LG Aachen, Urteil vom 02.12.2014 - 10 O 476/13
Fundstelle
openJur 2014, 26989
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin, eine Genossenschaftsbank, nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen Unregelmäßigkeiten und von ihr behaupteter Pflichtverstöße im Zusammenhang mit einer von ihm zu verantwortenden Kreditbewilligung an Herrn I-N Q auf Ersatz von ihr in diesem Zusammenhang entstandenen Gerichtskosten in Anspruch.

Der Beklagte war von 1997 bis 2012 eines von zwei Vorstandsmitgliedern der Klägerin und als solches u.a. verantwortlich für Kreditvergaben.

Kreditvergaben bzw. -ausweitungen können im EDV-System der Klägerin grundsätzlich nur dann eingepflegt werden, wenn beide Vorstandsmitglieder die Kreditausweitung freigeben. Für den Fall der Verhinderung eines Vorstandsmitglieds kann in dringenden Fällen ein Vorstandsmitglied unter Aktivierung eines sog. Generalbedieners Kreditausweitungen alleine vorzunehmen. Der Generalbediener, dessen Code beiden Vorstandsmitgliedern bekannt ist, ersetzt dann das andere Vorstandsmitglied.

Der Beklagte war Kreditverantwortlicher für den Kunden I-N Q, einen Architekten, der sich im Jahr 2010 in angespannten finanziellen Verhältnissen aufgrund zumindest zeitweiser psychischer bzw. alkoholbedingter Probleme befand. Aus insgesamt 12 Kontokorrentkrediten und Darlehen schuldete er der Klägerin zum 30.06.2010 einen Betrag in Höhe von 1.285.679,77 €. Der Kunde I-N Q hatte Sicherheiten in Höhe von insgesamt 1.311.242,00 € geleistet, wobei die Sicherheiten im Wesentlichen aus Grundschulden bestanden, die auf den diversen Grundstücken des Kunden Q in B lasteten.

Am 28.06.2010 unterzeichneten der Beklagte und Herr Q unter der Darlehens Nr. # einen weiteren Darlehensvertrag in Höhe von 540.000,00 €. Der Betrag sollte zum Ausgleich der Girokonten Nr. ..., ...#, ..., zur Ablösung der Darlehen Nr. ...#, ... sowie zur Ablösung von Fremdverbindlichkeiten und PKW-Finanzierung verwendet werden (Bl. 31 f. d.A.). Durch diese Darlehensgewährung wurde das Kreditengagement nach Ausgleich bzw. Ablösung der Giro- und Darlehenskonten um insgesamt 240.000,00 € ausgeweitet.

Am 01.07.2010 fertigte der Beklagte ein Kreditprotokoll (Bl. 25 ff d.A.), um die erforderliche Zustimmung des weiteren Vorstandsmitglieds, Herrn I1 S, sowie des Aufsichtsrats bezüglich der Kreditausweitung des Kunden Q einzuholen. In dem Protokoll werden die einzelnen Kredite und Sicherheiten dargestellt. Die Rubrik "Bürgschaften" enthält den Eintrag "Bürge N1 Q1 (...) Wert 200.000,00 €" (Bl. 30 d.A.). Der Beklagte erklärte gegenüber HerrnS, die Bürgschaft der Frau Q1 sei werthaltig. Daraufhin stimmten sowohl Herr S als auch der Aufsichtsrat der Ausweitung des Kreditengagements zu. Der Darlehensvertrag Nr. # wurde sodann ausgeführt. Die genannten Giro- und Darlehenskonten bei der Klägerin wurden ausgeglichen und dem Kunden Q wurde der Überschuss in Höhe von 240.000,00 € ausgezahlt.

Die Zeugin N1 Q ist die Schwester des Herrn Q und seit dem Jahr 2010 ebenfalls Kundin der Klägerin. Sie unterzeichnete am 17.06.2011 in den Räumen der Klägerin zwei Kreditverträge zur Finanzierung eines Hauses in Südfrankreich für 850.000,00 €. Auf denselben Tag datiert eine Bürgschaft der Zeugin Q1 für die Verbindlichkeiten ihres Bruders in Höhe von 250.000,00 € für Forderungen der Klägerin gegen Herrn Q (Bl. 36 d.A.). Dieser ist ausweislich des Bürgschaftsexemplars lediglich mit "Herr I-N" bezeichnet. Daneben liegt der Klägerin eine von der Zeugin Q1 unterzeichnete Bürgschaftserklärung vom 23.04.2010 für Verbindlichkeiten ihres Bruders in Höhe von 200.000,00 € vor, die in der Fußzeile der Seite 1 der Bürgschaftsurkunde die Nummer "...#" aufweist, wohingegen die Nummer auf der Seite 2 "..." lautet (Bl. 34 d.A.). "N2S2" stellt dabei die interne Abkürzung des Bedienerschlüssels für N2 S2 dar.

Im Folgenden stieg die Kreditinanspruchnahme des Kunden Q weiter an. Am 30.11.2010 betrug die Inanspruchnahme 1.358.000,00 €, am 30.12.2010 1.362.000,00 €, am 30.03.2011 bereits 1.384.000,00 € und am 30.06.2011 1.415.000,00 €.

Die Klägerin trat sodann an die Zeugin Q1 heran und machte Ansprüche aus der Bürgschaft geltend. Die Zeugin Q1 erklärte gegenüber der Klägerin, zu keinem Zeitpunkt eine Bürgschaft für ihren Bruder unterzeichnet zu haben und erklärte mit Schreiben vom 10.08.2011 die Anfechtung der beiden Bürgschaftserklärungen. In einem Verfahren vor der ersten Zivilkammer des Landgerichts Aachen (1 O 381/11) klagte die Zeugin auf Feststellung, dass aus den Bürgschaftsverträgen vom 23.04.2010 und 17.06.2011 keine Ansprüche der hiesigen Klägerin gegen sie zustehen. Der Klage wurde mit inzwischen rechtskräftigem Urteil vom 10.05.2012 stattgegeben. Die von der hiesigen Klägerin gezahlten Prozesskosten aus dem Verfahren 1 O 381/11 beliefen sich auf insgesamt 17.368,42 €. Darin enthalten sind die Gerichts- und Rechtsanwaltskosten sowie Notarkosten. Die Erstattung dieser Kosten macht die Klägerin nunmehr klageweise geltend.

Gegen den Beklagten läuft ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Aachen (509 Js 1603/11).

Die Klägerin kündigte das Darlehensengagement gegenüber Herrn Q am 23.05.2012 bei einem Schuldensaldo von 1.447.383,00 €. Man vereinbarte sodann, dass die bestellten Sicherheiten im freien Verkauf verwertet werden sollen. Es wurden bereits Sicherheiten im Wert von 507.326,81 € verwertet, im Übrigen dauert die Verwertung noch an.

Mit Schreiben vom 03.12.2012 forderte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Beklagten auf, die bislang bezifferten Kosten unter Fristsetzung auf den 13.12.2012 zu zahlen, ein Schuldanerkenntnis abzugeben und auf die Einrede der Verjährung zu verzichten (Bl. 44 f. d.A.).

Mit Schriftsatz vom 30.05.2014 verkündete der Beklagte der S3 Versicherung AG, mit der er eine D&O-Versicherung abgeschlossen hat, den Streit.

Die Klägerin behauptet, die Zeugin Q1 habe keine der beiden Bürgschaftserklärungen abgegeben. Sie habe vielmehr stets erklärt, sich nicht für ihren Bruder verbürgen zu wollen. Die Bürgschaft über 200.000,00 € bzw. 250.000,00 € sei nie vereinbart worden. Der Beklagte habe zunächst unter dem 23.04.2010 die angebliche Bürgschaft der Zeugin Q1 verfasst und ein Exemplar zur Kreditakte genommen. Gleichzeitig habe er im Sicherheitensystem der Klägerin die Bürgschaft als werthaltige Sicherheit zur Absicherung des Engagements des Herrn Q hinterlegt. Bei dem Termin vom 17.06.2011 habe der Beklagte der Frau Q1 beide Bürgschaftsurkunden unter den vielen im Zusammenhang mit der Finanzierung des Hauskaufs zu unterschreibenden Schriftstücke untergeschoben. Dabei habe der Beklagte den Hauptschuldner in der Bürgschaftsurkunde vom 17.06.2011 versehentlich nur mit dem Vornamen bezeichnet. Zudem habe der Beklagte jeweils lediglich die Seite 2 des Bürgschaftsexemplars durch Frau Q1 unterschreiben lassen. Diese Seite 2 mit der Nummer in der Fußzeile ... habe er dann mit einer zu einem anderen Zeitpunkt ausgedruckten Seite 1 verbunden, die daher eine andere Nummer in der Fußzeile aufweist.

Die zur Kreditakte genommene fingierte Bürgschaft der Frau Q1 vom 23.04.2010 sei zunächst mit einer gefälschten Unterschrift zur Akte genommen worden. Da sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht Kundin der Klägerin war, habe der Beklagte über keine Original-Unterschrift der Frau Q1 verfügt. Mangels Unterschriftsvergleich habe der Beklagte daher die Unterschrift frei gefälscht. Dem entspreche auch eine in der Kreditakte aufgefundene Vermögensaufstellung vom 26.03.2010, die ebenfalls eine erkennbar gefälschte Unterschrift trage (Bl. 142 d.A.). Nachdem Frau Q1 Kundin der Klägerin geworden sei und Vergleichsunterschriften ersichtlich wurden, habe der Beklagte die gefälschten Unterschriften wieder entfernen müssen und stattdessen die Seite 2 der im Rahmen des Termins vom 17.06.2011 erschlichenen Unterschrift zur Akte genommen. Frau Q1 habe selber nie ein Bürgschaftsexemplar erhalten.

Die Klägerin beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 17.368,87 € nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.12.2012 zu zahlen;

2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche Schäden bis zur Höhe von 250.000,00 € zu ersetzen, die der Klägerin durch die Kreditausweitung zu Gunsten des I-N Q aufgrund der vom Beklagten unzutreffend gefertigten Kreditvorlage am 01.07.2010 sowie der Fiktion einer weiteren werthaltigen Bürgschaft von 250.000,00 € vom 17.06.2011 entstehen werden;

3. festzustellen, dass die klageweise geltend gemachten Ansprüche auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung des Beklagten beruhen;

4. den Beklagten zu verurteilen, an sie außergerichtlich angefallene, nicht anrechnungsfähige Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.519,75 € nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er behauptet, er habe die Ausweitung der Kreditlimits stets zumindest telefonisch mit dem Vorstandskollegen S und zwei Mitgliedern des Aufsichtsrats abgestimmt.

Die Zeugin Q1 habe sich am 23.04.2010 in Höhe von 200.000,00 € für die Kredite ihres Bruders schriftlich verbürgt. Die Echtheit der Unterschriften unter den betreffenden Bürgschaftserklärungen sei dementsprechend auch durch das im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren eingeholte Schriftsachverständigengutachten bestätigt worden.

Der Beklagte habe der Zeugin Q1 auch keine Bürgschaft unterschieben können, da ein Bürgschaftsformular aus drei Ausfertigungen bestehe. Die Zeugin habe also nicht nur eine, sondern drei Unterschriften geleistet. Zwei Ausfertigungen seien für die Bank und die dritte für den Kunden bestimmt.

Bei der unterschiedlichen bankinternen Datenzeile am Ende des Bürgschaftsformulars auf Seite 1 und 2 des Formulars handle es sich lediglich um ein unbeachtliches Versehen. Die Angaben zu den Konditionen seien jedenfalls richtig im Formular angegeben.

Die sei am 01.02.2010 zu einer Besprechung über die Bürgschaft in der Bank gewesen. Dabei sei ihr verdeutlicht worden, dass die Ausweitung des Darlehens von der Bestellung weiterer Sicherheiten abhänge. Sie habe sich dann entschieden, ihren Bruder zu helfen. Sie habe zudem Steuerberaterkosten, die Erbschaftssteuer und Positionen aus der Einkommensteuer der Erbengemeinschaft für ihren Bruder gezahlt. Zudem habe die Stadt B eine Pfändung gegen die Erbengemeinschaft veranlasst, die mit Mittel der Zeugin Q1 abgewendet worden sei.

Das Kreditprotokoll vom 01.07.2010 sei sowohl vom Beklagten als auch vom Vorstandsmitglied S und von den Mitgliedern des Aufsichtsrats unterschrieben und damit bestätigt worden. Die Prüfung der Wirtschaftsprüfer im Juni 2010 sei ohne Beanstandung verlaufen, was nicht der Fall gewesen wäre, wenn es entgegen dem Kreditprotokoll keine Bürgschaft zur Absicherung gegeben hätte.

Die Vermögensaufstellung der Zeugin Q1 vom 26.03.2010 sei nicht gefälscht, jedenfalls nicht von ihm. Er sei bei der Unterschriftsleistung unter der Vermögensaufstellung nicht anwesend gewesen.

Die Zeugin habe auch am 17.06.2011 die zweite Bürgschaft über 250.000,00 € abgegeben. Der Beklagte habe der Zeugin Q1 die Bürgschaft nicht untergeschoben, da auch hier die Bürgschaftsurkunde aus drei Ausfertigungen bestanden habe und die Möglichkeit des Unterschiebens völlig unwahrscheinlich sei, da das Wort Bürgschaft im gesamten Text mehrmals auftauche.

Frau Q1 habe die ihr vorgelegten Unterlagen zudem stets genau geprüft. Sie habe beispielsweise im Rahmen der Unterzeichnung eines Kreditvertrags beanstandet, dass die Zinsen zu hoch im Formular eingetragen waren. Auch dies spreche gegen die Möglichkeit des Unterschiebens.

Der Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin hätte im Verfahren 1 O 381/11 Berufung einlegen müssen. Dass dies - entgegen der Einschätzung des damaligen Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt N4 - nicht geschehen sei, stelle eine Sorgfaltspflichtverletzung des Vorstandmitglieds S dar. Der Beklagte habe dies nicht mehr beeinflussen können, da er zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung bereits durch den Ausfischtrat beurlaubt worden sei. Es sei zu vermuten, dass das Vorstandsmitglied Herr S ein Interesse daran hatte, sich auf diese Weise von dem Beklagten zu trennen, da der Nachfolger des Beklagten der Sohn des Herrn S geworden sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Prozessbevollmächtigten der Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin Q1 und den Beklagten gemäß § 141 ZPO informatorisch zur weiteren Sachaufklärung angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme und des Inhaltes der informatorischen Anhörung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.10.2014 (Bl. 433 ff d.A.) verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten im Zusammenhang mit dem Kreditengagement des Herrn Q und den Bürgschaften der Zeugin Q1 keinen Anspruch auf Schadensersatz gem. § 34 Abs. 2 S. 1 GenG oder aus anderer Anspruchsgrundlage.

Denn der Klägerin ist es nicht gelungen, die von ihr behauptete Pflichtverletzung des Beklagten, d.h. eine "Erschleichen" der beiden Bürgschaften der Zeugin Q1 zu beweisen.

Zwar hat die Zeugin Q1 m Rahmen ihrer Vernehmung durch die Kammer - wie schon im Rahmen ihrer Anhörung in dem o.g. Rechtsstreit vor der 1. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - bekundet, sie habe keine Bürgschaften für ihren Bruder übernehmen wollen und die streitgegenständlichen Bürgschaftsurkunden jedenfalls nicht bewusst und willentlich unterschrieben. Dass die betreffenden Bürgschaftsurkunden die Unterschriften der Zeugin tragen, steht nach dem im Strafverfahren eingeholten graphologischen Sachverständigengutachten fest und wird auch von der Zeugin nicht in Abrede gestellt. Demgegenüber stellt sie eine willentliche Übernahme der Bürgschaftsverpflichtungen in Abrede. Die Zeugin hat insoweit im Rahmen ihrer - streckenweise sehr weitschweifigen - Bekundungen vor der Kammer darauf beharrt, sie habe ihrem Bruder angesichts seines Verhaltens, seiner Alkoholabhängigkeit und weiterer Umstände nicht weiter helfen können bzw. wollen und dem Beklagten deshalb auf seine wiederholte Nachfrage erklärt, "ich habe einen Sohn, der studiert, und eine Tochter, die lebt in Südfrankreich, die ich auch finanzieren muss. Und irgendwann möchte ich auch selbst ein Haus in Frankreich erwerben. Ich sehe nicht ein, nochmals für meinen Bruder gerade zu stehen."

Die Glaubhaftigkeit der Bekundungen der Zeugin unterliegt indes Zweifeln. So war es der Zeugin jedenfalls nicht fremd, ihrem Bruder - notfalls auch unter Einsatz erheblicher finanzieller Mittel - zur Abwendung auf seiner Seite bestehender finanzieller Notlagen zur Seite zu stehen. So hat die Zeugin bekundet, zur Abwendung der Zwangsvollstreckung habe sie unter Einbeziehung des damaligen Betreuers ihres Bruders ein Haus in der L Straße von diesem gekauft, "obwohl ich die ja eigentlich gar nicht kaufen wollte." Den Erwerb habe sie, die Zeugin, auch voll finanziert. Dass die Zeugin eine mögliche Bürgschaftsübernahme zunächst jedenfalls nicht kategorisch abgelehnt hat, ergibt sich aus ihren Bekundungen zu einem Treffen mit dem Beklagten im Beisein ihres Bruders, bei dem der Beklagte erklärt habe, mit einer Bürgschaft könne die Zeugin ihren Bruder retten. Nach ihrem Bekunden, habe sie darauf lediglich erklärt, "Herr S2, zeigen sie mir doch erst mal, was der für Verbindlichkeiten hat." Die Zeugin hat hierzu im Rahmen ihrer Vernehmung weiter bekundet, "ich kann ja nicht für jemanden bürgen, bei dem ich nicht mal weiß, wie hoch die Verbindlichkeiten sind. Man muss ja abwägen können, ob überhaupt eine Chance besteht." Aus diesen Bekundungen folgt aber, dass die Zeugin eine Bürgschaftsübernahme zu diesem Zeitpunkt nicht ohne weiteres abgelehnt, sondern vielmehr vom Erhalt entsprechender Informationen abhängig gemacht hat, um danach "abwägen" zu können.

Schwer nachvollziehbar sind auch die Bekundungen der Zeugin zu den Vorgängen bei der Unterzeichnung der Darlehensverträge, in deren Rahmen ihr eine Bürgschaftserklärung "untergeschoben" worden sein soll. So hat die Zeugin bekundet, am 16.06.2011 habe sie eigentlich die Verträge unterschreiben sollen und wollen. Sie habe dann aber bei der Überprüfung der ihr vorgelegten Vertragsunterlagen festgestellt, dass eine geringfügige Abweichung vom zuvor ausgehandelten Zinssatz eingetragen war. Die Zeugin hat also die ihr vorgelegten Unterlagen erkennbar eingehend geprüft und gelesen und sich dann auch folgerichtig geweigert, ihre Unterschrift zu leisten. Ganz anders will sich die Zeugin dann im Termin am Folgetag verhalten haben, wenn sie bekundet, sie habe letztlich nur geguckt, "ob die Zinssätze in Ordnung sind" und weil die in Ordnung waren, unterschrieben, was man ihr vorgelegt habe. Sie habe "viele Blätter vorgelegt" bekommen, die nicht "geöst" gewesen seien. Darauf angesprochen, dass es doch - nachdem bereits einmal inhaltliche Fehler vorgekommen waren - nahe gelegen hätte, sämtliche ihr zur Unterschrift vorgelegten Schriftstücke sorgfältig zur Kenntnis zu nehmen und zu prüfen - wie sie dies auch am Vortrag getan hatte - hat die Zeugin letztlich nur pauschal darauf verwiesen, das sei "doch eine alteingesessene Bank, die Spar- und Darlehenskasse." Sie habe dort einen Kredit aufnehmen wollen und sei davon ausgegangen, "dass man mir einen Kredit vorlegt". Auch wenn ein Kunde sicher nicht damit rechnen muss, im Rahmen eines Darlehensgeschäftes möglicherweise Bürgschaftsurkunden vorgelegt zu bekommen, so erscheint es gleichwohl schwer nachvollziehbar, dass der Zeugin, die mindestens einem vorangegangenen Finanzierungsgeschäft als nicht unerfahren in derartigen Angelegenheiten zu betrachten ist, die streitgegenständlichen Bürgschaftsverträge, die sowohl im Kopf als auch bei der Unterschriftszeile ausdrücklich die Bezeichnungen "Bürgschaft" bzw. "Bürge" aufwiesen, nicht aufgefallen sein sollen. Die Zeugin hat auf entsprechende Nachfrage lediglich geantwortet, "vorausgesetzt, man bekommt diese Unterlagen auch so hingelegt. Aber der ganze Tisch lag ja voll." Soweit die Zeugin damit die Vermutung aufstellen wollte, die betreffenden Papiere seien ihr quasi "verdeckt" vorgelegt worden, so kommt ein Verdecken auch der Bezeichnung "Bürge" im Bereich der Unterschriftszeile faktisch aber nicht in Betracht.

Ebenfalls kaum nachvollziehbar und in sich widersprüchlich sind die Bekundungen der Zeugin Q1 zur Unzuverlässigkeit und wirtschaftlichen Sorglosigkeit ihres Bruders einerseits und zu dem Umstand, dass sie gleichwohl ausgerechnet ihn zu dem Termin am 16.06.2011 betreffend ihre Darlehensangelegenheit zugezogen hat. Bedenken weckt bei der Kammer schließlich der Umstand, dass die Zeugin zunächst sehr umfassende, teils auch weitschweifige, in weiten Bereichen aber auch erstaunlich detailreiche Bekundungen gemacht hat, im weiteren Verlauf der Vernehmung dann allerdings einen Aktenordner heranzog, der sehr detaillierte Notizen und insbesondere Telefonvermerke mit teils Wortlaut-Notizen beinhaltete. Den wirklichen Erinnerungsgrad zu überprüfen bzw. zu beurteilen, stellt sich bei einer derartigen Grundlage als jedenfalls nicht unproblematisch dar.

Bei der Würdigung der Aussage der Zeugin Q1 ist nach Auffassung der Kammer schließlich auch zu berücksichtigen, dass ein gewisses Eigeninteresse der Zeugin am Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits nicht auszuschließen ist. Denn die Zeugin hatte zunächst in dem Verfahren 1 O 381/11 LG Aachen die hiesige Klägerin auf Feststellung des Nichtbestehens ihrer Bürgenhaftung in Anspruch genommen und dabei genau das zur Begründung vorgetragen, was sie nunmehr auch im Rahmen ihrer Vernehmung durch die Kammer bekundet hat. Im Rahmen des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens (509 Js 1603/11 StA Aachen), das sich zunächst allein gegen den Beklagten richtete, wurde zwischenzeitlich auch wegen des Verdachts der falschen Verdächtigung gegen die Zeugin Q1 ermittelt, wie sich aus dem vom Beklagten in Ablichtung vorgelegten Vermerk der Staatsanwaltschaft vom 28.03.2014 (Bl. 398 d. A.) ergibt.

Letztlich kann die Frage, ob durchgreifende Zweifel hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Zeugin Q1 und der Glaubhaftigkeit ihrer Bekundungen bestehen, hier jedoch offen bleiben.

Denn der Aussage der Zeugin stehen die Angaben des Beklagten im Rahmen seiner informatorischen Anhörung durch die Kammer entgegen.

So hat der Beklagte erklärt, er habe die Zeugin Q1 Ende 2009 im Hinblick auf eine mögliche Bürgschaftsübernahme für ihren Bruder angesprochen. Der Beklagte hat dann auch die oben zitierte Bekundung der Zeugin bestätigt, wonach diese zunächst Auskunft über die finanziellen Verhältnisse ihres Bruders verlangt habe. Es sei dann zu einem Gesprächstermin im Februar gekommen. Diesen Termin hat im übrigen auch die Zeugin Q1 im Rahmen ihrer Vernehmung bestätigt und bekundet, es sei am 01.02.2010 zu einem Treffen zwischen ihr, ihrem Bruder und dem Beklagten gekommen, bei dem es um die Finanzlage ihres Bruders gegangen sei. Der Beklagte hat im Rahmen seiner Anhörung dann erklärt, in diesem Termin sei ein Ausdruck "auf den Tisch gekommen, in dem alle Verbindlichkeiten des Bruders, alle Darlehensvergaben etc. und auch alle Sicherheiten, die bestanden, verzeichnet waren." Im Vorfeld habe Herr Q auf Verlangen der Bank mit seinem Steuerberater auch einen Liquiditätsplan entwickelt, aus dem ersichtlich gewesen sei, welche Aufträge anliegen und was daraus fließen sollte. Es sei auch besprochen gewesen, Immobilien des Bruders der Zeugin zu veräußern, "so dass Erlös zufließen sollte." Man habe aber eine "zeitliche Differenz zwischen Verkauf und Fließen der Erlöse" gehabt. Da sei die Idee aufgekommen, eine Bürgschaft der Zeugin Q1 "hereinzunehmen, um diese zeitliche Differenz auszugleichen." Letztlich habe die Zeugin sich Bedenkzeit auserbeten und späteres Telefonieren vereinbart. Es sei dann auch zu Telefonaten gekommen, wo die Einzelheiten besprochen worden seien. So sei in dem Gespräch vom 01.02.2010 die Höhe der Bürgschaft zunächst mit 150.000,00 € angedacht gewesen. Später sei dann die Entscheidung für eine Erhöhung gefallen. Es sei dann zur Unterschrift unter die erste Bürgschaft vom 23.04.2010 gekommen. Der Beklagte, der einräumte, sich zwar nicht genau erinnern konnte, wann die Entscheidung hinsichtlich der Bürgschaft genau gefallen sei, hat insoweit erklärt, er könne sich jedenfalls erinnern, "dass die Zeugin bei mir war zum Unterschreiben." Der beklagte hat schließlich auch erklärt, dass es am 17.06.2011 zur Unterzeichnung der zweiten Bürgschaftsurkunde durch die Zeugin gekommen sei.

Die Kammer verkennt nicht, dass gegen den Beklagten staatsanwaltschaftliche Ermittlungen im Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Bürgschaften geführt werden und er auch als Partei des Rechtsstreits ein Eigeninteresse am Ausgang des Rechtsstreits haben dürfte. Es erscheint auch durchaus auffällig, dass die "Datenversorgung" auf der ersten Bürgschaftsurkunde auf den beiden Seiten unterschiedliche Kennungen trägt. Der Beklagte hat dies durch mehrfache Änderungen von der "Ursprungssumme" von 150.000,00 € zur späteren Summe von 200.000,00 € zu erklären versucht. Letztlich mögen nach all dem auch hinsichtlich der Angaben des Beklagten im Rahmen seiner informatorischen Anhörung Zweifel verbleiben.

Es sind indes für die Kammer keine hinreichenden Umstände oder Indizien ersichtlich, die dafür sprächen, entweder den Bekundungen der Zeugin Q1 oder aber den Erklärungen des Beklagten hier den Vorzug zu geben.

Das nach all dem vorliegende non liquet geht hier zu Lasten der Klägerin als allein darlegungs- und beweisbelasteter Partei.

Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 91 Abs. 1 ZPO abzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 709 ZPO.

Der Streitwert wird auf 142.368,87 EUR festgesetzt.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder

b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Landgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Oberlandesgericht Köln, Reichenspergerplatz 1, 50670 Köln, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils (Datum des Urteils, Geschäftsnummer und Parteien) gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Oberlandesgericht Köln zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Oberlandesgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

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