OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.11.2014 - VII-Verg 20/14
Fundstelle
openJur 2015, 2329
  • Rkr:
Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 28. Mai 2014 (VK 2-35/14) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich des Verfahrens nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB werden der Antragstellerin auferlegt.

Streitwert für das Beschwerdeverfahren: 374.850 Euro

Gründe

I. Die Antragsgegnerin, vertreten durch das Bundesministerium für Gesundheit, ließ durch die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung als Vergabestelle im Januar 2014 den Abschluss einer Rahmenvereinbarung über Spot-Schaltungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung im Kino öffentlich ausschreiben. Ausweislich des Rahmenvertragsentwurfs sollten im Wesentlichen folgende Leistungen Vertragsgegenstand sein:

- Unterbreiten von Vorschlägen hinsichtlich Schaltungsarten, Anzahl und Titel der Filme und Zielgruppe,

- umfassende Beratung des Auftraggebers mit Blick auf die Auswahl von Spotschaltungen,

- detaillierte Planung der Kinoschaltungen,

- schriftliche Darstellung betreffend Anzahl der Kontakte, Schaltungsarten, Beginn und geplante Dauer, Titel und Anzahl der Filme, Auswahl der Kinos, Optimierung, Anzahl der benötigten Kopien und

- Kostenkalkulation.

Die Vergütung sollte "sämtliche Kosten des Auftragnehmers für alle anfallenden Leistungen einschließlich aller Schaltungskosten sowie Agentur-, Beratungs- und Planungsleistungen" umfassen und so auch angegeben werden.

Parallel dazu bestand resp. besteht federführend zwischen dem Ministerium des Innern und der D. GmbH & Co. KG (im folgenden: D.) bis zum 31. Dezember 2013 ein Rahmenvertrag über die Schaltung von Informationskampagnen in Medien, der für den Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2016 durch einen neuen Vertrag ersetzt worden ist. Diese Verträge hatten/haben im Wesentlichen zum Gegenstand:

- Media

Strategische Mediaanalyse und -beratung,

Mediaplanung,

Mediaeinkauf,

- Gesamtrabattierung.

Im Bereich Media (nicht: Gesamtrabattierung) ist die Antragstellerin Unterauftragnehmerin von D..

Die Antragstellerin beteiligte sich mit einem Angebot an der eingangs bezeichneten Ausschreibung, sollte gemäß der Bieterinformation vom 17. April 2014 zugunsten der Beigeladenen jedoch nicht den Zuschlag erlangen, weil ihr Angebot wegen Änderung an den Vergabeunterlagen auszuschließen und außerdem nicht das wirtschaftlichste sei.

Dies rügte die Antragstellerin mit einem Telefaxschreiben von Freitag, dem 25. April 2014. Etwa eine Dreiviertelstunde zuvor ließ sie durch ihre Verfahrensbevollmächtigten einen Nachprüfungsantrag anbringen.

Im erstinstanzlichen Nachprüfungsverfahren haben die Verfahrensbeteiligten (mangels vorheriger Rüge) über die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags und über eine Präklusion nach § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB, über eine unzulässige Doppeltvergabe sowie über einen Ausschluss des Angebots der Antragstellerin von der Wertung gestritten.

Die 2. Vergabekammer des Bundes hat den Nachprüfungsantrag durch Beschluss vom 28. Mai 2014 (VK 2-35/14) abgelehnt. Auf die Gründe der Entscheidung wird verwiesen.

Dagegen hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde erhoben, mit der sie ihren erstinstanzlichen Vortrag wiederholt und insbesondere ihre Ansicht hinsichtlich einer unstatthaften Doppeltvergabe vertieft. Außerdem sei die Vergabekammer, so die Antragstellerin, ihren Anträgen auf Vernehmung von Zeugen prozessual fehlerhaft nicht nachgegangen.

Die Antragstellerin beantragt,

der Antragsgegnerin unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die Erteilung eines Zuschlags zu untersagen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin verteidigt die Entscheidung der Vergabekammer.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze und die Anlagen sowie auf die Verfahrensakten der Vergabekammer und die beigezogenen Vergabeakten Bezug genommen.

II. Die sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Nachprüfungsantrag ist teils unzulässig und im Ergebnis insgesamt auch unbegründet.

1. Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags

a) Der Nachprüfungsantrag scheitert nicht daran, dass nicht prioritäre Dienstleistungen ausgeschrieben worden sind. Nach geltender nationaler Gesetzeslage unterliegen auch nicht prioitäre Dienstleistungen einer Nachprüfung durch die Vergabenachprüfungsinstanzen, sofern der maßgebende Schwellenwert mindestens erreicht ist (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011 - X ZB 4/10 - S-Bahnverkehr Rhein-Ruhr; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Juli 2010 - VII-Verg 19/10). Letzteres ist der Fall.

b) Allerdings ist der Nachprüfungsantrag mangels Antragsbefugnis unzulässig (§ 107 Abs. 2 GWB), soweit die Antragstellerin bei dem genannten Parallelvertrag Unterauftragnehmer von D. ist und als solcher begehrt, eine Beendigung der hier in Rede stehenden Ausschreibung durch einen Zuschlag zu untersagen, weil sie ihre Chancen auf Erteilung von Unteraufträgen infolge von Aufträgen aufgrund der bestehenden Rahmenvereinbarung mit D. gewahrt sehen will. Dabei handelt es sich lediglich um ein mittelbares Auftragsinteresse, das im Rahmen der Antragsbefugnis nicht schutzwürdig ist (vgl. OLG Rostock Beschl. v. 5.2.2003 - 17 Verg 14/02, NZBau 2003, 457; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.9.2006 - VII-Verg 40/06; BVerfG, Beschl. v. 23.4.2009 - 1 BvR 3424/08, VergabeR 2009, 777). Daraus folgt, dass die Antragstellerin eine unstatthafte Doppeltvergabe (§ 4 Abs. 1 Satz 3 VOL/A) im Prozess nicht zulässig geltend machen kann. Dies könnte nur D. tun. Die Gegenausführungen der Antragstellerin im nachgelassenen Schriftsatz vom 1. Oktober 2014 geben zu einer davon abweichenden rechtlichen Beurteilung keine Veranlassung.

Indes hat die Antragstellerin zu der Ausschreibung ein Angebot eingereicht. Da dieses von der Wertung ausgeschlossen worden ist und die Antragstellerin dies in rechtlicher Hinsicht angreift, ist die Antragsbefugnis insoweit nicht zu verneinen.

c) Der Antragsgegnerin ist im Streitfall verwehrt, sich mit Erfolg auf eine Verletzung der Rügeobliegenheit zu berufen (§ 107 Abs. 3 Satz 1 GWB), weil die Antragstellerin den Nachprüfungsantrag ohne vorherige Rüge bei der Vergabekammer angebracht hat.

Die Vergabestelle hat die Telefax-Bieterinformation (§ 101a GWB) - wie außer Streit steht - am Gründonnerstag, dem 17. April 2014, gegen 17:00 Uhr, an die Antragstellerin versandt. Aufgrund dessen hat der Auftrag rechnerisch am Montag, dem 28. April 2014, erteilt werden können. Die Geschäftsführung der Antragstellerin hat von der Absage jedoch allerfrühestens im Laufe des Dienstags nach Ostern, d.h. am 22. April 2014, Kenntnis nehmen können. Von da an sind bis Freitag, 25. April 2014, allenfalls dreieinhalb Werktage verblieben, an denen sich die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag hat überlegen, einen Rechtsanwalt suchen und beauftragen (wobei die Beauftragung eines Rechtsanwalts im Streitfall angemessen und erforderlich war), sich von ihm hat beraten sowie ihm die erforderlichen Informationen hat zukommen lassen können, um durch Einreichen eines Nachprüfungsantrags und Information des Auftraggebers seitens der Vergabekammer ein Zuschlagsverbot zu bewirken (§ 115 Abs. 1 GWB). Der Nachprüfungsantrag hat am Freitag, dem 25. April 2014, der Vergabekammer so rechtzeitig vorliegen müssen, dass diese ihn zudem auf offensichtliche Unzulässigkeit oder Unbegründetheit hat prüfen und davon den Auftraggeber hat informieren können. Dies hat die Wartefrist des § 101a GWB von zehn faktisch auf drei Tage verkürzt. Tatsächlich hat die Antragstellerin den Nachprüfungsantrag noch am 25. April 2014 eingereicht.

Die Wahrung der Rügeobliegenheit durch den Antragsteller ist zwar eine Zulässigkeitsvoraussetzung für den Nachprüfungsantrag. Jedoch liegt bei dieser oder einer vergleichbaren Sachlage aus Sicht des Antragstellers nahe anzunehmen, der Auftraggeber habe durch die Wahl des Zeitpunkts der Versendung der Bieterinformation die Überprüfungsfrist für den Antragsteller reduzieren und eine Nachprüfung der Auftragsvergabe mit Absicht beschränken oder verhindern wollen. Eine dahingehende Absicht des Auftraggebers muss in solchen Fällen indes nicht festgestellt werden.

Es genügt auf Folgendes hinzuweisen: Die zeitlichen Auswirkungen einer solchen Vorgehensweise liegen offen zutage und sind dem Auftraggeber bekannt, weil er damit erfahrungsgemäß Überlegungen verbindet, zu welchem Zeitpunkt die Wartefrist endet und der Auftrag erteilt werden darf. Die dargestellte Vorgehensweise - hier die Wahl des Zeitpunkts der Bieterinformation in Ansehung der der Feiertage und der Wochenenden um Ostern 2014 - hat objektiv und unmittelbar zu einer drastischen Erschwerung für den Antragsteller geführt, effektiven Rechtsschutz gegen die Vergabeentscheidung zu erlangen. Innerhalb von drei Tagen nach Kenntnisnahme von der Bieterinformation in einem nicht einfach gelagertem Fall wie dem vorliegenden einen Nachprüfungsantrag einreichen zu müssen, ist dem Antragsteller nicht zuzumuten. Um die praktische Wirksamkeit der Rechtsschutzvorschriften des GWB zu gewährleisten, sind bei diesem Befund die Gerichte befugt, diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet erscheinen, die objektiv eingetretene Erschwerung eines effektiven Rechtsschutzes auszugleichen und die Wirksamkeit des Rechtsschutzes wiederherzustellen. Zu den in diesem Zusammenhang zu treffenden Maßnahmen zählt zum Beispiel die Auslegung, dass eine Bieterinformation der vorliegenden Art die Wartefrist des § 101a GWB nicht in Lauf setzen kann. Zu ihnen gehört aber auch der Verzicht darauf, dass der Nachprüfungsantrag von einer vorherigen Rüge durch den Antragsteller abhängig zu machen ist. Der Antragsteller darf sich in der Kürze der Zeit allein auf den Nachprüfungsantrag konzentrieren und der Auftraggeber kann sich in solchen Fällen nicht mit Erfolg auf eine Verletzung der Rügeobliegenheit berufen.

2. Begründetheit des Nachprüfungsantrags

a) Ungeachtet dessen, dass es für die Entscheidung darauf nicht ankommt, liegt im Streitfall keine verbotswidrige Doppeltvergabe derselben Leistungen vor (§ 4 Abs. 1 Satz 3 VOL/A). Den diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Beschluss pflichtet der Senat vorbehaltlos bei (VKB 15 bis 17). Darauf wird Bezug genommen. Einer Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung bedurfte es nicht.

b) Die Antragstellerin ist bei den Preisangaben von den Vorgaben der Antragsgegnerin in den Vergabeunterlagen abgewichen. Sie hat Änderungen an den Vergabeunterlagen angebracht. Infolgedessen hat kein eindeutiges Preisangebot der Antragstellerin vorgelegen, sind die Angebote nicht miteinander vergleichbar und ist das Angebot der Antragstellerin zwingend auszuschließen gewesen (§ 16 Abs. 3 Buchst. d VOL/A). Dies hat die Vergabekammer rechtsfehlerfrei entschieden (VKB 17/18). Der Senat schließt sich ihrer treffenden Begründung unter Verweis darauf an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 GWB.

Der Streitwertfestsetzung ist mangels eines eindeutigen Preisangebots der Antragstellerin die Auftragswertermittlung der Vergabestelle zugrunde gelegt worden.

Dicks Brackmann Rubel

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