BGH, Urteil vom 29.01.2008 - VI ZR 70/07
Fundstelle
openJur 2011, 6072
  • Rkr:
Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 14. Februar 2007 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die klagende Berufsgenossenschaft nimmt den Beklagten wegen eines Arbeitsunfalls ihres Versicherten gemäß § 110 SGB VII in Anspruch.

Der bei dem Beklagten beschäftigte Versicherte stürzte am 27. April 1999 aus einer Höhe von 5,5 m von einem Gerüst in eine Baugrube und verletzte sich schwer. Aus Anlass dieses Unfalls erbrachte die Klägerin Leistungen, von denen sie 36.577,03 € von dem Beklagten ersetzt verlangt. Die Parteien sind sich einig, dass die grundsätzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 110 SGB VII wegen einer groben Fahrlässigkeit auf Beklagtenseite vorliegen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Klägerin einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch des Geschädigten nicht dargelegt habe und sie auf den fiktiven Schmerzensgeldanspruch des Versicherten nicht zurückgreifen könne. Die dagegen gerichtete Berufung hatte zum Teil Erfolg. Das Oberlandesgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 25.000 € verurteilt und dem Feststellungsbegehren hinsichtlich weiterer Aufwendungen der Klägerin - bis zur Höhe des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs des Versicherten - entsprochen. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Gründe

I.

Das Berufungsgericht, dessen Urteil in r+s 2007, 260 veröffentlicht ist, folgt der Rechtsprechung des erkennenden Senats (Senatsurteil BGHZ 168, 161, 163 ff.), wonach der Sozialversicherungsträger wegen der von ihm erbrachten Aufwendungen beim Rückgriff nach § 110 SGB VII grundsätzlich auch auf den fiktiven Schmerzensgeldanspruch des Geschädigten gegen den nach den §§ 104 ff. SGB VII haftungsprivilegierten Schädiger zurückgreifen kann. Aufgrund der unfallbedingten Verletzungen des Geschädigten sei dessen fiktiver Schmerzensgeldanspruch mit 25.000 € zu bemessen. Mit diesem Betrag seien die Rentenzahlungen der Klägerin für 1999/2000, 2001 und 2002 (insgesamt 19.844,90 €), ihr im Jahre 2002 entstandene Gutachterkosten von 436,23 € sowie ihre Rentenzahlungen für 2003 in Höhe von 4.718,87 € ausgeglichen. Dass dem Geschädigten über den Schmerzensgeldanspruch hinaus ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zustehe, habe die Klägerin, die insoweit jedenfalls eine sekundäre Darlegungslast treffe, nicht dargelegt. Bei einem Rückgriff gemäß § 110 SGB VII trage der Sozialversicherungsträger die Beweislast hinsichtlich der Höhe des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs.

II.

Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

1. Das Berufungsgericht geht davon aus, die Klägerin habe nicht dargelegt, dass dem Geschädigten über seinen - von beiden Parteien nach Grund und Höhe nicht in Zweifel gezogenen - Schmerzensgeldanspruch hinaus ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch zustehe. Diese Beurteilung wird von der Revision nicht angegriffen und lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen.

2. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, das Berufungsgericht habe die Grundsätze der sogenannten sekundären Darlegungslast verkannt. Es habe erwogen, dass der Beklagte als Schädiger die Höhe des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs darzulegen und zu beweisen habe und die Klägerin insoweit eine gesteigerte, sogenannte sekundäre Darlegungslast treffe. Das Berufungsgericht habe dabei aber übersehen, dass die Annahme einer sekundären Darlegungslast vorliegend den - wenn auch allgemein gehaltenen - Vortrag des Beklagten voraussetze, dass dem Verletzten kein weiterer zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch zustehe. Eine entsprechende Behauptung habe der Beklagte jedoch nicht aufgestellt. Dies trifft nicht zu. Wie die Revision selbst geltend macht, kann sich derjenige, der im Rechtsstreit eine negative Tatsache darlegen und beweisen muss, zunächst auf deren schlichte Behauptung beschränken (BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2006 - I ZB 17/06 - GRUR 2007, 629, 630). Vorliegend ist dem Vortrag des Beklagten zur Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Anspruchshöhe in Verbindung mit seinem Antrag auf Klageabweisung die Behauptung zu entnehmen, dass es an einem weiteren zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch des Versicherten fehle. Auch hat das Berufungsgericht - von der Revision unbeanstandet - festgestellt, dass der Beklagte seine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit über die bereits bezahlten Beträge hinaus bestritten habe. Dieses Vorbringen genügt grundsätzlich zur Behauptung des Nichtbestehens eines weitergehenden Anspruchs.

3. Entgegen der Auffassung der Revision trifft die Klägerin im Streitfall allerdings nicht nur eine sekundäre Darlegungslast, sondern die primäre Darlegungs- und Beweislast.

a) Die Frage, wer bei einem Rückgriff des Sozialversicherungsträgers nach § 110 SGB VII die Höhe des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs darlegen und beweisen muss, ist streitig. In der Literatur wird teilweise die Auffassung vertreten, der Sozialversicherungsträger könne über § 110 SGB VII seine Aufwendungen in voller Höhe geltend machen, während der Schädiger darlegen müsse, dass der (fiktive) zivilrechtliche Schadensersatzanspruch des Geschädigten niedriger sei (KassKomm-Ricke, § 110 SGB VII [Stand: November 2006], Rn. 8; Rapp in LPK-SGB VII, § 110, Rn. 23; Wannagat, SGB VII, § 110 [Stand: April 2007], Rn. 7; Schmitt, SGB VII, § 110, Rn. 13; AR-Blattei SD [Pfeifer], 870.1 [Stand: August 2003], Rn. 155; Kater/Leube, SGB VII, § 110, Rn. 15; Lehmacher, NZV 2006, 63, 65; Kornes, BG 2006, 309, 316 f.; Waltermann, NJW 1997, 3401, 3404; ebenso: OLG Köln, Urteil vom 30. Mai 2005 - 21 U 22/04, juris, Rn. 29, insoweit in r+s 2005, 306 f. nicht abgedruckt; LG München I, NJOZ 2003, 1699, 1701 f.; offen gelassen: Wussow, WI 1996, 201, 202; zweifelnd: Lauterbach/Dahm, Unfallversicherung SGB VII, 4. Aufl., § 110 [Stand Mai 2005], Rn. 14; Stern-Krieger/Arnau, VersR 1997, 408, 412). Demgegenüber sieht die Gegenmeinung die Darlegungs- und Beweislast auf Seiten des Sozialversicherungsträgers (Bereiter/Hahn, Gesetzliche Unfallversicherung, § 110 SGB VII [Stand: März 2007], Rn. 7.2; Brackmann/Krasney, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. 3, Gesetzliche Unfallversicherung, § 110 [Stand: Juli 2007], Rn. 15; Hauck/Nehls, SGB VII, K § 110 [Stand: April 2005], Rn. 19; Geigel/Wellner, Der Haftpflichtprozess, 25. Aufl., Kap. 32, Rn. 29; Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl., § 32, Rn. 137; Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 9. Aufl., Rn. 563; ders., NZV 2005, 393, 396 ff.; Krasney, NZS 2004, 68, 75; Lemcke/Heß, r+s 2007, 221, 228 ff.; Lemcke, r+s 2005, 307, 308). Diese Auffassung trifft zu.

b) Hierfür sprechen sowohl der Wortlaut der Vorschrift als auch die Systematik der gesetzlichen Regelung. § 110 Abs. 1 Satz 1 SGB VII bestimmt, dass haftungsprivilegierte Personen, die den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt haben, den Sozialversicherungsträgern für die infolge des Versicherungsfalls entstandenen Aufwendungen haften, jedoch nur bis zur Höhe des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs. Daraus folgt, dass der Rückgriffsanspruch des Sozialversicherungsträgers von vornherein nur in Höhe des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs besteht (Bereiter/Hahn, aaO; Brackmann/Krasney, aaO; Krasney, aaO). Zwar nimmt die Vorschrift zur Frage der Darlegungslast und der dieser grundsätzlich folgenden Beweislast nicht ausdrücklich Stellung, doch gilt als Grundregel, dass jede Partei die Voraussetzungen einer ihr günstigen Norm darzulegen und zu beweisen hat. Deshalb ist es grundsätzlich Sache des Anspruchstellers, diejenigen Umstände vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, die seine Vorstellungen zur Schadenshöhe rechtfertigen (vgl. Senatsurteile vom 14. Februar 2006 - VI ZR 126/05 - VersR 2006, 669, 670 und vom 13. November 2007 - VI ZR 89/07 - VersR 2008, 134, 135; Baumgärtel/Strieder, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Bd. 1, 2. Aufl., § 249, Rn. 1).

Dieser Gesetzesauslegung steht nicht entgegen, dass die im zweiten Halbsatz der Vorschrift geregelte Begrenzung des Anspruchs mit dem Wort "jedoch" eingeleitet wird. Dieser Formulierung lässt sich entgegen der Auffassung der Revision nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber die Begrenzung der Haftung auf die Höhe des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs als Ausnahmefall ausgestaltet hat, dessen Voraussetzungen der Schädiger darzulegen und zu beweisen hätte (vgl. MünchKommZPO/Prütting, 3. Aufl., § 286, Rn. 108 ff.; Hk-ZPO/Saenger, 2. Aufl., § 286, Rn. 58). Eine solche Beurteilung könnte etwa dann geboten sein, wenn der Gesetzgeber statt des Wortes "jedoch" eine Formulierung wie "es sei denn" gewählt hätte und deswegen auf das Bestehen eines Regel/Ausnahme-Verhältnisses geschlossen werden könnte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Anders als nach § 640 RVO gibt es nach heute geltender Rechtslage keine allgemeine Regel des Inhalts, dass der Sozialversicherungsträger grundsätzlich einen Anspruch auf vollen Ersatz seiner Aufwendungen hätte. Insoweit unterscheidet sich die in § 110 Abs. 1 Satz 1 SGB VII getroffene Regelung von der Bestimmung des § 640 RVO a.F., wonach der Regressanspruch von der Höhe des zivilrechtlichen Anspruchs des Geschädigten unabhängig war und dementsprechend über diesen hinausgehen konnte (Marschner, BB 1996, 2090, 2092 f.; Kornes, r+s 2002, 309, 311 f.). Dass der Unternehmer danach bei grob fahrlässiger Verursachung eines Unfalls seines Arbeitnehmers gegenüber dem von ihm mitfinanzierten Sozialversicherungsträger in größerem Umfang haften konnte als gegenüber seinem Arbeitnehmer nach Zivilrecht und zudem ohne die Möglichkeit, ein Mitverschulden einzuwenden, wurde allgemein als unbillig empfunden. Deshalb ist durch die in § 110 Abs. 1 Satz 1 SGB VII getroffene Neuregelung die Haftung des Verpflichteten auf den Umfang des Schadensersatzes beschränkt worden, den er zivilrechtlich hätte leisten müssen (vgl. Senatsurteil BGHZ 168, 161, 165 m.w.N.; BT-Drucks. 13/2204, S. 101), und der auch geringer sein kann als die Aufwendungen des Sozialversicherers.

Entgegen der Auffassung der Revision ist eine Haftungsbegrenzung auch nicht allein deshalb stets von dem Anspruchsgegner darzulegen, weil sie für diesen günstig ist. So ist z. B. die Haftungsbegrenzung des § 12 StVG (Haftungshöchstbetrag) nicht vom Anspruchsgegner darzulegen bzw. einzuwenden, sondern schon von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. OLG Celle, OLGR 2007, 505, 508; Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl., § 12 StVG, Rn. 1). Soll eine Haftungsbegrenzung nur greifen, wenn der Anspruchsgegner sich auf sie beruft, hat der Gesetzgeber dies - anders als bei § 110 SGB VII - z. B. in den §§ 1990 oder 1629a BGB oder im früheren § 419 BGB a.F. explizit im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck gebracht.

c) Gegen die hier vertretene Auslegung spricht auch nicht die Entstehungsgeschichte der Vorschrift des § 110 SGB VII. Ein entgegenstehender Wille des Gesetzgebers lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. In der amtlichen Begründung zum "Entwurf eines Gesetzes zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch (Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz - UVEG)" vom 7. August 1996 (BGBl I 1996, 1254) heißt es dazu (BT-Drucks. 13/2204, S. 101): "Die Haftung wird auf den Umfang des Schadensersatzes beschränkt, den der Verpflichtete zivilrechtlich hätte leisten müssen; es ist Sache des Schädigers, den Umfang seiner zivilrechtlichen Haftung darzulegen." Soweit daraus der Wille des Gesetzgebers abgeleitet wird, der Schädiger müsse ein den Umfang seiner Haftung minderndes Mitverschulden des Geschädigten darlegen, entspricht dies allgemeinen Grundsätzen, denn für die Voraussetzungen des § 254 BGB ist regelmäßig der Schädiger darlegungs- und beweispflichtig (MünchKommBGB/Oetker, 5. Aufl., § 254 Rn. 145; Meyke, Darlegen und Beweisen im Zivilprozess, 2. Aufl., Rn. 413). Dass dies im Gesetzgebungsverfahren dennoch ausdrücklich erwähnt wurde, mag damit zu erklären sein, dass nach früherer Rechtslage der Schädiger gegenüber dem Regressanspruch nach § 640 RVO ein Mitverschulden des Geschädigten gerade nicht einwenden konnte (vgl. Senatsurteil BGHZ 168, 161, 165 f.). Aus der Formulierung der Gesetzesbegründung kann darüber hinaus aber nicht gefolgert werden, dass der Schädiger mit dem "Umfang seiner zivilrechtlichen Haftung" auch die Höhe des Schadensersatzanspruchs des Geschädigten darlegen müsse. Die weitere Gesetzesbegründung bringt vielmehr deutlich zum Ausdruck, dass durch § 110 Abs. 1 Satz 1 SGB VII im Gegensatz zum früheren § 640 RVO die Haftung des Verpflichteten auf den Umfang des Schadensersatzes beschränkt werden sollte, den er zivilrechtlich hätte leisten müssen (BT-Drucks. 13/2204, S. 101). Damit sollte er so gestellt werden, wie er ohne die Privilegierung nach den §§ 104 ff. SGB VII stünde (Senatsurteil BGHZ 168, 161, 166). Ohne Haftungsprivilegierung aber obläge es nicht ihm, die Höhe des Personenschadens darzulegen, sondern dem Geschädigten, also dem Anspruchsteller. Wäre dies im Rahmen von § 110 SGB VII anders, stünde der Schädiger eben nicht so wie ohne die Privilegierung nach den §§ 104 ff. SGB VII, sondern prozessual schlechter, sodass die beabsichtigte Besserstellung gegenüber § 640 RVO häufig leerliefe (Geigel/Wellner, aaO, Kap. 32, Rn. 29; Küppersbusch, NZV 2005, 393, 397).

d) Auch Sinn und Zweck der Regelung des § 110 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sowie die Interessenlage sprechen dafür, die Darlegungs- und Beweislast für die Höhe des (fiktiven) zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs des Geschädigten dem Sozialversicherungsträger aufzuerlegen. Anders als dieser ist der Schädiger nämlich in der Regel nicht - jedenfalls nicht ohne Mitwirkung des Geschädigten - in der Lage, die Höhe des Schadens des Geschädigten darzulegen. Dazu müsste er Fakten ausforschen, die nicht in seiner Sphäre liegen, und die ihm daher meist nicht bekannt und für ihn kaum feststellbar sind (Küppersbusch, NZV 2005, 393, 396 f.). Sein Kontakt zum Geschädigten wird wegen der nach den §§ 104 ff. SGB VII gegebenen Haftungsprivilegierung nach dem Schadensereignis oftmals beeinträchtigt sein. Regelmäßig werden ihm die unfallbedingten Verletzungen im Einzelnen und die weitere gesundheitliche Entwicklung ebenso wenig bekannt sein wie die sich aus dem Unfall ergebenden materiellen Kosten des Geschädigten. Dagegen spricht auch nicht, dass er, etwa wenn er - wie vorliegend - der Arbeitgeber des Geschädigten ist, über dessen Verdienstausfall informiert sein kann (vgl. Kornes, BG 2006, 309, 317). In vielen anderen Fallkonstellationen wird ihm diese Kenntnis nämlich fehlen. Hinzu kommt, dass es dem Schädiger regelmäßig auch nicht möglich sein wird, sich die notwendigen Informationen zu beschaffen, denn der Geschädigte ist ihm gegenüber nicht auskunftspflichtig. Andererseits muss der Sozialversicherungsträger im Rahmen der Regulierung ohnehin die für die Schadensberechnung maßgeblichen Faktoren von sich aus klären, weil sie häufig Grundlage für die zu erbringenden Sozialleistungen sind. Auch kann er sich die notwendigen Informationen leichter beschaffen, denn der Sozialversicherungsträger steht mit dem Geschädigten in einem öffentlichrechtlichen Sozialleistungsverhältnis und hat gegen ihn einen Auskunfts- und Mitwirkungsanspruch (§§ 60 ff. SGB I; vgl. BSGE 45, 119, 123; KassKomm-Seewald, § 60 SGB I [Stand: September 2007], Rn. 13 ff.; KassKomm-Kater, § 116 SGB X [Stand: März 2007], Rn. 161). Zudem hat er die Möglichkeit, Auskünfte bei anderen Sozialversicherungsträgern, Ärzten und Arbeitgebern anzufordern (Lemcke/Heß, r+s 2007, 221, 228 f.).

e) Dagegen sind Gründe, die für eine Darlegungslast des Schädigers sprechen, nicht ersichtlich. Das Argument, eine Darlegungs- und Beweislast des Schädigers füge sich nahtlos in die Systematik der Beweiserleichterungen bei schweren Fehlern ein (Kornes, BG 2006, 309, 317), überzeugt nicht. Besonders grobes Verschulden des Schädigers - wie im Falle des § 110 SGB VII vorausgesetzt - ist regelmäßig kein Grund für Erleichterungen bei der Darlegungs- und Beweislast des Geschädigten. Deshalb verfängt auch nicht der Hinweis darauf, dass § 110 SGB VII wie seine Vorgängernorm § 640 RVO erzieherische bzw. präventive Gründe habe (vgl. Senatsurteil vom 18. Oktober 1988 - VI ZR 15/88 - NJW-RR 1989, 339, 340 f.). Erleichterungen bei der Darlegungs- und Beweislast dienen nicht der Sanktion, sondern sind regelmäßig nur dann gerechtfertigt, wenn der Geschädigte außerstande ist, den objektiven Geschehensablauf zu überblicken und diese Tatsachen schlüssig darzulegen, wie dies etwa bei der Produzentenhaftung oder bei der Arzthaftung im Falle einer durch einen groben Behandlungsfehler zulasten des Patienten verschlechterten Beweissituation gegeben sein kann (vgl. Hk-ZPO/Saenger, aaO, Rn. 70 f. m.w.N.). Im Rahmen des § 110 SGB VII verschlechtert aber ein grobes Verschulden des Schädigers die Beweissituation nicht. Das Problem, den Schaden einer nicht am Verfahren beteiligten Person (des Geschädigten) darlegen zu müssen, stellt sich bei § 110 SGB VII grundsätzlich sowohl für den Anspruchsteller als auch den Anspruchsgegner. Bei dieser Sachlage ist eine Abweichung von dem allgemeinen Grundsatz, wonach der Anspruchsteller nichtnur den Grund, sondern auch die Höhe des von ihm geltend gemachten Anspruchs darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat, nicht gerechtfertigt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll Vorinstanzen:

LG Heidelberg, Entscheidung vom 12.05.2006 - 1 O 102/05 -

OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 14.02.2007 - 7 U 135/06 -