SG Düsseldorf, Urteil vom 11.09.2014 - S 27 R 1367/12
Fundstelle
openJur 2015, 5283
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob der Kläger versicherungspflichtiger Selbständiger ist.

Der am 00.00.1965 geborene Kläger ist seit dem 21.05.2007 selbständig als IT/EDV-Dienstleister tätig. Seine Tätigkeit erfolgte unter Berücksichtigung eines am 25./27.04.2007 geschlossenen Franchise-Vertrages mit der PC-Feuerwehr Service GmbH (im Folgenden: Franchise-Geber). § 1 des Vertrages regelt den Vertragsgegenstand, nach Ziffer 1 ist Gegenstand der Geschäftstätigkeit insbesondere die Wiederherstellung defekter Computer-Programme und Systemkonfigurationen, die Analyse und Behebung von Fehlern bei Hard- und Software-Problemen, der Verkauf, die Wartung und die Installation von Hard- und Software und Netzwerken sowie der Verkauf, die Installation und Wartung von Telekommunikationsgeräten. § 2 definiert den Umfang der Franchise-Gewährung; nach Ziffer 1 erteilt der Franchise-Geber dem Kläger das Recht, unter Nutzung seines Knowhows, seiner Marke, seiner Service-Telefonnummer und seiner Internet-Präsenz ein IT-Unternehmen mit dem in § 1 festgelegten Vertragsgegenstand in dem in § 3 Ziffer festgelegten Vertragsgebiet aufzubauen. Nach Ziffer 2 ist der Kläger berechtigt und verpflichtet, die Bezeichnung "PC-Feuerwehr" als Firmenbezeichnung zu führen. Nach Ziffer 3 wird der Kläger seine Geschäfte ausschließlich in seinem eigenen Namen und für eigene Rechnung abwickeln. Der Kläger ist zur Vertretung des Franchise-Gebers nicht befugt und wird jeden Anschein eines Handelns im Namen des Franchise-Gebers vermeiden. Die unternehmerischen Chancen und Risiken liegen beim Kläger; er organisiert und betreibt sein Geschäft eigenverantwortlich. Dies gilt insbesondere für die Auswahl des Standortes innerhalb des Vertragsgebietes, die Einrichtung des Geschäftslokals und die Einstellung von Mitarbeitern. In der Festlegung seiner Preise ist der Kläger frei, die einzige Vorgabe ist die Abrechnung von Dienst- und Werkleistung in viertelstündigen Einheiten. Nach Ziffer 4 ist der Kläger berechtigt und verpflichtet, die Gestaltung der Geschäftsräume, seiner Geschäftspapiere, seiner Fahrzeuge und die Berufskleidung seiner Mitarbeiter entsprechend dem Auftritt des Franchise-Gebers zu gestalten; nach Ziffer 5 ist der Kläger verpflichtet, für die Erstellung von Geschäftspapieren und den Bezug von Berufskleidung vom Franchise-Geber vorgegebene Bezugsquellen zu nutzen. Nach Ziffer 8 hat der Kläger die telefonische Erreichbarkeit während der geschäftsüblichen Öffnungszeiten (Montags bis Freitags von 9:00 Uhr bis 19:00 Uhr) sicherzustellen. § 4 regelt die Vergütung, das Entgelt für die Franchise setzt sich aus einer einmaligen Zahlung zu Beginn der Vertragsbeziehung, einem monatlichen Beitrag sowie einer Umsatzbeteiligung zusammen. § 6 enthält Regelungen zur Werbung, § 7 regelt eine Geheimhaltungspflicht und nach § 11 können die Rechte und Pflichten aus dem Vertrag nicht ohne schriftliche Einwilligung des Franchise-Gebers auf Dritte übertragen werden, nach § 12 beginnt der Vertrag mit dem 21.05.2007 und ist bis zum 31.12.2012 fest geschlossenen. § 13 regelt das Recht zur außerordentlichen Kündigung.

Ferner erhielt der Kläger zu Beginn der Tätigkeit von der Bundesagentur für Arbeit einen Gründungszuschuss, weswegen er von der Beklagten mit Bescheid vom 18.12.2007 bis zum 30.04.2009 von der Rentenversicherungspflicht als Selbständiger befreit wurde. Am 14.01.2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Feststellung der Versicherungspflicht nach Beendigung der befristeten Befreiung. Unter Berücksichtigung seines nur geringfügigen Arbeitseinkommens stellte die Beklagte mit Bescheid vom 16.01.2009 fest, dass ab dem 01.05.2009 Versicherungsfreiheit bestehe, weil nur eine geringfügige selbständige Tätigkeit ausgeübt werde. Schließlich beantragte der Kläger am 03.04.2009 die Überprüfung der von der Beklagten dem Grunde nach festgestellten Versicherungspflicht als Selbständiger, er werde nicht in persönlicher Abhängigkeit tätig, unterliege keinen Weisungen und könne die Preise frei gestalten. Diesen Überprüfungsantrag beschied die Beklagte mit Bescheid vom 27.04.2009 abschlägig. Der Kläger unterliege in seiner selbständig ausgeübten Tätigkeit der Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 Sechstes Sozialgesetzbuch (SGB VI), da er nur für einen Auftraggeber, den Franchise-Geber, tätig werde.

Der Kläger widersprach und machte geltend, nicht nur für den Franchise-Geber, sondern auch für seine Kunden tätig zu werden. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.06.2012 zurück. Der Kläger sei rentenversicherungspflichtig, weil er nur für einen Auftraggeber, den Franchise-Geber, tätig werde. Das Bundessozialgericht (BSG) habe mit Urteil vom 04.11.2009 ? B 12 R 3/08 R ? klargestellt, dass in Franchisesystemen der Franchise-Geber als Auftraggeber des Franchise-Nehmers anzusehen sei.

Mit seiner am 22.06.2012 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt.

Während des Klageverfahrens hat der Kläger mitgeteilt, seit dem 01.01.2013 ohne Bindung an den Franchise-Vertrag tätig zu werden. Daraufhin hat die Beklagte mit Bescheid vom 21.05.2013 festgestellt, dass der Kläger seit dem 01.01.2013 nicht der Versicherungspflicht als selbständig Tätiger in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt.

Für die Zeit davor ist der Kläger weiterhin der Auffassung, nicht der Versicherungspflicht für Selbständige zu unterfallen. Das BSG habe Versicherungspflicht des Franchise-Nehmers nur bei einem vertikalkooperativ organisierten Absatzmittlungsverhältnisses bejaht. Das treffe auf ihn nicht zu, er sei nicht in seiner fachlichen Tätigkeit als IT-Dienstleister geschult worden, sondern nur in der Buchhaltungssoftware und im Außenauftritt, ferner fänden jährlich zwei Treffen sämtlicher Franchise-Nehmer und des Franchise-Gebers statt. Entgegen den Regelungen im Franchise-Vertrag habe er keine Beratungsleistungen des Franchise-Gebers im IT-Bereich erhalten. Der Franchise-Geber habe lediglich eine Plattform geboten, in deren Rahmen sich die Franchise-Nehmer in eigener Organisation treffen konnten. Er habe vom Franchise-Geber auch keine Kundendaten erhalten, ebenso habe er keine Vorgaben für die Preisgestaltung erhalten, auch das Briefpapier habe er in eigener Verantwortung und Entscheidung drucken lassen. Ferner habe das im Franchise-Vertrag geregelte Wettbewerbsverbot nur IT-Dienstleistungen und nicht das Verbot anderweitiger wirtschaftlicher Tätigkeiten zum Gegenstand.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2012 zu verpflichten, die Bescheide vom 18.12.2007 und 16.01.2009 dahingehend zurückzunehmen, als diese Versicherungspflicht als Selbständiger für die Zeit bis zum 31.12.2012 feststellen

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die getroffene Entscheidung weiterhin für zutreffend.

Im Übrigen wird wegen des weiteren Sach- und Streitstandes auf die Gerichts- und von der Beklagten beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 27.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 05.06.2012 beschwert den Kläger nicht nach § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Diese Bescheide sind rechtmäßig, weil der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Feststellung von Versicherungsfreiheit unter Rücknahme der mit Bescheiden vom 18.12.2007 und 16.01.2009 für die Zeit bis zum 31.12.2012 dem Grunde nach festgestellten Versicherungspflicht hat. Das folgt aus § 44 Abs. 1 Zehntes Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist ein rechtswidriger Verwaltungsakt zurückzunehmen, soweit u.a. bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen worden ist. Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der mit Bescheiden vom 18.12.2007 und 16.01.2009 für die Zeit bis zum 31.12.2012 dem Grunde nach festgestellten Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht erfüllt. Die Beklagte hat insoweit zu Recht festgestellt, dass der Kläger der Rentenversicherungspflicht als Selbständiger unterfällt. Nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI sind selbständig Tätige rentenversicherungspflichtig, wenn sie im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger mit seiner selbständigen Tätigkeit für die Zeit bis zum 31.12.2012. Er hat in dieser Zeit nicht regelmäßig einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt und war auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber, nämlich den Franchise-Geber tätig. Bei Einmann-Franchise-Nehmern wie dem Kläger ist der Franchise-Geber Auftraggeber im Sinne von § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI, weil im Rahmen eines solchen (vertikalkooperativen) Verhältnisses genau die Situation besteht, die die Einbeziehung von selbstständig Tätigen mit nur einem Auftraggeber in die Rentenversicherungspflicht veranlasst und begründet hat (BSG, Urteil vom 04.11.2009 ? B 12 R 3/08 R; LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 05.12.2011 ? L 1 R 59/11; s.a. BT-Drs. 13/6549 S. 7; BT-Drs. 13/8942 S. 8). Der Kläger war im Rahmen seiner selbstständigen Tätigkeit vollständig von seinem Franchise-Geber abhängig. Seine Tätigkeit konnte außerhalb des Franchise-Vertrags nicht ausgeübt werden. Er stand in einer vertikalkooperativ organisierten Vertriebskette, in der er als selbständig tätiger (Einmann-)Franchise-Nehmer für den Franchise-Geber Dienstleistungen vermarktet hat, die ihm der Franchise-Geber zur Verfügung gestellt hat; das erfolgte hier in der Zurverfügungstellung des Konzeptes "PC-Feuerwehr" zur Erbringung von IT-Dienstleistungen (das der Kläger nicht nur nutzen durfte, sondern auch zu beachten hatte), der Erreichbarkeit unter einer bundesweit einheitlichen Rufnummer, einer einheitlichen Internet-Präsenz und einem einheitlichen Auftreten nach außen. Ferner ergibt sich aus § 5 Ziffer 1 des Franchise-Vertrages die Verpflichtung des Klägers zur Werbung für die PC-Feuerwehr, wobei eigene PR-Tätigkeit und Werbung unter dem Einwilligungsvorbehalt des Franchise-Gebers steht, ebenso sind Presseanfragen an den Franchise-Geber zu verweisen und nach § 6 Ziffer 3 besteht die Verpflichtung zur Bevorratung von Waren, um der Nachfrage eines jeden Kunden gerecht zu werden. Zudem bestand die Verpflichtung zu einem "einheitlichen" Auftritt (§ 2 Ziffer 4), des Weiteren war nach § 2 Ziffer 8 die telefonische Erreichbarkeit sicherzustellen.

Entscheidend für die Annahme einer vertikalkooperativ organisierten Vertriebskette ist ferner, dass der Kläger außerhalb des Franchise-Vertrages aufgrund der vertraglichen Verpflichtungen keine nennenswerten unternehmerischen Tätigkeiten ausüben durfte und keine zusätzlichen Verdienstmöglichkeiten hatte. Das folgt insbesondere aus dem Wettbewerbsverbot (keine Tätigkeit für Konkurrenzunternehmen), der Geheimhaltungspflicht sowie der Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung bei vertragswidriger Nutzung der eingeräumten Schutzrechte und des überlassenen Knowhows.

Unerheblich für diese Feststellung ist, dass sich der Kläger jetzt auf die Unwirksamkeit des Franchisevertrages beruft. Hiermit kann er heute nicht mehr gehört werden, nachdem der Vertrag von ihm tatsächlich erfüllt worden und er nach dem Franchisekonzept "PC-Feuerwehr" tätig gewesen ist. Anderes würde nur gelten, wenn er den Vertrag vor dem zuständigen Gericht mit Erfolg angefochten hätte; nur dann entfiele die Grundlage für die Annahme einer vertikalkooperativen Vertriebskette.

Ebenso spricht gegen die Feststellung einer vertikalkooperativen Vertriebskette nicht, dass der Kläger Dienstleistungen erbracht und keine Waren verkauft hat sowie von seinen Kunden und nicht von seinem Franchise-Geber "bezahlt" worden ist. Nach der Rechtsprechung des BSG können auch Dienstleistungen Gegenstand eines vertikalkooperativ organisierten Absatzmittlungsverhältnisses sein, in dem sich als einziger Auftraggeber derjenige als "Absatzherr" erweist, der die Produkte für die Vermarktung zur Verfügung stellt und damit mehr ist als ein bloßer "Warenlieferant". Ferner besteht auch ohne direkten Vergütungsanspruch gegen den Franchise-Geber ein wirtschaftliche Abhängigkeit und damit soziale Schutzbedürftigkeit indizierendes Auftragsverhältnis des Einman-Franchise-Nehmers zum Franchise-Geber (BSG, a.a.O.; LSG Schleswig-Holstein, a.a.O.). Ebenfalls ist unerheblich, dass der Kläger über das Grundwissen zur Erbringung von IT-Dienstleistungen schon vor Abschluss des Franchise-Vertrages verfügt hat; entscheidend ist, dass er seine Dienstleistungen nach dem Konzept "PC-Feuerwehr" erbringen durfte und dieses zu beachten hatte. Auch die Möglichkeit zur Erbringung branchenfremder Dienstleistungen führt nicht zum Entfallen der Abhängigkeit für die hier zu beurteilende Tätigkeit.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.