OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 25.11.2013 - 13 U 174/11
Fundstelle
openJur 2015, 7713
  • Rkr:
Tenor

Die Parteien werden auf die Absicht des Senats hingewiesen, die Berufung der Beklagten gegen das am 13.09.2011 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt mit Sitz in Offenbach am Main durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Es ist beabsichtigt, den Gegenstandswert für das Berufungsverfahren auf 10.000,- € festzusetzen.

Gründe

Der Senat ist in seiner Beratung einstimmig zu der Überzeugung gelangt, dass sich die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil als offensichtlich unbegründet erweist und daher im Beschlusswege gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen sein wird.

Die Entscheidung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden. Der Senat tritt den Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil, auf dessen Inhalt (Blatt 532 - 542 d. A.) in vollem Umfang Bezug genommen wird, bei.

Das Berufungsvorbringen der Beklagten, das im Wesentlichen aus einer Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens besteht, rechtfertigt keine Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung.

Streitentscheidend stellen sich die Fragen, ob

(a) Herr X bei der Beschlussfassung am 30.11.2009 in Ansehung der Bestimmungen in § 47 Abs. 4 S. 2 GmbH mit abstimmen durfte,

(b) die Klage auf Grund des späteren Beschlusses der A GmbH & Co. KG (nachfolgend A) vom März bzw. April 2010 (vgl. Blatt 188 ff d. A.) rechtsmissbräuchlich ist,

(c) es an der erforderlichen Kompetenz der Beklagten fehlte,  über die Kündigung des Treuhandvertrages zu entscheiden.

Diese Fragen beantwortet der Senat wie folgt:

(zu a)

Soweit das Landgericht ein Stimmverbot des Gesellschafters X gemäß § 47 Abs. 4 S. 2 GmbHG bei der Beschlussfassung am 30.11.2009 angenommen hat, ist dies nicht zu beanstanden.

Bei der Kündigung des Treuhandvertrages vom 1.12.1967 handelt es sich um ein Rechtsgeschäft i. S. v. § 47 Abs. 4 S.2 GmbHG. Der Treuhandvertrag wurde zwar von Herrn X und der A, die in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft geführt wird, geschlossen, so dass keine direkte Anwendung von § 47 GmbHG in Betracht kommt. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 47 Abs. 4 S.2 GmbHG hat jedoch eine sinngemäße Anwendung zu erfolgen (BGH in NJW 1977, 850, 851; BGH in NJW 1986,2052). Dies rechtfertigt sich aus der inneren Verbindung zwischen Komplementär-GmbH (= Beklagte) und der Kommanditgesellschaft (= A), die im vorliegenden Fall  besonders stark ausgeprägt ist. Bei der typischen GmbH & Co. KG handelt es sich nämlich im Grundsatz um ein Unternehmen, welches lediglich in besonderer Weise organisiert wird. Aus dieser strukturellen Besonderheit ist es folgerichtig, dass auch die Komplementär-GmbH und die Kommanditgesellschaft im Rahmen des § 47 Abs. 4 S. 2 GmbH als wirtschaftliche Einheit angesehen werden und das Stimmverbot auch auf die Rechtsgeschäfte zwischen dem GmbH-Gesellschafter und der Kommanditgesellschaft erstreckt wird.

Herr X ist Treunehmer des Vertrages vom 1.12.1967 mit der A. Auf Grund der sinngemäßen Anwendung der Norm ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht davon ausgegangen ist,  dass er als Gesellschafter der Beklagten nicht an der Abstimmung teilnehmen durfte.

Eine andere Entscheidung ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Grundsätze bei Geschäften mit körperschaftlichem Charakter. Dabei geht es um Rechtsgeschäfte, mit denen der Gesellschafter seine mitgliedschaftlichen Befugnisse in der Gesellschaft wahrnimmt und ihr nicht als quasi Dritter gegenübertritt.  In Rechtsprechung und Literatur ist allgemein anerkannt, dass der Wortlaut des § 47 Abs. 4 S. 2 GmbHG in jenen Fällen zu weit gefasst ist, in denen es um innergesellschaftliche, das heißt typischerweise zur Mitgliedschaft gehörenden Rechtsgeschäfte geht. Bei ihnen gebührt dem Partizipationsinteresse des Gesellschafters Vorrang vor dem Kollisionsschutz (vgl. Lutter/Hommelhoff GmbH-Gesetz Kommentar 17. Auflage § 47 Rdnr, 44 m.w.N). Das Landgericht hat insoweit zutreffend ausgeführt, dass das Stimmverbot teleologisch zu reduzieren ist, wenn es um die Abberufung aus einer Organstellung des Gesellschafters geht, beispielsweise bei seiner Abberufung als Geschäftsführer (Baumbach/Hueck GmbH-Gesetz 19. Auflage § 47Rdnr. 83 ff). In der Argumentation folgerichtig hat das Erstgericht eine Ausnahme vom Stimmverbot bezüglich der Kündigung des Treuhandvertrages verneint mit der Argumentation, dass im Geschäftsführervertrag des Herrn X vom 26.10.1967 (Blatt 437) keine Hinweise und keine Verknüpfung zum vorgenannten Treuhandvertrag enthalten sind. Die Annahme des Erstgerichts, dass es sich bei dem Treuhandvertrag im Vergleich zum Geschäftsführervertrag im rechtstechnischen Sinn um ein aliud und nicht etwa um ein Minus handelt, ist nicht zu beanstanden.

Auch aus dem Umstand, dass im Treuhandvertrag unter Ziffer 7 bezüglich der Kündigung des Treuhandvertrages auf die Bestimmungen über die Nachfolgeregelung für Herrn X in der Satzung der A Bezug genommen wird, lässt sich nichts anderes ableiten, da es unter § 17 des Gesellschaftsvertrages der A lediglich heißt, dass im Fall des Ablebens von Herrn X der Beirat berechtigt und verpflichtet ist, einen neuen Geschäftsführer zu bestellen, falls neben Herrn X kein weiterer Geschäftsführer bestellt worden ist. Hieraus lassen sich keine Rückschlüsse für die Kündigung des Treuhandvertrages ableiten.

Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus der Satzung § 11 Ziffer 4 des Gesellschaftsvertrages der A (Bl 31), in der es heißt, dass bei Beschlüssen, die Sonderrechte einzelner Gesellschafter beeinträchtigen, die Zustimmung des betroffenen Gesellschafters erforderlich ist. Bei dem Treuhandvertrag handelt es sich nicht um ein Sonderrecht, sondern um ein Vertragsverhältnis, so dass die Satzung nicht einschlägig ist.

Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten (Bl. 12) enthält im Gegensatz zum Gesellschaftsvertrag der A (Bl 31) auch nicht den Passus, dass die Beschlussfassung mit einfacher Mehrheit (51%) zu erfolgen hat. Auf Grund des Stimmverbotes des Herrn X konnte die Klägerin daher mit 50 % der Anteile an der GmbH einen wirksamen Beschluss fassen, weshalb das Landgericht den Beschluss der außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 30.11.2009 (vgl. Blatt 295) zum letzten Tagesordnungspunkt zu Recht für nichtig erklärt hat.

(zu b)

Der Senat teilt im Ergebnis auch die Rechtsansicht des Landgerichts, wonach die Klage nicht rechtsmissbräuchlich ist.

Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob Herr X bei der Beschlussfassung der A am 23.3./22.4.2010 (Bl 190) einem Stimmverbot unterlag. Hierauf kommt es nicht an, da im Zeitpunkt des Beschlusses der Beklagten am 30.11.2009 kein Gesellschafterbeschluss der A mit dem Inhalt des erst später formulierten Beschlusses vom 23.3./22.4.2010 vorlag. Bereits diese zeitliche Abfolge verbietet es, die vorangegangene Beschlussfassung und deren gerichtliche Anfechtung als rechtsmissbräuchlich einzustufen. Ob der später gefasste Beschluss der A möglicherweise eine Durchsetzung/Umsetzung des Beschlusses der Gesellschafter der Beklagten vom 30.11.2009 hindert, steht im vorliegenden Verfahren nicht zur Diskussion. Das Zustandekommen und die Wirksamkeit eines Beschlusses kann stets nur auf Grund der Gegebenheiten im Zeitpunkt der Beschlussfassung festgestellt bzw. geprüft werden.

(zu c)

Der Berufung bleibt letztlich auch der Erfolg versagt, soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass sie keinerlei Kompetenz zur Kündigung des Treuhandvertrages besitze. Zutreffend ist zwar der Berufungseinwand, dass das Treuhandverhältnis zwischen der A und Herrn X besteht und nicht zwischen der Beklagten und Herrn X. Die Beklagte verkennt allerdings, dass es sich um eine Anweisung an die Geschäftsführung handelt und die Geschäftsführung  nur bei der Beklagten angesiedelt ist. Im Gesellschaftsvertrag der A heißt es unter § 5 Ziffer 2 (Blatt 27), dass die Geschäftsführungsbefugnis der persönlich haftenden Gesellschafterin grundsätzlich unbeschränkt ist und sich auch auf außerordentliche Geschäfte erstreckt. Wenn aber die Kompetenz der Beklagten zur Kündigung des Treuhandvertrages nicht in Zweifel gezogen werden kann, dann muss auch eine entsprechende Weisung des Geschäftsführers der Beklagten herbeigeführt werden können.

Das Landgericht hat auch dem Feststellungsantrag der Klägerin zu Recht stattgegeben. Auf Grund des zwingend gebotenen Stimmverbotes von Herrn X hat der streitgegenständliche Beschluss als angenommen zu gelten und ist demzufolge - auf die mit der Anfechtungsklage in zulässiger Weise verbundene Beschlussfeststellungsklage - gerichtlich festzustellen.

Der Senat beabsichtigt, den Gegenstandswert für das Berufungsverfahren entsprechend der unwidersprochen gebliebenen vorläufigen Streitwertbemessung auf 10.000,- € festzusetzen.

Die Parteien können zu der beabsichtigten Berufungszurückweisung bis zum 18. Dezember 2013 schriftsätzlich Stellung nehmen. Es wird der weitere Hinweis gegeben, dass eine Rücknahme des Rechtsmittels kostenprivilegiert ist.