LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 14.01.2015 - 13 Sa 73/14
Fundstelle
openJur 2015, 3991
  • Rkr:

1. Der Anspruch auf Fortzahlung der Ausbildungsvergütung nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 BBiG setzt voraus, dass der Auszubildende für die Teilnahme am Berufsschulunterricht freigestellt wird.

2. Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 BBiG wird die Ausbildungsvergütung gemäß § 17 BBiG fortgezahlt. Es besteht kein eigenständiger Zahlungsanspruch gegen den Ausbilder allein wegen der Teilnahme am Berufsschulunterricht.

3. Eine Freistellung für die Teilnahme am Berufsschulunterricht nach § 15 BBiG kommt nur in Betracht, wenn der Auszubildende anderenfalls verpflichtet wäre, im Betrieb des Ausbildenden zu erscheinen. Besteht ein solche Pflicht nicht, etwa weil der Auszubildende arbeitunfähig erkrankt ist, kann er nicht nach § 15 BBiG für die Teilnahme am Berufsschulunterricht freigestellt werden.

4. Nimmt ein arbeitsunfähig erkrankter Auszubildender nach Ablauf der Sechs-Wochen-Frist des § 3 Abs. 1 Satz 1 EntgeltfortzahlungsG trotz fortbestehender Arbeitsunfähigkeit am Berufsschulunterricht teil, kann er mangels Freistellung nach § 15 BBiG für diese Tage keine Fortzahlung nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 BBiG vom Ausbilder verlangen.

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 24. Juli 2014 (Az.: 7 Ca 124/14) abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Zahlung von Ausbildungsvergütung während Zeiten eines Berufsschulbesuchs.

Die am 00.00.1990 geborene, ledige und weiter nicht zum Unterhalt verpflichtete Klägerin stand aufgrund eines schriftlichen Ausbildungsvertrages vom 12. November 2011 (vgl. Akten 1. Instanz Bl. 3; I/3) bei der Beklagten, die ein Autohaus betreibt, in einem für den Zeitraum 1. Dezember 2011 bis 31. August 2014 befristeten Ausbildungsverhältnis zur Kauffrau für Bürokommunikation. Im zweiten Ausbildungsjahr betrug die monatliche Ausbildungsvergütung EUR 638,00 brutto, im dritten Ausbildungsjahr EUR 710,00 brutto.

Die Klägerin war seit Mai 2013 bis zur Beendigung des Ausbildungsverhältnisses aufgrund einer fristlosen Eigenkündigung unter Berufung auf gesundheitliche Gründe am 21. Januar 2014 (vgl. I/4) aus psychischen Gründen durchgehend arbeitsunfähig erkrankt und legte der Beklagten entsprechende ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor. Nach dem Ablauf des sechswöchigen Entgeltfortzahlungszeitraums erbrachte die Beklagte keine Leistungen mehr an die Klägerin, die in der Folgezeit von ihrer Krankenkasse seit dem 26. Juni 2013 Krankengeld bezog. Trotz der ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit besuchte die Klägerin, die nicht mehr bei der Beklagten erschien, in dieser Zeit nach ihren Angaben die Berufsschule. Nähere Einzelheiten hierzu sind zwischen den Parteien streitig.

Die Krankenkasse der Klägerin teilte dieser mit Schreiben vom 15. Januar 2014 (vgl. I/34) mit, dass sie für die Tage, an denen sie die Berufsschule besucht habe, keinen Anspruch auf Krankengeld habe. Nach Auskunft der Berufsschule seien dies im Zeitraum 15. Mai 2013 bis 17. Dezember 2013 insgesamt 44 Tage, um welche das Krankengeld gekürzt werde.

Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung mit Schreiben vom 26. Februar 2014 (vgl. I/5), die sich auch auf vier weitere Berufsschultage im Januar 2014 bezieht, begehrt die Klägerin mit ihrer am 19. März 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 28. März 2014 zugestellten Klage Zahlung von Ausbildungsvergütung für die Zeiten des Besuchs der Berufsschule.

Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, sie habe in Absprache mit den Ärzten und Therapeuten während der Zeit ihrer bescheinigten Arbeitsunfähigkeit die Berufsschule besucht. Darüber habe ihr Vater auch der Beklagten über einen externen Mitarbeiter Kenntnis gegeben. Da die Krankenkasse für diese Zeit das Krankengeld gekürzt habe, müsse die Beklagte Ausbildungsvergütung zahlen. Die Erkrankung habe ihre Ursache in der Ausbildungssituation im Betrieb der Beklagten und habe sich im Wesentlichen auf die betriebliche Ausbildung beschränkt. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Zahlung der Ausbildungsvergütung für die Zeitdauer der Freistellung für die Teilnahme am Berufsschulunterricht. Die Klägerin habe - wie im Schreiben der Krankenkasse angegeben - in der Zeit vom 15. Mai 2013 bis zum 17. Dezember 2013 die Berufsschule an 44 Tagen besucht, was von der Beklagten zu vergüten sei. Das Bestreiten der Beklagten sei unsubstantiiert.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie EUR 1.488,85 brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich vorgetragen, die Klägerin sei in der Zeit bis zu ihrer Eigenkündigung arbeitsunfähig krank und daher außer Stande gewesen, zu arbeiten oder die Berufsschule zu besuchen. Es werde bestritten, dass die Klägerin die Berufsschule regelmäßig besucht habe. Die Klägerin gebe selbst nicht an, an welchen konkreten Tagen sie die Berufsschule angeblich besucht habe.

Das Arbeitsgericht hat mit einem am 24. Juli 2014 verkündeten Urteil der Klage der Klägerin stattgegeben. Sie habe nach §§ 15, 19 BBiG einen Anspruch auf Zahlung der Ausbildungsvergütung während des Besuchs der Berufsschule an 44 Tagen im Zeitraum 15. Mai 2013 bis 17. Dezember 2013.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Beklagten am 19. August 2014 zugestellt. Hiergegen wendet sie sich mit ihrer Berufung, die am 19. September 2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist und mit einem am 20. Oktober 2014 (Montag) eingegangenen Schriftsatz begründet wurde.

Die Beklagte trägt vor, selbst wenn die Klägerin die Berufsschule besucht haben sollte, ändere dies nichts an ihrer ununterbrochenen Krankschreibung und dem Umstand, dass sie an diesen Tagen arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Es gebe keine partielle Arbeitsunfähigkeit. Da der Entgeltfortzahlungszeitraum der Klägerin abgelaufen sei, könne sie von der Beklagten keine weiteren Zahlungen verlangen. Es könne nicht sein, dass die Klägerin ihrer praktischen Tätigkeit nicht nachgehen aber die Berufsschule besuchen könne, zumal es sich um eine harmlose Bürotätigkeit gehandelt habe. Während Zeiten der Erkrankung bestehe keine Berufsschulpflicht. Unabhängig davon werde bestritten, dass die Klägerin während ihrer Krankheitszeit immer in den Schulunterricht gegangen sei. Es werde bestritten, dass die Klägerin überhaupt die Schule besucht habe sowie die Anzahl der behaupteten Schulbesuche. Hierfür biete die Klägerin keinen tauglichen Beweis an. Das Schreiben der Krankenkasse, die keine eigene Wahrnehmung über den Schulbesuch der Klägerin habe und deren Sachbearbeiter als "Zeuge vom Hörensagen" auf eine angebliche Mitteilung der Berufsschule Bezug nehme, habe keinen Beweiswert.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 24. Juli 2014 (Az.: 7 Ca 124/14) abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das mit der Berufung angegriffene Urteil des Arbeitsgerichts. Sie habe vom 15. Mai 2013 bis 17. Dezember 2013 während ihrer Krankschreibung an 44 Tagen die Berufsschule besucht, wie sich aus dem Schreiben ihrer Krankenkasse vom 15. Januar 2014 ergebe. Für die Tage des Berufsschulbesuchs habe die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch aus Freistellung und Fortzahlung der Vergütung nach §§ 15, 19 BBiG. Die Klägerin habe die Berufsschule auf Empfehlung der behandelnden Ärzte schon aus therapeutischen Zwecken besucht. Arbeitsunfähigkeit bedeute nicht Schulunfähigkeit.

Im Übrigen wird hinsichtlich des Vortrags der Parteien auf die zwischen ihnen in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen.

Gründe

I.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 600,00 übersteigt, § 64 Abs. 2 Buchstabe b ArbGG. Die Berufung ist auch frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO.II.

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Das Urteil des Arbeitsgerichts war abzuändern und die Klage abzuweisen.

1. Dabei spielt vorliegend die Regelung in § 111 Abs. 2 Satz 5 ArbGG keine Rolle, da das Ausbildungsverhältnis der Parteien unstreitig beendet ist. Die Anrufung eines etwaig bestehenden Schlichtungsausschusses ist nur in einem bestehenden Berufsausbildungsverhältnis Prozessvoraussetzung (vgl. BAG 19. Februar 2008 - 9 AZR 1091/06 - BAGE 126, 12 ff. = NZA 2008, 828 ff.). Die Klage der Klägerin ist aber bereits mangels Bestimmtheit des Streitgegenstandes im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig.

a) Bei Ansprüchen auf Vergütung sind die Zeiträume, für die die Vergütung verlangt wird, kalendermäßig zu bezeichnen. Verlangt ein Kläger für einzelne Tage ein Entgelt, muss er die Tage bezeichnen, für die er diese Ansprüche erhebt (vgl. BAG 5. September 1995 - 3 AZR 58/95 - NZA 1996, 266 ff.; LAG Düsseldorf - 9 Sa 1335/08 - Rn. 26, juris). Diese Angaben sind erforderlich, um den Umfang der Rechtskraft ermitteln zu können. Stünde nicht fest, für welche Zeiträume der Anspruch besteht oder versagt wird, wäre das Urteil einer materiellen Rechtskraft nicht fähig (§ 322 Abs. 1 ZPO).

b) Vorliegend macht die Klägerin aus einem Gesamtzeitraum von mehr als sieben Monaten (15. Mai 2013 bis 17. Dezember 2013) für 44 einzelne Tage einen Anspruch auf Ausbildungsvergütung gegen die Beklagte geltend, ohne die zeitliche Lage der einzelnen Tage konkret zu benennen. Dies hat die Beklagte bereits erstinstanzlich gerügt. Damit stünde aber bereits nicht der Umfang der Rechtskraft einer stattgebenden Entscheidung fest, da nicht klar wäre, welche konkreten Tage Gegenstand des Urteils sind - und damit einer weiteren gerichtlichen Geltendmachung entzogen sind - und welche nicht (die dann etwa in einem anderweitigen gerichtlichen Verfahren geltend gemacht werden können). Vorliegend wird das Erfordernis einer genauen Angabe der zeitlichen Lage der zur Bezahlung verlangten Tage besonders deutlich. In dem von der Klägerin aufgeführten Gesamtzeitraum ab 15. Mai 2013 hat die Beklagte bereits bis 26. Juni 2013 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall geleistet. Insoweit kann nicht beurteilt werden, ob die nunmehr geltend gemachten 44 Tage zum Teil bereits Gegenstand von Leistungen an die Klägerin waren. Ferner errechnet die Klägerin - wenn auch nicht genau nachvollziehbar - nach ihren Angaben in der Klageschrift ihren Vergütungsanspruch aus der Ausbildungsvergütung ab dem dritten Lehrjahr (EUR 710,00 pro Monat). Das dritte Lehrjahr der Klägerin hat aber erst in dem von ihr angegebenen Gesamtzeitraum (15. Mai 2013 bis 17. Dezember 2013), nämlich am 1. Dezember 2013 begonnen. Da die 44 geltend gemachten Tage nicht genau der Zeit vor und nach dem 1. Dezember 2013 zugeordnet werden können, ist auch keine zutreffende Berechnung möglich. Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die fehlende Konkretisierung der zeitlichen Lage der 44 Tage der Beklagten letztlich die Möglichkeit abschneidet, in Bezug auf eine angebliche Berufsschulteilnahme der Klägerin konkrete Gegeneinwendungen bezogen auf einen konkreten Tag vorzutragen (z.B. ausgefallener Unterricht, Schulferien, anderweitiger Aufenthalt der Klägerin). Ein solcher Vortrag der Klägerin, der die zeitliche Lage der zur Vergütung begehrten einzelnen Tage im Ergebnis völlig offen lässt, genügt nicht den Anforderungen an die Bestimmtheit des Streitgegenstandes.

2. Unabhängig von den Erwägungen unter 1.) ist die Klage hilfsweise auch deshalb abzuweisen, da sie unbegründet ist.

a) Die Klägerin macht Ansprüche auf Vergütung für Tage, an denen sie die Berufsschule besucht habe, gegen die Beklagte geltend. Eine Zahlungspflicht der Beklagten nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 iVm § 15 BBiG kann nur eintreten, wenn die Klägerin am Berufsschulunterricht tatsächlich teilgenommen hat (vgl. Leinemann / Taubert, BBiG, 2. Auflage 2008, § 19 Rn. 5). Nach allgemeinen zivilprozessualen Regeln trägt die Klägerin als Anspruchstellerin die Beweislast für die rechtsbegründenden Tatbestandsmerkmale (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 30. Auflage 2014, vor § 284 Rn. 17a).

Vorliegend hat die Beklagte bestritten, dass die Klägerin in der von ihr behaupteten Weise die Berufsschule besucht hat. Dies musste - mangels näherer Konkretisierung der Klägerin s.o.) - notwendigerweise pauschal geschehen. Die Klägerin hat auf dieses Bestreiten ihren Vortrag aber weder konkretisiert, noch hierzu einen geeigneten Beweis angeboten. Die Klägerin bezieht sich in beiden Rechtszügen allein auf ein Schreiben ihrer Krankenkasse vom 15. Januar 2014 (vgl. I/34), wonach die Krankenkasse nach Rücksprache mit der Berufsschule davon ausgehe, dass die Klägerin an 44 Tagen die Berufsschule besucht habe. Dieser von der Klägerin allein angetretene Beweis mit der unbeglaubigten Kopie einer Privaturkunde kann allenfalls Beweis dafür erbringen, dass die Krankenkasse gegenüber der Klägerin eine solche Erklärung abgegeben hat (vgl. § 416 ZPO). Für einen Nachweis der tatsächlichen Teilnahme der Klägerin am Berufsschulunterricht ist das Schreiben ohne Wesentliche Bedeutung, da die Krankenkasse - worauf die Beklagte zu Recht hinweist - keine eigene Wahrnehmung über den Berufsschulunterricht der Klägerin dokumentiert, sondern quasi als "Zeugin vom Hörensagen" damit eine angebliche Aussage der Berufsschule bestätigen soll. Damit kann der von der Beklagten bestrittene Besuch der Berufsschule durch die Klägerin nicht nachgewiesen werden.

b) Unabhängig von den Erwägungen unter a) ist die Klage auch deshalb unbegründet, da der Klägerin gegen die Beklagte die von ihr verlangte Zahlung auch dann nicht zustünde, wenn sie während der Zeit ihrer Krankschreibung tatsächlich im Umfang von 44 Tagen am Berufsschulunterricht teilgenommen hätte.

aa) Ein Vergütungsanspruch der Klägerin nach § 17 Abs. 1 BBiG scheidet ersichtlich aus, da sie seit dem 15. Mai 2013 nicht mehr an der Berufsausbildung im Betrieb der Beklagten teilgenommen hat. Gleiches gilt für einen Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BBiG bzw. § 3 Abs. 1 EFZG. Der Vergütungsfortzahlungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte wegen ihrer Erkrankung ist für die gesetzliche Dauer von sechs Wochen erfüllt worden. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig. Nach diesem Zeitraum besteht kein Entgeltfortzahlungsanspruch mehr.

bb) Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch keinen Zahlungsanspruch nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 15 BBiG.

(1) Dabei ist klarzustellen, dass die Klägerin von der Beklagten nicht Vergütung "für den Besuch der Berufsschule" verlangen kann. Vielmehr behält die Klägerin nach der gesetzlichen Systematik des § 19 Abs. 1 Nr. 1 BBiG ihren Vergütungsanspruch gegen die Beklagte ("Fortzahlung"), der nach § 17 Abs. 1 BBiG für die Ausbildung im Betrieb zu gewähren ist, auch im Falle einer Freistellung nach § 15 BBiG. Dies bedeutet, dass die Vergütungspflicht nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 BBiG nur so weit geht, wie die Ausbildungspflicht des Ausbildenden (vgl. Leinemann / Taubert, BBiG, 2. Auflage 2008, § 19 Rn. 7). Eine Freistellung im Sinne von § 15 BBiG kann nur erfolgen, soweit für den Auszubildenden am betreffenden Tag eine Arbeitspflicht im Betrieb bestanden hätte (vgl. Leinemann / Taubert, aaO, Rn. 9, mwN).

(2) Vorliegend konnte die Klägerin von der Beklagten nicht nach § 15 BBiG für die Teilnahme am Berufsschulunterricht freigestellt werden. Die Klägerin war arbeitsunfähig erkrankt, so dass sie von vornherein keine Arbeitspflicht gegenüber der Beklagten hatte, von welcher diese sie hätte freistellen können. Die Klägerin war seit dem 15. Mai 2013 durchgehend bis zum Ende des Ausbildungsverhältnisses am 21. Januar 2014 arbeitsunfähig erkrankt und hat dies gegenüber der Beklagten auch jeweils mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nachgewiesen. Dabei spielt es keine Rolle, wenn die Klägerin meint zwar arbeitsunfähig aber "schulfähig" gewesen zu sein. Für die Tätigkeit im Betrieb der Beklagten war die Klägerin nicht nur nach den ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, sondern auch nach ihrem eigenen Vortrag im Prozess arbeitsunfähig. Dabei ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass eine "Teilarbeitsunfähigkeit" dem geltenden Arbeits- und Sozialrecht unbekannt ist; der Arbeitgeber ist nach § 266 BGB grundsätzlich nicht verpflichtet, eine nur eingeschränkt angebotene Arbeitsleistung anzunehmen (vgl. BAG 13. Juni 2006 - 9 AZR 229/05 - Rn. 23, BAGE 118, 252 ff. = NZA 2007, 91 ff.). Es liegt auch kein Fall vor, in welchem die Klägerin gegenüber der Beklagten die volle Arbeitsleistung erbringen könnte, allerdings nicht in der vollen Bandbreite der ihr vertraglich zuweisbaren Tätigkeiten (vgl. hierzu BAG 9. April 2014 - 10 AZR 637/13 - NZA 2014, 719 ff.). Vielmehr hat die Klägerin erklärt, dass sie im fraglichen Zeitraum gänzlich außer Stande gewesen sei, bei der Beklagten ihre Tätigkeit aufzunehmen, zumal die Erkrankung ihre Ursache in der Ausbildungssituation im Betrieb habe. Wenn aber die Klägerin gegenüber der Beklagten krankheitsbedingt außer Stande war, die vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen, war sie im Sinne von § 3 Abs. 1 EFZG verhindert, ihre Arbeitsleistung zu erbringen. Eine Freistellung der Klägerin nach § 15 BBiG zum Besuch der Berufsschule konnte die Beklagte nicht vornehmen, da ihr gegenüber wegen erkrankungsbedingter Arbeitsunfähigkeit keine Leistungspflicht bestand. Der Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 BBiG setzt aber voraus, dass eine Freistellung nach § 15 BBiG erfolgt.

(3) Soweit die Klägerin erwähnt, dass die Teilnahme am Berufsschulunterricht "schon aus therapeutischen" Gründen erfolgt sei, ändert dies an der in diesem Zeitraum bestehenden Arbeitsunfähigkeit in Bezug auf die gegenüber der Beklagten vertraglich geschuldete Tätigkeit. Es käme im weitesten Sinne allenfalls eine Art "Wiedereingliederungsmaßnahme" (§ 74 SGB V) in Betracht. Allerdings würde auch eine Wiedereingliederungsmaßnahme nichts an der weiter bestehenden Arbeitsunfähigkeit ändern. Ein Vergütungsanspruch im Rahmen einer Wiedereingliederungsmaßnahme bestünde im Übrigen nur im Rahmen einer gesonderten Vereinbarung der Parteien. Ohne ausdrückliche Zusage steht dem Arbeitnehmer weder aus einem Wiedereingliederungsvertrag noch aus Gesetz ein Vergütungsanspruch zu (vgl. BAG 29. Januar 1992 - 5 AZR 37/91 - BAGE 69, 272 ff. = NZA 1992, 643 f.; BSG 21. März 2007 - B 11a AL 31/06 R - NZS 2008, 160 ff.). Eine solche gesonderte Vereinbarung über die Zahlung einer Vergütung für die Zeiten des Besuchs der Berufsschule während andauernder Arbeitsunfähigkeit behauptet auch die Klägerin nicht.III.

Der Klägerin hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen, § 91 Abs. 1 ZPO. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht erfüllt sind.