KG, Beschluss vom 05.03.2015 - 1 VA 21/14
Fundstelle
openJur 2015, 6695
  • Rkr:

Einem Insolvenzverwalter ist es grundsätzlich zuzumuten, vor Hinterlegung einer Quotenzahlung bei dem Nachlassgericht um Auskunft über mögliche Erben eines verstorbenen Insolvenzgläubigers nachzusuchen. Unterlässt er eine solche Anfrage, beruht seine Unkenntnis über die Erben eines Insolvenzgläubigers regelmäßig auf Fahrlässigkeit, so dass die Hinterlegungsstelle die Annahme einer Quotenzahlung mangels schlüssiger Darlegung eines Hinterlegungsgrundes nach § 372 S. 2 Alt. 2 BGB zurückweisen kann.

Tenor

Der Antrag wird bei einem Wert bis zu 500,00 EUR zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der J. R... E... -H... GmbH in B... bestellt. Am 30. Juli 2014 beantragte er bei der Hinterlegungsstelle die Annahme eines Geldbetrags in Höhe von 56,79 EUR und gab zur Begründung an, es handele sich um die auf die Gläubigerin I... H... entfallene Insolvenzquote. Eine Einwohnermeldeamtsanfrage habe ergeben, dass die Gläubigerin am 18. November 2010 verstorben sei, eine Bankverbindung bestehe nicht mehr und Erben seien nicht bekannt.

Die Hinterlegungsstelle verwies den Antragsteller zunächst an das zuständige Nachlassgericht. Erst wenn eine Bestätigung des Nachlassgerichts vorliege, dass bisher keine gesetzlichen Erben ermittelt worden seien bzw. die Erteilung eines Erbscheins in der nächsten Zeit nicht zu erwarten und kein Nachlasspfleger bestellt worden sei, läge ein Hinterlegungsgrund vor.

Hieran hielt die Hinterlegungsstelle mit Schreiben vom 18. August 2014 fest. Die dagegen gerichtete Beschwerde vom 22. August 2014 hat der Antragsgegner mit Bescheid vom 4. September 2014 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 22. September 2014.

II.

1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist statthaft, §§ 6 Abs. 3 BerlHintG, 23ff EGGVG, und zulässig. Insbesondere ist er innerhalb eines Monats seit Zugang des Bescheids vom 4. September 2014 schriftlich gestellt worden, § 26 Abs. 1 EGGVG.

2. In der Sache hat der Antrag keinen Erfolg. Der Antragsteller ist durch die Entscheidung des Antragsgegners nicht in seinen Rechten verletzt, § 28 Abs. 1 EGGVG, weil die Hinterlegungsstelle im Ergebnis zu Recht die Annahme zur Hinterlegung verweigert hat.

a) Die Annahme zur Hinterlegung bedarf einer Verfügung der Hinterlegungsstelle. Diese ergeht auf Antrag der hinterlegenden Person, wenn sie die Tatsachen angibt, aus denen ein gesetzlicher Hinterlegungsgrund hervorgeht, § 8 S. 1 und S. 2 Nr. 1 Alt. 1 BerlHintG. Der Antragsteller hat die Tatsachen, welche die Hinterlegung rechtfertigen, im Antrag schlüssig darzulegen, § 9 Abs. 3 S. 1 BerlHintG. Den Antragsteller treffen insoweit weder Nachweispflichten, noch ist die Hinterlegungsstelle zu amtlichen Ermittlungen hinsichtlich des materiellen Hinterlegungssachverhalts befugt oder verpflichtet (Abgeordnetenhaus von Berlin, Drs. 16/3883, S. 17; Wiedemann/Armbruster, Bayerisches Hinterlegungsgesetz, Art. 11, Rdn. 22; Olzen, in: Staudinger, BGB 2011, § 372, Rdn. 25).

Schlüssige Darlegung erfordert den Vortrag von Tatsachen, die den Rückschluss auf die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolgen zulassen (BGH, MDR 2013, 216; Wiedemann/Armbruster, a.a.O., Rdn. 25; Bülow/Schmidt, HintO, 4. Aufl., § 6, Rdn. 11; Hornung, Rpfleger 1985, 413; Henrichs, Rpfleger 1955, 224).

b) Der Schuldner ist berechtigt, Geld für den Gläubiger zu hinterlegen, wenn der Gläubiger im Verzug der Annahme ist, § 372 S. 1 BGB. Das Gleiche gilt, wenn der Schuldner infolge einer nicht auf Fahrlässigkeit beruhenden Ungewissheit über die Person des Gläubigers seine Verbindlichkeit nicht oder nicht mit Sicherheit erfüllen kann, § 372 S. 1 Alt. 2 BGB. Keine dieser Voraussetzungen hat der Antragsteller schlüssig dargetan.

aa) Der Gläubiger kommt in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt, § 293 BGB. Ein wörtliches Angebot genügt, wenn zur Bewirkung der Leistung eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist, insbesondere wenn der Gläubiger die geschuldete Sache abzuholen hat, § 295 S. 1 BGB.

Da es sich bei der Verteilung der Teilungsmasse an die Insolvenzgläubiger um Holschulden handeln soll (Meller-Hannich, in: Jaeger, InsO, § 197, Rdn. 19), wird die Auffassung vertreten, dass sich der Gläubiger, der den ihm zustehenden Betrag nicht bis zur Schlussverteilung geltend macht, im Annahmeverzug befinde (Preß, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 5. Aufl., § 198, Rdn. 5; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 198, Rdn. 8). Der Senat vermag dem in dieser Allgemeinheit nicht zu folgen.

Auch wenn zur Bewirkung der geschuldeten Leistung eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist, setzt der Eintritt des Annahmeverzugs ein an den Gläubiger gerichtetes Angebot des Schuldners voraus (vgl. Hager in: Erman, BGB, 14. Aufl., § 293, Rdn. 3; Wiedemann/Armbruster, a.a.O., Rdn. 27). Dass der im Hinterlegungsantrag bezeichneten Gläubigerin ein solches Angebot gemacht worden wäre, ist nicht dargetan.

Die Schlussverteilung durch den Insolvenzverwalter, § 196 Abs. 1 InsO, erfolgt nach Zustimmung durch das Insolvenzgericht, § 196 Abs. 2 InsO, Durchführung des Schlusstermins, § 197 InsO, und rechtskräftiger Entscheidung über die in diesem Termin erhobenen Einwendungen gegen das Schlussverzeichnis, § 197 Abs. 3, 194 Abs. 2 und 3 InsO (Füchsl/Weishäupl/Kebekus/Schwarzer, Münchener Kommentar, InsO, 3. Aufl., § 196, Rdn. 13). Dass die Gläubigerin zu diesem Zeitpunkt oder wenigstens im Zeitpunkt der Veröffentlichung der von dem Insolvenzverwalter im Schlussverzeichnis angezeigten Summe der Forderungen und des für die Verteilung verfügbaren Betrags, § 188 S. 3 InsO, noch gelebt hätte, trägt der Antragsteller selbst nicht vor und ist auch nicht ersichtlich. War sie aber bereits verstorben, so stand die Forderung nicht mehr ihr, sondern ihren Erben zu, § 1922 BGB. Ihnen gegenüber ist eine quotale Ausschüttung hingegen nicht angeboten worden. So ist etwa nicht ersichtlich, dass im Schlussverzeichnis an Stelle der Gläubigerin deren Erben aufgenommen worden wären. Ohnehin ist der verfahrensgegenständliche Antrag nach wie vor auf Hinterlegung zu Gunsten der Gläubigerin und nicht ihrer Erben gerichtet.

Dagegen spricht nicht, dass bei einer Forderungsabtretung der neue Gläubiger Rechtshandlungen, die der Schuldner in Unkenntnis der Abtretung gegenüber dem bisherigen Gläubigers vornimmt, gegen sich gelten lassen muss, § 407 Abs. 1 BGB (hierzu (Busche, in: Staudinger, BGB 2012, § 407, Rdn. 14). § 407 BGB findet auch im Fall gesetzlicher Übertragung einer Forderung Anwendung, nicht jedoch bei erbrechtlicher Gesamtrechtsnachfolge. Diese folgt eigenen Regeln (Busche, a.a.O. § 412, Rdn. 9; Westermann, in: Erman, a.a.O., § 412, Rdn. 2; Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 412, Rdn. 1).

bb) Die Ungewissheit des Schuldners über die Person des Gläubigers, § 372 S. 2 Alt. 2 BGB, kann auf rechtlichen oder tatsächlichen Umständen beruhen (RGZ 50, 14, 18). Sie beruht nicht auf Fahrlässigkeit, wenn eine mit verkehrsüblicher Sorgfalt vorgenommene Prüfung zu begründetem Zweifel über die Person des Gläubigers führt. Der Zweifel muss ein solcher sein, dass dem Schuldner nach verständigem Ermessen nicht zugemutet werden kann, ihn auf seine Gefahr hin zu lösen. Was dem Schuldner zuzumuten ist, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab (BGH, Urteil vom 17. Oktober 1952 - I ZR 45/52 -, juris).

Der Senat erachtet es nicht für unzumutbar, den Schuldner für verpflichtet zu halten, beim Tod des Gläubigers sich zunächst bei dem Nachlassgericht nach Erben zu erkundigen. Die möglichen Besonderheiten eines Insolvenzverfahrens stehen dem nicht entgegen.

(1) Gemäß § 13 Abs. 2 FamFG kann am (Nachlass-)Verfahren nicht beteiligten Personen Einsicht in die Gerichtsakten gestattet werden, soweit sie ein berechtigtes Interesse glaubhaft machen und schutzwürdige Interessen eines Beteiligten oder eines Dritten nicht entgegen stehen, § 13 Abs. 2 S. 1 FamFG. Berechtigtes Interesse ist jedes vernünftigerweise gerechtfertigte Interesse tatsächlicher, wirtschaftlicher oder wissenschaftlicher Art, das sich nicht auf vorhandene Rechte zu gründen oder auf das Verfahren zu beziehen braucht (Senat, Beschluss vom 11. Januar 2011 - 1 W 359/10 - MDR 2011, 734; Beschluss vom 24. Januar 2006 - 1 W 133/05, FGPrax 2006, 122, 123). Ein solches Interesse kann bei dem Antragsteller schon im Hinblick auf § 9 Abs. 3 S. 1 BerlHintG nicht zweifelhaft sein.

(2) Warum der Antragsteller meint, Auskünfte des Nachlassgerichts nur erhalten zu können, wenn er eine auf die Gläubigerin ausgestellte - kostenpflichtige - Sterbeurkunde vorlegt, erschließt sich nicht. Letztlich geht es hier um nichts anderes als um eine Anfrage bei dem Amtsgericht am letzten bekannten Wohnort der Gläubigerin, vgl. § 343 FamFG, ob dort Erben nach ihr bekannt sind. Hierfür bedarf es keiner Sterbeurkunde. Sind Erben bekannt, hat das Nachlassgericht regelmäßig ohnehin Kenntnis vom Tod des Erblassers. Sind keine Erben bekannt, kommt es im Ergebnis auf den Tod der Person gar nicht an.

Um die Auskunft zu erreichen, muss der Antragsteller lediglich unter kurzer Darlegung des zu Grunde liegenden Sachverhalts ein einfaches Schreiben an das Nachlassgericht richten. Dem Senat ist bekannt, dass solche Anfragen - überwiegend allerdings von Gläubigern - häufig die Nachlassgerichte erreichen und regelmäßig auch beantwortet werden (vgl. insoweit auch Sternal, in: Keidel, FamFG, 18. Aufl., § 13, Rdn. 74).

Dass eine solche Anfrage außer Verhältnis zur Höhe der Forderung der Gläubigerin stünde, ist nicht ersichtlich zumal für die Auskunft des Nachlassgerichts kein Gebührentatbestand gegeben ist und allenfalls eine Dokumentenpauschale, GNotKG-KV Nr. 31000, anfallen kann (vgl. Jenissen, in Prütting/Helms, FamFG, 3. Aufl., § 13, Rdn. 52).

3. Eine Kostenerstattungsanordnung nach § 30 S. 1 EGGVG ist nicht veranlasst. Die Festsetzung des Geschäftswerts folgt aus §§ 1 Abs. 1 und 2 Nr. 19, 36 Abs. 1, 61 Abs. 1, 136 GNotKG.

Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, § 29 Abs. 2 S. 1 EGGVG, besteht nicht.