VG Kassel, Urteil vom 12.12.2013 - 1 K 407/13.KS
Fundstelle
openJur 2014, 25456
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der noch festzusetzenden Kosten abwenden, falls der Beklagte nicht Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt eine finanzielle Abgeltung für krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommenen Urlaub.

Die 1959 geborene Klägerin ist pensionierte Lehrerin. Sie wurde zum 1. September 2009 aufgrund von Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. In der Zeit vom 22. September 2008 bis zum Eintritt in den Ruhestand war sie erkrankt und verrichtete keinen Dienst.

Mit Schreiben vom 1. November 2012 beantragte die Klägerin bei ihrer Pensionsbehörde die Abgeltung von Urlaubstagen für die Zeit vom 22. September 2008 bis 1. September 2009, die sie aus Krankheitsgründen nicht habe nutzen können. Zur Begründung machte sie geltend, nach Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes vom 3. Mai 2012 stehe einem Beamten bei Eintritt in den Ruhestand ein Anspruch auf finanzielle Vergütung für bezahlten Jahresurlaub zu, den er krankheitsbedingt nicht habe nehmen können.

Da die Behörde in den Folgemonaten auf das Vorbringen nicht reagierte, erinnerte die Klägerin mit weiterem Schreiben vom 31. Januar 2013 nochmals an ihren Antrag und forderte die Behörde auf, bis zum 8. Februar 2013 über die Angelegenheit zu entscheiden. Die Behörde teilte der Klägerin mit Schreiben vom 8. Februar 2013 mit, dass sie den Antrag mit Schreiben vom 31. Januar 2013 zuständigkeitshalber an das staatliche Schulamt für den Landkreis Hersfeld-Rotenburg und den Werra-Meißner-Kreis weitergeleitet habe. Auch daraufhin erging kein Bescheid.

Am 7. Februar 2013 erließ das Hessische Ministerium des Innern und für Sport behördenintern ein Rundschreiben (Az. I 12 – 12 a), worin der Hinweis auf eine Pressemitteilung eines Urteils des BVerwG vom 31. Januar 2013 (- 2 C 10.12 -) betreffend den Urlaubsabgeltungsanspruch von Beamten gegeben wurde. Darin wurde vorgeschlagen, dessen schriftliche Urteilsgründe abzuwarten und bis dahin keine Auszahlungen von nicht in Anspruch genommenem Erholungsurlaub zu leisten.

Am 11. April 2013 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie wiederholt zur Begründung ihr Vorbringen aus dem Antrag vom 1. November 2012, beruft sich weiterhin auf die Rechtsprechung des BVerwG und verweist auf dessen Urteil vom 31. Januar 2013. Die Klägerin ist ferner der Auffassung, dass aufgrund der bis zu diesem Zeitpunkt nicht ergangenen Bescheidung ihres Antrags durch die Behörde eine Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO zulässig sei. Soweit der Beklagte einwenden sollte, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch verjährt sei, sei ihrer Auffassung nach vorliegend die Verjährungsfrist nicht abgelaufen, da die Klägerin noch vor Ablauf der Verjährungsfrist den Antrag auf Urlaubsabgeltung gestellt habe. Sie stellt ferner in Frage, ob die Regelungen der §§ 195 ff. BGB Anwendung fänden und ist der Auffassung, dass die Untätigkeit der Behörde seit Stellung des Antrags nicht zu einer rechtsmissbräuchlichen Benachteiligung der Klägerin führen dürfe.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, auf den Antrag der Klägerin vom 1. November 2012 einen verbindlichen Bescheid auf Abgeltung des unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubs, den sie krankheitsbedingt für die Zeit vom 22. September 2008 bis 1. September 2009 nicht nehmen konnte, zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte macht geltend, dass seiner Auffassung nach eine Untätigkeitsklage unzulässig sei. Dem staatlichen Schulamt seien das Antragsschreiben der Klägerin sowie deren Erinnerungsschreiben am 14. Februar 2013 übersandt worden, worüber das Sekretariat des Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 18. Februar 2013 telefonisch informiert worden sei. Im Rahmen eines Telefongesprächs am 8. März 2013 habe der zuständige Sachbearbeiter des Schulamts den Prozessbevollmächtigten der Klägerin darüber in Kenntnis gesetzt, dass das Hessische Ministerium des Innern und für Sport mit Erlass vom 7. Februar 2013 (Blatt 23 ff. der Behördenakte) den nachgeordneten Behörden mitgeteilt habe, dass derzeit aufgrund des Urteils des BVerwG vom 31. Januar noch keine Auszahlung in streitigen Fällen erfolgen solle. Das weitere Vorgehen lasse sich erst nach Auswertung der Urteilsgründe bestimmen. Der Erlass sei daraufhin dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin formlos per Fax zugesendet worden und dieser habe in Aussicht gestellt, das weitere Vorgehen von dem Ergebnis einer Rücksprache mit der Klägerin abhängig zu machen. Daraufhin sei aber keine weitere Kontaktaufnahme von Seiten der Klägerin erfolgt. Der Beklagte führt weiterhin aus, die Vorgaben des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport zum weiteren Vorgehen seien erst durch Erlass vom 15. April 2013 (Blatt 30 ff. der Behördenakte) konkretisiert worden; die Klägerin sei dessen Umsetzung und Bekanntmachung jedoch durch die Untätigkeitsklage zuvor gekommen.

Der Beklagte vertritt ferner die Rechtsauffassung, dass ungeachtet dessen der Klägerin kein Urlaubsabgeltungsanspruch mehr zustehe. Nach § 12 Abs. 2 der Dienstordnung der Lehrkräfte, Schulleiterinnen und Schulleiter und sozialpädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien Lehrkräfte gehalten, ihren Erholungsurlaub während der Schulferien zu nehmen, was auch für die Klägerin gegolten habe. Während dieser regulären Ferienzeiten sei nicht vorgesehen, dass die Lehrkräfte einen förmlichen Urlaubsantrag zu stellen hätten, vielmehr seien sie regelmäßig automatisch vom Dienst freigestellt. Angesichts der Tatsache, dass es bereits vor Beginn der von der Klägerin geltend gemachten Erkrankung am 22. September 2008 im selben Jahr Osterferien und Sommerferien gegeben habe, sei nicht ersichtlich, inwieweit die Klägerin diese nicht habe wahrnehmen können. Ferner ist der Beklagte der Ansicht, dass der Mindesturlaubsanspruch der Klägerin von vier Wochen gemäß Artikel 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG bereits nach 18 Monaten durch Zeitablauf verfallen sei und daher ein Urlaubsabgeltungsanspruch ausgeschlossen sei; er beruft sich insoweit auf das Urteil des BVerwG vom 31. Januar 2013.

Ferner erhebt der Beklagte im Hinblick auf die prozessuale Durchsetzung eines Urlaubsabgeltungsanspruchs nach Artikel 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG die Einrede der Verjährung und führt zur Begründung aus, dass nach der zitierten Rechtsprechung des BVerwG die Geltendmachung des unionsrechtlichen Urlaubsabgeltungsanspruchs der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren gemäß § 195 BGB unterliege. Die Frist beginne gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden sei. Im Fall der Klägerin sei demnach nach Auffassung des Beklagten der Anspruch mit Ablauf des Jahres 2009 entstanden, als die Klägerin in den Ruhestand versetzt worden sei und mit Ablauf des Jahres 2012 sei die Verjährung eingetreten. Die Klägerin habe auch keine verjährungshemmende Handlung vorgenommen.

Die Beteiligten haben mit jeweiligen Schriftsätzen vom 23. Oktober 2013 und 6. November 2013 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet und ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle der 1. Kammer des VG erteilt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird verwiesen auf die Gerichts- und Behördenakte.

Gründe

Die Entscheidung ergeht im Einverständnis mit den Beteiligten gemäß § 87 a Abs.2, 3 VwGO durch den Berichterstatter anstelle der 1. Kammer.

Die Klage ist als Untätigkeitsklage zulässig gemäß § 42 Abs. 1 Var. 2 i.V.m. § 75 VwGO. Insbesondere musste entgegen § 54 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG kein Vorverfahren gemäß § 68 VwGO durchgeführt werden, da die Beklagte vom Zeitpunkt der Antragstellung auf Gewährung einer Urlaubsabgeltung am 1. November 2012 bis zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 11. April 2013 sachlich nicht über den Antrag der Klägerin entschieden hat, dies auch nicht im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens nachgeholt hat, und damit eine angemessene Frist zur Entscheidung verstrichen ist, sodass eine Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO erhoben werden konnte.

Die Sachentscheidung ist auch ohne zureichenden Grund unterblieben. Der Antrag der Klägerin wurde von Seiten des Regierungspräsidiums am 31. Januar 2013 an das zuständige staatliche Schulamt weitergeleitet, das vorträgt, es habe sich aufgrund des am 7. Februar 2013 ergangenen Rundschreibens des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport – Az: I 12 - 12 a - außerstande gesehen, ihn zu bescheiden. Diese Argumentation ist jedoch nicht stichhaltig, denn zu diesem Zeitpunkt hätte bereits auf Grundlage der Entscheidung des EuGH zum Urlaubsabgeltungsanspruch von Beamten vom 3. Mai 2012 (– C 337/10 -, juris) eine Prüfung des Anspruchs erfolgen können. Der Inhalt des Rundschreibens sah lediglich in solchen Konstellationen ein behördliches Abwarten bis zur Veröffentlichung der Entscheidungsgründe des BVerwG vor, in denen sich nach vorläufiger Prüfung ein Auszahlungsanspruch der Urlaubsabgeltung tatsächlich hätte ergeben können. Vorliegend jedoch war und ist das staatliche Schulamt jedoch der Auffassung, dass ein Abgeltungsanspruch der Klägerin nicht besteht, sodass ein derartiger Bescheid ungeachtet des Rundschreibens frühzeitig hätte ergehen können und die Sachentscheidung bis heute ohne zureichenden Grund unterblieben ist.

Auch im Übrigen bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage. Eine Verwirkung des Klagerechts ist nicht eingetreten, da die Klage vor Ablauf eines Jahres nach Antragstellung erhoben wurde (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Auflage, 2013 § 76 Rn. 2).

Die damit zulässige Klage ist jedoch unbegründet. Der Klägerin steht kein Anspruch auf finanzielle Abgeltung von Urlaubsansprüchen zu (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Nach nationalem Recht besteht keine gesetzliche Grundlage für einen Urlaubsabgeltungsanspruch im Fall von Urlaub, den ein Beamter bei Eintritt in den Ruhestand krankheitsbedingt nicht nehmen konnte.

Aus Artikel 7 Abs. 1 und 2 RL 2003/88/EG folgt jedoch, dass jeder Arbeitnehmer Anspruch auf vier Wochen bezahlten Mindestjahresurlaub nach Maßgabe der in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften vorgeschriebenen Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung hat. Der Mindesturlaub darf außer im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG einen Anspruch von Arbeitnehmern auf Abgeltung von bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses krankheitsbedingt nicht genommenem Urlaub hergeleitet und mit Urteil vom 3. Mai 2012 (- C 337/10 -, juris). Voraussetzungen, Umfang und Grenzen dieses Anspruchs bestimmt.

Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG stellt vorliegend eine unmittelbare Anspruchsgrundlage für die Klägerin dar, weil die Richtlinie bislang nicht in das deutsche Recht umgesetzt worden ist. Zwar bedürfen Richtlinien grundsätzlich erst der Umsetzung durch den nationalen Gesetzgeber, um innerstaatliche Verbindlichkeit für den Bürger zu erlangen. Bei einer nicht fristgerechten Umsetzung hat der Bürger im jeweiligen Mitgliedstaat jedoch nach ständiger Rechtsprechung des EuGH trotzdem die Möglichkeit, sich unmittelbar auf die aus der Richtlinie erwachsenden Rechte zu berufen, sofern die Richtlinie klar und unbedingt ist und zu ihrer Anwendung kein gesonderter Ausführungsakt mehr erforderlich ist (vgl. EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 – C 397/01 u.a.). Diese Voraussetzungen werden von Art. 7 RL 2003/88/EG erfüllt. Die Umsetzungsfrist ist am 23. November 1996 verstrichen, vgl. Art. 18 Abs. 1 lit. a RL 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 als Vorgängerregelung zu RL 2003/88/EG. Letztere Richtlinie enthält keine davon abweichenden Umsetzungsfristen (vgl. Art. 27 Abs. 1 RL 2003/88/EG). Nationale Gerichte sind insofern an die Auslegung des Unionsrechts nach Art. 267 Abs. 1 lit. b AEUV gebunden. Die vorgenannten unionsrechtlichen Vorgaben sind durch das BVerwG für das Beamtenrecht übernommen worden, sodass die Richtlinie auch auf Beamte Anwendung findet (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 2 C 10.12 -, juris).

Nach der Rechtsprechung des EuGH sowie des BVerwG ist die Beendigung des Beamtenverhältnisses durch Versetzung in den Ruhestand nach § 21 Nr. 4 BeamtStG als Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne von Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG zu betrachten (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 a.a.O; EuGH, Urteil vom 3. Mai 2012 a.a.O.). Dass sich nach deutschem Beamtenrecht an das Beamtenverhältnis ein Ruhestandsbeamtenverhältnis anschließt, steht dem nicht entgegen, da insofern nicht die konkrete nationalstaatliche Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses maßgeblich ist, sondern allein gefordert wird, dass nach Beendigung der aktiven Dienstzeit keine Dienstleistungspflicht und daher auch keine Urlaubsmöglichkeit des Beamten mehr besteht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2013 – 1 WRB 2/11 -, juris).

Weiterhin greift nicht Art. 15 RL 2002/88/EG ein, wonach es den Mitgliedstaaten unbenommen bleibt, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen, da bislang für deutsche Beamte nach nationalem Recht kein Anspruch auf Abgeltung von krankheitsbedingt nicht genommenem Erholungsurlaub bei Beendigung der Berufstätigkeit aus entsprechenden gesetzlichen Vorschriften besteht.

Aus den vorstehenden Grundsätzen ergibt sich zunächst für das Jahr 2008 kein unionsrechtlich verbürgter Urlaubsanspruch, der abzugelten wäre. Zwar ist unbestritten, dass die Klägerin ab dem 22. September 2008 bis zum 1. September 2009 erkrankt war und deshalb keinen Urlaub antreten konnte. Jedoch beschränkt sich ein Abgeltungsanspruch nur auf den unionsrechtlich anerkannten vierwöchigen Mindesturlaub (vgl. EuGH, Urteil vom 3. Mai 2012 a.a.O. Rn. 28; BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013, a.a.O., juris Rn. 18), so dass es bei der Berechnung der zustehenden Urlaubstage nach dem Zweck des Art. 7 Abs. 1 und 2 RL 2003/88/EG darauf ankommt, ob dem Beamten bereits der Mindesturlaub in dem fraglichen Jahr bewilligt worden war (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 a.a.O, juris Rn. 23),

Bei der Klägerin war dies 2008 der Fall. Lehrer in Hessen haben gemäß § 12 Abs. 2 der hessischen Dienstordnung für Lehrkräfte, Schulleiterinnen und Schulleiter und sozialpädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 25. November 2010 ihren Erholungsurlaub regulär während der Schulferien nehmen und werden insoweit ohne Erfordernis eines Urlaubsantrags vom Dienst freigestellt. Während des Jahres 2008 umfasste dies die Weihnachtsferien, die vom Jahresbeginn bis zum 11. Januar andauerten, die Osterferien vom 25. März bis 6. April 2008, sowie die Sommerferien vom 23. Juni bis 1. August 2008. Da diese Ferienzeiten bei weitem den 4-wöchigen Mindesturlaub überschritten, ergibt sich für das Jahr 2008 kein Anspruch auf Urlaubsabgeltung; der unionsrechtliche Mindesturlaubsanspruch der Klägerin ist insoweit als erfüllt zu erachten (vgl. VG Mainz, Urteil vom 20. September 2013 – 4 K 77/13.MZ -, juris zu der vergleichbaren Rechtslage in Rheinland-Pfalz).

Für das Jahr 2009 besteht ebenso kein Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Zwar wurde in diesem Jahr der Klägerin noch nicht der Mindesturlaub gewährt, weil sie während des gesamten Jahres bis zum Eintritt in den Ruhestand erkrankt war, jedoch ist der Anspruch verfallen.

Für das Jahr 2009 standen der Klägerin bei einem Mindesturlaubsanspruch von vier Wochen nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG und einer 5-Tage-Woche 20 Urlaubstage zu. Nicht maßgeblich für die Berechnung des unionsrechtlichen Abgeltungsanspruchs ist dabei die nach Alter gestaffelte Festlegung der Urlaubsdauer nach § 5 Abs. 1 HUrlV, vgl. Art. 15 RL 2003/88/EG. Da die Klägerin jedoch zum 1. September 2009 in Ruhestand versetzt worden ist, steht ihr der Mindesturlaub nur anteilig zu, d.h. vorliegend für 8/12 von 20, somit für 13 1/3 Urlaubstage. Auch insoweit stellt die Privilegierung des § 8 Abs. 1 HUrlV, wonach dem Beamten der volle Jahresurlaub gewährt wird, wenn er in der zweiten Hälfte des Urlaubsjahres in Ruhestand tritt, eine überschießende mitgliedstaatliche Begünstigung im Sinne von Art. 15 RL 2003/88/EG dar, die auf den unionsrechtlichen Mindesturlaubsanspruch keine Anwendung findet (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 a.a.O. juris Rn. 35).

Dieser damit dem Grund nach zustehende anteilige Mindesturlaubsanspruch aus dem Jahr 2009 ist indes verfallen, sodass die Entstehung eines entsprechenden Abgeltungsanspruchs ausgeschlossen ist. Der unionsrechtliche Urlaubsanspruch verfällt, wenn er über einen zu langen Zeitraum nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres nicht in Anspruch genommen wird. Dies liegt in dem Rechtsgedanken begründet, dass der Urlaub seinen Zweck als Erholungszeit typischerweise nicht mehr erreichen kann, wenn die Geltendmachung nicht in einem gewissen Zeitraum erfolgt (vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2011 – C 214/10 -, juris). Der Verfall des Urlaubsanspruch lässt in der Folge auch keine Entstehung eines entsprechenden Abgeltungsanspruchs zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 a.a.O., juris Rn. 20).

Ein Verfall des Urlaubsanspruchs tritt zum einen dann ein, wenn nationalstaatlich ein hinreichend langer Übertragungszeitraum geregelt ist und dieser abgelaufen ist; insoweit hat der EuGH einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten gebilligt (vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2011 a.a.O.). Gibt es hingegen keine ausreichend langen nationalstaatlichen Verfallsregelungen, so tritt nach Ansicht des EuGH ein Verfall des Urlaubsanspruchs spätestens 18 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres ein. Dies leitet der EuGH aus dem sechsten Erwägungsgrund der RL 2003/88/EG her, in welchem den Grundsätzen der Internationalen Arbeitsorganisation hinsichtlich der Arbeitsgestaltung Rechnung getragen wird. Demzufolge findet bei der Berechnung des Übertragungszeitraums der Zweck des Urlaubsanspruchs Berücksichtigung, wie er sich aus Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub ergibt. Nach Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens ist der ununterbrochene Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens ein Jahr und der übrige Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens 18 Monate nach Ablauf des Jahres, für das der Urlaubsanspruch erworben wurde, in Anspruch zu nehmen und zu gewähren. Demnach ergibt sich vorliegend, dass die Klägerin nach Ablauf des Jahres 2009, während dem sie in Ruhestand versetzt wurde, bis zum 30. Juni 2011 Gelegenheit hatte, den Urlaubsanspruch geltend zu machen und als Folge dessen einen Urlaubsabgeltungsanspruch zu erlangen. Sie hat die Abgeltung jedoch erst mit Schriftsatz vom 1. November 2012 beantragt und damit die Frist zur zeitnahen Geltendmachung nicht eingehalten.

Damit ist die Klage abzuweisen. Auf die Frage, ob der Abgeltungsanspruch verjährt ist, kommt es nicht mehr an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. § 161 Abs. 3 VwGO ist nicht anwendbar, denn diese Vorschrift greift nur dann ein, wenn der Kläger nach Erlass eines (ablehnenden oder stattgebenden) Bescheides die Klage zurücknimmt oder der Rechtsstreit beiderseitig für erledigt erklärt wird (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. A., 2013, § 161 Rn. 35 m.w.N.). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

BESCHLUSS

Der Streitwert wird auf 5.813,68 € festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 52 Abs. 1 GKG und der hierzu ergangenen überzeugenden Rechtsprechung des VG Berlin (Urteil vom 10. Juni 2010 - VG 5 K 175.09 -, juris) Danach ist der Streitwert wie folgt zu berechnen:

Bruttogehalt des letzten Monats vor der Pensionierung mal 3 (Quartalsbetrachtung) geteilt durch 13 (Wochenzahl des Quartals) geteilt durch 5 (Arbeits-/Urlaubstage je Woche) mal die Zahl der geltend gemachten Urlaubstage (hier: 30).

Dies ergibt den im Tenor ausgewiesenen Betrag.