichen Finanzierungshilfe (entsprechend Art. 1 Abs. 2 lit. c der RL 87/102/EWG, vgl. auch Hadding, VersR 2010, 697 f.; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Auflage, § 6 PAngV, Rn. 3).

Vorliegend könnte es sich allenfalls um einen entgeltlichen Zahlungsaufschub handeln. Das ist, wie oben unter 1 dargelegt, indes nicht der Fall.

b) Der Klägerin steht auch wegen der behaupteten Verletzung der Pflicht zur Angabe des Effektivzinses nach Art. 4 Abs. 2 a der Verbraucherkreditrichtlinie 87/102/EWG kein Schadensersatzanspruch zu.

Richtlinien sind nach Art. 288 Abs. 3 EUV i. d. F. vom März 2010 (entspricht Art. 249 EGV a. F.) – anders als Verordnungen (Art. 288 Abs. 2 EUV) – nur für die Mitgliedstaaten verbindlich. Daher kommt ihnen entgegen der Auffassung der Berufung keinerlei unmittelbare Wirkung zu. Hinzu kommt auch hier, dass kein Kreditvertrag vorliegt.

4. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Rückgewähr der gezahlten Prämien im Rahmen eines Rückgewährschuldverhältnisses nach Rücktritt gem. § 8 Abs. 5 VVG a. F.

Eine Widerspruchserklärung löst hier ein Rücktrittsrecht gemäß § 8 Abs. 6 VVG a. F. nicht aus, weil der Klägerin bereits ein vorrangiges Widerspruchsrecht nach § 5a VVG a. F. zustand, das sie lediglich zu spät ausübte.

Im Übrigen wäre selbst ein gem. § 8 Abs. 5 S. 1 VVG a. F. bestehendes Rücktrittsrecht zu spät ausgeübt worden. Denn ein solches Rücktrittsrecht erlischt selbst im Falle unterlassener Belehrung mit Ablauf eines Monats nach Zahlung der Erstprämie.

5. Die Klägerin hat keinen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung von Auskunfts- oder Beratungspflichten beim Abschluss des Lebensversicherungsvertrages aus Verschulden bei Vertragsschluss (culpa in contrahendo; §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB).

Zu Recht führt das Landgericht in seinen Entscheidungsgründen unter anderem aus, dass ein von der Klägerin behaupteter Beratungsfehler des Mitarbeiters des Versicherers nicht vorliegt. Auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des Landgerichts zum Schadensersatz, die im Übrigen von der Berufung nicht angefochten sind, wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

6. Mangels Hauptanspruchs hat die Klägerin auch keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten.

Im Übrigen wären diese keinesfalls in Höhe von 1,9 Gebühren zu erstatten, sondern nur in Höhe von 1,3 Gebühren. Weder Umfang noch Schwierigkeit liegen über dem Durchschnitt (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl. 2008, Madert, VV RVG 2300, Rn. 28). Schwierig ist die Tätigkeit, wenn nach objektivem Maßstab erhebliche, im Normalfall nicht auftretende Probleme auftauchen (Gerold/Schmidt, RVG, Mayer, § 14, Rn. 16). Nach objektivem Maßstab war die Sache nicht schwierig. Mit Ausnahme der Frage der Qualifikation der unterjährigen Zahlung der Versicherungsprämien als Zahlungsaufschub hat vorliegend allein der Klägervertreter zahlreiche Fragen aufgeworfen, die einfach zu beantworten und vom Klägervertreter auch nicht fallbezogen vertieft worden sind. Allein das bausteinmäßige Aufwerfen von Rechtsfragen macht eine Sache aber nicht überdurchschnittlich umfangreich oder schwierig.III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1, 711 S. 2 i.V.m. § 709 S. 2 ZPO.

Weil die Sache schon mit Blick auf die Vielzahl der vom klägerischen Prozessbevollmächtigten vertretenen Versicherungsnehmer in gleich- oder ähnlich gelagerten Fällen mit denselben Rechtsproblemen grundsätzliche Bedeutung hat, lässt der Senat die Revision zu, allerdings beschränkt auf die Frage, ob § 5a Abs. 2 S. 4 VVG a. F. mit europäischem Recht vereinbar ist.