SG Augsburg, Urteil vom 20.03.2015 - S 8 AS 1092/14
Fundstelle
openJur 2015, 7412
  • Rkr:
Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Auszahlung einer vom Beklagten vereinnahmten Rentennachzahlung von 3.314,45 EUR.

Der 1966 geborene Kläger bezog seit Juli 2006 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom Beklagten. Mit Bescheiden vom 6. September 2012 und vom 12. März 2013 erfolgte die Leistungsbewilligung für die Zeiträume 1. Oktober 2012 bis 31. März 2013 und 1. April bis 30. September 2013.

Ende Februar 2013 lehnte es die Deutsche Rentenversicherung Bund zunächst ab, dem Kläger eine Erwerbsminderungsrente zu bewilligen. Schließlich erhielt der Kläger mit Bescheid vom 31. Mai 2013 eine volle Erwerbsminderungsrente ab 1. Februar 2013 befristet bis 31. Januar 2016. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Nachzahlung in Höhe von 3.314,45 EUR vorläufig nicht ausgezahlt wird, bis etwaige Erstattungsansprüche anderer Sozialleistungsträger geklärt sind. Sobald die Höhe der anderen Ansprüche feststehe, werde abgerechnet.

Der Beklagte machte daraufhin im Juni 2013 einen Erstattungsanspruch gegenüber dem Rentenversicherungsträger geltend und dieser kam dem Erstattungsverlangen in Höhe der kompletten Nachzahlung ebenfalls noch im selben Monat nach.

Außerdem stellte der Beklagte mit Bescheid vom 11. Juni 2013 die Leistungen ab dem 1. August 2013 ein, weil der Kläger nicht mehr erwerbsfähig sei.

Im Rahmen des Mediationsverfahrens S 13 SF 300/13 GR schlossen die Beteiligten am 19. Dezember 2013 eine Mediationsvereinbarung, die auch den Verzicht auf die Geltendmachung von weiteren Ansprüchen für den Leistungszeitraum ab 25. März 2010 enthielt.

Am folgenden Tag erkundigte sich der Kläger bei der Deutschen Rentenversicherung nach der Nachzahlung und erfuhr, dass diese in voller Höhe an den Beklagten erstattet worden war.

Daraufhin forderte er vom Beklagten eine Zahlung in Höhe der Rentennachzahlung von 3.314,45 EUR.

Der Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 19. August 2014 ab. Der Rentenversicherungsträger habe dem Kläger mitgeteilt, dass der Erstattungsanspruch des Beklagten erfüllt werde.

Der Widerspruch des Klägers wurde damit begründet, dass dem Kläger dies nicht bekannt gewesen sei. Auch habe er bei Abschluss der Mediationsvereinbarung nicht gewusst, dass die Rentennachzahlung bereits an den Beklagten erstattet worden sei. Im Mediationstermin sei ein Erstattungsanspruch ausdrücklich verneint worden.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. September 2014 zurück.

Dagegen hat der Kläger am 27. Oktober 2014 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Entgegen der ausdrücklichen Angabe im Mediationstermin sei die Erstattung bereits im Juni 2013 erfolgt. Auch aus den Akten des Beklagten sei dies nicht ersichtlich gewesen.

Der Kläger beantragt:

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 19. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. September 2014 verpflichtet, dem Kläger die Rentennachzahlung in Höhe von 3.314,45 EUR auszuzahlen.

Für den Beklagten wird beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten sowie die Niederschrift Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig. Zwar wäre nach Ansicht des Gerichts über das Zahlungsverlangen des Klägers nicht durch Verwaltungsakte zu entscheiden gewesen, so dass der Kläger auch ohne Durchführung eines Vorverfahrens unmittelbar Leistungsklage auf Zahlung von 3.314,45 EUR hätte erheben können. Allerdings macht dies die Klage als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nicht unzulässig, weil der Beklagte den Anspruch verbeschieden hat und damit die entgegenstehenden Bescheide angefochten werden können. Zudem ist Verjährung nicht eingetreten.

Die Klage hat aber in der Sache keinen Erfolg.

De Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von 3.314,45 EUR.

Soweit man - so hat das Gericht den Kläger in der mündlichen Verhandlung verstanden - davon ausgeht, dass der hier erhobene Anspruch von der Mediationsvereinbarung vom 19. Dezember 2013 erfasst wird, schließt deren Ziffer 3. den Anspruch aus. Denn die darin enthaltene Vereinbarung, ab 25. März 2010 auf die Geltendmachung von Ansprüchen zu verzichten, umfasst auch den Ende 2013/Anfang 2014 erstmals geltend gemachten Anspruch des Klägers auf Zahlung von 3.3.14,45 EUR wegen der Vereinnahmung der Rentennachzahlung. Andererseits hinderte sie den Beklagten nicht daran, seinen Erstattungsanspruch gegenüber der Deutschen Rentenversicherung zu erheben, weil das Erstattungsverfahren beim Abschluss der Vereinbarung längst beendet war. Die Mediationsvereinbarung ist vom Kläger fristgerecht auch nicht - sei es wegen Irrtums oder Täuschung - angefochten worden. Der Kläger hat dazu in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass er dies nicht für erfolgversprechend gehalten hat. Damit ist die Vereinbarung auch weiterhin gültig, da Nichtigkeitsgründe nicht ersichtlich sind.

Das Gericht geht allerdings davon aus, dass der streitige Anspruch des Klägers nicht durch die Mediationsvereinbarung vom 19. Dezember 2013 erfasst wird. Die Vereinbarung beschäftigt sich mit dem Schicksal der Rentennachzahlung nicht. Sie schließt lediglich die Geltendmachung weiterer Leistungsansprüche aus, um zwischen den Beteiligten jedenfalls auf absehbare Zeit Frieden zu schaffen. Das hinderte den Beklagten nicht, bereits zuvor seinen Erstattungsanspruch gegenüber dem Rentenversicherungsträger als Drittem zu realisieren. Zugleich ist dann aber umgekehrt nicht anzunehmen, dass es dem Kläger verwehrt sein sollte, die Rentennachzahlung einzufordern - gleichgültig, ob die Beteiligten davon ausgingen, dass sie noch nicht erstattet ist und dass sich der Kläger deswegen an den Beklagten wenden würde.

Auch wenn damit die Vereinbarung vom 19. Dezember 2013 dem streitgegenständlichen Anspruch des Klägers nicht entgegensteht, ergibt sich dennoch kein Zahlungsanspruch. Eine Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist nämlich nicht ersichtlich.

Weder im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) noch sonst ist eine infrage kommende Anspruchsgrundlage zu finden. Insbesondere erfüllte der Kläger aufgrund der Bewilligung der vollen Erwerbsminderungsrente ab 1. Februar 2013 nicht mehr die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II, so dass ein Leistungsanspruch gegenüber dem Beklagten entfallen war und sich aus dem SGB II kein weiterer Anspruch mehr ergeben kann. Aus demselben Grund hat der Beklagte die Rentennachzahlung im Wege des Erstattungsbegehrens nach den §§ 103 f. des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) zu Recht erhalten, so dass er im Verhältnis zum Kläger nicht ungerechtfertigt bereichert ist. Deswegen scheidet auch ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruchs analog den §§ 812 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) aus. Schließlich ist auch kein Schaden des Klägers - namentlich durch die Verneinung einer Erstattung beim Abschluss der Mediationsvereinbarung - erkennbar. Zum einen hätte der Kläger dann versuchen müssen, zunächst die Vereinbarung anzufechten und zu beseitigen. Das hat er aber versäumt, wie oben dargelegt. Zum anderen stand dem Kläger nach den materiellen sozialrechtlichen Regelungen kein Anspruch auf die Erwerbsminderungsrente gleichzeitig neben dem Bezug von Arbeitslosegengeld II zu. Damit ist kein Schaden des Klägers entstanden, indem die Rentennachzahlung an den Beklagten ausgezahlt wurde, sondern damit wurde nur dem Nachrangprinzip des SGB II Rechnung getragen. Hätte der Kläger die Rentennachzahlung von der Deutschen Rentenversicherung Bund erhalten, hätte der Beklagte für den Zeitraum vom 1.Februar bis 31. Juli 2013 zu Unrecht Leistungen gewährt und müsste diese vom Kläger zurückfordern. Ein Anspruch des Klägers kann daher letztlich nicht in der begehrten Höhe gegeben sein. Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb der Kläger wegen des Abschlusses der Mediationsvereinbarung gegenüber der geschilderten Rechtslage besser gestellt werden sollte.

Die Klage ist deshalb abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

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