VG Köln, Beschluss vom 08.01.2015 - 20 L 1916/14
Fundstelle
openJur 2015, 1157
  • Rkr:
Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der am 10.10.2014 erhobenen Klage20 K 5562/14 gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegenerin vom 08.09.2014 wird wiederhergestellt, soweit die Untersagungsverfügung alle der Unterhaltung dienenden öffentlichen Veranstaltungen an Sonn- und Feiertagen von 6.00 Uhr bis 11.00 Uhr sowie alle musikalischen und sonstigen unterhaltenden Darbietungen jeder Art am Volkstrauertag, am Allerheiligentag und am Totensonntag von 5.00 Uhr bis 18.00 Uhr betrifft.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller zu 2/3 und die Antragsgegnerin zu 1/3.

2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,-- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Antragstellers

die aufschiebende Wirkung der am 10.10.2014 erhobenen Klage20 K 5562/14 gegen die Ordnungsverfügung der Stadt Kölnvom 08.09.2014 wiederherzustellen,

ist zulässig, aber nur teilweise begründet.

Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung einer Klage wiederherstellen bzw. anordnen. Bei seiner Entscheidung hat das Gericht das öffentliche Vollziehungs- und das private Aussetzungsinteresse gegeneinander abzuwägen und dabei die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Während bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit des Rechtsbehelfes ein schutzwürdiges Aussetzungsinteresse grundsätzlich nicht in Betracht kommt, besteht umgekehrt grundsätzlich kein öffentliches Interesse am Vollzug einer offensichtlich rechtswidrigen Verfügung. Lassen sich die Erfolgsaussichten abschätzen, ohne eindeutig zu sein, gilt der Grad der Erfolgschance als ein wichtiges Element der vom Gericht vorzunehmenden Interessenabwägung.

Gemessen an diesen Kriterien war die aufschiebende Wirkung der Klage in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang wiederherzustellen, der Antrag im Übrigen aber abzulehnen.

Die Untersagungsverfügung leidet hinsichtlich des Verbots von Veranstaltungen/Darbietungen an Sonn- und Feiertagen, am Volkstrauertag, am Allerheiligentag und am Totensonntag unter einem Ermessensfehler. Die Ermessensausübung wird dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 15 OBG NRW) nicht gerecht, weil sie die Erforderlichkeit der behördlichen Anordnungen nicht erkennen lässt. Zwar gehen diese Anordnungen nicht über die kraft Gesetzes gemäß §§ 5 und 6 FeiertagsG geltenden Verhaltenspflichten hinaus. Gerade deshalb hätte es aber einer nachvollziehbaren Begründung dafür bedurft, weshalb die Antragsgegnerin es für erforderlich angesehen hat, dem Antragsteller einzelne dieser ohnehin geltenden Pflichten als selbständig durchsetzbare Anordnungen unter Zwangsgeldandrohung aufzuerlegen und ihn hierdurch zusätzlich zu belasten. Diesen Aspekt hat der Antragsteller auch ausdrücklich bereits im Rahmen des Anhörungsverfahrens sowie des vorliegenden Verfahrens gerügt, ohne dass seitens der Antragsgegnerin auch nur ansatzweise darauf eingegangen worden ist.

Bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Überprüfung spricht auf der Grundlage der momentan gegebenen Sachlage einiges für die Rechtmäßigkeit der Verfügung im Übrigen, eine weitergehende und abschließende Bewertung und Klärung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ist allerdings dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten.

Nach der Begründung der Ordnungsverfügung soll schwerpunktmäßiger Regelungsgegenstand der Verfügung die Verfügungsstellung der Gaststätte "F. " des Antragstellers zu Zwecken von Beschneidungsfeiern am Karfreitag sein.

In tatsächlicher Hinsicht geht die Kammer von den Angaben des Antragstellers aus, die dieser auf die gerichtliche Anfrage zu den religiösen Vorgaben für den Ablauf und die Feier von islamischen Beschneidungen in dem von ihm vermieteten Saal gemacht hat. Danach sei die Beschneidung einer von fünf notwendigen Akten, die dem Eintritt in die islamische Religionsgemeinschaft vorauszugehen hätten. Für die Familie sei es ein ganz besonderes, ehrenvolles Ereignis, wenn der Sohn das Beschneidungsritual hinter sich gebracht habe. Dieses werde traditionell mit einem großen Fest gefeiert, wobei es keine eigentliche Trennung zwischen religiösen Handlungen, nämlich Lesungen aus dem Koran, und Feierlichkeiten gebe. Beides gehöre untrennbar zusammen. Die eigentlichen Feierlichkeiten und auch die mit der Beschneidung im Zusammenhang stehenden religiösen Akte würden einige Tagen bis Wochen nach dem medizinischen Teil der Beschneidung und unabhängig von diesem durchgeführt. Die genaue Ausgestaltung des Ablaufes sei dabei nicht fest vorgegeben. Es sei aber Teil der religiösen Vorstellung, dass die Aufnahme in die Religionsgemeinschaft mit Gesang und Tanz gefeiert werde. Ebenfalls Teil der religiösen Vorstellung sei es, dass es hierzu ein Festmahl gebe, an dem sämtliche eingeladenen Gäste Teil hätten.

In rechtlicher Hinsicht nimmt die Kammer Folgendes an: Die Vorschriften des FeiertagsG dienen der Umsetzung entsprechender verfassungsrechtlicher Vorgaben (Art. 25 Landesverfassung NRW, Art. 140 GG iVm Art.139 WRV). Sie sind daher nach deren Zwecksetzung auszulegen und anzuwenden. Die Verbote des FeiertagsG NRW enthalten ein abgestuftes System ausgehend von dem Schutz allgemeiner Sonn- und Feiertage (§§ 3 und 5 FeiertagsG NRW) über weitergehende Verbote am Volkstrauertag sowie zusätzlichen Einschränkungen am Allerheiligentag und am Totensonntag. Entsprechend seiner hervorragenden Bedeutung in den christlichen Religionen wird der Karfreitag als besonders schützenswert erachtet, was sich in noch umfassenderen Verbotstatbeständen niederschlägt. Insoweit geht die gesetzgeberische Zielsetzung grundsätzlich dahin, unterhaltende Veranstaltungen, die keinen ernsten, dem Zweck des jeweiligen Feiertages entsprechenden Charakter haben, nur nach Maßgabe der jeweiligen Beschränkungen zuzulassen,

vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 07.10.1993 - 4 A 3101/92 -, NVWZ RR 1994, 206 zum FeiertagsG a.F. und BVerwG Beschluss vom 21.04.1994 - 1 B 14/94 - NJW 1994, 1975; OVG NRW, Urteil vom 14.05.1998 - 4 A 5592/96 - (bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 11.09.1998 - 1 B 83.98).

Davon ausgehend spricht aus Sicht der Kammer einiges dafür, dass eine Beschneidungsfeier in der Ausgestaltung, wie sie seitens des Antragstellers beschrieben worden ist, unter § 6 Abs. 3 Nr. 2 FeiertagsG fällt und eine Abwägung der jeweils betroffenen Schutzgüter im Rahmen des § 10 FeiertagsG erfolgt.

Die Feierlichkeiten beinhalten Lesungen aus dem Koran, aber auch Gesang und Tanz sowie ein Festmahl. Während die Lesung aus dem Koran als religiöser Akt zu bewerten ist, spricht einiges dafür, dass die Feier im Hinblick auf Gesang und Tanz auch unterhaltenden Charakter hat. Denn einerseits liegt vom genannten Schutzzweck gerade des Karfreitages die Bewertung nahe, dass der letztgenannte Teil der Veranstaltung nicht dem ernsten Charakter und besonderen Wesen des Karfreitages entspricht. Andererseits ist (bisher) nicht ersichtlich, dass dieser Teil der Feierlichkeit religiösen Vorgaben entspricht (der Antragsteller selbst spricht davon, dass die genaue Ausgestaltung des Ablaufs nicht fest vorgegeben sei). Dass die Beschneidung mit Gesang und Tanz gefeiert wird, mag daher durchaus traditionellen Vorstellungen entsprechen, dient jedoch nicht der Befolgung religiöser Forderungen. Im Hinblick darauf, dass auch nach den Darlegungen des Antragstellers die gesamte Feier nicht in einen religiösen und in einen nichtreligiösen Teil aufgeteilt werden kann, dürfte sie im Hinblick auf die unterhaltenden Elemente insgesamt dem Anwendungsbereich des § 6 Abs. 3 Nr. 2 FeiertagsG unterfallen.

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass insoweit nicht relevant ist, in welchem örtlichen Bereich sich die Veranstaltungslokalität befindet und ob etwa Bewohner umliegender Häuser die Feier wahrnehmen können. Denn § 6 Abs. 3 Nr. 2 FeiertagsG NRW verbietet generell unter die Norm fallende Veranstaltungen.

Aus Sicht der Kammer ist eine Abwägung der widerstreitenden Interessen und Schutzgüter (einerseits Feier eines ganz zentralen islamischen Festes, andererseits Schutz eines der höchsten christlichen Feiertage) letztlich im Rahmen des § 10 FeiertagsG NRW zu suchen.

Vgl. insoweit auch Hess VGH, Beschluss vom 30.01.2004 - 11 TG 326/04 - (juris, Rn.4) zum FeiertagsG HE: "...ist deshalb die Begehung eines religiösen Festes auch durch nichtchristliche Religionsgemeinschaften eine grundrechtlich durch Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 geschützte Tätigkeit, die dem Schutzgut des Art 140 WRV, Art 139 WRV unterfällt. Insoweit sind die grundrechtliche Gewährleistung der Religionsfreiheit und der Religionsausübung und das Schutzgut des Art. 139 WRV in gegenseitiger Abstimmung der Gewährleistungsbereiche zu interpretieren."

Insoweit würde eine Untersagungsverfügung rechtlichen Bedenken unterliegen, wenn die Voraussetzungen für eine Ausnahme von dem Verbot des § 6 Abs. 3 FeiertagsG NRW vorlägen, zumindest müsste die Behörde dem Betroffenen in derartigen Fällen zuvor die Gelegenheit zur Stellung eines entsprechenden Antrags geben. Bei der nur möglichen summarischen Überprüfung dürfte hier allerdings viel für die Annahme sprechen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des § 10 FeiertagsG NRW nicht gegeben sind.

Insoweit ist hier unter Berücksichtigung der genannten Bedeutung der Feier bzw. des Feiertags für die jeweilige Religion einzustellen, dass es sich bei dem Karfreitag um einen kalendergebundenen kirchlichen Feiertag handelt, während weder die Beschneidung eines Jungen noch die anschließende, hier streitige Beschneidungsfeier kalendermäßig vorgegeben ist.

Vgl. insoweit auch Hess VGH, Beschluss vom 30.01.2004 a.a.O. in Bezug auf die Begehung des kalendermäßig festliegenden ersten Tages des muslimischen Opferfestes.

Die Motivation der den Saal mietenden Familien, das Fest gerade am Karfreitag zu feiern, beruht nicht auf irgendwie gearteten religiösen Vorgaben, sondern ist (vermutlich) dem Umstand geschuldet, dass es sich um ein "langes Wochenende" mit mehreren arbeitsfreien Tagen handelt. Auch wenn man davon ausgeht, dass die gesamte Beschneidungsfeier als Einheit anzusehen ist und wegen der religiös geprägten Teile Art. 4 Abs. 2 GG unterfällt, wird im Hinblick auf die genannten Gegebenheiten der Schutz des Karfreitages letztlich nicht zurücktreten müssen.

Vor diesem Hintergrund fällt die allgemeine im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in Bezug auf den Antragsteller nicht das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 2 GG betroffen ist, sondern nur seine Berufsausübungsfreiheit, weil er nicht selbst im F. das Beschneidungsfest feiern, sondern diesen lediglich zu einem entsprechenden Zweck vermieten will. Angesichts des hohen Schutzgutes des § 6 Abs. 3 FeiertagsG NRW sowie des Umstandes, dass praktisch gesehen die Durchführung von Veranstaltungen am Karfreitag die Ausnahme ist, erscheint der Wegfall der Möglichkeit, den Saal an diesem Tag für eine bestimmte Art von Veranstaltungen vermieten zu können, nicht so gravierend, dass dies nicht vorläufig hinnehmbar erschiene.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs.1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 3 Nr.2.52 Abs. 2 GKG. Hierbei ist der gesetzliche Auffangstreitwert zu Grunde gelegt und im Hinblick auf die Vorläufigkeit des Verfahrens auf die Hälfte reduziert worden.