LG Aachen, Urteil vom 17.06.2011 - 9 O 61/11
Fundstelle
openJur 2015, 4351
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Erstattung von Versicherungsprämien.

Die Parteien waren durch eine fondsgebundene Rentenversicherung mit Beitragsdynamik (RENTE-PLUS) miteinander verbunden. Den Vertrag mit der Nummer ... schlossen die Parteien aufgrund des Antrags der Klägerin vom 15.07.2004 mit Wirkung zum 01.08.2004.

Das von der Klägerin unterzeichnete Antragsformular enthält am Ende der Seite 3 unter Nr. 9 folgenden Text:

Unter Ziffer 9 heißt es sodann.

Wichtige Hinweise

...

Sie können innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach Erhalt des Versicherungsscheins vom Versicherungsvertrag zurücktreten. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs (§ 4 Abs. 1 AVB)."

Unter dem Text leistete die Klägerin eine Unterschrift.

Weitere Belehrungen über das Widerspruchsrecht soll das Schreiben der Beklagten vom 27.07.2004 enthalten. Dieses Schreiben ist jedoch nicht vollständig vorgelegt worden.

Ziffer 6 der Verbraucherinformationen enthält folgende Bestimmung:

6 Können Sie nach Abschluss des Versicherungsvertrages dem Vertrag noch widersprechen?

Dem Versicherungsvertragsgesetz zufolge haben Sie das Recht, dem Vertrag uns gegenüber in Textform zu widersprechen. Die Frist zur Ausübung Ihres Widerspruchs beträgt 14 Tage und beginnt erst mit dem Zeitpunkt, zu dem Sie von uns Ihren Versicherungsschein, die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformationen nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) erhalten haben. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs. In jedem Fall erlischt das Recht zum Widerspruch ein Jahr nach Zahlung des ersten Beitrags. Wenn Sie nicht widersprechen, gilt der Vertrag mit dem Zugang des Versicherungsscheins auf der Grundlage des Inhalts des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und den für Sie maßgeblichen Verbraucherinformationen als geschlossen.

..."

Wegen des weiteren Inhalts der Verbraucherinformationen wird auf die der Klageerwiderung separat beigefügte Anlage B 7 Bezug genommen.

Nach Eingang des Antrags bei der Beklagten übersandte diese der Klägerin den unter dem 27.04.2004 ausgestellten Versicherungsschein. Wegen des Inhalts des Versicherungsscheins wird auf die der Klageerwiderung beigefügten separaten Anlagen B 1 verwiesen. Zwischen den Parteien ist streitig, ob dem Versicherungsschein die von der Beklagten verwendeten allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformationen beigefügt waren.

Die Klägerin verpflichtete sich zur Zahlung eines monatlichen Beitrags in Höhe von zunächst 250,00 €.

Mit Schreiben vom 05.06.2009 wandte sich die Klägerin an die Beklagte und erklärte Folgendes:

"...RENTE-PLUS Nr. ...

...

hiermit kündige ich die oben genannten Versicherungen zum 30.06.2009 und möchte Sie bitten, den Gegenwert auf mein Konto ... zu überweisen.

..."

Die Beklagte zahlte daraufhin den Rückkaufswert in Höhe von 11.721,30 € an die Klägerin aus.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 07.10.2010 widersprach die Klägerin dem Vertragsschluss und forderte die Beklagte auf, die Differenz zwischen dem Rückkaufswert und den geleisteten Prämien zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 7 % auf alle eingezahlten Prämien. Ihre diesbezügliche Forderung berechnete sie wie folgt:

Summe aller eingezahlten Prämien 15.000,00 €?abzgl. Rückkaufswert 11.721,30 €?Differenz 3.278,70 €zzgl. Zinsen auf alle Prämien 3.636,31 €?Klageforderung 6.915,01 €

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beiträge (Prämien) seien insgesamt zurückzufordern, weil der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag nicht wirksam zustande gekommen sei.

Dies folge aus der Unvereinbarkeit des nach Maßgabe von § 5 a VVG a.F. auf der Grundlage des so genannten "Policen-Modells" durchgeführten Vertragsschlusses mit gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften. § 5 a VVG a.F. gestatte, dass allgemeine Versicherungsbedingungen und sonstige Vertragsinformationen erst mit der Annahme eines Angebots des Versicherungsnehmers durch den Versicherer übermittelt und zum Gegenstand des Versicherungsvertrages gemacht werden. Wolle sich der Versicherungsnehmer auf die ihm jetzt erst bekannt gemachten Inhalte nicht einlassen, sei er gezwungen, den Versicherungsvertrag innerhalb der von § 5 a VVG a.F. bestimmten Fristen zu widerrufen. Dies verstoße gegen Artt. 35, 36 der sogenannten "Lebensversicherungsrichtlinie" vom 05.11.2002 in Verbindung mit deren Anhang III, die vorschrieben, dass dem Versicherungsnehmer vor Abschluss des Versicherungsvertrages u.a. die Modalitäten der Ausübung des Widerrufs- und Rücktrittsrechts mitzuteilen seien. Durch § 5 a Abs. 1 VVG werde bewirkt, dass der Versicherungsnehmer von dem Lebensversicherungsvertrag binnen einer Frist von 14 (bzw. 30) Tagen zurücktreten müsse, nachdem er erfahren habe, dass der Vertrag abgeschlossen worden sei. Schon der Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht führe dazu, dass ein nach dem Policen-Modell geschlossene Vertrag von Anfang an unwirksam sei.

Die Unwirksamkeit des Versicherungsvertrages ergebe sich jedenfalls daraus, dass - ungeachtet des Ablaufs aller in § 5 a VVG a.F. genannten Fristen - dem Versicherungsvertrag durch das Rechtsanwaltsschreiben vom 21.12.2009 widersprochen worden sei. Insofern behauptet die Klägerin, zu keinem Zeitpunkt, d.h. weder mit dem Antrag auf Abschluss des Versicherungsvertrages noch mit dem Versicherungsschein seien ihr die Verbraucherinformation und die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten übermittelt worden. Die Versäumung der Frist von einem Jahr nach Zahlung der ersten Prämie nach § 5 a Abs. 2 S. 4 VVG a.F. sei ebenfalls im Hinblick auf den Verstoß gegen die dem nationalen Recht vorrangige Regelung in Art. 36 Abs. 1 der Lebensversicherungsrichtlinie irrelevant. Über dieses Widerrufsrecht müsse der Versicherungsnehmer belehrt werden. Ohne eine vor Vertragsschluss erfolgte entsprechende Belehrung über das Widerspruchsrecht begännen die Widerspruchsfristen nach § 5 a VVG a.F. nicht zu laufen mit der Folge, dass der Widerspruch zeitlich unbefristet ausgeübt werden könne.

Weiterhin vertritt die Klägerin die Auffassung, ihr stehe nach Maßgabe der sogenannten "Kickback"-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gegen die Beklagte gemäß § 280 BGB ein Schadensersatzanspruch in Höhe der geleisteten Prämien zu. Die Beklagte habe sie als Verbraucherin beim Vertragsschluss nicht darüber informiert, dass sie von den Fonds, in die sie die Prämien der Versicherungsnehmer investiere, Rückvergütungen (sog. Kickbacks) erhalte. Dadurch sei es ihr (der Klägerin) bei Vertragsschluss nicht möglich gewesen zu überblicken, in welchem Umfang durch derartige Rückvergütungen das Eigeninteresse der Beklagten am Vertragsschluss beeinflusst worden sein mag. Die zu Aktienfonds und Medienfonds ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei auf Versicherungsprodukte entsprechend anwendbar. Entsprechend der Vermutung aufklärungsgerechten Verhaltens im Falle einer Aufklärung sei davon auszugehen, dass der Versicherungsvertrag nicht geschlossen worden wäre und daher Prämien nicht gezahlt worden wären.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.915,01 € nebst Zinsen in Höhe von 7% seit dem 22.10.2010 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie Rechtsanwaltskosten für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 1.303,53 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.02.2011 (Rechtshängigkeit) zu zahlen,

Den ursprünglich angekündigten Antrag festzustellen, das der Widerspruch gegen den Abschluss des Rentenversicherungsvertrages wirksam sei, hat die Klägerin zurückgenommen.

Die Klägerin regt - unter Konkretisierung von Fragestellungen - hilfsweise an,

die Sache gemäß Art 267 AEUV dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält den zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag für anfänglich wirksam. Sie ist der Ansicht, dass er erst durch die - nicht in einen Widerspruch oder Widerruf umdeutbare - Kündigungserklärung vom 05.06.2009 mit Wirkung für die Zukunft beendet worden sei.

Die Beklagte ist der Ansicht, nach der Kündigung des Versicherungsvertrages sei eine Vertragsauflösung durch Widerspruch nicht mehr möglich. Die Beendigungsgründe Kündigung und Widerspruch stünden von Anfang in Auswahlkonkurrenz.

Sie ist ferner der Auffassung, der mit Schreiben vom 07.10.2010 erklärte Widerspruch sei gemäß § 5 a VVG a.F. verfristet. Insofern behauptet die Beklagte, die Klägerin habe mit dem Versicherungsantrag auch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformationen erhalten. Sie verweist insofern auf die von der Klägerin unterschriebene Eingangsbestätigung vom 03.08.2004, mit der die Klägerin bestätigt, dass sie den Versicherungsschein einschließlich seiner darin genannten Anlagen erhalten habe. Die Beklagte meint, § 5 a VVG a.F. verstoße nicht gegen Europarecht. Die maßgeblichen EG-Richtlinien seien hinreichend durch die aufsichtsrechtliche Bestimmung des § 10 a VAG umgesetzt worden. Die Bestimmungen des Versicherungsvertragsgesetzes seien durch die gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen nicht berührt worden. § 5 a VVG a.F. schaffe einen angemessenen Interessenausgleich zwischen den Bedürfnissen des Versicherungsnehmers nach Vertragsauflösung einerseits und Gewährung von Versicherungsschutz andererseits. Das Erfordernis einer umfassenden Information des Versicherungsnehmers "vor Abschluss des Vertrages" sei ausreichend gewährleistet, weil der Versicherungsvertrag nach richtiger Ansicht bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist nicht wirksam sei.

Auch ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer Pflicht zur Aufklärung über Prämienrückvergütungen bestehe nicht. Die sog. Kickback-Rechtsprechung zum Kapitalanlagerecht lasse sich auf Versicherungsprodukte nicht übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des umfangreichen Parteivorbringens zur Tatsachen- und Rechtslage wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

?Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

1. Antrag zu 1 (Rückforderung von Prämien nebst Zinsen)

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keine Ansprüche auf Rückzahlung von Prämien und Zinsleistungen in Höhe von insgesamt 2.953,79 €.

a) Anspruch auf Rückzahlung von Prämien

aa) Ein Anspruch auf Rückzahlung von Prämien ergibt sich nicht aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB. Die Prämien sind stets und dauerhaft mit Rechtsgrund gezahlt worden. Der hier in Rede stehende Versicherungsvertrag ist weder ipso iure wegen Verstoßes gegen gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen, noch wegen fristgerechter Ausübung des Widerspruchsrechts nach § 5 a Abs. 1 VVG a.F. (von Anfang) unwirksam gewesen.

(1) Der zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag war nicht von Anfang an wegen Verstoßes gegen gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen, namentlich wegen Verstoßes gegen Art. 36 der Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05.11.2002 über Lebensversicherungen (im Folgenden: Richtlinie 2002/83/EG) in Verbindung mit deren Anhang III unwirksam. Die genannten Bestimmungen schreiben vor, dass dem Versicherungsnehmer vor Abschluss des Versicherungsvertrages u.a. die Modalitäten der Ausübung des Widerrufs- und Rücktrittsrechts mitzuteilen sind.

(a) Sofern man mit der Klägerin - unter Zurückstellung beträchtlicher, auf ihrer Quittung über den Empfang der Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen beruhenden Bedenken - davon ausgeht, dass weder dem Antrag noch dem Versicherungsschein weitere Vertragsunterlagen beigefügt waren, beurteilt sich die Wirksamkeit des Vertragsschlusses nach § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. Nach dieser Bestimmung erlischt in Fällen, in denen dem Versicherungsnehmer keinerlei Vertragsunterlagen überlassen worden sind, das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie. Ausgehend davon war das Widerspruchsrecht der Klägerin gegen den auf dem Versicherungsschein vom 27.04.2004 gründenden Vertragsschluss hier zum Zeitpunkt der Erklärungen vom 05.06.2009 bzw. 07.10.2010 bereits erloschen. Bedenken gegen das Erlöschen des Widerspruchsrecht ergeben sich nicht aus den von der Klägerin angeführten gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen. § 5 a Abs. 2 S. 4 VVG a.F. wird der Zielsetzung der Richtlinie 2002/83/EG gerecht.

Nach § 5 a Abs. 1 (S. 2), Abs. 2 S. 1 VVG a.F. gilt ein Lebensversicherungsvertrag auf der Grundlage der Allgemeinen Versicherungsbedingungen des Versicherers und seiner weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation als abgeschlossen, sofern der - entsprechend belehrte - Versicherungsnehmer dem Vertrag nicht binnen 30 Tagen nach Überlassung der Klauselwerke widerspricht. Die Zielsetzung von Art. 36 der Richtlinie 2002/83/EG, den Versicherungsnehmer vor Vertragsschluss über die Versicherungsbedingungen zu unterrichten, wird auch durch einen Vertragsschluss nach dem Policenmodell erreicht. Denn nach der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum, der die Kammer folgt, ist der Vertrag bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist schwebend unwirksam (OLG Köln VuR kompakt 2010, 181; OLG Frankfurt VersR 2005, 631; OLG Düsseldorf VersR 2001, 837; Prölss, in: Prölss/Martin, 27. Aufl. 2004, § 5 a Rn. 9; Römer, in: Römer/Langheid, 2. Aufl. 2003, § 5 a Rn. 24; Schwintowski, in: Berliner Kommentar zum VVG, 1999, § 5 a Rn. 78; jeweils m.w.N.). Der Vertrag kommt entsprechend § 184 Abs. 1 BGB rückwirkend zustande, wenn der Versicherungsnehmer ihm nicht innerhalb der Widerspruchsfrist widerspricht (Prölss, a.a.O., § 5 a Rn. 10; Römer, a.a.O., § 5 a Rn. 25 m.w.N.). Da die Widerspruchsfrist erst mit Übermittlung der Verbraucherinformation zu laufen beginnt, gewährleistet das Policenmodell, dass der Versicherungsnehmer an seine mit dem Versicherungsantrag abgegebene Willenserklärung erst nach Übermittlung der Verbraucherinformation gebunden ist. Das Ziel der Richtlinien ist somit auch beim Vertragsschluss nach § 5 a VVG a.F. erreicht (Prölss, a.a.O., § 5 a Rn. 7; Lorenz, VersR 1995, 616).

(b) Selbst wenn die Klägerin, wie sie behauptet, die Klauselwerke zu keinem Zeitpunkt überlassen worden sein sollten, steht dies hier einem wirksamen, weil mit dem EG-Recht konformen Vertragsschluss nicht entgegen. Denn jedenfalls mit Ablauf der in § 5 a Abs. 2 S. 4 VVG a.F. normierten Ausschlussfrist von einem Jahr nach Zahlung der ersten Prämie wurde der Verträge im Jahr 2005 rückwirkend wirksam, auch wenn der Klägerin die Vertragsbedingungen und Verbraucherinformationen nicht überlassen worden sein sollten. Zwar ist ein solchermaßen begründeter Vertragsschluss mit dem Inhalt von Art. 36 der Richtlinie 2002/83/EG nicht in Einklang zu bringen. Gleichwohl ist von der rechtlichen Maßgeblichkeit von § 5 a Abs. 2 S. 4 VVG a.F. im vorliegenden Fall auszugehen.

(aa) Zweifelhaft ist bereits, ob den Richtlinien, auf die sich die Klägerin beruft, eine horizontale Direktwirkung zwischen Privatrechtssubjekten zukommt. Grundsätzlich sind europäische Richtlinien zwischen Privatpersonen nicht unmittelbar anwendbar, sondern bedürfen einer Umsetzung in nationales Recht. Insofern sieht Art. 249 Abs. 3 EGV bzw. Art. 288 Abs. 3 AEUV ein zweistufiges Rechtssetzungsverfahren vor. Zwar erkennt der EuGH in ständiger Rechtsprechung eine unmittelbare Anwendbarkeit von Richtlinienbestimmungen in eng begrenzten Ausnahmefällen - insbesondere auch im Falle der nur unzulänglichen Umsetzung einer Richtlinie - an. Das bei § 5 a Abs. 2 S. 4 VVG aber nicht der Fall. Dazu müsste die Richtlinienbestimmung inhaltlich unbedingt und genau gefasst sein. Die hier in Rede stehenden Richtlinienbestimmungen besagen jedoch nur, dass dem Verbraucher vor Vertragsschluss Informationen zu übermitteln sind. Sie regeln jedoch nicht, welche Rechtsfolgen die unterbliebene Übermittlung nach sich zieht. Für eine Regelung wie § 5 a Abs. 2 S. 4 VVG a.F. ist daher Raum.

(bb) Im übrigen darf nach dem Kontext, in dem Art. 36 der Richtlinie 2002/83/EG steht, angenommen werden, dass durch diese Regelung den Mitgliedstaaten keine Vorgaben für das Versicherungsvertragsrecht gemacht werden sollten, sondern lediglich Vorgaben für die Regelung der Versicherungsaufsicht. Die Zielsetzung der Richtlinie 2002/83/EG wird in den ihr vorangestellten Erwägungen dahin formuliert, dass Unterschiede zwischen dem Aufsichtsrecht der verschiedenen Mitgliedsstaaten beseitigt werden sollen (vergleiche Erwägung 2 der Richtlinie 2002/83/EG). Ferner ergibt sich aus Erwägung 44, dass die Harmonisierung des für den Versicherungsvertrag geltenden Rechts keine Vorbedingung für die Verwirklichung des Binnenmarktes im Versicherungssektor sein soll. Die den Mitgliedstaaten gelassene Möglichkeit, die Anwendung ihres eigenen Rechts für Versicherungsverträge vorzuschreiben, bei denen die Versicherungsunternehmen Verpflichtungen in ihrem Hoheitsgebiet eingehen, soll eine hinreichende Sicherung für die Versicherungsnehmer darstellen. Diesen Vorgaben für die Regelung der Versicherungsaufsicht hat der Gesetzgeber durch die Umsetzung in § 10 a VAG Genüge getan (Oberlandesgericht Köln VuR kompakt 2010, 181, Oberlandesgericht Frankfurt VersR 2005, 631).

(c) Nach alledem bestehen gegen ein wirksames Zustandekommen des Versicherungsvertrages keine europarechtlichen Bedenken.

(2) Die Wirksamkeit des Versicherungsvertrages war auch nicht durch eine fristgerechte Ausübung des Widerspruchsrechts nach § 5 a VVG a.F. spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie gehindert.

(a) Als Widerspruch im Sinne der genannten Bestimmung kann nicht bereits die von der Klägerin selbst erklärte Kündigung vom 05.06.2010 angesehen werden. Für eine entsprechende Auslegung der Kündigungserklärung als Widerspruch ist kein Raum. Ungeachtet des Umstandes, dass auch diese Erklärung nicht fristgerecht, d.h. binnen eines Jahres nach Zahlung der Erstprämie abgegeben worden wäre, lässt der eindeutige Wortlaut des Schreibens ("hiermit kündige ich die oben genannten Versicherungen") nur die Deutung der Erklärung als Kündigung zu. Eine Umdeutung nach § 140 BGB scheidet schon deshalb aus, weil die Kündigung gar nicht fehlgeschlagen und somit nicht umdeutungsfähig ist.

(b) Auch der seitens des Prozessbevollmächtigten der Klägerin erklärte und ausdrücklich so bezeichnete Widerspruch vom 07.10.2010 hinderte die Wirksamkeit der Verträge nicht.

(aa) Zwar stand einer wirksamen Ausübung des Widerspruchsrechts nach § 5 a VVG a.F. nicht entgegen, dass die Klägerin den Lebensversicherungsvertrag bereits mit Schreiben vom 05.06.2010 fristlos gekündigt hatte. Kündigung und Widerspruch können bei Vorliegen der Erfüllung der jeweiligen Voraussetzungen nebeneinander geltend gemacht werden. Die beiden Rechte stehen aufgrund ihrer unterschiedlichen Zielsetzung und Wirkung nicht in elektiver Konkurrenz. Während die Kündigung erst ab dem Zeitpunkt des Zugangs (ex nunc) wirkt, ist der Versicherungsvertrag im Falle der fristgerechten Ausübung des Widerspruchsrechts von Anfang an (ex tunc) endgültig unwirksam. Der Versicherungsnehmer kann ein berechtigtes Interesse daran haben, trotz der durch die Kündigung eintretenden Vertragsbeendigung ex nunc die mit dem Widerspruch und der Unwirksamkeit ex tunc verbundenen Rechtsfolgen herbeizuführen. So kann er insbesondere nur bei anfänglicher Unwirksamkeit des Versicherungsvertrags seine vor Kündigung geleisteten Prämien zurückfordern.

(bb) Der Widerspruch vom 07.10.2010 war jedoch nach Maßgabe des - ausgehend von obigen Darlegungen gemeinschaftsrechtlich unbedenklichen - § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. verfristet, denn er erfolgte mehr als ein Jahr nach Zahlung der jeweiligen Erstprämien beider Verträge.

bb) Ein Anspruch der Klägerin auf Prämienrückzahlung ergibt sich auch nicht als Schadensersatzforderung gemäß §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB.

(1) Ein solcher Anspruch kann nicht mit Erfolg auf pflichtwidriges Verschweigen von Rückvergütungen der den Lebensversicherungsverträgen wirtschaftlich zugrunde liegenden Fonds (sog. "Kick-Back"-Zahlungen) gestützt werden. Die Beklagte war gegenüber der Klägerin nicht verpflichtet, ihn vor dem Vertragsschluss über derartige Kick-Backs zu unterrichten. Zu Unrecht geht die Klägerin davon aus, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Kick-Back-Zahlungen bei Fondsanlagevermittlungen auf Versicherungsprodukte entsprechend anwendbar ist. Nach dieser Rechtsprechung muss eine Bank, die Fondsanteile empfiehlt, darauf hinweisen, dass und in welcher Höhe sie Rückvergütungen aus Ausgabeaufschlägen und Verwaltungskosten von der Fondsgesellschaft erhält (BGH NJW 2007, 1876). Verletzt die Bank diese Aufklärungspflicht, macht sie sich gegenüber dem Anleger schadensersatzpflichtig. Diese Grundsätze sind jedoch auf den Abschluss fondsgebundener Lebensversicherungen nicht anwendbar (LG Köln v. 7.7.2010, 26 O 609/09 - juris -). Wenngleich der Kunde beim Abschluss einer fondsgebundenen Lebensversicherung durch die Auswahl des mit dem Vertrag verbundenen Investmentfonds auf die Ausgestaltung seiner Vermögensanlage Einfluss nehmen kann, schließt er ausschließlich einen Vertrag mit dem Versicherer ab. Vermittelt dagegen ein Finanzdienstleister einen Investmentfonds, wird die Kapitalanlagegesellschaft zum Vertragspartner des Kunden, der selbst Fondsanteile erwirbt. Der Kunde hat in diesem Fall ein Interesse an der Offenlegung etwaiger Kick-Back-Zahlungen, um entscheiden zu können, ob das angebotene Produkt tatsächlich seinem Interesse dient oder dem Interesse der Bank an einer hohen Rückvergütung.

(2) Ein Schadensersatzanspruch lässt sich auch nicht auf die - zwischen den Parteien streitige - fehlende Übermittlung der Verbraucherinformation nach § 10a VAG a.F. stützen. Dem steht bereits entgegen, dass durch die Anerkennung eines solchen Schadensersatzanspruch die legitime Regelung des § 5 a Abs. 2 S. 4 VAG a.F. unterlaufen würde, derzufolge ein Lebensversicherungsvertrag nach Ablauf eines Jahres nach Zahlung der Erstprämie Bestand hat ungeachtet einer bis dahin unterbliebenen Übermittlung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen. Ein Schadensersatzanspruch mag allenfalls in Ausnahmefällen in Betracht kommen, beispielsweise dann, wenn der Versicherer Informationen, die Aufschluss darüber geben, dass die Konditionen des verkauften Produkts im Verhältnis zu Produkten anderer Anbieter ungünstig sind, vorsätzlich zurückhält. Entsprechende Tatsachen wurden aber von der Klägerin nicht vorgetragen.

b) Mangels Hauptanspruch steht der Klägerin gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung von bereits kapitalisierten Zinsen bzw. als Nebenforderung der Ansprüche auf Prämienrückforderung in Höhe von 7 % seit dem 29.12.2009 geltend gemachten Zinsen zu.

2. Antrag zu 2 (vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten)

Mangels vorgerichtlich geltend zu machenden Hauptanspruchs besteht auch kein Anspruch der Klägerin auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

II.

Das erkennende Gericht sieht sich aus den genannten Gründen nicht dazu veranlasst, entsprechend der Anregung der Klägerin das Verfahren gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV auszusetzen und die von der Klägerin in ihrem Antrag gestellten Fragen dem Europäischen Gerichtshof im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens vorzulegen. Als erstinstanzliches Gericht ist es hierzu gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV auch nicht verpflichtet.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 269 Abs. 3 ZPO sowie auf § 709 S. 1, 2 ZPO.

IV.

Der Streitwert wird unter Berücksichtigung der Teilklagerücknahme wie folgt festgesetzt:

bis 18.04.2011 15.315,01 €

Sodann 6.915,01 €

Richterin am Landgericht T ist urlaubsbedingt ortsabwesend

und daher gehindert zu unterschreiben.

Dr. S