OLG Schleswig, Beschluss vom 27.11.2014 - 3 Wx 88/14
Fundstelle
openJur 2014, 25179
  • Rkr:
Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Amtsgerichts Niebüll vom 11. September 2014 geändert. Der Beteiligten zu 1) wird für den Antrag auf Einziehung des Erbscheins vom 15. März 1985 Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt … bewilligt.

Gründe

Die Beschwerde ist als sofortige Beschwerde nach den §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 ZPO zulässig, insbesondere fristgerecht eingereicht worden.

Die sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts bestehen hinreichende Erfolgsaussichten für den gestellten Antrag auf Einziehung des Erbscheins als Voraussetzung der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe (§§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 ZPO).

Es spricht Überwiegendes dafür, dass der Erbschein unrichtig und deshalb nach § 2361 Abs. 1 BGB einzuziehen sein dürfte, weil er die Reichweite der Befreiung der Beteiligten zu 2) von den Beschränkungen des Vorerben nicht richtig wiedergeben dürfte.

In dem Ehegattentestament vom 11. Juni 1980 (Ur.Nr. … des Notars …), haben der Erblasser und die Beteiligte zu 2) sich gegenseitig zu befreiten Vorerben eingesetzt. Dazu heißt es einschränkend in Ziff. 4 des Testamentes:

„Für den Fall, daß der Längslebende von uns nach dem Tode des Erstversterbenden wieder heiratet oder mit einem anderen Partner eine eheähnliche Lebensgemeinschaft eingeht bestimmen wir, daß der Längstlebende mit dem Zeitpunkt der Wiederheirat oder des Eingehens einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft lediglich beschränkter Vorerbe des Erstversterbenden wird; mit diesem Zeitpunkt entfallen alle Befreiungen eines Vorerben“

Es ist bei summarischer Prüfung nicht ersichtlich, dass die Befristung der Befreiung des Vorerben nach § 2136 BGB unwirksam sein könnte, soweit sie anknüpft an das „Eingehen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft“. Grundsätzlich ist anerkannt, dass ein Erblasser die Befreiung des Vorerben unter eine Befristung oder Bedingung stellen kann (Avenarius in Staudinger, BGB, Neubearb. 2013, § 2136 Rn. 4; Bothe/Hennicke in Damrau, Praxiskommentar Erbrecht, 2. A. 2011, § 2136 Rn. 5; Kummer in Frieser, Fachanwaltskommentar Erbrecht, 4. A. 2013, § 2136 Rn. 5 jeweils m.w.N.). Zwar wird in der Literatur teilweise angemerkt, es müsse zur Streitvermeidung auf eine klare, justiziable Formulierung geachtet werden (etwa Mayer, ZEV 2000, 1, 3 und Bothe/Hennicke a.a.O.). Indes wird auch eine aufschiebend bedingte Befreiung für den Fall der Not des Vorerben (Kummer in Frieser a.a.O.; Mayer a.a.O.; vgl. dazu auch BayObLG FamRZ 1984, 1272 ff) oder für den Fall des Pflichtteilsverlangens eines Abkömmlings (Kummer a.a.O.; vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 2009, 1356 f) für möglich gehalten, obwohl in beiden Fällen ersichtlich Auslegungsschwierigkeiten entstehen können.

Hinsichtlich der vorliegend angeordneten Befristung der Befreiung u.a. auf den Zeitpunkt des „Eingehens einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft“ dürfte eine Auslegung nach den §§ 133, 2084 BGB dahingehend möglich sein, dass - wie in der Rechtsprechung zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft seit langem anerkannt - das Eingehen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft zwischen Mann und Frau gemeint ist, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haus- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen (Palandt/Brudermüller, BGB, 73. A. 2014, vor § 1297 Rn. 10 m.w.N.). Damit mag die Feststellung des Eintritts der Befristung im Einzelfall nicht einfach sein, ist aber justiziabel und jedenfalls nicht ausgeschlossen.

Dürfte also auch hinsichtlich des Passus „Eingehen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft“ eine wirksame Befristung der verfügten Befreiung des Vorerben nach § 2136 BGB vorliegen, so ist aber zu bedenken, dass in den Erbschein nach § 2363 Abs. 1 S. 2 BGB die etwaige Befreiung gerade aufzunehmen ist. Sinn und Zweck dieser Norm ist ersichtlich, dass aus dem Erbschein der Umfang der Verfügungsmöglichkeit des Vorerben so genau wie möglich ersichtlich sein soll, um diese nämlich für den Rechtsverkehr aufzuzeigen. Einerseits soll so dem Vorerben der Nachweis der tatsächlich im konkreten Fall etwa nicht bestehenden Verfügungsbeschränkungen eröffnet werden, andererseits soll aber auch der Nacherbe geschützt werden (vgl. Gierl in Burandt/Rojahn, Erbrecht, 2. A. 2014, § 2363 Rn. 10; Herzog in Staudinger, BGB, Neubearb. 2010, § 2363 Rn. 17 f).

Im vorliegenden Fall enthält der unter dem 15. März 1985 ausgestellte Erbschein aber zur Befreiung und ihrer Befristung nur die folgende Aussage:

„Die Vorerbin ist von allen im § 2136 BGB bezeichneten Beschränkungen und Verpflichtungen befreit. Diese Befreiung endet jedoch im Falle der Wiederverheiratung der Vorerbin“

Es fehlt dort mithin der Hinweis auf das weitere lt. Testament vorgesehen Ende der Befreiung für den Fall des „Eingehens einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft“. Das Fehlen dieser weiteren Befristung dürfte den Erbschein unrichtig machen. Zwar weist das Amtsgericht durchaus zu Recht darauf hin, dass die Aufnahme dieser Befristung in einem gewissen Gegensatz zu dem Zweck eines Erbscheins steht, für Klarheit im Rechtsverkehr zu sorgen. Andererseits ist aber auch das in § 2363 Abs. 1 S. 2 BGB zum Ausdruck kommende Ziel zu beachten, dass sich aus dem Erbschein ergeben soll, ob und in wie weit der Vorerbe von den gesetzlichen Verfügungsbeschränkungen befreit ist. Ist eine Befristung der Befreiung auf den Fall des „Eingehens einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft“ aber zulässig und insbesondere durchaus bestimmbar, liegt nahe, dass diese Einschränkung dann auch im Erbschein Ausdruck finden muss.

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