VG Darmstadt, Urteil vom 15.01.2015 - 1 K 1841/13.DA
Fundstelle
openJur 2015, 2057
  • Rkr:

1. Erklären beide Beteiligte in einem Verfahren, das die Zahlung einer Abgeltung für krankheitsbedingt vor Eintritt in den Ruhestand nicht genommener Urlaubstage nebst Prozesszinsen betrifft, übereinstimmend die Hauptsache für erledigt, nachdem sich der Dienstherr zur Zahlung eines bestimmten Abgeltungsbetrages bereit erklärt hat, so ist der Kläger nicht gehindert, nachfolgend den Anspruch auf Prozesszinsen erneut auch klageweise geltend zu machen.

2. Der klageweise geltend gemachte unionsrechtliche Urlaubsabgeltungsanspruch war auch schon vor der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 03.05.2012 (C.337/10) hinreichend bestimmt im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, da die Berechtigung des Anspruchs dem Grunde nach streitig war.

3. Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungswert des Inhalts, dass die Abgabe einer Erledigungserklärung als Rechtsschutzverzicht bzw. Verzicht auf einen bestimmten materiellen Anspruch zu verstehen ist.

Tenor

Das beklagte Land wird verurteilt, hinsichtlich der inzwischen gewährten Urlaubsabgeltung in Höhe von 6.090,84 € dem Kläger Prozesszinsen für die Dauer der Rechtshängigkeit in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat das beklagte Land zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger stand als beamteter Leiter eines Staatlichen Schulamtes (Leitender Schulamtsdirektor – A 16) im Dienste des beklagten Landes; mit Ablauf des 30.09.2010 war er nach einer längerfristigen Erkrankung in den Ruhestand versetzt worden.

Im September 2010 hatte der Kläger beantragt, ihm eine finanzielle Abgeltung für in den Jahren 2009 und 2010 krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommenen Erholungsurlaub (insgesamt 49 Tage) zu gewähren. Nach Ablehnung dieses Antrages und erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens hatte der Kläger über seine Bevollmächtigten Klage erhoben mit dem Antrag,

das beklagte Land zu verurteilen, dem Kläger eine anteilige Besoldung für 49 von ihm bei Eintritt in den Ruhestand nicht mehr in Anspruch genommene Urlaubstage zu gewähren und den sich daraus ergebenden Betrag mit Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu verzinsen.

Dieses Verfahren war mit Beschluss des erkennenden Gerichts vom 01.02.2011 (1 K 1695/10.DA) mit Blick auf ein bei dem Europäischen Gerichtshof anhängiges Verfahren zum Ruhen gebracht worden.

Nach Bekanntwerden der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 03.05.2012 (C – 337/10) war das Verfahren wieder aufgerufen und unter dem Aktenzeichen 1 K 652/12.DA fortgesetzt worden.

Unter Rücknahme der Klage im Übrigen hatte der Kläger sodann beantragt,

das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides vom 14.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom November 2010 zu verpflichten, dem Kläger den aufgrund seiner 6-Tage-Woche mit 24 Urlaubstagen pro Urlaubsjahr in den Jahren 2009 und 2010 nicht in Anspruch genommenen gesetzlichen Mindesturlaub in Höhe von insgesamt 34 Arbeitstagen anteilig mit 11.020,02 € zu besolden und diese Summe mit Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verzinsen.

Das Gericht hatte sodann das Verfahren im Umfang des Anspruchs auf Besoldung von 15 Arbeitstagen abgetrennt und es insoweit unter dem Aktenzeichen 1 K 696/12.DA fortgesetzt.

In jenem Verfahren 1 K 696/12.DA war das Verfahren mit Beschluss vom 06.06.2012 eingestellt worden.

Im weiteren Verlauf des Verfahrens 1 K 652/12.DA hatte der Kläger dann beantragt,

das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides vom 14.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom November 2010 zu verpflichten, dem Kläger den aus den Urlaubsjahren 2009 und 2010 noch nicht in Anspruch genommenen gesetzlichen Mindesturlaub sowie Schwerbehindertenzusatzurlaub in Höhe von insgesamt 30 Arbeitstagen anteilig mit 9.723,60 € zu besolden und diese Summe mit Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu verzinsen.

In Ansehung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.01.2013 (2 C 10.12) hatte das beklagte Land mit Schriftsatz vom 14.05.2013 nach einem entsprechenden richterlichen Hinweis erklärt, dem Kläger einen Abgeltungsanspruch im Umfang von insgesamt 21 Urlaubstagen zuerkennen und ihn entsprechend klaglos stellen zu wollen.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 15.05.2013 hatte der Kläger sodann unter Rücknahme der Klage im Übrigen beantragt,

das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides vom 14.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom November 2010 zu verpflichten, dem Kläger aus den Urlaubsjahren 2009 und 2010 noch nicht in Anspruch genommenen gesetzlichen Mindesturlaub in Höhe von insgesamt 21 Arbeitstagen anteilig mit 6.806,52 € zu besolden und diese Summe mit Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

Das erkennende Gericht hatte daraufhin mit Beschluss vom 17.05.2013 das Verfahren abgetrennt, soweit es die Geltendmachung von 9 Arbeitstagen betraf, und das Verfahren insoweit unter dem Aktenzeichen 1 K 614/13.DA fortgesetzt.

In jenem Verfahren 1 K 614/13.DA war das Verfahren mit Beschluss vom 21.05.2013 eingestellt worden.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 04.06.2013 hatte der Kläger dann unter Bezugnahme auf die gerichtliche Verfügung vom 16.05.2013 das Verfahren „auf der Grundlage des Schriftsatzes des beklagten Landes vom 14.05.2013 (Gewährung einer Abgeltung für 21 Urlaubstage und Berechnung gemäß Rundschreibens des Hessischen Kultusministeriums für Innern und für Sport vom 15.05.2013)“ für erledigt erklärt.

Mit Schriftsatz vom 12.06.2013 hatte das beklagte Land unter Darstellung der maßgeblichen Rechenschritte ausgeführt, dem Kläger stehe für 21 Urlaubstage ein Abgeltungsbetrag in Höhe von 6.090,84 € zu.

Mit weiterem Schriftsatz vom 18.06.2013 hatte auch das beklagte Land den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Mit insoweit unanfechtbarem Beschluss vom 08.07.2013 waren die Kosten des Verfahrens dem beklagten Land auferlegt worden.

Unter dem 12.08.2013 hatte das Hessische Kultusministerium in Abänderung des Bescheides vom November 2010 einen Widerspruchsbescheid des Inhalts erlassen, dass der Widerspruch vom 19.10.2010 begründet sei und die Verfügung vom 15.09.2010 aufgehoben werde. Des Weiteren war in der Entscheidung ausgeführt worden, dem Kläger stehe ein Abgeltungsbetrag für 21 abzugeltende Urlaubstage in Höhe von 6.090,84 € zu, der von der Hessischen Bezügestelle zur Auszahlung angewiesen werde.

Mit Schreiben vom 19.08.2013 wandten sich die Bevollmächtigten des Klägers an das beklagte Land mit der Aufforderung, die Urlaubsabgeltung in Höhe von 6.090,84 € nebst Prozesszinsen zu überweisen.

Nach Erhalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2013 führten die Bevollmächtigten des Klägers gegenüber dem beklagten Land unter dem 20.08.2013 ergänzend aus, aufgrund des anhängig gewesenen Verwaltungsstreitverfahrens stünden dem Kläger auch Prozesszinsen zu, deren Höhe sich auf 854,13 € belaufe; um zeitnahe Überweisung werde gebeten. Diese Forderung wiederholten sie unter dem 21.08.2013.

Eine schriftliche Bescheidung dieses Begehrens findet sich nicht in den dem Gericht vorliegenden Unterlagen.

Am 18.12.2013 hat der Kläger über seine Bevollmächtigten Klage vor dem erkennenden Gericht erhoben. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Urlaubsabgeltung habe der Kläger zwischenzeitlich erhalten. Allerdings sei das Verfahren versehentlich aufgrund der Zusicherung des Hessischen Kultusministeriums vom 14.05.2013 sowie der Anfrage des Verwaltungsgerichts vom 16.05.2013 bereits unter dem 04.06.2013 für erledigt erklärt worden ohne Prüfung der Frage, ob der Kläger die ihm zustehende Urlaubsabgeltung auch tatsächlich inklusive der ihm zustehenden Prozesszinsen erhalten habe. Die Behörde habe seinerzeit zugesagt, den Kläger klaglos stellen zu wollen; diese Zusage sei aber nicht vollständig eingehalten worden. Somit ergebe sich ein Anspruch auf Prozesszinsen aus der Vorschrift des § 291 BGB, denn das beklagte Land habe anerkannt, dass der in dem Verfahren 1 K 652/12.DA geltend gemachte Anspruch bestanden habe, sodass auch ein entsprechender Anspruch auf Prozesszinsen gegeben sei.

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger Prozesszinsen in Höhe von 854,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.

Das beklagte Land hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Seitens des Beklagten sei niemals die Zahlung der Zinsen in Aussicht gestellt worden. Gleichwohl habe der Kläger das Verfahren in der Hauptsache insgesamt für erledigt erklärt, dem habe sich das beklagte Land angeschlossen. Hätte der Kläger weiterhin auf der Zinsforderung beharren wollen, wäre eine entsprechende Teilerledigungserklärung angezeigt gewesen, über die Zinsforderung wäre dann durch das Gericht zu entscheiden gewesen. Wenn der Kläger nunmehr die Zinsen erneut gerichtlich geltend mache, gehe es ihm im Grunde darum, die damalige Prozesserklärung zu revidieren, was hier aber rechtlich nicht möglich sei. Das seitens des Klägerbevollmächtigten selbst so bezeichnete „Versehen“ müsse hier zu Lasten des Klägers gehen. Bereits in der Abgabe der Erledigungserklärung könne ein materiell-rechtlicher Verzicht auf die erneute Geltendmachung der Forderung gesehen werden. Im Übrigen verhalte sich der Kläger zumindest treuwidrig, denn er habe den Eindruck erweckt, durch die abgegebene Erklärung den Rechtsstreit insgesamt beenden zu wollen. Hilfsweise sei darauf hinzuweisen, dass auch in materiell-rechtlicher Hinsicht der geltend gemachte Anspruch nicht bestehe. Der Anspruch auf Prozesszinsen seit Rechtshängigkeit setze voraus, dass die Klage auf Erlass eines die Zahlung einer bestimmten Geldsumme unmittelbar auslösenden Verwaltungsakts gerichtet sei, bei Verpflichtungsklagen müsse der Anspruch entweder beziffert sein oder rein rechnerisch unzweifelhaft ermittelt werden können. Diese Voraussetzungen seien jedoch erst im Verlaufe des Vorprozesses erfüllt worden, nämlich durch die Umsetzung der einschlägigen Rechtsprechung durch den Erlass des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 15.04.2013, sodass erst ab diesem Zeitpunkt eine rechnerische Ermittlung des Abgeltungsanspruchs möglich gewesen sei. Zinsen auf den geltend gemachten Anspruch auf Prozesszinsen könne der Kläger wegen des gesetzlichen Zinseszinsverbots nicht beanspruchen.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, denjenigen der Gerichtsakten 1 K 652/12.DA, 1 K 696/12.DA und 1 K 614/13.DA sowie denjenigen des vorgelegten Behördenordners verwiesen. Sämtliche der genannten Unterlagen sind zum Gegenstand der Entscheidungsfindung gemacht worden.

Gründe

Die Klage, über die der Berichterstatter im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (vgl. §§ 87 a, 101 Abs. 2 VwGO), ist in Ansehung der Regelung des § 75 VwGO zulässig und in dem im Tenor dieser Entscheidung dargestellten Umfang begründet.

Grundsätzlich verhält es sich so, dass Prozesszinsen in entsprechender Anwendung der §§ 291 Satz 1, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB dann zu zahlen sind, wenn das einschlägige Fachrecht keine abweichende Regelung trifft und die Geldforderung eindeutig bestimmt ist (so BVerwG, Urteil vom 27.02.2014 – 5 C 1/13 D –; siehe in diesem Zusammenhang auch Urteil vom 24.09.1987 – 2 C 27/84 –, jeweils abgedruckt bei juris).

Diese Voraussetzungen für einen Anspruch auf Prozesszinsen sind vorliegend gegeben. Das einschlägige Fachrecht – die Hessische Urlaubsverordnung – enthält insoweit keine abweichende Regelung. Auch ist die Geldforderung, also die erstrebte finanzielle Abgeltung krankheitsbedingt nicht genommener Urlaubstage, hinreichend bestimmt, denn der Umfang des unionsrechtlichen Urlaubsabgeltungsanspruchs aus Art. 7 Abs. 2 EGRL 88/2003 kann in Ansehung der ergangenen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes vom 03.05.2012 (C – 337/10) und des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.01.2013 (2 C 10/12) rechnerisch zweifelsfrei ermittelt werden (im Ergebnis ebenso VG Berlin, Urteil vom 14.11.2013 – 5 K 358.12 –; VG Würzburg, Urteil vom 11.03.2014 – W 1 K 13.1254 –; VG München, Urteil vom 25.03.2014 – M 5 K 12.1710 –; siehe auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.03.2014 – 1 A 177/14 –, alle abgedruckt bei juris). Streitig war im Ausgangsverfahren insoweit der Abgeltungsanspruch dem Grunde nach. Es ist deshalb ohne Belang, dass der exakte Betrag der dem Kläger zustehenden Abgeltung erst im Verlaufe des Verfahrens errechnet wurde (vgl. in diesem Zusammenhang BVerwG, Urteil vom 26.07.2012 – 2 C 31/11 –, abgedruckt bei juris). Rechtshängig war der Abgeltungsanspruch demnach am 05.11.2010 geworden.

Des Weiteren gilt, dass der Anspruch auf Prozesszinsen nicht zwangsläufig zusammen mit der Hauptforderung geltend gemacht werden muss. Vielmehr kann ein derartiger Zinsanspruch selbständig mit einer nach Abschluss des Streits um die Hauptforderung erhobenen Klage geltend gemacht werden, vorausgesetzt, die zu verzinsende Geldforderung ist – wie vorliegend – rechtshängig gewesen (vgl. hierzu VG Stade, Urteil vom 14.01.2008 – 6 A 2854/05 –, mit zahlreichen weiteren Nachweisen, abgedruckt bei juris).

Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt darin, dass der in Rede stehende Anspruch auf Prozesszinsen – wie oben dargestellt – bereits Gegenstand des Verfahrens 1 K 652/12.DA gewesen ist. In jenem Verfahren hatten die Bevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 04.06.2013 das Verfahren für erledigt erklärt, das beklagte Land hatte mit Schriftsatz vom 18.06.2013 eine korrespondierende Erledigungserklärung abgegeben. Somit endete die Rechtshängigkeit des geltend gemachten Anspruchs einschließlich der Forderung nach Prozesszinsen am 21.06.2013, dem Tag des Eingangs des Schriftsatzes des beklagten Landes vom 18.06.2013.

Dies bedeutet indes nicht, dass der Kläger aus Rechtsgründen gehindert wäre, den Anspruch auf Prozesszinsen erneut – auch klageweise – geltend zu machen. Das Vorliegen übereinstimmender Erledigungserklärungen beseitigt lediglich die Rechtshängigkeit, das anhängig gewesen Verfahren findet sein Ende, ohne dass es einer entsprechenden Beschlussfassung des Gerichts bedarf. Eine materielle Rechtskraftwirkung in Bezug auf die streitig gewesene Forderung tritt nicht ein. Der Kläger des früheren Verfahrens ist deshalb nicht gehindert, erneut eine entsprechende Klage – unter Wahrung etwaiger Fristerfordernisse – zu erheben (im Ergebnis ebenso BGH, Urteil vom 28.05.1991 – IX ZR 181/90 –; siehe auch OVG Berlin, Urteil vom 05.09.1986 – OVG 2 A 1.85 –, jeweils abgedruckt bei juris; Neumann in: Sodann / Ziekow, Nomos – Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, Randnummer 90 zu § 161; Clausing in: Schoch / Schneider / Bier, VwGO, Kommentar, Randnummer 18 zu § 161; a.A. – allerdings ohne weitere Begründung – Kopp / Schenke, VwGO, Kommentar, Randnummer 19 zu § 161) ), denn die Wirkung übereinstimmender Erledigungserklärungen ist begrenzt auf die Beendigung des konkreten Rechtsstreits.

Der gegenteiligen Auffassung des beklagten Landes folgt das erkennende Gericht nicht.

Richtig ist allerdings, dass die Erledigungserklärung als Prozesshandlung grundsätzlich nicht anfechtbar ist und nur bis zum Zeitpunkt des Vorliegens übereinstimmender Erledigungserklärungen zurückgenommen werden kann (so zutreffend Kopp / Schenke a.a.O. mit weiteren Nachweisen). Hieraus folgt jedoch nicht, dass eine erneute Klageerhebung sich zwangsläufig als Umgehung der vorstehend genannten Prinzipien darstellt und deshalb unzulässig ist. Gerade der vorliegende Fall belegt, dass es beispielsweise unter Kostenaspekten sinnvoll sein kann, ein Verfahren durch übereinstimmende Erledigungserklärungen zum Abschluss zu bringen. Stellt sich im Nachhinein allerdings heraus, dass nicht alle Ansprüche des Klägers in einer ihn zufriedenstellenden Weise berücksichtigt worden sind, so muss dem Kläger die Möglichkeit der erneuten Geltendmachung – unter Wahrung bestehender Fristerfordernisse – einzelner Ansprüche offen stehen. In der Abgabe einer Erledigungserklärung liegt daher, sofern nicht besondere Umstände hinzutreten, weder ein Rechtsschutzverzicht noch ein Verzicht auf den materiellen Anspruch (so ausdrücklich Clausing in: Schoch / Schneider / Bier a.a.O.). Auch enthält eine Erledigungserklärung regelmäßig nicht die Zusage, hinsichtlich des anhängig gewesenen Rechtsstreits keinen erneuten Streit „vom Zaun brechen zu wollen“; ferner liegt in der Erledigungserklärung nicht eine Art „Anerkenntnis“, dass weitergehende Ansprüche nicht bestehen (so BGH a.a.O.), denn für derartige Annahmen fehlen hier jegliche konkreten Anhaltspunkte und sie entsprechen nach Auffassung des erkennenden Gerichts auch nicht einem allgemeinen Erfahrungswert.

Nicht zu folgen vermag das Gericht demzufolge auch der Ansicht des beklagten Landes, bei ihm sei durch die entsprechende Erledigungserklärung des Klägers schutzwürdiges Vertrauen dahingehend begründet worden, in dieser Angelegenheit nicht einem erneuten Prozess ausgesetzt zu werden. In Ergänzung der vorstehenden Ausführungen ist darauf hinzuweisen, dass sowohl die gerichtliche Verfügung vom 30.04.2013 in dem Verfahren 1 K 652/12.DA als auch die auf den Erlass des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 15.04.2013 zielende Erklärung des beklagten Landes vom 14.05.2013 und auch der Schriftsatz der Bevollmächtigten des Klägers vom 04.06.2013 ausschließlich die Modalitäten der Berechnung der dem Kläger zustehenden Abgeltung für krankheitsbedingt nicht genommene Urlaubstage zum Gegenstand hatten. Die Frage der Prozesszinsen hat in diesem Zusammenhang keine Rolle gespielt, sodass insoweit schutzwürdiges Vertrauen nicht begründet worden sein kann.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass dem Kläger nach Maßgabe der entsprechend anwendbaren Bestimmungen der §§ 291, 288 Abs. 1 BGB hier ein Anspruch auf Prozesszinsen für die Dauer der Rechtshängigkeit der Geldforderung zusteht. Dementsprechend war das beklagte Land zur Zahlung zu verurteilen.

Unbegründet und infolgedessen abzuweisen ist die Klage insoweit, als es um den geltend gemachten Anspruch auf Zinsen auf die Prozesszinsen geht, denn diesbezüglich greift das Zinseszinsverbot des § 289 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Da der Kläger nur zu einem geringen Teil unterlegen ist, erachtet es das Gericht als sachgerecht, dem beklagten Land die Kosten in vollem Umfang aufzuerlegen.

Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Berufung war nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind (vgl. § 124 a VwGO).

BESCHLUSS

Der Streitwert wird endgültig auf 850,00 EUR festgesetzt.

GRÜNDE

Der Streitwert wurde gemäß § 52 Abs. 3 GKG festgesetzt. Die vorläufige Festsetzung des Streitwerts wird damit gegenstandslos.

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