Niedersächsisches FG, Beschluss vom 28.01.2015 - 15 V 208/14
Fundstelle
openJur 2015, 4082
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.

Die Beschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt, eine vom Antragsgegner (Finanzamt - FA -) gegenüber der Deutschen Rentenversicherung (DRV) ausgebrachte Pfändungs- und Einziehungsverfügung von der Vollziehung auszusetzen. Ferner erstreckt sich das Aussetzungsbegehren auf eine vom FA nach § 319 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. 850c Abs. 4 der Zivilprozessordnung (ZPO) getroffene Anordnung, dass die Ehefrau des Antragstellers (F) bei der Ermittlung der Pfändungsfreigrenzen wegen eigener Einkünfte unberücksichtigt bleibt.

Der etwa 80jährige Antragsteller ist … mit F verheiratet. Mit einem im Jahre 1987 geschlossenen Ehevertrag vereinbarten die Eheleute Gütertrennung. Der Güterstand ist im Güterrechtsregister eingetragen.

Der Antragsteller hatte bei der Gemeinde O (Bundesland R) eine gewerbliche Tätigkeit ordnungsbehördlich angemeldet. Zum 31. Juli 1997 meldete der Antragsteller das Gewerbe ab.

Der Antragsteller war ferner Geschäftsführer der A-GmbH (GmbH). Bei dieser Gesellschaft handelte es sich um die Komplementärin der A-GmbH & Co. KG (im Folgenden: KG). Die KG hatte ihren Sitz in P (Bundesland S). Aufgrund ihres dortigen Geschäftssitzes wurde die KG steuerlich vom Finanzamt P, und zwar unter der Steuernummer 00/111/22222 geführt.

Mit notariell beurkundeten Schuldanerkenntnissen erkannten die KG und die GmbH im Jahre 1988 an, der F jeweils den Betrag von 50.000,00 DM nebst Zinsen in Höhe von jährlich 10 v. H. seit dem 1. Juli 1983 zu schulden. Zugleich unterwarfen sich die KG und die GmbH jeweils der sofortigen Zwangsvollstreckung. …

F, vertreten durch die Rechtsanwälte Z, beantragte in einem Vollstreckungsverfahren gegen den Antragsteller als Schuldner im Jahre 1997 beim zuständigen Obergerichtsvollzieher, der damaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) ein vorläufiges Zahlungsverbot zuzustellen. F könne aufgrund der vollstreckbaren Ausfertigungen der beiden Notarurkunden eine Gesamtforderung in Höhe von rd. 240.000,00 DM beanspruchen. Diese Summe setze sich aus den Hauptforderungen in Höhe von 100.000,00 DM und Zinsen in Höhe von rd. 140.000,00 DM zusammen. Wegen dieser Forderungen werde demnächst aufgrund des vorliegenden Titels der Anspruch, den der Antragsteller gegen die BfA als Drittschuldnerin auf Zahlung von Geldleistungen, insbesondere der Altersrente, habe, gepfändet. Das vorläufige Zahlungsverbot wurde der BfA zugestellt.

Mit Vereinbarung vom 7. Juli 1997 trat der Antragsteller seine Rentenansprüche gegen die damalige BfA ohne Angabe eines rechtlichen Grundes an F ab. F übersandte der BfA die Vereinbarung mit Schreiben vom selben Tage und folgendem Zusatz:

„Ich bin bis auf jederzeitigen Widerruf damit einverstanden, daß die Rente in voller Höhe an meinen Mann ausgekehrt wird. Sollten allerdings Pfändungen dritter Gläubiger oder Abtretungserklärungen Ihnen vorgelegt werden, bitte ich Sie, den mir zustehenden pfändbaren Anteil zu überweisen.“

Die BfA teilte dem Antragsteller daraufhin mit, von der Vereinbarung Kenntnis genommen zu haben und die Abtretung zu gegebener Zeit zu beachten.

Seit August 1997 bezieht der Antragsteller von der BfA bzw. der DRV eine Altersrente. Außerdem zahlt eine ausländische Rentenkasse an den Antragsteller monatlich eine Altersrente in Höhe von umgerechnet rd. 35,00 € aus. Nach dem Eintritt in den Ruhestand verzogen die Eheleute von O nach Q (Bundesland T). …

Steuerlich wurden die Eheleute vor ihrem Umzug vom FA geführt. Als Unternehmer meldete der Antragsteller beim FA Umsätze zuletzt für die Monate Mai und Juni 1998 an.

Jedenfalls seit dem Jahre 1995 wird der Antragsteller auch als Vollstreckungsschuldner geführt. Die älteste Rückstandsanzeige, die sich in den vom FA vorgelegten Vollstreckungsakten befindet, datiert vom 26. April 1995. Sie wurde unter der Steuernummer 33/444/5555 für den Antragsteller erstellt und weist Rückstände aus Umsatzsteuer-Vorauszahlungen nebst Verspätungszuschlägen im Gesamtbetrag von rd. 195.000,00 DM sowie Säumniszuschläge in Höhe von rd. 5.000,00 DM aus. Die Hauptforderungen sind hiernach seit 6. Februar 1995, die Verspätungszuschläge seit 6. März 1995 fällig.

Aufgrund des Umzugs der Eheleute nach Q gab das FA mit Verfügung vom 16. Juni 1998 die Akten über die Besteuerung der Eheleute an das Finanzamt Q als Wohnsitzfinanzamt ab, jedoch mit Ausnahme der zur Steuernummer 33/444/55555 geführten Akten über die Rückstände des Antragstellers aus Umsatzsteuer. …

Zur Begründung eines Antrags auf Gewährung von Vollstreckungsaufschub teilte der Antragsteller dem FA am 2. Juni 1995 mit, über keine nennenswerten Vermögensgegenstände zu verfügen. Als Geschäftsführer „einer konkursgegangenen GmbH“ hafte er für Verbindlichkeiten der GmbH, und zwar gegenüber Gläubiger V in Höhe von rd. … DM, gegenüber dem Finanzamt P in Höhe von rd. … DM und gegenüber Gläubiger W in Höhe von rd. … DM. Mit diesen Gläubigern habe der Antragsteller Ratenzahlungsvereinbarungen getroffen. Am 26. Juli 1995 reichte der Antragsteller beim FA den von ihm ausgefüllten „Fragebogen über Einkommens- und Vermögensverhältnisse“ ein. Darin gab er u. a. an, eine selbständige Erwerbstätigkeit auszuüben und mietfrei in der Wohnung seiner Ehefrau in O zu wohnen. Den Antrag, die Vollstreckung einstweilen einzustellen, lehnte das FA mit Bescheid vom 7. August 1995 ab.

Am 18. August 1995 brachte das FA gegenüber der A-Bank eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung aus. … Die Drittschuldnerin teilte dem FA hierauf mit, die gepfändete Forderung bestehe derzeit nicht. Am 29. August 1995 setzte das FA die Einziehung unter Aufrechterhaltung der Pfändungsverfügung mit sofortiger Wirkung widerruflich aus. Die A-Bank kündigte die Geschäftsbeziehung zum Antragsteller im Jahre 2012 auf.

Mit Bescheid vom 8. September 1995 hatte das FA die Vollstreckung von Abgabenrückständen … gegen Zahlung monatlicher Raten in Höhe von 1.000,00 DM bis zum 3. März 1996 ausgesetzt. Die Teilzahlungen waren jeweils am 3. eines Monats zu leisten, erstmals am 3. Oktober 1995. …

Das FA wies den Antragsteller schriftlich darauf hin, die am 4. Dezember 1995 sowie am 3. Januar und 3. Februar 1996 fälligen Raten nicht gezahlt zu haben. …

Mit Bescheid vom 6. Juni 1996 gewährte das FA dem Antragsteller bis zum 15. Dezember 1996 erneut Vollstreckungsaufschub, und zwar gegen Zahlung monatlicher Raten in Höhe von 3.000,00 DM. …

Mit Schreiben vom 21. März 1997 wies das FA den Antragsteller darauf hin, für den Monat Februar 1997 bislang keinen Zahlungseingang feststellen zu können. Der Antragsteller entgegnete hierauf mit Schreiben vom 14. April 1997, seine Einkünfte als Selbständiger seien aufgrund der allgemeinen wirtschaftlichen Lage in der Branche weiterhin stark rückläufig. Solange er es ermöglichen könne, wolle er weiterhin monatliche Raten à 3.000,00 DM an das FA zahlen. Der Antragsteller bat das FA darum, die Vollstreckung weiterhin auszusetzen. Am 23. Mai 1997 legte der Antragsteller den mit aktualisierten Angaben ausgefüllten „Fragebogen über Einkommens- und Vermögensverhältnisse“ vor. Mit Bescheid vom 29. Mai 1997 gewährte das FA gegen monatliche Teilzahlungen in Höhe von 3.000,00 DM weiter Vollstreckungsaufschub, und zwar bis zum 15. November 1997. …

Am 19. Dezember 1997 teilte der Antragsteller dem FA mit, ab Januar 1998 die vereinbarten Ratenzahlungen nicht mehr leisten zu können. Seit August 1997 sei er Altersrentner. Aufgrund der verschlechterten Wirtschaftslage sei ihm keine kostendeckende Fortführung der gewerblichen Tätigkeit möglich. Von seiner Altersrente verblieben dem Antragsteller nach Abzug der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung noch rd. 2.650,00 DM. Der Antragsteller bitte daher darum, die monatlich zu leistenden Raten auf 200,00 DM herabzusetzen.

Am 4. Februar 1998 legte der Antragsteller dem FA erneut den ausgefüllten „Fragebogen über Einkommens- und Vermögensverhältnisse“ vor. Dadurch teilte er dem FA u.a. mit, zusammen mit seiner Ehefrau nach Q verzogen zu sein. Als Anlage zu dieser Erklärung reichte der Antragsteller eine Ablichtung des letzten Rentenbescheides ein. …

Auf die ergänzende Aufforderung des FA, Nachweise über die bestehenden Verbindlichkeiten vorzulegen, reichte der Antragsteller ein Schreiben des Gläubigers V sowie eine vom Finanzamt P zur dortigen Steuernummer 00/111/22222 erstellte Rückstandsauflistung ein. Nach einer Forderungsaufstellung hatte der Gläubiger V gegen den Antragsteller am 26. Februar 1998 (Rest-) Forderungen in Höhe von … DM. Die Auflistung des Finanzamts P wies im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit der KG entstandene Abgabenrückstände im Gesamtbetrag von … DM aus.

Das FA gewährte dem Antragsteller mit Bescheid vom 8. April 1998 abermals Vollstreckungsaufschub. Gegen Zahlung monatlicher Raten à 200,00 DM setzte das FA die Vollstreckung bis zum 15. März 1999 aus.

Den Antrag des Antragstellers auf außergerichtliche Schuldenbereinigung i.S. des § 305 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO) lehnte das FA mit Bescheid vom 15. März 1999 ab. Voraussetzung für das Zustandekommen einer außergerichtlichen Einigung sei u.a., dass durch den Schuldenbereinigungsplan kein Gläubiger benachteiligt werde und sämtliche Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen verzichteten. Der Antragsteller habe allerdings darauf hingewiesen, dass der Gläubiger V eine Schuldenbereinigung abgelehnt habe. Dieser Gläubiger habe dadurch die Möglichkeit, auch weiterhin in vorhandenes Vermögen zu vollstrecken und dadurch Vorteile gegenüber anderen Gläubigern zu erlangen.

Mit Schreiben vom 8. September 2003 wies das FA den Antragsteller darauf hin, seit geraumer Zeit keine Maßnahmen zur Einziehung der Steuerrückstände getroffen zu haben. Der Antragsteller schulde jedoch weiterhin die in einer Anlage zum Schreiben aufgelisteten Rückstände. Das FA forderte den Antragsteller dazu auf, unter Darlegung seiner wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse Tilgungsvorschläge zu unterbreiten. Hierauf teilte der Antragsteller dem FA am 25. September 2003 sinngemäß mit, seine Altersrente betrage (brutto) rd. 1.700,00 €. Hiervon ziehe F als Gläubigerin monatlich den Betrag von 800,00 € ein. Nach Abzug der Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung und Aufwendungen zur Behandlung einer Erkrankung verblieben ihm rd. 560,00 €. Der Antragsteller sei gegenüber F unterhaltspflichtig. Wegen seines Alters nähmen die Lebenshaltungskosten stärker zu als der Rentenausgleich.

Mit Schreiben vom 14. Februar 2008 teilte das FA dem Antragsteller die Höhe der Abgabenrückstände, aufgeteilt nach Abgabenart und Zeiträumen, mit. Das FA bat den Antragsteller, unter Darlegung der seinerzeitigen wirtschaftlichen und finanziellen Situation Tilgungsvorschläge zu unterbreiten. Der Antragsteller antwortete hierauf mit Schreiben vom 17. Februar 2008, …, er könne aufgrund seiner wirtschaftlichen Lage keinen Teilzahlungsvorschlag machen. …

Ausweislich entsprechender Mitteilungsschreiben der DRV über Rentenanpassungen bezogen die Eheleute jeweils folgende Renten und Zuschüsse zur freiwilligen Kranken- und ggf. Pflegeversicherung: …

Nach Mitteilungsschreiben der Krankenkasse, die sich in den beigezogenen Vollstreckungsakten befinden oder die die Beteiligten dem Gericht vorgelegt haben, leisteten bzw. leisten die Eheleute folgende Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung: …

Mit Schreiben vom 18. April 2013 ersuchte das FA das Finanzamt Q, wegen der Abgabenrückstände des Antragstellers dem Vollziehungsbeamten einen Vollstreckungsauftrag zu erteilen. Der Vollziehungsbeamte fertigte am 22. Mai 2013 ein Protokoll über eine fruchtlose Pfändung. Auf dem Vordruck „Feststellungen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Vollstreckungsschuldners (natürliche Person)“ trug der Vollziehungsbeamte in der Zeile „Forderungen gegenüber Kreditinstituten, Bausparguthaben“ die Wörter „B-Bank Q“ ein. Ferner vermerkte er: „Ehefrau hat eine eigene Altersrente ca 500,- € einbezogen 100,- € für Krankenkasse“. Die vom Vollziehungsbeamten gefertigte Niederschrift … ging beim FA am 24. Mai 2013 ein.

Das FA brachte am 28. Mai 2013 gegenüber der DRV zur Beitreibung von Abgabenrückständen in Höhe von rd. 335.000,00 € eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung aus. Zugleich ordnete das FA u. a. an:

„Gem. § 850c Abs. 4 ZPO sind 48,54 % des Differenzbetrages zwischen pfändbarem Betrag bei keiner unterhaltsberechtigten Person und bei einer unterhaltsberechtigten Person als pfändbarer Betrag zu berücksichtigen, da die Ehefrau über ein Nettoeinkommen in Höhe von ca. 500,00 Euro verfügt, so dass sie teilweise bei der Ermittlung des unpfändbaren Betrages unberücksichtigt zu lassen ist ...“

Das FA hatte unter Berücksichtigung der Bekanntmachung zu § 850c der Zivilprozessordnung (Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2011) vom 9. Mai 2011 (BGBl I 2011, 825) einen pfändbaren Betrag in Höhe von 301,08 € ermittelt. Diese Summe enthält zum einen den monatlich pfändbaren Betrag bei einer Unterhaltspflicht für eine Person in Höhe von 141,95 € und außerdem 48,54 v.H. des Unterschiedsbetrages zwischen den pfändbaren Beträgen bei einer bzw. keiner Person (327,83 € x 48,54 v.H.). Diese Quote errechnete das FA ausweislich einer der Pfändungs- und Einziehungsverfügung beigefügten Anlage „Teilweise Nichtberücksichtigung der Ehefrau als Unterhaltsberechtigte gem. § 850c Abs. 4 ZPO“ wie folgt: …

Die DRV erkannte die Pfändung der Altersrente grundsätzlich an. In mehreren Schreiben setzte die Drittschuldnerin den Antragsteller und das FA über die Höhe des für die Pfändung maßgeblichen monatlichen Zahlbetrags sowie über die Höhe des aufgrund der Pfändung monatlich an das FA abzuführenden Betrages und über die Höhe des aufgrund der Abtretungsvereinbarung monatlich an F abzuführenden Betrages in Kenntnis. …

Der Antragsteller bat am 26. Juni 2013 „um weitere Aussetzung der Pfändungsverfügung“. Zur Begründung führte er u. a. diverse Erkrankungen sowie Zuzahlungen zu stationären Krankenhausbehandlungen an.

Die DRV bestätigte dem Antragsteller mit Schreiben vom 18. Juli 2013, „dass uns eine Abtretung zugunsten Ihrer Ehefrau vom 07.07.1997 vorliegt.“ Die Forderung werde durch monatliche Zahlungen der DRV bedient.

Mit Schreiben vom 3. November 2013 machte der Antragsteller gegenüber dem FA sinngemäß geltend, aufgrund eines Dauerauftrages von seinem zunächst von der A-Bank und später von der B-Bank geführten Girokonto monatlich den Betrag von 800,00 € unter Angabe des Verwendungszwecks „Abtretung“ an F zu überweisen. Dazu legte der Antragsteller dem FA Kopien von Kontoauszügen bzw. Ausdrucke von Umsatzabfragen aus den Jahren 2004 bis 2013 vor, aus denen entsprechende Überweisungen hervorgehen.

Unter Bezugnahme auf das Schreiben des Antragstellers vom 3. November 2013 lehnte es das FA mit Schreiben vom 12. November 2013 - das nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen ist - ab, die Pfändung der Rentenansprüche auszusetzen. Bei den vom Antragsteller als „Abtretung“ bezeichneten Verträgen handele es sich nicht um Abtretungen i.S. des § 398 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), weil keine Forderung eines Gläubigers auf einen anderen Gläubiger übertragen worden sei. Darüber hinaus gehe das FA davon aus, dass die dargelegten Schuldverhältnisse mit Datum vom 1. Juli 1983 beglichen seien. Denn bei monatlichen Raten von 1.600,00 DM bzw. 800,00 € sei bereits nach 5 Jahren und 3 Monaten eine vollständige Tilgung der Darlehen in Höhe von insgesamt 100.000,00 DM gegeben. Auch die zu zahlenden Zinsen in Höhe von jährlich 10 v.H. führten nicht zu einer Verlängerung der Tilgungsdauer auf mehr als 30 Jahre.

Die vom Antragsteller geltend gemachten Krankheitskosten erhöhten die Pfändungsfreigrenzen i.S. des § 850c ZPO nicht. Eine Berücksichtigung dieser Kosten sei daher nicht möglich.

Die gesetzliche Verjährungsfrist betrage gemäß § 228 AO für Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis grundsätzlich fünf Jahre. … Die Verjährungsfrist beginne im Streitfall mit Ablauf des Jahres 1995. Die Verjährung könne jedoch gemäß § 231 Abs. 1 AO durch unterschiedliche Maßnahmen (u. a. durch schriftliche Geltendmachung des Anspruchs, durch Zahlungsaufschub oder durch Aussetzung der Vollziehung - AdV -) unterbrochen werden. Finde eine unterbrechende Maßnahme statt, so beginne gemäß § 231 Abs. 3 AO mit Ablauf des Jahres der Unterbrechung eine neue Verjährungsfrist von fünf Jahren.

Im Jahre 1998 sei die Verjährung „durch die Gewährung einer Aussetzung der Vollziehung“ unterbrochen worden, so dass die Beträge nicht vor Ablauf des 31. Dezember 2003 verjährt seien. Dadurch, dass das FA den Antragsteller mit Schreiben vom 8. September 2003 u.a. zur Darlegung der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse aufgefordert habe, habe eine neue Frist von fünf Jahren bis zum Ablauf des Jahres 2008 begonnen. Das FA habe den Antragsteller mit Schreiben vom 14. Februar 2008 erneut um Darlegung der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse gebeten. Hierdurch sei die Verjährung bis zum Ablauf des Jahres 2013 verlängert worden. Im Jahre 2013 sei die Verjährung durch den dem Vollziehungsbeamten erteilten Vollstreckungsauftrag unterbrochen worden, so dass die noch offenen Beträge nicht vor dem 31. Dezember 2018 verjährten.

Gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 28. Mai 2013 legten der Antragsteller und F am 12. März 2014, vertreten durch die Rechtsanwälte Z, Einspruch ein. Die Verfügung sei rechtswidrig.

Zur Begründung machten die Eheleute geltend, sie wendeten sich nicht gegen die Pfändung als solche, sondern gegen „die Außerachtlassung eines Teils des gesetzlichen Pfändungsfreibetrags“. Entgegen den Ausführungen des FA im Schreiben vom 12. November 2013 seien die von F im Jahre 1983 gewährten Darlehen bis zum Jahre 1998 überhaupt nicht bedient worden. Bis dahin seien Zinsen in Höhe von knapp 85.000,00 € aufgelaufen. Die Zinsen hätten zu einer Gesamtforderung in Höhe von rd. 135.000,00 € geführt. Erst seit dem Jahre 1999 leiste der Antragsteller monatliche Zahlungen in Höhe von 800,00 €. Diese Raten hätten „jedoch bis heute nicht zur Tilgung der aufgelaufenen Zinsen ausgereicht“, so dass das Darlehenskapital weiterhin in voller Höhe valutiere. Unter Berücksichtigung der Zinsen sei noch eine Forderung der F in Höhe von rd. 70.000,00 € offen.

Nach dem Prioritätsprinzip gehe die Abtretung der angefochtenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung vor. Die derzeit praktizierte Auszahlung durch die DRV sei falsch. Dies gelte insbesondere für den vom FA berechneten Betrag nach § 850c Abs. 4 ZPO, der entgegen dieser Vorschrift schematisch und nicht unter Ausübung des Ermessens ermittelt worden sei. …

§ 850c Abs. 4 ZPO habe tatbestandlich zum einen eine unterhaltsberechtigte Person, welcher der Schuldner aufgrund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewähre, zur Voraussetzung, zum anderen müsse diese unterhaltsberechtigte Person über eigene Einkünfte verfügen. Nur bei Vorliegen beider Voraussetzungen sei der Anwendungsbereich des § 850c Abs. 4 ZPO eröffnet.

Die Rechtsfolge sei, dass - abweichend von § 850c Abs. 1 ZPO - das Vollstreckungsgericht, dessen Aufgabe hier die Finanzbehörde wahrnehme, nach billigem Ermessen bestimmen könne, dass diese unterhaltsberechtigte Person bei der Berechnung des unpfändbaren Anteils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibe. Soweit die Voraussetzungen des § 850c Abs. 4 ZPO im Streitfall vorlägen, hätte das FA eine fehlerfreie Ermessensentscheidung in Bezug auf die teilweise Anrechnung der Rente der F auf den Pfändungsfreibetrag des Antragstellers treffen müssen. Dieser Pflicht sei das FA vorliegend jedoch nicht nachgekommen. Vielmehr erschöpften sich die Ausführungen des FA darin, dass bei F überhaupt ein Einkommen vorhanden sei. Der Pfändungsfreibetrag werde schematisch nach einer Vergleichsmethode zwischen den Stufen der pfändbaren Beträge bei einer und bei keiner unterhaltsberechtigten Person ermittelt.

Dies werde, wie sich schon aus dem Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 4. Oktober 2005 VII ZB 24/05 (NJW-RR 2006, 568) ergebe, in der Rechtsprechung nicht als ausreichend angesehen. Richtig sei zwar, dass nach dieser Entscheidung zur Orientierung bestimmte Berechnungsgrößen als Grundlage für die Ermessensentscheidung herangezogen werden könnten. Wenn aber die Nichtberücksichtigung der F ausschließlich auf den Umstand gestützt werde, dass sie überhaupt eine eigene Rente beziehe, vermöge diese Erwägung die Ermessensentscheidung nicht zu tragen. Denn die Begründung erschöpfe sich in der Wiedergabe der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Ermessensentscheidung.

Eine Ermessensentscheidung nach § 850c Abs. 4 ZPO erfordere eine Abwägung aller Gesamtumstände und insbesondere die Beachtung der wirtschaftlichen Situation sowohl des Schuldners als auch der unterhaltsberechtigten Person. Die Finanzbehörde als Vollstreckungsbehörde müsse ihre Ermessensentscheidung aufgrund einer einwandfreien und erschöpfenden Ermittlung des Sachverhalts treffen. Dies gelte insbesondere und noch vielmehr da, wo die Finanzbehörde sowohl die Interessen des Vollstreckungsgläubigers als auch die Interessen einer ansonsten neutralen Instanz, nämlich des Vollstreckungsgerichts, wahrnehme. All diesen Anforderungen werde die vom FA nach § 850c Abs. 4 ZPO getroffene Entscheidung nicht gerecht.

Bei einer vom Grundsatz des § 850c Abs. 1 ZPO abweichenden Entscheidung nach § 850c Abs. 4 ZPO seien die wirtschaftlichen Verhältnisse sowohl des Antragstellers als auch der F zu berücksichtigen. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute seien vor Erlass der angefochtenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung weder von Amts wegen ermittelt worden, noch habe das FA die von den Eheleuten gemachten Angaben berücksichtigt. Schon aus diesem Grunde sei die Verfügung rechtswidrig.

F habe seit 1. Juli 2013 eine monatliche Rente (einschließlich des Zuschusses zur freiwilligen Krankenversicherung) in Höhe von rd. 670,00 € bezogen. Davon habe sie monatlich einen Krankenkassenbeitrag in Höhe von rd. 110,00 € gezahlt, so dass ihr netto eine monatliche Rente von rd. 560,00 € zur Verfügung gestanden habe.

Nach Maßgabe des BGH-Beschlusses in NJW-RR 2006, 568 sei bei einem mit dem Schuldner in einem Haushalt lebenden Unterhaltsberechtigten für die Ermessensentscheidung nach § 850c Abs. 4 ZPO nicht einseitig auf den Grundfreibetrag gemäß § 850c Abs. 1 Satz 1 ZPO abzustellen. Der BGH habe durch diese Entscheidung auch klargestellt, dass es in derartigen Fällen in Betracht komme, bei der Berechnung des Freibetrags des Unterhaltsberechtigten die nach den sozialrechtlichen Regelungen die Existenzsicherung gewährleistenden Gesetze heranzuziehen. Es sei zu berücksichtigen, dass die Regelungen über die Pfändungsfreigrenzen dem Schuldner und seinem Unterhaltsberechtigten nicht nur das Existenzminimum sichern sollten, sondern ihnen ein deutlich darüber liegender Teil vom Arbeitseinkommen erhalten bleiben solle. Nach dem BGH-Beschluss vom 5. April 2005 VII ZB 28/05 (NJW-RR 2005, 1239) sei insoweit ein Aufschlag von 30 bis 50 v.H. regelmäßig nicht zu beanstanden.

Lege man insoweit den ab 1. Januar 2014 geltenden Sozialhilfesatz der Regelbedarfsstufe 2 für Ehegatten in gemeinsamem Haushalt der Berechnung zugrunde (353,00 €) und erhöhe diesen um die vom BGH anerkannten Prozentsätze von bis zu 50 v. H., so ergebe sich allein daraus ein Pfändungsfreibetrag nach sozialrechtlichen Kriterien von 529,50 € im Monat. Berücksichtige man weiter, dass der BGH eine Größenordnung von 30 bis 50 v.H. für regelmäßig nicht zu beanstanden halte, seien 50 v.H. als Berücksichtigungsgrenze für F aufgrund ihres Alters mindestens in Ansatz zu bringen. Dies insbesondere deshalb, weil sich die Regelbedarfsstufen nur auf den Lebensunterhalt bezögen, nach den sozialrechtlichen Regelungen darüber hinaus auch noch Kosten der Unterkunft, Heizung, Krankenversicherung usw. zu gewährleisten seien. Die Eheleute hätten allein für die Unterkunft monatliche Aufwendungen in Höhe von rd. 400,00 €. Wegen der ländlichen Wohngegend sei darüber hinaus noch für Besorgungen, Einkäufe und Arztbesuche ein PKW notwendig, der monatliche Kosten in Höhe von etwa 150,00 € verursache.

Die allein aufgrund sozialrechtlicher Maßstäbe hypothetisch an F zu leistenden monatlichen Zahlungen lägen damit deutlich über 600,00 €. Mit ihrer geringen Rente sei F daher im Rahmen des § 850c Abs. 4 ZPO so zu behandeln, als hätte sie kein eigenes Einkommen.

Der Antragsteller bot dem FA eine Einmalzahlung in Höhe von 3.000,00 € für den Fall an, dass das FA die bestehenden Abgabenrückstände im Übrigen niederschlage.

Mit Schreiben vom 28. April und 17. Juli 2014 legte das FA seine Auffassung dar, dass die vorgebrachten Einwände keine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung begründeten. Außerdem lehnte es die von den Eheleuten angeregte Niederschlagung ab. Hierbei handele es sich lediglich um eine behördeninterne Maßnahme, auf die der Antragsteller keinen Anspruch habe.

Außerdem teilte das FA den Rechtsanwälten Z mit, die Anordnung nach § 319 AO i.V.m. § 850c Abs. 4 ZPO für rechtmäßig zu halten. Im Schreiben vom 17. Juli 2014 führte das FA aus, bei Ausbringung der Verfügungen die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute berücksichtigt zu haben. Darüber hinaus könne der „dargestellten Berechnung nicht gefolgt werden.“ So berücksichtige der Antragsteller lediglich die Renteneinkünfte der F in Höhe von (netto) rd. 560,00 €, nicht aber deren Zinseinkünfte in Höhe von 800,00 €. Aufgrund der vorliegenden Einkünfte könne F im Rahmen des § 850c Abs. 4 ZPO nicht so behandelt werden, als hätte sie kein eigenes Einkommen. Rechne man die Zinseinkünfte den Renteneinkünften hinzu, führe „dies zu der Rechtsfolge, dass F bei der Berechnung des Pfändungsfreibetrages vollständig unberücksichtigt bleiben“ würde. Der Antragsteller erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 8. August 2014. …

Die Rechtsanwälte Z teilten dem FA am 4. August 2014 u.a. mit, dass das Mandantschaftsverhältnis beendet sei.

Mit Einspruchsentscheidung vom 6. August 2014 - die mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehen ist und am 7. August 2014 mit einfachem Brief zur Post aufgegeben wurde - wies das FA „den Einspruch vom 12. März 2014 des Herrn … gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung“ als unbegründet zurück.

Eine Aufhebung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 28. Mai 2013 komme nicht in Betracht, weil das FA nach billigem Ermessen bestimmt habe, dass F bei der Berechnung des Pfändungsfreibetrages nach § 850c Abs. 4 ZPO teilweise unberücksichtigt bleibe. Anzeichen für einen Ermessensfehlgebrauch lägen nicht vor.

Die Berechnung der Pfändungsbeträge erfolge durch die DRV auf Grundlage der angefochtenen Verfügung vom 28. Mai 2013. Durch diese Verfügung habe das FA der DRV mitgeteilt, dass nach § 850c Abs. 4 ZPO ein Differenzbetrag in Höhe von 48,54 v.H. bei der Ermittlung des unpfändbaren Betrages unberücksichtigt zu lassen sei.

Aufgrund des Prioritätsprinzips … werde die Abtretungsvereinbarung vom 7. Juli 1997 von der DRV weiterhin zugunsten der F berücksichtigt und bedient. Das FA erhalte lediglich den Betrag, der aufgrund der Anwendung des § 850c Abs. 4 ZPO unberücksichtigt zu lassen sei.

Im Streitfall sei „das FA als Vollstreckungsgericht tätig geworden“. Es habe entschieden, dass F bei der Berechnung des pfändbaren Betrages teilweise unberücksichtigt bleibe. Diese teilweise Nichtberücksichtigung einer unterhaltsberechtigten Person wirke nur zugunsten desjenigen Vollstreckungsgläubigers, der die Anordnung erwirkt habe (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts - BAG - vom 20. Juni 1984 4 AZR 339/82, BAGE 46, 148). Ein Verstoß gegen das Prioritätsprinzip sei somit nicht gegeben.

Die Voraussetzungen des § 850c Abs. 4 ZPO würden vorliegend erfüllt. F sei eine Person, welcher der Antragsteller aufgrund gesetzlicher Verpflichtung gemäß § 1360 BGB Unterhalt gewähre. Darüber hinaus beziehe F auch eigene Einkünfte. Sie beziehe einerseits Einkünfte aus ihrer Rente in Höhe von monatlich (netto) rd. 560,00 € sowie Einkünfte aus monatlichen Zahlungen des Antragstellers in Höhe von 800,00 €. Hierbei handele es sich nach den Angaben des Antragstellers um Zinsen, die auf einem Darlehen aus dem Jahre 1983 beruhten, welches zurzeit noch in voller Höhe valutiere, weil bisher nur der aufgelaufene Zinsanteil getilgt worden sei. Somit erziele F neben den Renteneinkünften monatlich Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 800,00 €.

Da die Voraussetzungen des § 850c Abs. 4 ZPO mithin erfüllt seien, könne das Vollstreckungsgericht nach billigem Ermessen bestimmen, dass die unterhaltsberechtigte Person bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Einkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibe. Aus dem vom Antragsteller in Bezug genommenen BGH-Beschluss in NJW-RR 2006, 568 ergebe sich, „dass die Höhe des Einkommens für die Entscheidung einer Nichtberücksichtigung sich nicht schematisch am Grundfreibetrag des § 850c Abs. 1 ZPO orientieren dürfe.“ Das FA dürfe sich in diesen Fällen jedoch an bestimmten Berechnungsmodellen orientieren.

Eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung sei nicht erkennbar. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers und der F seien dem FA im Vorfeld der Verfügung umfassend bekannt gewesen. ... Die aufgrund eines Vollstreckungsersuchens durchgeführte fruchtlose Pfändung vom 22. Mai 2013 stelle die wirtschaftliche Situation des Antragstellers in vollem Umfang dar. Darüber hinaus habe das FA die von der DRV übermittelten Daten des Antragstellers und der F bei der Ermessensentscheidung berücksichtigt. …

Das FA habe in der der angefochtenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung beigefügten Berechnung die Zinseinkünfte der F nicht in Ansatz gebracht. Würden die Zinseinkünfte den Renteneinkünften hinzugerechnet, bliebe F bei der Ermittlung des Pfändungsfreibetrags gemäß § 850c Abs. 4 ZPO vollständig unberücksichtigt.

Der F erteilte das FA keine Einspruchsentscheidung.

Mit Schreiben vom 6. August 2014 forderte das FA die DRV auf, F gemäß § 850c Abs. 4 ZPO bei der Berechnung des Pfändungsfreibetrages aufgrund eigener Einkünfte mit sofortiger Wirkung in voller Höhe unberücksichtigt zu lassen. Eine Abschrift dieses Schreibens, das der DRV zugestellt wurde, übersandte das FA dem Antragsteller am 14. August 2014 mit einfachem Brief. Die DRV teilte dem FA auf dieses Schreiben den ab 1. Oktober 2014 maßgeblichen Zahlbetrag, den ohne Berücksichtigung unterhaltsberechtigter Personen nach Maßgabe der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2013 pfändbaren Betrag und den monatlich an das FA zu zahlenden Betrag mit.

Gegen den weiteren Bescheid vom 6. August 2014 legte der Antragsteller am 22. Januar 2015 Einspruch ein. Ferner beantragte er AdV. Das FA hat über den Einspruch und den AdV-Antrag noch nicht entschieden. …

Aufgrund eines Kontenabrufersuchens setzte das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) das FA am 19. September 2014 u.a. darüber in Kenntnis, dass der Antragsteller Inhaber eines von der C-Bank geführten Kontos ist. Auf eine am 13. Oktober 2014 ausgebrachte Pfändungs- und Einziehungsverfügung teilte die C-Bank dem FA in ihrer Drittschuldnererklärung mit, die gepfändete Forderung anzuerkennen. Zum Zeitpunkt der Pfändung hätten Forderungen des Antragstellers gegen die Drittschuldnerin in Höhe von rd. 70.000,00 € bestanden. … Die C-Bank zahlte den gepfändeten Betrag an das FA aus.

Der Antragsteller hatte am 19. August 2014 beim Niedersächsischen Finanzgericht (FG) die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein beabsichtigtes Klageverfahren („um im Falle deren Gewährung Klage zu erheben“) beantragt. In einem solchen Verfahren beabsichtigt der Antragsteller, die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 28. Mai 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. August 2014 anzufechten.  Auf Aufforderung des Berichterstatters legte der Antragsteller, nunmehr vertreten durch die Prozessbevollmächtigten, am 26. September 2014 auf amtlichem Vordruck die „Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe“ vor. Im Abschnitt „G Bankkonten/Grundeigentum/Kraftfahrzeuge/Bargeld/Vermögenswerte“ trug der Antragsteller unter „1. Bank-, Giro-, Sparkonten oder dergleichen? Angaben zu allen Konten sind auch bei fehlendem Guthaben erforderlich.“ handschriftlich ein:

„Allein B-Bank Q

Kontonummer 123

F: D-Bank

Kontonummer 456“.

Die Erklärung wurde vom Antragsteller unterschrieben.

Mit Beschluss vom 28. Januar 2015 15 K 196/14 (PKH) lehnte der Senat die Bewilligung von PKH ab.

Am 27. August 2014 hat sich der Antragsteller mit dem Begehren an das Gericht gewandt, die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 28. Mai 2013 und die geänderte Anordnung nach § 850c Abs. 4 ZPO vom 6. August 2014 von der Vollziehung auszusetzen. …

Seit Oktober 2014 zieht das FA monatlich rd. 300,00 € von der DRV ein.

Zur Begründung des AdV-Antrags macht der Antragsteller geltend, die angefochtene Pfändungs- und Einziehungsverfügung gehe ins Leere. … Der Antragsteller habe Ansprüche gegen die DRV in Höhe von monatlich 800,00 € an F abgetreten. Von dem monatlichen Auszahlungsbetrag seien die an F abgetretenen 800,00 € abzuziehen. Der verbleibende Betrag von rd. 1.050,00 €, den die DRV seit Juli 2014 an den Antragsteller zahle, liege ungeachtet der Unterhaltsverpflichtung des Antragstellers aus § 1360 BGB fast unterhalb der Pfändungsgrenze nach § 850c ZPO, die sich aktuell auf 1.045,04 € belaufe.

Bei der Abtretung handele es sich um ein Verfügungsgeschäft mit der Rechtsfolge, dass im Zeitpunkt der Abtretung die Gläubigerstellung vom Zedenten (Antragsteller) auf die Zessionarin (F) übergegangen sei. Dass von der Abtretung des Antragstellers an F nur der unpfändbare Teil seines ursprünglichen Rentenanspruchs erfasst worden sei, ergebe sich unmittelbar aus dem Wortlaut des § 400 BGB. …

Das FA berücksichtige „bei der Ermittlung der Pfändungsfreigrenze die Ehefrau als unterhaltsberechtigte Person nur teilweise“:

Die Nichtberücksichtigung der F gemäß § 850c Abs. 4 ZPO sei rechts- und ermessensfehlerhaft. Eine Anordnung nach dieser Bestimmung sei nämlich nach billigem Ermessen zu treffen. Sie habe unter Einbeziehung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls zu erfolgen. Es sei dabei der volle individuelle Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten - vorliegend der F - zugrunde zu legen. Wenn die Voraussetzungen des § 850c Abs. 4 ZPO nicht vorlägen, werde der Antrag als unbegründet zurückgewiesen. Zurückzuweisen sei der Antrag auch, wenn die Einkünfte des Unterhaltsberechtigten unbedeutend seien.

Das FA gehe davon aus, dass die Zahlungen des Antragstellers an F zu Einkünften aus Kapitalvermögen führten. Dies könne aufgrund der Darlehensverpflichtung, welche der Antragsteller im Jahre 1987 gegenüber F eingegangen sei, auch zutreffen.

Dass den monatlichen Zahlungen von 800,00 €, die F aus abgetretenem Recht von der DRV verlangen könne, ein Mischcharakter zukomme, ergebe sich aus den Umständen des Streitfalles. Zwar habe F dem Antragsteller tatsächlich ein Darlehen gewährt. Die Höhe des vereinbarten Zinses von 10 v.H. lasse darauf schließen, dass es sich dabei auch um einen Teil des Ehegattenunterhalts im Sinne einer Kompensation für die von F akzeptierte Gütertrennung handele. Die 800,00 € würden dazu benötigt, die tägliche Lebensführung der Eheleute  zu bestreiten. Zudem würden damit z.B. Grundsteuer, Müllabfuhr, Versicherungen, Gas, Strom, Wasser etc. bezahlt. Da der Antragsteller aufgrund der angefochtenen Verfügung sowie der Nichtberücksichtigung der F bei der Bemessung der Pfändungsfreigrenze die Zahlungen an F nicht mehr bewirken könne, sei nicht nur das Eigenheim der F gefährdet.

Die Nichtberücksichtigung der F bei der Bestimmung der Pfändungsfreigrenze sei bereits deshalb rechtsfehlerhaft, weil sie von der unzuständigen Stelle, nämlich dem FA selbst, getroffen worden sei. Gemäß § 850c Abs. 4 ZPO könne die Nichtberücksichtigung der unterhaltsberechtigten Person nur das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers vornehmen. Gläubiger sei das FA, Vollstreckungsgericht wäre das zuständige Wohnsitzgericht. Zwar dürfe sich die Verwaltungsbehörde selbst Titel erteilen. Eine Maßnahme nach § 850c Abs. 4 ZPO dürfe die Finanzbehörde indessen nicht treffen. Dies stelle einen Verstoß gegen die verfassungsrechtliche Garantie des gesetzlichen Richters dar.

Der Antragsteller sei in seinem Recht auf Gehör nach Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verletzt worden. Das FA habe eine Maßnahme nach § 850c Abs. 4 ZPO angeordnet, ohne dem Antragsteller rechtliches Gehör zu gewähren.

Die angefochtene Pfändungs- und Einziehungsverfügung sei unbillig. Nach § 850c Abs. 4 ZPO sei eine solche Entscheidung nach billigem Ermessen zu treffen. … Insbesondere hätten in die Ermessenserwägungen auch die Sinnhaftigkeit und die Verhältnismäßigkeit der ausgebrachten Verfügung einbezogen werden müssen. Bei der Plausibilitätsprüfung einer Vollstreckungsmaßnahme sei auch zu berücksichtigen, ob die Maßnahme geeignet sei, die Schuld zu tilgen. … Im Streitfall sei auch das Alter des Antragstellers zu berücksichtigen. Er sei gesundheitlich stark eingeschränkt. … Die vom FA ausgebrachte Pfändungs- und Einziehungsverfügung wirke sich beim Antragsteller lebensverkürzend aus. Die finanziellen Mittel für bestimmte, nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommene Behandlungen stünden dem Antragsteller nicht mehr zur Verfügung.

Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung bedrohe mittelbar auch die Existenz der F. Da der Antragsteller die bisherigen monatlichen Zahlungen nicht mehr leisten könne, sei es der F nicht mehr möglich, die laufenden Aufwendungen zu erbringen.

Das FA habe Jahre lang keine Vollstreckungsmaßnahmen unternommen und die Sache auf sich beruhen lassen. Über einen gewissen Zeitraum hinweg habe das FA Ratenzahlungen vorgeschlagen und akzeptiert, welche nicht annähernd ausgereicht hätten, um auch nur Zinsen und Säumniszuschläge zu kompensieren.

Die Abgabenforderungen des FA seien zahlungsverjährt. Die jüngste Steuerschuld sei am 19. Juni 1995 fällig geworden. Der Antragsteller gehe davon aus, dass die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis verjährt seien. Schon aus diesem Grunde sei AdV zu gewähren.

Der Antragsteller beantragt,

die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 28. Mai 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. August 2014 und den weiteren Bescheid vom 6. August 2014 von der Vollziehung auszusetzen.

Das FA beantragt,

den Antrag abzulehnen.

An der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung bestünden keine ernstlichen Zweifel. …

Soweit der Antragsteller der Ansicht sei, die mit F geschlossene Abtretungsvereinbarung gehe der Pfändung durch das FA vor, sei zu beachten, dass die DRV die Abtretung weiterhin berücksichtige und bediene. … Das FA erhalte „lediglich den Betrag, der aufgrund der Anwendung des § 850c Abs. 4 ZPO unberücksichtigt zu lassen“ sei. …

Nicht das FA, sondern die DRV berechne die Pfändungs- bzw. Abtretungsbeträge unter Berücksichtigung der einschlägigen Bestimmungen (vgl. Urteil des Landessozialgerichts             - LSG - für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30. April 2003 L 4 (3) RA 91/00, HVBG-INFO 2003, 2405).

Die Nichtberücksichtigung der F nach § 850c Abs. 4 ZPO sei weder rechts- noch ermessensfehlerhaft. Das FA habe seine Ermessensausübung im Einspruchsverfahren mit dem vormaligen steuerlichen Berater des Antragstellers ausführlich erörtert. …

Bei den Einkünften der F handele es sich um solche aus Kapitalvermögen nach § 20 EStG. Der Darstellung des Antragstellers, diesen Einkünften komme im Hinblick auf den vereinbarten Zinssatz von 10 v.H. „Mischcharakter“ zu, könne nicht gefolgt werden. Für einen „Mischcharakter“ lägen keinerlei Anhaltspunkte für. Darüber hinaus sei nicht erkennbar, dass das Eigenheim der F aufgrund der angefochtenen Verfügung gefährdet sei.

Die §§ 850 bis 852 ZPO regelten u.a. den Pfändungsschutz für Renten und rentenähnliche Bezüge. Diese und andere Schutzvorschriften würden nach § 319 AO für das Verwaltungsvollstreckungsverfahren sinngemäß gelten, und zwar soweit sich aus den Vorschriften der AO selbst nicht etwas anderes ergebe. Einschränkungen hinsichtlich der sinngemäßen Geltung ergäben sich aus den Besonderheiten des Verwaltungsvollstreckungsverfahrens. Entscheidungen treffe hier grundsätzlich die zuständige Vollstreckungsbehörde, nicht das Vollstreckungsgericht. Gepfändet werde durch Verwaltungsakt, nicht aber durch einen gerichtlichen Pfändungsbeschluss. Das Rechtsbehelfsverfahren bestimme sich nach den Vorschriften der AO und der Finanzgerichtsordnung (FGO), nicht indessen der ZPO.

Da das FA somit die zuständige Vollstreckungsbehörde sei und als Vollstreckungsbehörde tätig geworden sei, sei ein Antrag des Abgabengläubigers (des FA) beim Vollstreckungsgericht nicht erforderlich. Ein Verstoß gegen die verfassungsrechtliche Garantie des gesetzlichen Richters sei nicht gegeben. …

Das FA habe nicht gegen den Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör verstoßen. Stehe - wie im Streitfall - vor Erlass einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung fest, dass eine unterhaltsberechtigte Person ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben könne, könne die Vollstreckungsbehörde die Entscheidung mit der Pfändungsverfügung treffen. Dies habe das FA durch den angefochtenen Bescheid getan. Die „nachträgliche vollständige Nichtberücksichtigung“ sei „erst mit Fertigung der Einspruchsentscheidung vom 06. August 2014“ erfolgt. Zuvor sei der Antragsteller umfassend gehört worden. …

Bei einer Pfändung könne nicht auf das Lebensalter des Schuldners abgestellt werden. Das FA habe nach § 85 AO die Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu wahren.

Nach Aktenlage sei eine Existenzbedrohung der F nicht ersichtlich. Das FA habe bei Ausbringung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse der F berücksichtigt.

Es könne nicht verkannt werden, dass das FA durch die gegenüber der C-Bank am 13. Oktober 2014 ausgebrachte Verfügung eine Forderung des Antragstellers in Höhe von rd. 70.000,00 € gepfändet habe. Dass die angefochtene Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 28. Mai 2013 die Existenz des Antragstellers bedrohe, sei somit nicht erkennbar.

Dass über einen längeren Zeitraum auf Vollstreckungsmaßnahmen verzichtet worden sei, bedeute nicht, dass das FA von der Erhebung der Abgabenforderungen gegen den Antragsteller absehen wolle. So habe das FA den Antragsteller in regelmäßigen Abständen zur Darstellung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse aufgefordert, um zu prüfen, ob aufgrund wirtschaftlicher Erholung zumindest eine Ratenzahlung mit dem Ziel einer teilweisen Rückführung der Abgabenrückstände möglich gewesen sei. Auch dies entspreche den Grundsätzen einer gleichmäßigen Steuerfestsetzung und -erhebung durch die Finanzbehörden (vgl. § 85 AO).

Für das FA sei weder eine kritische finanzielle Lage des Antragstellers noch eine - durch die Pfändungs- und Einziehungsverfügung ausgelöste - konkrete Gefahr für das Leben oder die Gesundheit des Antragstellers ersichtlich.

Zahlungsverjährung sei im Streitfall nicht eingetreten. Insoweit führt das FA im Wesentlichen die dem Antragsteller bereits mit Schreiben vom 12. November 2013 mitgeteilten Erwägungen an.

Das FA hat das Gericht mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2014 über die erfolgreiche, gegenüber der C-Bank ausgebrachte Pfändungs- und Einziehungsverfügung in Kenntnis gesetzt. Aufgrund der Verfügung des Berichterstatters vom 31. Oktober 2014 ist dieser Schriftsatz dem Prozessbevollmächtigten zur Kenntnisnahme übersandt worden.

Der Berichterstatter hat den Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 29. Dezember 2014 darauf hingewiesen, davon auszugehen, dass es sich bei der gegenüber der DRV mit Schreiben vom 6. August 2014 getroffenen und dem Antragsteller mit Schreiben vom 14. August 2014 bekannt gegebenen Anordnung, F sei bei der Berechnung des Pfändungsfreibetrages aufgrund eigener Einkünfte mit sofortiger Wirkung in voller Höhe unberücksichtigt zu lassen, um einen Verwaltungsakt i.S. des § 118 AO handele. Der AdV-Antrag erstrecke sich auch auf diesen Bescheid. Der Prozessbevollmächtigte hat diesen Hinweisen nicht widersprochen. …

II.

Der AdV-Antrag ist abzulehnen. Der die Pfändungs- und Einziehungsverfügung betreffende Antrag hat deshalb keinen Erfolg, weil dieser Bescheid nicht mehr geändert oder aufgehoben werden kann. Die Anordnung über die teilweise Nichtberücksichtigung der F bei der Berechnung des pfändungsfreien Teils der Altersrente durfte das FA durch den Bescheid vom 6. August 2014 ersetzen; dieser Bescheid, nach dem F gänzlich unberücksichtigt bleibt, ist bei summarischer Betrachtung rechtmäßig, und dessen Vollziehung begründet für den Antragsteller keine unbillige Härte.

1. Gegenstand des AdV-Antrags ist zum einen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 28. Mai 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. August 2014. Nach dem unter dem Aktenzeichen 15 K 196/14 (PKH) geführten PKH-Antrag beabsichtigt der Antragsteller, gegen diese Verfügung Klage zu erheben. Zum anderen begehrt der Antragsteller, den mit Einspruch vom 22. Januar 2015 angefochtenen Bescheid vom 6. August 2014 für das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren von der Vollziehung auszusetzen.

2. Die in § 69 Abs. 4 FGO geregelte Zugangsvoraussetzung wird im Streitfall auch ohne vorherige Ablehnung eines AdV-Antrags durch das FA (vgl. § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO) erfüllt. Da der AdV-Antrag die Pfändungs- und Einziehungsverfügung sowie die geänderte Anordnung nach § 850c Abs. 4 ZPO und damit Vollstreckungsmaßnahmen des FA betrifft, wird der Ausnahmetatbestand des § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 FGO („eine Vollstreckung droht“) erfüllt. Diese Zugangsvoraussetzung ist erst recht erfüllt, wenn die Vollstreckung bereits begonnen hat (vgl. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO Rz 79; Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. Mai 2004 V S 5/04, BFH/NV 2004, 1414, m.w.N.).

3. Die AdV soll gemäß § 69 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz FGO erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatsachen bewirken (vgl. BFH-Beschlüsse vom 10. Februar 1984 III B 40/83, BFHE 140, 396, BStBl II 1984, 454 und vom 30. Dezember 1996 I B 61/96, BFHE 181, 411, BStBl II 1997, 466).

a) Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 28. Mai 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. August 2014 wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit von der Vollziehung auszusetzen, kommt wegen Eintritts der Bestandskraft nicht in Betracht.

aa) Zur Prüfung, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen, kommt es nicht mehr, wenn der Verwaltungsakt bestandskräftig ist und somit nicht mehr geändert oder aufgehoben werden kann. Dabei kann dahinstehen, ob der AdV-Antrag in einem solchen Fall wegen Wegfalls des Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig (so etwa BFH-Beschlüsse vom 24. März 2005 XI S 29/03, BFH/NV 2005, 1348; vom 27. März 2006 VIII S 1/06, BFH/NV 2006, 1325) oder unbegründet ist (so etwa BFH-Beschlüsse vom 8. Juni 1988 II S 5/88, BFH/NV 1989, 642; vom 18. Mai 1998 V S 3/98, BFH/NV 1998, 1366; vom 27. November 2003 VII S 19/03, BFH/NV 2004, 522). Ist der Verwaltungsakt in Bestandskraft erwachsen, findet eine Rechtmäßigkeitskontrolle jedenfalls nicht mehr statt (vgl. Gräber/Koch, FGO, 7. Aufl., § 69 Rz 98).

bb) So verhält es sich im Streitfall. Der am 19. August 2014 bei Gericht eingereichte Schriftsatz hat den Eintritt der Bestandskraft der Verfügung vom 28. Mai 2013 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 6. August 2014 nicht verhindert.

(1) Der Antragsteller hat nicht fristgerecht Klage gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung erhoben.

Mit dem bei Gericht am 19. August 2014 eingegangenen Schriftsatz ist nicht wirksam Klage erhoben worden. Der Antragsteller hat lediglich einen PKH-Antrag gestellt und erklärt, die Klageerhebung von der PKH-Bewilligung abhängig machen zu wollen („im Falle deren Gewährung Klage erheben“). Eine Klage, die unter der Bedingung erhoben wird, dass für das Klageverfahren PKH bewillig wird, ist unwirksam. Eine Klageschrift verträgt als bestimmender Schriftsatz keine Bedingung. Im Interesse der anderen Beteiligten, aber auch für das Gericht muss von Anfang an eindeutig feststehen, ob Klage erhoben worden ist oder nicht (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 17. Januar 1980 5 C 32/79, BVerwGE 59, 302, unter 1. der Gründe; Gräber/von Groll, FGO, 7. Aufl., § 40 Rz 5).

(2) Gründe, die nach § 56 Abs. 1 FGO eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen, liegen im Streitfall nicht vor. Auch Mittellosigkeit rechtfertigt vorliegend eine Wiedereinsetzung nicht.

(a) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm nach § 56 Abs. 1 FGO auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes, dass ein Beteiligter, der wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage war, die fristgebundene Klage oder das gegebene Rechtsmittel rechtzeitig einzulegen, Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat, wenn er innerhalb der Klage- oder Rechtsmittelfrist alles Zumutbare tut, um das in seiner Mittellosigkeit bestehende Hindernis zu beheben. Die Fristversäumung muss dann allerdings auf die Bedürftigkeit des Klägers zurückzuführen sein (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 11. März 2010  1 BvR 290/10, NJW 2010, 2567; BFH-Beschluss vom 8. Mai 2014 VII S 32/13 [PKH], BFH/NV 2014, 1221). Das bedeutet, dass der Beteiligte bis zum Ablauf der Klage- oder Rechtsmittelfrist alle Voraussetzungen für die Bewilligung der PKH zur Erhebung der Klage oder der Einlegung des Rechtsmittels schaffen muss. Hierzu gehört, dass innerhalb dieser Fristen das PKH-Gesuch zusammen mit der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den entsprechenden Belegen (§ 117 Abs. 2 bis 4 ZPO) eingereicht wird (BFH-Beschlüsse vom 3. April 1987 VI B 150/85, BFHE 149, 409, BStBl II 1987, 573; vom 9. April 2013 III B 247/11, BFH/NV 2013, 1112; Gräber/Stapperfend, FGO, 7. Aufl., § 56 Rz 20 „Prozesskostenhilfe", m.w.N.); der Antragsteller muss ein „ordnungsgemäßes Prozesskostenhilfegesuch“ stellen (so BFH-Beschluss in BFH 149, 409, BStBl II 1987, 573, Leitsatz 2). Den vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) eingeführten Vordruck (vgl. § 117 Abs. 4 ZPO) muss der PKH-Antragsteller vollständig ausfüllen und mit seiner Unterschrift ausdrücklich die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben versichern. Ist der Vordruck in wesentlichen Punkten unvollständig ausgefüllt und können die Lücken auch nicht durch beigefügte Anlagen, die vergleichbar übersichtlich und klar sind, geschlossen werden, ist der PKH-Antrag abzulehnen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 2. Juli 1998 IX B 37/98, BFH/NV 1990, 190, m.w.N.; vom 17. Januar 2001 XI B 76-78/00, BFH/NV 2001, 803). Bei einem anwaltlich vertretenen Antragsteller muss das Gericht nicht auf das verfahrensrechtliche Erfordernis des § 117 Abs. 2 und 4 ZPO hinweisen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 2. November 1999 X B 51/99, BFH/NV 2000, 581, m.w.N.; in BFH/NV 2001, 803).

Nach verbreiteter Auffassung hat der Beteiligte außerdem gemäß § 142 FGO i.V.m. § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen (so z.B. BFH-Beschluss vom 15. April 1999 X S 1/99, BFH/NV 1999, 1355; offen gelassen z.B. im BFH-Beschluss vom 27. Oktober 2004 VII S 11/04 [PKH], BFHE 208, 26, BStBl II 2005, 139).

Sind diese Anforderungen erfüllt, dann liegt ein formell ordnungsgemäßer PKH-Antrag mit der Folge vor, dass ohne Verzögerung über das Gesuch entschieden werden kann. Ergeht sodann eine - stattgebende oder ablehnende - Entscheidung über den PKH-Antrag, dann muss auf den fristgerecht gestellten (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO) Antrag des Rechtsuchenden grundsätzlich Wiedereinsetzung in die versäumte Rechtsbehelfsfrist gewährt werden. Die Wiedereinsetzung ist nicht davon abhängig zu machen, ob der PKH-Antragsteller mit der Bejahung der Erfolgsaussicht des beabsichtigten Rechtsbehelfs rechnen konnte (BFH-Beschluss in BFH/NV 2013, 1112, m.w.N.).

(b) Nach diesen Maßstäben kann dem Antragsteller nicht Wiedereinsetzung in die abgelaufene Klagefrist gewährt werden.

Der Antragsteller hat zwar am 19. August 2014 und damit innerhalb der einmonatigen Klagefrist bei Gericht einen sog. isolierten PKH-Antrag für ein beabsichtigtes Klageverfahren wegen Pfändungs- und Einziehungsverfügung gestellt und auf Aufforderung des Berichterstatters am 26. September 2014 auf amtlichem Vordruck die von § 117 Abs. 2 ZPO geforderte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt. Ferner hat der Antragsteller im PKH-Bewilligungsverfahren 15 K 196/14 (PKH) in einer der Bestimmung des § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO genügenden Weise das Streitverhältnis dargestellt.

Gleichwohl ist das PKH-Gesuch des Antragstellers nicht ordnungsgemäß, und die Fristversäumung ist nicht auf eine Bedürftigkeit des Antragstellers zurückzuführen. Der PKH-Antrag kann deshalb nicht als ordnungsgemäß angesehen werden, weil der Antragsteller im Formular „Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe“ durch den Eintrag „Allein B-Bank Q“ zu Bank- bzw. Sparkonten unvollständige und unwahre Angaben gemacht hat. Das seinerzeit noch vorhandene Sparguthaben bei der C-Bank in Höhe von rd. 70.000,00 € geht auch nicht aus den der Erklärung beigefügten Unterlagen hervor. Damit hat der Antragsteller dem für die Entscheidung über das PKH-Gesuch zuständigen Prozessgericht das seinerzeit noch vorhandene, der Höhe nach für die Entscheidung über das Gesuch nicht nur unerhebliche Sparguthaben ebenso verschwiegen wie zuvor der einheitlichen Erhebungsstelle des FA und dem Vollziehungsbeamten des Finanzamts Q. Da der Antragsteller bis zum Ablauf der Klagefrist Inhaber der Forderung gegen die C-Bank war und die Forderung erst durch die am 13. Oktober 2014 ausgebrachte Verfügung gepfändet und eingezogen worden ist, war der Antragsteller nicht wegen Mittellosigkeit an der rechtzeitigen Klageerhebung gehindert.

Der Senat konnte den PKH-Antrag für das beabsichtigte Klageverfahren ohne weitere Hinweise mit Beschluss vom 28. Januar 2015 15 K 196/14 (PKH) ablehnen. Denn der Antragsteller hatte die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Verfahren 15 K 196/14 (PKH) als Anlage zum Anwaltsschriftsatz vom 26. September 2014 eingereicht, und der Prozessbevollmächtigte war durch den Schriftsatz des FA vom 27. Oktober 2014 auf die erfolgreiche Pfändung gegenüber der C-Bank und somit über die unrichtigen Angaben in der Erklärung hingewiesen worden.

b) An der Rechtmäßigkeit des weiteren Bescheides vom 6. August 2014, den der Antragsteller mit dem am 22. Januar 2015 beim FA eingelegten Einspruch nach § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO angefochten hat, bestehen keine ernstlichen Zweifel. Bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Betrachtung ist dieser Bescheid formell (unten aa)) und materiell (unten bb)) rechtmäßig, und das FA durfte die zunächst mit Verfügung vom 28. Mai 2013 getroffene Anordnung über die teilweise Nichtberücksichtigung der F bei der Berechnung des unpfändbaren Teils der Altersrente zum Nachteil des Antragstellers ändern (unten cc)).

aa) Der Bescheid vom 6. August 2014 ist formell rechtmäßig.

(1) Das FA ist nach § 249 Abs. 1 Satz 3 AO die für eine Entscheidung nach § 850c Abs. 4 ZPO sachlich zuständige Behörde.

Da die - pfändungsbeschränkenden - Bestimmungen des § 850c ZPO über die Pfändungsgrenzen für Arbeitseinkommen gemäß § 319 AO im steuerlichen Vollstreckungsverfahren sinngemäß gelten (vgl. etwa BFH-Urteile vom 24. Oktober 1996 VII R 114/95, BFH/NV 1997, 385, DStRE 1998, 29, unter II. 2. der Gründe; vom 16. Dezember 2003 VII R 24/02, BFHE 204, 25, BStBl II 2004, 389; BFH-Beschluss vom 26. Mai 1998 VII B 303/97, BFH/NV 1999, 6, unter 2. der Gründe), sind auch diese Bestimmungen vom FA als Vollstreckungsbehörde anzuwenden. Dem FA als Abgabengläubiger kommt im Vollstreckungsverfahren zugleich die Funktion des Vollstreckungsgerichts zu (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 385, DStRE 1998, 29; FG Münster, Beschluss vom 3. September 2002 7 K 1547/02 AO, EFG 2002, 1628).

Durch die Zuständigkeit des FA als Vollstreckungsbehörde wird dem Antragsteller nicht der gesetzliche Richter vorenthalten. Im Verhältnis zu den Regelungen im 8. Buch der ZPO ist das steuerliche Zwangsvollstreckungsverfahren in §§ 249 bis 346 AO eigenständig geregelt. Diese Eigenständigkeit gebietet es in Fällen, in denen aus Gründen der gesetzestechnischen Vereinfachung in den verwaltungsvollstreckungsrechtlichen Vorschriften auf eine sinngemäße oder entsprechende Anwendung von ZPO-Vorschriften verwiesen wird, die nach der ZPO dem Vollstreckungsgericht eingeräumten Befugnisse grundsätzlich den Finanzbehörden in ihrer Eigenschaft als Vollstreckungsbehörden zuzuweisen. Der Gesetzgeber hat das Verwaltungsvollstreckungsverfahren bewusst so ausgestaltet, dass grundsätzlich die Vollstreckungsbehörde für Entscheidungen allzuständig ist. Dies bedeutet kein Defizit an Rechtsschutz für den Bürger, weil die Vollstreckungsbehörde als Teil der Exekutivgewalt sowohl dem Vorrang als auch dem Vorbehalt des Gesetzes unterliegt und ihre Entscheidungen durch die Finanzgerichtsbarkeit überprüft und ggf. korrigiert werden können (BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 385, DStRE 1998, 29, unter II. 3. a der Gründe).

Nur wenn die Vollstreckungsvorschriften der AO ausdrücklich auf den Zivilrechtsweg verweisen (z.B. § 262 Abs.1, § 293 Abs. 2, § 320 Abs. 2 AO), den Zivilgerichten bestimmte Befugnisse vorbehalten (z.B. § 284 Abs. 8, § 287 Abs. 4 AO) oder etwa sonst zwingende Gründe ersichtlich sind, unterliegt dieser Grundsatz Ausnahmen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 385, DStRE 1998, 29 unter II. 3. a der Gründe). Einen zwingenden Grund für die Verlagerung der Entscheidungsbefugnis auf das Vollstreckungsgericht nach der ZPO im Rahmen der Anwendung des § 850c Abs. 4 ZPO in der Verwaltungsvollstreckung kann der Senat indessen nicht erkennen. Insbesondere bietet das seinem Wesen nach auf Zugriff, nicht auf Verhandlung angelegte und daher (siehe auch das Anhörungsverbot des § 834 ZPO) nicht kontradiktorisch ausgestaltete Vollstreckungsverfahren nach der ZPO für die Beachtung von Pfändungsbeschränkungen und -verboten nach §§ 850 bis 852 ZPO keine höhere Richtigkeitsgewähr als das Verwaltungsvollstreckungsverfahren nach der AO. Denn im Verwaltungsvollstreckungsverfahren findet auf entsprechendes Betreiben des Vollstreckungsschuldners immerhin eine sich unter der Geltung des Amtsuntersuchungsgrundsatzes vollziehende doppelte Kontrolle der von der Vollstreckungsbehörde getroffenen Entscheidung statt, und zwar sowohl im verwaltungsinternen Rechtsbehelfsverfahren als auch im gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren vor dem FG (vgl. zu § 850f ZPO BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 385, DStRE 1998, 29 unter II. 3. a der Gründe, m.w.N.).

(2) Das FA ist für die Vollstreckung der in Rede stehenden Umsatzsteuerforderungen auch die örtlich zuständige Behörde.

Da die AO insoweit für das Vollstreckungsverfahren keine besonderen Vorschriften enthält, richtet sich die örtliche Zuständigkeit grundsätzlich nach den §§ 17 ff. AO (vgl. Beschluss des Niedersächsischen FG vom 25. Juli 2014 15 V 164/14, EFG 2014, 1838, unter II. 2. a bb der Gründe; Sunder-Plasmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Vor § 16 AO Rz 33). Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 AO ist für die Umsatzsteuer mit Ausnahme der Einfuhrumsatzsteuer das Finanzamt zuständig, von dessen Bezirk aus der Unternehmer sein Unternehmen im Geltungsbereich des Gesetzes ganz oder vorwiegend betreibt. Ein Unternehmen wird dort betrieben, wo der Unternehmer seine Tätigkeit anbietet, Aufträge entgegennimmt, ihre Ausführung vorbereitet und wo Zahlungen an ihn geleistet werden. Das ist in der Regel der Ort der Geschäftsleitung, der nicht mit dem Ort der Lieferung oder Leistung übereinstimmen und auch nicht der Sitz des Unternehmens sein muss (BFH-Urteil vom 19. Dezember 2000 VIII R 86/99, BFH/NV 2001, 742, unter II. 1. der Gründe). Die örtliche Zuständigkeit bleibt erhalten, wenn der Betrieb aufgegeben wird (BFH-Urteil vom 25. Januar 1989 X R 158/87, BFHE 156, 18, BStBl II 1989, 483, unter II. 1. b der Gründe).

Nach diesen Maßstäben ist bei summarischer Prüfung die örtliche Zuständigkeit des FA für die zwangsweise Beitreibung der Forderungen aus Umsatzsteuer und steuerlichen Nebenleistungen gegeben. Der Antragsteller übte als Unternehmer in der Gemeinde O und damit im Zuständigkeitsbereich des FA seine gewerbliche Tätigkeit aus, zuletzt reichte er beim FA Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die Monate Mai und Juni 1998 ein. Hieraus folgt auch die örtliche Zuständigkeit des FA für die Vollstreckung der Umsatzsteuerforderungen.

(3) Entgegen der vom Antragsteller vertretenen Auffassung hat das FA durch die geänderte Anordnung vom 6. August 2014 nicht gegen das Recht des Antragstellers auf rechtliches Gehör verstoßen.

Der verfassungsrechtliche Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) wird im Abgabenrecht einfachgesetzlich durch § 91 AO umgesetzt (vgl. Klein/Rätke, AO, 12. Aufl., § 91 Rz 1). Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, soll diesem nach § 91 Abs. 1 Satz 1 AO Gelegenheit gegeben werden, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Von der Anhörung kann nach § 91 Abs. 2 AO abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist. Dies ist nach § 91 Abs. 2 Nr. 5 AO insbesondere dann der Fall, wenn Maßnahmen in der Vollstreckung getroffen werden sollen.

Nach diesen Maßstäben ist der weitere Bescheid vom 6. August 2014 nicht zu beanstanden. Der Antragsteller hatte im außergerichtlichen Vorverfahren Gelegenheit, sich sowohl zur Pfändungs- und Einziehungsverfügung als auch zur Anordnung nach § 319 AO i.V.m. § 850c Abs. 4 ZPO zu äußern. Das FA hat seine Rechtsauffassung dem Antragsteller in den Anhörungsschreiben vom 28. April und 17. Juli 2014 dargelegt und erläutert. Unter Bezugnahme auf das Vorbringen im Einspruchsschreiben vom 12. März 2014, durch die Zahlungen des Antragstellers seien bislang nur die Zins-, nicht aber die Hauptforderung der F zurückgeführt worden, hat das FA den Antragsteller im Anhörungsschreiben vom 17. Juli 2014 darauf hingewiesen, dass die monatlichen Zahlungen des Antragstellers in Höhe von 800,00 € bei F Zinseinkünfte begründeten und F bei Zusammenrechnung der Renten- und Zinseinkünfte „bei der Berechnung des Pfändungsfreibetrags vollständig unberücksichtigt“ bliebe. Da dem Antragsteller Gelegenheit gegeben wurde, zu dieser Auffassung des FA Stellung zu nehmen, hat das FA jedenfalls bei summarischer Betrachtung auch durch Erlass der geänderten Anordnung vom 6. August 2014 nicht gegen die Anhörungsrechte des Antragstellers verstoßen.

bb) Das FA ist berechtigt, die Anordnung zu treffen, dass F bei der Berechnung des unpfändbaren Teils der Rentenansprüche unberücksichtigt bleibt. Auch unter Ermessensgesichtspunkten ist diese Entscheidung nicht zu beanstanden, insbesondere stehen der Rechtmäßigkeit der Anordnung nicht die vom Antragsteller gegen die Rechtmäßigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung als solche erhobenen Einwände entgegen.

(1) Hat eine Person, welcher der Schuldner aufgrund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt, eigene Einkünfte, so kann gemäß § 850c Abs. 4 ZPO das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers nach billigem Ermessen bestimmen, dass diese Person bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt.

Die Bestimmung nach § 850c Abs. 4 ZPO ist nach billigem Ermessen zu treffen. Sie hat unter Einbeziehung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls zu erfolgen (vgl. BGH-Beschlüsse vom 21. Dezember 2004 IXa ZB 142/04, NJW-RR 2005, 795; in NJW-RR 2005, 1239, unter II. 3. der Gründe). Eigene Einkünfte des Unterhaltsberechtigten, die ihm für seinen Lebensunterhalt zur Verfügung stehen, sind dergestalt zu berücksichtigen, dass für dessen damit bereits gedeckten Bedarf dem Schuldner ein Einkommensbetrag nicht unpfändbar verbleiben muss (BGH-Beschluss in NJW-RR 2005, 1239, 1240, unter II. 3. der Gründe). Unbedeutende Einkünfte bleiben unberücksichtigt (BGH-Beschluss in NJW-RR 2005, 795, unter II. 3. der Gründe). Entspricht es billigem Ermessen, dass dem Schuldner für den Unterhalt eines Angehörigen mit ausreichenden eigenen Einkünften Einkommen nicht mehr zur Verfügung stehen muss, dann hat diese Person auch bei Berechnung des unpfändbaren Arbeitseinkommens ganz unberücksichtigt zu bleiben. Sonst kann ein Angehöriger in dem Umfang unberücksichtigt bleiben, in dem sein Unterhalt aus eigenen Einkünften aufgebracht werden kann und daher der Schuldner von seiner Unterhaltspflicht freigestellt ist. Der Umfang der Nichtberücksichtigung des Unterhaltsberechtigten kann nur nach allen Umständen des Einzelfalls beurteilt werden. Es ist der (volle) individuelle Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten zugrunde zu legen; davon ist der durch eigene Einkünfte bereits gedeckte Anteil des Unterhaltsbedarfs abzusetzen. Den Unterschiedsbetrag hat der Schuldner als Unterhalt aus Arbeitseinkommen noch zu leisten (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 850c Rz 15).

Dass das Vollstreckungsgericht „nach billigem Ermessen“ eine Anordnung nach § 850c Abs. 4 ZPO treffen kann, soll genügend Raum für die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls gewährleisten, zugleich aber auch eine praktische Handhabung ermöglichen. Insbesondere sollen an die Prüfung der Umstände keine überspannten Anforderungen gestellt werden, um das Vollstreckungsverfahren praktikabel zu gestalten (BGH-Beschluss in NJW-RR 2005, 1239, 1240, unter II. 3. der Gründe). Angesichts der unterschiedlichsten Lebenssachverhalte verbietet sich eine nur einseitige Orientierung an bestimmten Berechnungsgrößen (starren Sätzen oder abstrakten Formeln) und damit eine schematisierende Betrachtung. Für die Ausübung billigen Ermessens können Pfändungsfreibeträge und Unterhaltssätze indes Anhalt geben (BGH-Beschlüsse in NJW-RR 2005, 795, 797 und in NJW-RR 2005, 1239, 1240). Ermessensfehlerhaft ist es aber, dieselbe Berechnungsformel unterschiedslos auf verschiedenartige Fallgestaltungen anzuwenden (BGH-Beschluss in NJW-RR 2005, 1239; Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 850c Rz 15a).

Wenn der Unterhaltsberechtigte - wie im Streitfall - mit dem Schuldner in einem Haushalt lebt, kommt es in Betracht, bei der Bemessung des Freibetrags des Unterhaltsberechtigten die nach den sozialhilferechtlichen Regelungen die Existenzsicherung gewährleistenden Sätze heranzuziehen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass diese Sätze nur der Sicherung des Existenzminimums dienen. Unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls kann bei der Bemessung der Pfändungsfreigrenze zur Teilhabe am Arbeitseinkommen deshalb ein Zuschlag vorgenommen werden. Nach dem BGH-Beschluss in NJW-RR 2005, 1239 ist ein Zuschlag von 30 bis 50 v. H. nicht zu beanstanden. Auf den Grundfreibetrag des § 850c Abs. 1 Satz 1 ZPO kann dagegen nicht ohne Weiteres nicht abgestellt werden; er dient auch dazu, Wohnungsmiete und andere Grundkosten des Haushalts, somit Kosten abzudecken, die sich bei mehreren Personen nicht proportional zur Personenzahl erhöhen (BGH-Beschluss in NJW-RR 2005, 1239, 1240).

Besonderheiten des Einzelfalls wie krankheitsbedingten Mehraufwendungen der unterhaltsberechtigten Person ist stets Rechnung zu tragen (vgl. zum Ganzen Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 850c Rz 15a).

(2) Nach diesen Grundsätzen durfte das FA die Anordnung vom 6. August 2014 treffen, wonach F bei der Berechnung des unpfändbaren Teils der Rentenansprüche unberücksichtigt bleibt. Denn F verfügt als unterhaltsberechtigte Ehefrau des Antragstellers über eigene Einkünfte (unten (a)), und unter Berücksichtigung aller Umstände und Besonderheiten des Streitfalls ist die Anordnung des FA unter Ermessensgesichtspunkten nicht zu beanstanden (unten (b)).

(a) F ist als Ehefrau des Antragstellers und Abgabenschuldners gemäß § 319 AO i.V.m. § 850c ZPO zu berücksichtigen.

(aa) Hat der Schuldner einen Ehegatten mit eigenem Einkommen und gewährt der Schuldner aufgrund einer Unterhaltspflicht seinem Ehegatten tatsächlich Unterhalt, ist der Ehegatte nach § 850c ZPO als unterhaltsberechtigte Person zu berücksichtigen. Unerheblich ist, ob der Schuldner den vollen pfändungsfreien Betrag für die Unterhaltsgewährung aufwenden muss (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 850c, Rz 6). Nach § 1360 Satz 1 BGB sind die Ehegatten einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten. Voraussetzung für einen Unterhaltsanspruch nach dieser Vorschrift ist allein, dass eine Ehe besteht und die Ehegatten in häuslicher Gemeinschaft leben (Staudinger/Voppel, BGB, 2012, § 1360 Rz 12). Der Anspruch eines Ehegatten auf Leistung des Beitrags zum Familienunterhalt hängt weder von seiner eigenen Bedürftigkeit noch von der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners ab (Staudinger/Voppel, BGB, 2012, § 1360 Rz 1, 13, 15). Gleichfalls kommt es nicht auf den Güterstand an, in dem die Eheleute leben (Staudinger/Voppel, BGB, 2012, § 1360 Rz 1). Trägt der Schuldner zum Familienunterhalt bei, ist der mitverdienende Ehegatte daher grundsätzlich als unterhaltsberechtigte Person zu berücksichtigen; durch seinen Beitrag zum Familienunterhalt erfüllt der Schuldner gegenüber seinem Ehegatten die gesetzliche Unterhaltspflicht (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 850c Rz 6).

(bb) F ist nach diesen Maßstäben eine unterhaltsberechtigte Person i.S. des § 850c Abs. 4 ZPO.

(aaa) F ist die Ehefrau des Antragstellers, des Abgabenschuldners, und die Eheleute leben in Q in einem gemeinsamen Haushalt.

(bbb) F bezieht ein eigenes Einkommen, und zwar zum einen von der DRV nach Maßgabe des Sozialgesetzbuchs Sechstes Buch (SGB VI) eine gesetzliche Altersrente, die sich seit 1. Juli 2014 unter Einbeziehung des Zuschusses für die Kranken- und Pflegeversicherung auf rd. 680,00 € beläuft. Nach Abzug der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung verbleibt der F ein Nettobetrag von rd. 570,00 €. Auch die Altersrente, die ihrerseits als laufende Geldleistung wie Arbeitseinkommen gepfändet werden kann (§ 54 Abs. 4 des Sozialgesetzbuchs Viertes Buch - SGB IV -), zählt zu den Einkünften i.S. des § 850c Abs. 4 ZPO (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 6; Zöller/Stöber, ZPO, § 850c Rz 12).

Zum anderen bezieht F vom Antragsteller monatliche Zahlungen in Höhe von 800,00 €. Nach dem Vorbringen der Eheleute soll F Darlehens- und Zinsforderungen gegen den Antragsteller haben, auf die seit dem Jahr 1999 Zahlungen geleistet wurden. Bei summarischer Prüfung erscheint es nicht ermessensfehlerhaft, dass das FA sein Schreiben vom 17. Juli 2014 sowie die Einspruchsentscheidung vom 6. August 2014 und den Bescheid vom 6. August 2014 auf die Angaben der Eheleute über die Rechtsgrundlagen der zwischen ihnen erfolgten Zahlungen stützt.

Soweit die Zahlungen auf dem vom Antragsteller im Einspruchsschreiben vom 12. März 2014 angegebenen Rechtsgrund beruhen, sind die Zahlungen nach § 367 Abs. 1 BGB zunächst allein auf Zinsforderungen angerechnet worden, und die aufgelaufenen Zinsansprüche sind nach wie vor noch nicht getilgt. Dementsprechend begründen die Zahlungen des Antragstellers bei F steuerlich Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG und vollstreckungsrechtlich (weitere) eigene Einkünfte i.S. des § 850c Abs. 4 ZPO (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 850c Rz 12).

Dieser Qualifizierung steht das Vorbringen des Antragstellers, die monatlichen Überweisungen an F hätten wegen der im Jahre 1987 erfolgten Änderung des Güterstandes „Mischcharakter“, nicht entgegen. Der Antragsteller hat diesen Einwand nicht in einer für den Senat nachvollziehbaren Weise erläutert und erst recht nicht glaubhaft gemacht.

Schließlich leistet die DRV an F monatliche Zahlungen aufgrund der Abtretungsvereinbarung vom 7. August 1997, etwa im August 2014 in Höhe von rd. 60,00 €.

(ccc) Der Antragsteller trägt seinerseits durch seine Renteneinkünfte zum Familienunterhalt i.S. des § 1360 Satz 1 BGB bei, nach seinem eigenen Vorbringen etwa dadurch, dass mit seiner Rente ein Teil der Wohnungskosten gezahlt wird.

(b) Die Anordnung vom 6. August 2014 ist nicht ermessensfehlerhaft.

(aa) Ist für die Finanzbehörde - wie bei der Entscheidung, ob ein unterhaltsberechtigter Ehegatte nach § 319 AO i.V.m. § 850c Abs. 4 ZPO bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt - ein Ermessensspielraum eröffnet, so hat sie nach § 5 AO das Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Dabei ist eine Entscheidung nur dann frei von Ermessensfehlern, wenn die Behörde sie auf der Grundlage einer einwandfreien und umfassenden Sachverhaltsermittlung getroffen hat. Zwar ist dann jede innerhalb des Ermessensrahmens und unter Berücksichtigung des Ermächtigungszwecks von der Behörde für sachgerecht erachtete Maßnahme rechtmäßig. Die Behörde muss aber ihre Maßnahmen in jedem Einzelfall auf das unumgänglich Notwendige beschränken und prüfen, welche der zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeigneten Maßnahmen den Betroffenen am wenigsten belasten (BFH-Urteil vom 24. September 1991 VII R 34/90, BFHE 165, 477, BStBl II 1992, 57). Verkennt die Behörde, dass ihr Ermessen eingeräumt ist, liegt eine sog. Ermessensunterschreitung vor, die zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung führt. Verfehlt die Behörde den Zweck der Ermächtigung oder überschreitet sie die Grenzen des ihr eingeräumten Ermessens (Ermessensfehlgebrauch bzw. Ermessensüberschreitung), ist dies ebenfalls rechtswidrig (vgl. Klein/Gersch, AO, 12. Aufl., § 5 Rz 8 ff.).

Damit der Betroffene und ggf. die Gerichte die Ermessenserwägungen der Finanzbehörde überprüfen können, muss eine Ermessensentscheidung grundsätzlich begründet werden. Die Begründung muss zeigen, dass die Finanzbehörde den Ermessensspielraum erkannt hat und von welchen Gesichtspunkten sie bei ihrer Ermessensentscheidung ausgegangen ist (Klein/Gersch, AO, 12. Aufl., § 5 Rz 13). Zwar ist unter den Voraussetzungen des § 121 Abs. 2 AO oder in Fällen, in denen dem Adressaten des Verwaltungsakts die Auffassung der Finanzbehörde über die Sach- und Rechtslage bekannt oder doch ohne Weiteres erkennbar ist, eine Begründung der Entscheidung nicht erforderlich (BFH-Urteil vom 28. April 1983 IV R 255/82, BFHE 138, 407, BStBl II 1983, 621; Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 5 AO, Rz 70). Daneben ist in bestimmten Bereichen des den Finanzbehörden eingeräumten Ermessens wie der Anordnung von Außenprüfungen oder der Inhaftungnahme von Steuerhinterziehern die Ermessensentscheidung in einer Weise vorgeprägt, die eine besondere Begründung in der Regel entbehrlich macht (vgl. näher Klein/Gersch, AO, 12. Aufl., § 5 Rz 13). Die Vollstreckung nach den Vorschriften der §§ 249 ff. AO zählen hierzu jedoch nicht.

Zur Begründung einer Ermessensentscheidung können grundsätzlich auch Textbausteine herangezogen werden, sofern die Finanzbehörde durch ihren Amtsträger unter Abwägung aller Beurteilungsmerkmale der Ermächtigungsvorschrift selbst die Textbausteine unter Berücksichtigung des vorliegenden Sachverhalts auswählt (BFH-Urteil vom 18. August 1988 V R 19/83, BFHE 154, 23, BStBl II 1988, 929, unter B. 1., zu § 152 AO). Darüber hinaus muss - unabhängig von der Verwendung von Textbausteinen - die Begründung aber auch so konkret sein, dass das Gericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung auf Ermessensfehler (vgl. § 102 FGO) zu überprüfen. Demgemäß muss die im Regelfall erforderliche Begründung die tragenden Erwägungen der Finanzbehörde in Bezug auf den konkreten Sachverhalt nachvollziehbar darlegen; Leerfloskeln reichen ebenso wenig aus wie eine Wiedergabe des Gesetzestextes (BFH-Urteil vom 18. September 1981 VI R 44/77, BFHE 134, 149, BStBl II 1981, 801, unter 2. a; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 31. Juli 1991 2 K 19/90, EFG 1991, 715, unter 2.; FG Düsseldorf, Urteil vom 13. Juli 2000 18 K 8833/99 AO, EFG 2001, 119, unter 3. c) bb); Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 5 AO Rz 67 f.; Klein/Gersch, AO, 12. Aufl., § 5 Rz 13).

Ermessensfehlerhaft sind Begründungen, wenn z.B. die behaupteten Gründe nur Vorwände sind oder wenn die Finanzbehörde die für die Entscheidung wesentlichen Umstände nicht beachtet oder irrig annimmt (Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 5 Rz 73, m.w.N.). Auch eine inhaltlich unrichtige Begründung macht den Verwaltungsakt materiell rechtswidrig (Wernsmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 5 AO, Rz 132).

Die Begründung kann mit der Einspruchsentscheidung nachgeholt oder ergänzt werden (BFH-Urteil in BFHE 134, 149, BStBl II 1981, 801; Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 5 Rz 71, m.w.N.). Bis zum Abschluss der gerichtlichen Tatsacheninstanz kann die Behörde ihre Ermessenserwägungen gemäß § 102 Satz 2 FGO ergänzen. Dies impliziert, dass weder eine erstmalige Ermessensausübung oder eine komplette Ersetzung der Ermessenserwägungen noch eine die bisherigen Argumente in ihrem Wesen verändernde Begründung zulässig wäre (vgl. BFH-Beschluss vom 2. Juni 2004 IV B 56/02, BFH/NV 2004, 1536; Hessisches FG, Urteil vom 2. September 2009 11 K 3200/08, juris, Rz 15).

(bb) Nach diesen Maßstäben ist der weitere Bescheid vom 6. August 2014 nicht zu beanstanden.

(aaa) Das FA hat in den Anhörungsschreiben vom 28. April und 17. Juli 2014 sowie in der Einspruchsentscheidung ausgeführt, eine Bestimmung nach § 319 AO i.V.m. § 850c Abs. 4 ZPO „nach billigem Ermessen“ treffen zu können. In diesen Schreiben bzw. in den Gründen der Einspruchsentscheidung vom 6. August 2014 hat das FA die Ermessenserwägungen, die es bei Erteilung der geänderten Anordnung vom 6. August 2014 angestellt hat, in nicht zu beanstandender Weise dargelegt.

(bbb) Das FA hat den für die Entscheidung relevanten Sachverhalt teilweise selbst - etwa durch das an den Vollziehungsbeamten des Finanzamts Q gerichtete Vollstreckungsersuchen - und teilweise durch Anhörungsschreiben ausreichend ermittelt. Der Antragsteller hatte aufgrund der Anhörungsschreiben Gelegenheit, dem FA die aus seiner Sicht bedeutsamen Umstände mitzuteilen. Zwar waren dem FA aufgrund des Schreibens des Antragstellers vom 25. September 2003 monatliche Zahlungen des Antragstellers an F in Höhe von 800,00 € bekannt. Jedoch hat das FA erst im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren erfahren, dass diese Zahlungen nach den Angaben des Antragstellers erst im Jahre 1999 begonnen worden waren und deshalb auch in den Jahren 2013 und 2014 noch der Tilgung der Zinsverbindlichkeiten dienten.

Dass das FA vor Erlass des geänderten Bescheides vom 6. August 2014 kein Kontenabrufersuchen an das BStZ gerichtet und deshalb vom Sparguthaben des Antragstellers bei der C-Bank keine Kenntnis hatte, begründet keinen Ermessensfehler i.S. des § 102 Satz 1 FGO. Denn der Antragsteller hatte die Möglichkeit, das FA über dieses Sparguthaben zu informieren.

(ccc) Unabhängig von den innerehelichen Zahlungen und ohne die geringfügigen ausländischen Renteneinkünfte stehen den Eheleuten seit dem 1. Juli 2014 insgesamt monatliche Renteneinkünfte in Höhe von rd. 2.540,00 € (brutto) bzw. 2.120,00 € (netto) zur Verfügung. Hierbei handelt es sich etwa um das Zweifache des Grundfreibetrags in Höhe von 1.049,99 €, der einem Schuldner ohne Unterhaltspflicht nach der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2013 zusteht. Wird der Netto-Betrag auf beide Eheleute gleichmäßig aufgeteilt, verbleibt dem Antragsteller und seiner Ehefrau (F) jeweils ein Betrag, der den ab 1. Januar 2015 geltenden Sozialhilfesatz der Regelbedarfsstufe 2 in Höhe von 360,00 € - durch den Kosten für Wohnung und Heizung nicht abgedeckt werden - um beinahe das Dreifache übersteigt.

Für sich genommen verfügt F über monatliche Einkünfte von rd. 1.430,00 € (= 570,00 € + 800,00 € + 60,00 €). Diese Summe übersteigt den Grundfreibetrag von 1.049,99 € sogar um mehr als 35 v. H.

Die Umstände des Streitfalls - hierzu gehören nicht zuletzt die den Eheleuten jeweils monatlich zur Verfügung stehenden Einkünfte und deren Summe - lassen die Anordnung des FA vom 6. August 2014 nicht unbillig erscheinen. Ein anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der vom Antragsteller geltend gemachten, etwa alters- oder krankheitsbedingten Mehraufwendungen. Werden von der monatlichen Netto-Gesamtrente von rd. 2.120,00 € die vom Antragsteller vorgetragenen Wohn- und Heizungskosten in Höhe von rd. 400,00 € und der vom FA seit Oktober 2014 eingezogene Betrag von rd. 300,00 € in Abzug gebracht, verbleibt ein Betrag von 1.420,00 € und damit für jeden der Eheleute fast das Zweifache des Sozialhilfesatzes nach der Regelbedarfsstufe 2. Dass die zur Verfügung stehenden Mittel zur Abdeckung der den Eheleuten vollstreckungsrechtlich zuzugestehenden Mehraufwendungen nicht ausreichen, ist jedenfalls bei summarischer Betrachtung nicht feststellbar.

(ddd) Ob die vom Antragsteller gegen die Rechtmäßigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung als solche erhobenen Einwände wegen der Bestandskraft dieser Verfügung überhaupt geeignet sind, eine Ermessensfehlerhaftigkeit des weiteren Bescheides vom 6. August 2014 zu begründen, kann dahinstehen. Denn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung bestehen jedenfalls bei summarischer Betrachtung nicht.

(?) Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen (§§ 249, 254 AO) lagen bei Ergehen der angefochtenen Verfügung vor. Die beizutreibenden Umsatzsteuerforderungen waren festgesetzt, fällig und vollstreckbar. Die Rückstände waren zuvor weder durch freiwillige Zahlungen des Antragstellers - etwa unter Einsatz des seinerzeit bei der C-Bank vorhandenen Sparguthabens - noch durch Vollstreckungsmaßnahmen des FA zurückgeführt worden.

(??) Entgegen dem Vorbringen des FA handelt es sich bei den Abgabenrückständen, die in der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 28. Mai 2013 bezeichnet werden, nicht um Haftungsschulden des Antragstellers aufgrund der früheren Tätigkeit als Geschäftsführer der GmbH, sondern um Schulden aus dem früheren Einzelunternehmen des Antragstellers. Für die Erteilung eines Haftungsbescheides ist im Übrigen gemäß § 24 AO regelmäßig das Finanzamt des Steuerschuldners zuständig (vgl. BFH-Urteil vom 23. Juli 1998 VII R 141/97, BFH/NV 1999, 433). Bei Steuerschulden der GmbH oder der KG wäre dies das Finanzamt P. Die betroffenen Abgabenrückstände werden seit der Rückstandsauflistung vom 26. April 1995 unter der vom FA für den Antragsteller vergebenen Steuernummer 33/444/55555 geführt.

(??) Bei Ausbringung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 28. Mai 2013 war der Anspruch des FA auf Zahlung nicht verjährt.

Festgesetzte Steueransprüche verjähren gemäß § 228 AO nach fünf Jahren, wenn diese Frist nicht nach Maßgabe des § 231 AO unterbrochen wird. Hiernach wird die Verjährung unterbrochen z.B. durch schriftliche Geltendmachung des Anspruchs, durch Vollstreckungsaufschub und durch eine Vollstreckungsmaßnahme. Bei der Gewährung von Vollstreckungsaufschub dauert die Unterbrechung der Verjährung fort, bis der Vollstreckungsaufschub abgelaufen ist (§ 231 Abs. 2 Satz 1 AO). Mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Unterbrechung geendet hat, beginnt nach § 231 Abs. 3 AO eine neue Verjährungsfrist.

Nach diesen Maßstäben war bei Ausbringung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegenüber der DRV aus den vom FA etwa im Schreiben vom 12. November 2013 dargelegten Gründen keine Zahlungsverjährung eingetreten. Die Verjährung der im Jahre 1995 fällig gewordenen Abgabenforderungen wurde durch die Gewährung von Vollstreckungsaufschub mit Bescheid vom 8. April 1998 bis zum 31. Dezember 2003 unterbrochen. Mit den Schreiben vom 8. September 2003 bzw. vom 14. Februar 2008 hat das FA dem Antragsteller mitgeteilt, er schulde dem FA weiterhin die in Rede stehenden Beträge. Da das FA seinen Zahlungsanspruch hierdurch nach § 231 Abs. 1 Satz 1 AO schriftlich geltend gemacht hat, wurde die Zahlungsverjährung bis 31. Dezember 2008 bzw. 31. Dezember 2013 unterbrochen. Schließlich handelt es sich bei der Fruchtlospfändung vom 22. Mai 2013 und der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 28. Mai 2013 um Vollstreckungsmaßnahmen, die eine Verjährungsunterbrechung bis zum 31. Dezember 2018 bewirken.

(??) Der beschließende Senat teilt die Auffassung des Antragstellers, die Pfändungs- und Einziehungsverfügung verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, nicht.

Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis können nach Treu und Glauben zwar verwirkt werden. Durch bloße Untätigkeit - auch über längere Zeiträume - wird jedoch regelmäßig noch keine Verwirkung herbeigeführt. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn der Betroffene nach Treu und Glauben zu einer bestimmten Handlung verpflichtet gewesen wäre und dies unterlassen hat (vgl. BFH-Urteil vom 24. April 1996 II R 37/93, BFH/NV 1996, 865, unter II. 2. c der Gründe). Auch im Vollstreckungsverfahren gilt der Grundsatz von Treu und Glauben. Hiernach ist eine Vollstreckung etwa dann unbillig, wenn vollstreckt wird, obwohl das Erlangte alsbald zurückzugewähren ist (vgl. etwa BFH-Beschluss vom 12. Juni 1991 VII B 66/91, BFH/NV 1992, 156, unter II. 2. der Gründe).

Nach diesen Maßstäben stehen die Grundsätze von Treu und Glauben der Vollstreckung im Streitfall nicht entgegen. Insbesondere bestand für das FA in den Zeiträumen, in denen es von Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Antragsteller abgesehen hat, keinerlei Handlungs- oder Beitreibungspflicht. Anhaltspunkte dafür, dass das FA Gelder, die es aufgrund der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 28. Mai 2013 erlangt, dem Antragsteller alsbald zurückzugewähren hat, liegen nach Aktenlage nicht vor und werden auch vom Antragsteller nicht geltend gemacht.

(??) Das FA hat durch die Pfändungsverfügung vom 28. Mai 2013 der DRV als Drittschuldnerin gemäß § 309 Abs. 1 AO verboten, an den Antragsteller zu zahlen. Außerdem hat es nach dieser Bestimmung den Antragsteller angewiesen, sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere ihrer Einziehung zu enthalten. In der Pfändungsverfügung, die der DRV zugestellt wurde, hat das FA gemäß § 309 Abs. 2 Satz 2 AO den beizutreibenden Geldbetrag in einer Summe bezeichnet, ohne die betroffenen Steuerarten oder Zeiträume anzugeben. Durch das Schreiben vom 3. Juni 2013 hat das FA den Antragsteller über die Zustellung der Pfändungsverfügung in Kenntnis gesetzt (vgl. § 309 Abs. 2 Satz 3 AO).

(?) Die zwischen dem Antragsteller und F am 7. Juli 1997 getroffene Abtretungsvereinbarung steht der Rechtmäßigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung nicht entgegen.

Es trifft zwar zu, dass die Abtretung der Rentenansprüche aus dem Jahre 1997 gegenüber der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 28. Mai 2013 vorrangig ist (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 850 Rz 20). Nach § 850e, § 850c Abs. 3 Satz 2 ZPO i.V.m. der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2013 ist im Streitfall nicht das FA als Abgabengläubiger, sondern die DRV als Drittschuldnerin verpflichtet, den pfändbaren Teil der Rentenansprüche zu bestimmen (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 850e Rz 1). Das bedeutet, dass die Drittschuldnerin auch zu bestimmen hat, ob der pfändbare Teil dieser Ansprüche den an F abgetretenen Teil übersteigt und in welcher Höhe ggf. monatliche Zahlungen an das FA zu leisten sind. Einwendungen gegen die Berechnung sind gegenüber dem Rentenversicherungsträger geltend zu machen (vgl. hierzu auch LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil in HVBG-INFO 2003, 2405, m.w.N.), führen jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung.

(?) Die Ausbringung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung lag im pflichtgemäßen Ermessen des FA (vgl. Beermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 309 AO Rz 25). Ermessensfehler liegen nicht vor.

Zwar hat das FA davon abgesehen, seine Ermessensentscheidung, Rentenansprüche des Antragstellers gegen die DRV zu pfänden und einzuziehen, in der Verfügung vom 28. Mai 2013 zu begründen. In dieser Verfügung selbst wird lediglich die Rechtsgrundlage (§§ 309 ff. AO) zutreffend bezeichnet. Allerdings hat das FA in den Anhörungsschreiben vom 28. April und 17. Juli 2014 sowie in den Gründen der Einspruchsentscheidung vom 6. August 2014 die Darlegung seiner Ermessenserwägungen in zulässiger Weise nachgeholt. Das FA hat hierdurch mehrfach und ausdrücklich deutlich gemacht, sich in Ausübung seines Ermessens für die Ausbringung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung entschieden zu haben. Die dargelegten Ermessenserwägungen sind insgesamt nachvollziehbar und nach Maßgabe des § 102 FGO nicht zu beanstanden.

Der Einwand des Antragstellers, das FA habe den Sachverhalt, insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute nicht vollständig ermittelt, verfängt nicht. In den Jahren 1995 bis 2008 hat das FA den Antragsteller mehrfach dazu aufgefordert, seine wirtschaftlichen Verhältnisse mit Hilfe dafür vorgesehener Vordrucke darzulegen. Die ihm überlassenen Vordrucke hat der Antragsteller regelmäßig ausgefüllt beim FA eingereicht und dadurch Angaben zur wirtschaftlichen Lage der Eheleute gemacht. Unmittelbar vor Ausbringung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 28. Mai 2013 hatte der Vollziehungsbeamte des Finanzamts Q auf Ersuchen des FA beim Antragsteller eine Fruchtlospfändung vorgenommen und aus diesem Anlass die Angaben des Antragstellers zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen protokolliert. Die Niederschrift des FA über die Fruchtlospfändung war beim FA bereits am 24. Mai 2013 eingegangen. Das FA hatte somit von den darin protokollierten Angaben des Antragstellers bei Erteilung der Pfändungsverfügung Kenntnis.

Zu Recht hält das FA dem Antragsteller nunmehr im Aussetzungsverfahren vor, seinerseits keine vollständigen Angaben zu seiner wirtschaftlichen Situation gemacht und damit nicht zur Aufklärung des für die Vollstreckung der Umsatzsteuerforderungen relevanten Sachverhalts beigetragen zu haben. Denn über seine Forderung gegen die C-Bank hatte der Antragsteller das FA zu keinem Zeitpunkt in Kenntnis gesetzt. Von dieser Bankverbindung hatte das FA erst aufgrund des Kontoabrufersuchens und von der Forderung erst durch die Drittschuldnererklärung der Bank erfahren. Dieser - dem Antragsteller zuzurechnende - Mangel in der Ermittlung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung.

Schließlich liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die ausgebrachte Pfändungs- und Einziehungsverfügung unverhältnismäßig ist. Auch wenn diese Vollstreckungsmaßnahme nach dem Vorbringen des Antragstellers möglicherweise nicht zur vollständigen Tilgung der bestehenden Abgabenrückstände führen sollte, sind die Nachteile, welche die Pfändung dem Antragsteller bringt, im Verhältnis zur Pflicht des FA, die Steuern gleichmäßig zu erheben (§ 85 Satz 1 AO), nicht unangemessen.

cc) Das FA war berechtigt, die zunächst zusammen mit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 28. Mai 2013 getroffene Anordnung nach § 319 AO i.V.m. § 850c Abs. 4 ZPO durch den weiteren Bescheid vom 6. August 2014 zu verbösern. Verfahrensrechtlich enthält dieser Bescheid den Widerruf der zunächst getroffenen Anordnung, dass F bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens teilweise unberücksichtigt bleibt, und zugleich die Anordnung, dass F mit sofortiger Wirkung vollständig unberücksichtigt bleibt.

(1) Das FA durfte die mit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 28. Mai 2013 verbundene Anordnung gemäß § 319 AO i.V.m. § 850c Abs. 4 ZPO widerrufen.

(a) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, gemäß § 131 Abs. 1 AO ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist. Begünstigende Verwaltungsakte sind solche, die in Form einer selbständigen Regelung einen rechtlichen Vorteil (rechtsgestaltend) gewähren oder (rechtsfeststellend) bestätigen (vgl. Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 130 AO Rz 9; Klein/Rüsken, AO, 12. Aufl., § 130 Rz 35). Ein Verwaltungsakt ist rechtmäßig, wenn er aufgrund des Gesetzes ergangen ist und kein materielles oder formelles Gesetz verletzt (Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 131 AO Rz 3).

§ 131 AO erklärt sich aus dem „Rechtmäßigkeitszeitpunkt“. Die Frage, ob ein Verwaltungsakt rechtmäßig ist, muss nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes beurteil werden. Nach diesem Zeitpunkt können sich die Rechtslage und die Sachlage ändern (Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 131 AO Rz 1). Die Korrektur rechtmäßiger Verwaltungsakte ist grundsätzlich nur dann zulässig, wenn der Verwaltungsakt durch die Korrektur nicht rechtswidrig wird. Daher ist ein Widerruf bei einem rechtmäßigen sog. gebundenen Verwaltungsakt nicht zulässig, weil hier lediglich eine Entscheidung richtig und rechtmäßig und jede davon abweichende Entscheidung fehlerhaft und damit rechtswidrig ist. Dagegen besteht bei Ermessensverwaltungsakten das Interesse eines Widerrufs, weil einerseits im Rahmen des Entschließungsermessens die Möglichkeit besteht, von einer Reglung abzusehen, es andererseits im Rahmen des Auswahlermessens mehrere rechtmäßige Entscheidungen geben kann und ein Bedarf besteht, eine rechtmäßige Ermessensentscheidung aufzuheben oder durch eine andere rechtmäßige Ermessensentscheidung zu ersetzen (von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO, § 131 Rz 2; ferner Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 131 AO Rz 6; zur Abgabe eines Vermögensverzeichnisses BFH-Urteil vom 26. März 1991 VII R 66/90, BFHE 164, 7, BStBl II 1991, 545). § 131 AO soll der Finanzbehörde Gelegenheit geben, ihre bisherige und fortwirkende Entscheidung unter Berücksichtigung neuer tatsächlicher Verhältnisse zu überprüfen (Klein/Rüsken, AO, 12. Aufl., § 131 Rz 1).

(b) Nach diesen Grundsätzen durfte das FA gegenüber dem Antragsteller als Abgabenschuldner und der DRV als Drittschuldnerin anordnen, dass F ab sofort nicht nur teilweise, sondern gänzlich unberücksichtigt bleibt.

So wie es sich bei der Pfändungsverfügung und der Einziehungsverfügung um (zwei) Verwaltungsakte handelt (vgl. BFH-Urteil vom 18. Juli 2000 VII R 94/98, BFH/NV 2001, 141 zur Pfändungsverfügung; FG Münster, Beschluss vom 18. April 2007 7 V 1288/07 AO, EFG 2007, 1136, unter II. 1. der Gründe), stellt auch die Anordnung nach § 319 AO i.V.m. § 850c Abs. 4 ZPO einen Verwaltungsakt dar. Dieser Verwaltungsakt ist nicht begünstigend, weil er einen rechtlichen Vorteil weder gewährt noch bestätigt. Die Anordnung nach § 850c Abs. 4 ZPO wirkt für den Schuldner insoweit belastend, als sich durch die vollständige oder teilweise Nichtberücksichtigung einer unterhaltsberechtigten Person der pfändbare Teil des Arbeitseinkommens erhöht.

Die ursprüngliche Anordnung war als Ermessensentscheidung rechtmäßig i.S. des § 131 Abs. 1 AO. Der Rechtmäßigkeit steht nicht entgegen, dass das FA am 28. Mai 2013 die monatlichen Zahlungen des Antragstellers an F in Höhe von 800,00 € unberücksichtigt ließ und deshalb nur die teilweise Nichtberücksichtigung der F verfügte. Aus den Akten ergaben sich für diese (Zins-) Zahlungen keine zureichenden Anhaltspunkte, das FA war nicht verpflichtet, den Antragsteller vor Erlass der Verwaltungsakte vom 28. Mai 2013 anzuhören. Deshalb erging auch die Bestimmung, dass F nach § 850c Abs. 4 ZPO (nur) teilweise unberücksichtigt bleibt, ermessensfehlerfrei. Nach § 131 Abs. 1 AO war das FA berechtigt, die erste rechtmäßige Anordnung durch die ebenfalls rechtmäßige Ermessensentscheidung vom 6. August 2014 zu ersetzen.

Weder muss im Streitfall ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden, noch ist der Widerruf aus anderen Gründen (etwa aufgrund von Verwaltungsanweisungen; vgl. Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 131 AO Rz 11, m.w.N.) unzulässig.

(2) Das im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 und 28 GG) verankerte Gebot des Vertrauensschutzes steht der nicht rückwirkend, sondern nur „mit sofortiger Wirkung“ angeordneten Verböserung im Streitfall nicht entgegen.

(a) Ein anderes ergibt sich nicht aus der Rechtsprechung des BFH zum Erlass eines ergänzenden Haftungsbescheides (§ 191 AO) oder zum Widerruf eines Haftungsbescheides.

Die Finanzbehörde ist zum Erlass eines ergänzenden (verbösernden) Haftungsbescheids berechtigt, wenn die Erhöhung der dem ersten Haftungsbescheid zu Grunde liegenden Lohnsteuerschuld auf neuen, im Rahmen einer Außenprüfung festgestellten Tatsachen beruht. Beruht die Erhöhung der Steuerschuld auf neuen Tatsachen, die das FA mangels Kenntnis im ersten Haftungsbescheid nicht berücksichtigen konnte, ist der Erlass eines ergänzenden Bescheides zulässig (BFH-Urteil vom 15. Februar 2011 VII R 66/10, BFHE 232, 313, BStBl II 2011, 534, Leitsatz und unter II. 1. d der Gründe, in Fortentwicklung der mit BFH-Urteil vom 25. Mai 2004 VII R 29/09, BFHE 205, 539, BStBl II 2005, 3 aufgestellten Grundsätze).

Hiervon unberührt bleibt eine Korrektur des vorangegangenen Haftungsbescheides nach §§ 129 bis 131 AO (BFH-Urteil in BFHE 205, 539, BStBl II 2005, 3, Leitsatz). Ein Widerruf des Haftungsbescheides nach § 131 Abs. 1 AO kann etwa bei Zahlungen des Steuerschuldners oder eines anderen Haftungsschuldners nach Ablauf der Festsetzungsfrist und nach Abschluss des Verwaltungs- oder Klageverfahrens veranlasst sein (vgl. zuletzt BFH-Beschluss vom 27. Oktober 2014 VII B 192/13, juris, unter II. 2. der Gründe, m.w.N.).

Bei Erlass der Anordnung vom 28. Mai 2013 waren dem FA die monatlichen (Zins-) Zahlungen des Antragstellers an F nicht bekannt. Hiervon hat das FA erst im Einspruchsverfahren Kenntnis erlangt. In diesem solchen Fall ist eine Verböserung durch die Anordnung der vollständigen Nichtberücksichtigung der F unter Vertrauensschutzgesichtspunkten auch nach Maßgabe der BFH-Rechtsprechung zur Korrektur von Haftungsbescheiden nicht zu beanstanden.

(b) Nach der Rechtsprechung des BVerwG steht der Grundsatz des Vertrauensschutzes sogar der rückwirkenden Erhöhung von Beitragspflichten aufgrund einer neuen gemeindlichen Beitrags- und Gebührensatzung nicht entgegen. Nach dem BVerwG-Urteil vom 15. April 1983 8 C 170/81 (BVerwGE 67, 129) ist nicht jeder kommunale Abgabenbescheid oder sonstige belastende Verwaltungsakt schon aus der Natur der Sache tragfähig für den - ein entsprechendes Vertrauen rechtfertigenden - Gegenschluss, dass von dem Betroffenen mehr als dies nicht verlangt werden solle. Ein solcher Schluss ist nach dieser Entscheidung regelmäßig nicht gerechtfertigt, so dass besondere Umstände hinzutreten müssen, wenn er sich dennoch rechtfertigen soll.

An solchen Umständen fehlt es im Streitfall. Aus der Anlage zur Verfügung vom 28. Mai 2013 war für den Antragsteller ersichtlich, wie das FA die Quote von 48,54 v.H. ermittelt hatte und dass die monatlichen Zahlungen an F dabei nicht in Ansatz gebracht worden sind. Der Antragsteller hatte keinen Anlass, darauf zu vertrauen, dass durch einen geänderten Bescheid jedenfalls für die Zukunft nicht auch die monatlichen Zahlungen an F einbezogen werden und deren gänzliche Nichtberücksichtigung nach § 850c Abs. 4 ZPO angeordnet wird.

(c) Eines Verböserungshinweises nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO bedurfte es im Streitfall nicht, weil die Änderung der Anordnung nach § 850c Abs. 4 ZPO zum Nachteil des Antragstellers ungeachtet einer Rücknahme des Einspruchs möglich gewesen ist (vgl. BFH-Urteile vom 10. November 1989 VI R 124/88, BFHE 159, 405, BStBl II 1990, 414; vom 25. Februar 2009, BFHE 224, 390, BStBl II 2009, 587; Klein/Brockmeyer, AO, 12. Aufl., § 367 Rz 9, 15). Denn die Verböserung war nicht nur nach § 367 Abs. 2 AO, sondern auch durch Widerruf der ursprünglichen und Erteilung einer neuen Anordnung nach § 850c Abs. 4 ZPO möglich.

c) Ebenso wenig ist die Aussetzung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung oder der Verfügung vom 6. August 2014 geboten, weil die Vollziehung dieser Bescheide für den Antragsteller eine unbillige Härte zur Folge hätte. Die Vollziehung eines Bescheides ist für den Steuerpflichtigen unbillig hart, wenn ihm dadurch wirtschaftliche Nachteile drohen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und die nicht oder nur sehr schwer wieder gutzumachen wären, oder wenn sogar die wirtschaftliche Existenz gefährdet wäre (vgl. BFH-Beschluss vom 24. März 1994 IV S 1/94, BFHE 173, 420,  BStBl II 1994, 398).

Solche Gründe sind weder aus den Akten ersichtlich, noch hat sie der Antragsteller substantiiert vorgetragen. Dies gilt unabhängig davon, dass das FA die vom Antragsteller verschwiegene Forderung gegen die C-Bank in Höhe von rd. 70.000,00 € nach Ausbringung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 28. Mai 2013 sowie nach Erteilung der Einspruchsentscheidung und der geänderten Anordnung gemäß § 850c Abs. 4 ZPO, jeweils vom 6. August 2014, im Oktober 2014 gepfändet und eingezogen hat.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Beschwerde wird gemäß § 128 Abs. 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. FGO zugelassen, weil durch den BFH bislang nicht geklärt ist, unter welchen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen eine Verböserung einer Anordnung nach § 319 AO i.V.m. § 850c Abs. 4 ZPO nach Einlegung des Einspruchs zulässig ist.