VG Berlin, Beschluss vom 12.03.2013 - 72 K 1.13 PVB
Fundstelle
openJur 2015, 2645
  • Rkr:
Tenor

Der Feststellungsantrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der antragstellende, bei einer gemeinsamen Einrichtung im Sinne von § 44b SGB II (Jobcenter) gebildete Personalrat reklamiert vorliegend gegenüber der Geschäftsführerin (Beteiligte) die Beachtung seines Mitbestimmungsrechts in Bezug auf die im Anschluss an ein Stellenbesetzungsverfahren erfolgte Übertragung eines höherwertigen (Beförderungs-)Dienstpostens.

Im Sommer 2011 hatte die für das Jobcenter zuständige Trägerversammlung beschlossen, für eine vierte, dauerhaft vakante Bereichsleiterstelle der Tätigkeitsebene (TE) II einen Dienstposten der BAA einzurichten und diesen über eine so genannte Kettenbildung zu besetzen. Der Antragsteller erfuhr von einer durch den Beteiligten beabsichtigten/erfolgten Personalauswahl zu Gunsten der Beamtin A. im Zusammenhang mit einer dem Bezirkspersonalrat (BPR) bei der Regionaldirektion (RD) Berlin-Brandenburg vorgelegten Mitbestimmungsvorlage gemäß § 76 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG zur Beförderung dieser Beamtin zur Amtsrätin (Besoldungsgruppe A 13). Die genannte Mitbestimmungsvorlage an den BPR war anschließend zurückgezogen worden.

Die Beteiligte führte für die genannte Stelle einer „Bereichsleiterin SGB II“ im hier fraglichen Jobcenter ein Auswahlverfahren (BB-323/2012) durch, aufgrund dessen sie sie die Beamtin A. als die am besten geeignete Bewerberin ansah.

Am 4. Oktober 2012 legte sie dem Antragsteller die „dauerhafte Übertragung“ des nach Besoldungsgruppe A 13 bewerteten Dienstpostens auf Frau A. gemäß § 76 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG zur Mitbestimmung vor. Dabei wies sie darauf hin, dass zur Beförderung der Beamtin in die Besoldungsgruppe A 12 der Bezirkspersonalrat beteiligt werde. Auf schriftliche Anforderung des Antragstellers vom 9. Oktober 2012 legte die Beteiligte hierzu weitere Unterlagen vor (Anforderungsprofil, Liste aller Bewerber und deren Bewerbungsunterlagen, Hintergrund-Informationen, sowie Auswahlvermerk vom 13. September 2012).

Mit Schreiben vom 18. Oktober 2012 teilte der Antragsteller der Beteiligten durch seinen Vorsitzenden mit, dass er der Vorlage nicht zugestimmt habe. Er rügte in diesem Schreiben unter anderem die Nichtbeteiligung der Schwerbehindertenvertretung des Trägers BAA, die mangelhafte Eignungsbeurteilung und die sich hieraus ergebende Benachteiligung bestimmter Bewerber, sowie die Nichtberücksichtigung des Abweichens des Ergebnisses des Auswahlgesprächs mit der ausgewählten Bewerberin zu Ihren im "täglichen Alltag" erlebten Leistungen. Auch bestehe, was durch verschiedene Beispiele erläutert wurde, die Besorgnis, dass die Ausgewählte durch ihr soziales Verhalten den Betriebsfrieden erheblich stören würde.

Die Beteiligte teilte dem Antragsteller unter dem 26. Oktober 2012 mit, dass sie die nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 BPersVG erhobenen Einwände teilweise (Nichtbeteiligung des Schwerbehindertenvertretung des Trägers) als unbeachtlich, die Einwendungen bezüglich der Benachteiligung anderer Beschäftigter (§ 77 Abs. 2 Nr. 2 BPersVG) als beachtlich, jedoch unbegründet ansehe und dass sie den Bedenken gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 3 BPersVG (Störung des Friedens der Geschäftsstelle) nicht folge. Im Übrigen liege wegen – im gerichtlichen Beschlussverfahren durch Vorlage entsprechender Unterlagen bestätigter - Beteiligung des zum Bewerberkreis gehörenden Vorsitzenden des Antragstellers an der Beschlussfassung über die Zustimmungsverweigerung kein wirksamer Beschluss über die Zustimmungsverweigerung vor.

Auf Sachstandsanfrage des Antragstellers vom 4. Januar 2013 teilte die Beteiligte ihm am 10. Januar 2013 mit, dass die Trägerversammlung am 22. November 2012 der Umsetzung der beabsichtigten Maßnahme einstimmig zugestimmt habe und daher die Maßnahme vollzogen worden sei.

Zur Begründung seines gemäß Beschluss vom 16. Januar 2013 eingeleiteten vorliegenden gerichtlichen Beschlussverfahrens macht der Antragsteller im Wesentlichen geltend:

Die ordnungsgemäße Beschlussfassung zur Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens sei zwischen den Beteiligten nicht im Streit; daher bestehe keine Verpflichtung, entsprechend der gerichtlichen Aufforderung, insoweit einen Protokollauszug über die ordnungsgemäße Beschlussfassung vorzulegen.

Der Beschluss über die Zustimmungsverweigerung sei ordnungsgemäß zu Stande gekommen, obwohl an der Beratung und Abstimmung der Vorsitzende des Antragstellers teilgenommen habe, der als Bewerber im Auswahlverfahren für den höherwertigen Dienstposten, um dessen Besetzung es bei der Zustimmungsverweigerung ging, beteiligt war. Denn da er von der Beteiligten - anders als die Ausgewählte und andere Bewerber – im Ergebnis jenes Auswahlverfahrens nur als "bedingt geeignet“ eingestuft worden sei, habe bei ihm keine unmittelbare Betroffenheit vorgelegen. Aus dem Fehlen einer ausdrücklichen Regelung im BPersVG für die persönliche Verhinderung eines Personalratsmitglieds in Angelegenheiten, die ihn selbst beträfen, sei zu schließen, dass der Gesetzgeber insoweit bewusst von einer Regelung abgesehen habe, so dass auch von einer Regelungslücke für eine analoge Anwendung anderer Vorschriften nicht auszugehen sei.

Der Abbruch des Beteiligungsverfahrens trotz der selbst aus Sicht der Beteiligten zum Teil gemäß § 77 Abs. 2 BPersVG beachtlichen Verweigerungsgründe sei rechtswidrig. Die Beteiligte zu 2 hätte unmittelbar die Einigungsstelle anrufen müssen, wenn sie trotz der vorliegenden Zustimmungsverweigerung den Dienstposten an die ausgewählte Beschäftigte hätte übertragen wollen. Dies ergebe sich aus § 69 Abs. 3 und Abs. 4 BPersVG. Das Stufenverfahren setze danach voraus, dass bei der anzurufenden jeweils nächsthöheren Stufe ebenfalls ein Personalrat gebildet sei. Hieraus ergebe sich, dass für den Fall, dass bei der jeweils nächsthöheren Stufe keine Personalvertretung bestehe, die Einigungsstelle unmittelbar angerufen werden müsse, sofern an der Maßnahme festgehalten werden solle.

Der Antragsteller beantragt,

festzustellen, dass die Beteiligte das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers betreffend die Übertragung des Dienstpostens "Bereichsleiterin im Bereich SGB II“ an die Beamtin Frau A. dadurch verletzt hat, dass sie trotz beachtlicher Zustimmungsverweigerung das Beteiligungsverfahren abgebrochen und die Stelle ihr übertragen hat.

Die Beteiligte beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie macht zunächst geltend, dass der mitgeteilten Zustimmungsverweigerung kein wirksamer Beschluss des Antragstellers zu Grunde liege, weil dessen Vorsitzender als Bewerber des Stellenbesetzungsverfahrens an der Beschlussfassung teilgenommen habe. Die Unwirksamkeit ergebe sich aus der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gebotenen, entsprechenden Anwendung von § 44 Verwaltungsverfahrensgesetz.

Ungeachtet dessen habe die Trägerversammlung durch Beschluss im Umlaufverfahren festgestellt, dass die Zustimmungsverweigerung unbeachtlich und die Maßnahme daher umzusetzen sei. Dies gelte nicht nur für die Rüge des Antragsellers gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 1 BPersVG, sondern auch für die übrigen Rügen nach § 77 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 BPersVG BPersVG.

Die Fachkammer hat das gegen den ehrenamtlichen Richter Lilge gerichtete Ablehnungsgesuch des Antragstellers durch den am Beginn des mündlichen Anhörungstermins gefassten Beschluss als unbegründet zurückgewiesen; hinsichtlich der Ablehnungsgründe und der Gründe dieses Beschlusses wird auf den Inhalt der Streitakte, insbesondere auf Blatt 44, 70 und 121 sowie die Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 12. März 2013 Bezug genommen.

II.

Der auf die Feststellung der Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Antragstellers in Bezug auf die Mitbestimmungsvorlage der Beteiligten zu 1 Nr. 155/2012 gerichtete Antrag hat keinen Erfolg. Dabei kann offen bleiben, ob das Feststellungsbegehren bereits unzulässig ist, weil es an einem aufgrund der Mitwirkung des als Bewerber des abgeschlossenen Auswahlverfahrens beteiligten Vorsitzenden des Antragstellers an der Beschlussfassung über die Einleitung des gerichtlichen Verfahrens und Beauftragung von Prozessbevollmächtigten eine Wirksamkeit dieser Beschlussfassung mangelt (vgl. hierzu die folgenden Ausführungen zur Unwirksamkeit des Beschlusses zur Zustimmungsverweigerung).

20Denn jedenfalls ist der Feststellungsantrag in der Sache ohne Erfolg, weil offensichtlich ein wirksamer Beschluss des Antragstellers über die Zustimmungsverweigerung zu der oben genannten Mitbestimmungsvorlage fehlt, so dass die diesbezügliche Mitteilung seines Vorsitzenden an die Beteiligte keine Verpflichtung zur Fortsetzung des Mitbestimmungsverfahrens ausgelöst hat und die Umsetzung der streitbefangenen Maßnahme somit das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers nicht verletzt.

21Die hier unstreitig der Mitbestimmung unterliegende Maßnahme gilt gemäß § 69 Abs. 2 S. 5 BPersVG als gebilligt, wenn nicht der Personalrat innerhalb der in Abs. 2 S. 3 genannten Frist die Zustimmung unter Angabe der Gründe schriftlich verweigert. Insoweit ist ein Beschluss des Personalrats über die beantragte Zustimmung erforderlich (vgl. § 69 Abs. 2 Satz 3 BPersVG). Ein diesbezüglicher, rechtswirksamer Beschluss liegt indes hier offensichtlich nicht vor. Für die Beurteilung, ob ein Beschluss der Personalvertretung nichtig ist, sind die in § 44 VwVfG zum Ausdruck gekommenen allgemeinen Rechtsgrundsätze heranzuziehen (BVerwG, Beschluss vom 13. Oktober 1986 – BVerwG 6 P 14/84 –, zitiert nach Juris). Da das Personalvertretungsrecht (auch) des Bundes keine Regelung der Folgen von Verfahrensmängeln im Bezug auf die Tätigkeit der Personalvertretungsorgane enthält und auch das Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes auf die Rechtsstellung und Tätigkeit der Personalvertretungsorgane nicht unmittelbar anwendbar ist, muss insoweit auf allgemeine verfahrensrechtliche Grundsätze zurückgegriffen werden (BVerwG, a. a. O., Rz. 20). Entgegen der Auffassung des Antragstellers weist das "Schweigen" des Gesetzgebers des BPersVG über die Folgen von wesentlichen Verfahrensfehlern der Personalvertretungsorgane nicht auf dessen Willen hin, in Bezug auf die Tätigkeit dieser Organe allgemeine verfahrensrechtliche Grundsätze nicht anzuwenden; es handelt sich mithin um eine unbewusste Gesetzgebungslücke, die durch eine entsprechende Anwendung dieser allgemeinen Rechtsgrundsätze zu schließen ist, welche allein dem mutmaßlichen Willen des Bundesgesetzgebers entsprechen. Denn es kann nicht angenommen werden, dass die in der genannten Regelung zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgrundsätze auf die Vorgehensweise der Personalvertretung nicht anzuwenden sind; andernfalls blieben aus nicht erkennbaren sachlichen Gründen selbst schwerwiegende Verfahrensfehler der Personalvertretung ohne die allgemein anerkannten Grundsätzen entsprechenden Rechtsfolgen.

22Ebenso wie bei Verwaltungsakten kann daher auch bei Beschlüssen von Personalvertretungen eine Nichtigkeit bei besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehlern angenommen werden. „Offenkundig "ist die schwere Fehlerhaftigkeit einer Entscheidung dann, wenn sie für einen unvoreingenommenen, mit den in Betracht kommenden Umständen vertrauten, verständigen Beobachter ohne weiteres ersichtlich ist. Anhaltspunkte für die Beurteilung der Frage, ob die Entscheidung eines Gremiums in diesem Sinne nichtig ist, ergeben sich aus den Aufzählungen in § 44 Abs. 2 und 3 VwVfG. Nach § 44 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG ist ein Verwaltungsakt nicht schon deshalb nichtig, weil eine nach § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 bis 6 VwVfG ausgeschlossene Person mitgewirkt hat. Im vorliegenden Fall ist jedoch § 20 Absatz 1 S. 1 Nr. 1 VwVfG einschlägig, der in der Aufzählung des § 44 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG klar erkennbar ausgenommen ist. Nach § 20 Absatz 1 S. 1 Nr. 1 VwVfG darf in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde nicht tätig werden, wer selbst Beteiligter ist; dem Beteiligten steht nach § 20 Abs. 1 S. 2 VwVfG gleich, wer durch die Tätigkeit oder durch die Entscheidung einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil erlangen kann. Letzteres ist bei dem Vorsitzenden des Antragstellers anzunehmen, da er einer der in die engere Wahl genommenen Bewerber auf den Beförderungsdienstposten war, für welchen die Auswahlentscheidung zu Gunsten einer anderen Bewerberin Gegenstand der hier in Rede stehenden Mitbestimmungsvorlage war. Mit der unter seiner unstreitigen Mitwirkung zu Stande gekommenen Zustimmungsverweigerung sollte die Beteiligte, wie sich anhand der zur Begründung der Zustimmungsverweigerung geltend gemachten Verfahrensmängel des Auswahlverfahrens ohne weiteres nachvollziehen lässt, dazu veranlasst werden, das Ergebnis dieses Auswahlverfahrens nicht zur Grundlage der Besetzung des Beförderungsdienstpostens zu machen, sondern dieses Auswahlverfahren zu wiederholen. Hierin liegt ein unmittelbarer Vorteil aller nicht zum Zuge gekommenen Bewerber des (abgeschlossenen) Auswahlverfahrens, insbesondere der in die engere Auswahl genommenen Bewerber wie des Vorsitzenden des Antragstellers. Dieser hatte als Bewerber um eine Beförderungsstelle (nur) einen Anspruch auf (einmalige) beurteilungs- und ermessensfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung (sog. Bewerbungsverfahrensanspruch); die mit dem Beschluss des Antragstellers angestrebte Durchführung eines zweiten Auswahlverfahrens eröffnete ihm daher eine weitere Chance, im Rahmen des erneut vorzunehmenden (bzw. zu wiederholenden) Eignungs- und Leistungsvergleichs ausgewählt zu werden.

23Ein sich hieraus ergebender unmittelbarer Vorteil bei der (zweifachen) Verwirklichung seines sog. Bewerbungsverfahrensanspruchs kann entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht mit Hinweis darauf verneint werden, dass der Vorsitzende des Antragstellers – anders als andere Bewerber – von der Beteiligten nicht als „geeignet“, sondern nur als "bedingt geeignet“ eingestuft worden war. Denn gerade diese Einstufung war Ergebnis des (ersten) Auswahlverfahrens, so dass sich hieraus nicht ableiten lässt, dass er bei Wiederholung des Auswahlverfahrens nicht eine bessere Einschätzung seiner Eignung erzielen könnte. Allein in der mit der Beschlussfassung über die Zustimmungsverweigerung erstrebten erneuten Durchführung des Auswahlverfahrens liegt mithin der unmittelbare Vorteil für alle (in die engere Wahl gekommenen) bisherigen Bewerber. Überdies lässt sich nicht ausschließen, dass bei Wiederholung des Auswahlverfahrens einzelne der (besser geeignet eingestuften) Bewerber ihre Bewerbung (aus welchen Gründen auch immer) zurückziehen und sich damit die Chancen der übrigen verbessern. Schließlich reicht gemäß § 20 Abs. 1 S. 2 VwVfG die Möglichkeit der Erlangung eines unmittelbaren Vorteils, die aus den genannten Gründen hier jedenfalls nicht ausgeschlossen ist.

Aus den vorstehenden Gründen kommt es auf die Frage, ob die Beteiligte eine hier in der Sache etwa beachtliche Begründung der Zustimmungsverweigerung zum Anlass für eine personalvertretungsrechtlich einwandfreie Fortsetzung des Mitbestimmungsverfahrens genommen hat, nicht an.

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