OLG Köln, Beschluss vom 24.04.2013 - 11 U 152/12
Fundstelle
openJur 2014, 25539
  • Rkr:
Tenor

1.

Der Antrag der Beklagten vom 06.11.2012 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung wird zurückgewiesen.

2.

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten als unzulässig zu verwerfen.

Gründe

I.

Das Landgericht hat die Beklagten durch Urteil vom 28.06.2012 als Gesamtschuldner zur Zahlung eines Gewinnanteils in Höhe von 612.693,00 € nebst Zinsen und von weiteren 4.320,00 € nebst Zinsen verurteilt. Es hat den Beklagten zu 2. darüber hinaus verurteilt, an der Erstellung von Jahresabschlüssen der O & Partner Unternehmensberatung GbR für die Jahre 2002, bis 2010 unter Ausweis eines Gewinnanteils des Klägers von 30 % an den Kläger mitzuwirken. Ferner hat es die Verpflichtung beider Beklagter zur Zahlung des sich aus der Mitwirkung am Jahresabschluss 2010 ergebenden Gewinnes an den Kläger festgestellt. Die weitergehende Klage hat das Landgericht abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil verwiesen, das dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 29.06.2012 und dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 11.07.2012 zugestellt worden ist.

Gegen dieses Urteil haben beide Parteien form- und fristgerecht Berufung eingelegt, und zwar die Beklagten mit einem am 30.07.2012 (Montag) eingegangenen Schriftsatz und der Kläger mit Schriftsatz vom 10.08.2012, bei Gericht eingegangen am selben Tage. Auf Antrag des Prozessbevollmächtigten der Beklagten wurde die Frist zur Begründung ihrer Berufung bis zum 01.10.2012 verlängert. Die Frist zur Begründung seiner Berufung wurde dem Kläger auf Antrag seines Prozessbevollmächtigten bis zum 11.10.2012 verlängert. Beiden Parteivertretern wurden Abschriften aller Fristverlängerungsverfügungen übersandt. Der Kläger hat seine Berufung mit Schriftsatz vom 10.10.2012 zurückgenommen. Die Beklagten haben ihr Rechtsmittel mit Schriftsatz vom 11.10.2012, bei Gericht eingegangen am selben Tage, begründet. Nach telefonischem Hinweis der Senatsvorsitzenden vom 22.10.2012 auf den verspäteten Eingang der Berufungsbegründung haben die Beklagten mit Schriftsatz vom 06.11.2012, bei Gericht am selben Tage eingegangen, Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gestellt und zu dessen Begründung ausgeführt, die langjährige Assistentin des sachbearbeitenden Rechtsanwalts K habe sich in dem relevanten Zeitraum in einer dreiwöchigen Reha-Behandlung befunden. Die dem Rechtsanwalt zugewiesene, für solche Fälle eingestellte Aushilfssekretärin N habe nach Eingang der Durchschrift der Verfügung über die Verlängerung der Berufungsbegründung für den Kläger die darin bestimmte Frist irrtümlich als eigene Berufungsbegründungsfrist umgetragen. Rechtsanwalt K habe die der Gegenseite bewilligte Verlängerung der Begründungsfrist zur Kenntnis genommen, jedoch keine eigene Fristverfügung getroffen. Aufgrund berufsbedingter Auslastung sei dem Rechtsanwalt die Unterschiedlichkeit des Terminsendes nicht aufgefallen.

Der Kläger tritt dem Wiedereinsetzungsgesuch entgegen. Er macht geltend, es sei von einem Organisationsverschulden und auch von einem persönlichen Verschulden des Anwaltes auszugehen, der die Bearbeitung von Fristsachen nicht ohne entsprechende Kontrolle einer Hilfskraft habe überlassen dürfen.

II.

Das Wiedereinsetzungsgesuch ist zwar unbedenklich zulässig. Es ist insbesondere innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist, die bei der hier versäumten Berufungsbegründungsfrist einen Monat nach Wegfall des Hindernisses (§ 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO) beträgt, gestellt worden.

Der Antrag ist jedoch in der Sache unbegründet.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nur gewährt werden, wenn die antragstellende Partei ohne ihr Verschulden an der Einhaltung einer Notfrist gehindert war (§ 233 ZPO).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

Die Überwachung und Erledigung von Fristen ist grundsätzliche anwaltliche Tätigkeit (BGH NJW 1994, 1878; Grandel, in: Musielak, ZPO, 10. Aufl., § 233 Rn. 22). Der Anwalt kann jedoch die Berechnung und Notierung von Fristen - die Führung eines Fristenkalenders - an ausgebildetes und überwachtes Personal delegieren. Tätigkeiten zum Zwecke der Wahrung von Fristen dürfen allerdings nur dann übertragen werden, wenn das beauftragte Personal zuverlässig und geschult ist und daher die dazu erforderlichen, besonderen Qualifikationen besitzt (BGH NJW-RR 1995, 58, 59; Wendtland, in: Beck’scher Online-Kommentar ZPO, Stand: 15.01.2013, § 233 Rn. 26; Grandel, a.a.O., § 233 Rn. 16 + 18).

Wird das derart beauftragte geeignete Büropersonal durch Krankheit oder Urlaub reduziert, muss der Anwalt organisatorisch sicherstellen, dass die an solches Büropersonal delegierte Fristenkontrolle weiter zuverlässig vorgenommen wird (BGH NJW 1999, 3783, 3784). Kommt der Anwalt einer solchen Organisationspflicht nicht nach und kann die Fristversäumung auf der Einschaltung einer nicht zuverlässigen und derart geschulten Kraft beruhen, ist die Fristversäumung nicht als unverschuldet anzusehen. Vielmehr ist der Partei das darin liegende Verschulden als eigenes zuzurechnen (§ 85 Abs. 2 ZPO).

So liegt der Fall hier:

Dem Vorbringen der Beklagten und der eidesstattlichen Versicherung des Rechtsanwalts K vom 05.11.2012 (GA 240) ist schon nicht zu entnehmen, dass die zur Vertretung der erkrankten Anwaltssekretärin im Zeitraum August/September 2012 eingesetzte Frau N als Aushilfssekretärin ("Springerin") über hinreichende Schulung und Fachkenntnis verfügt hat, um dieser die Notierung und Kontrolle von Fristen zu überlassen. Der Umstand, dass Frau N als "Springerin" eingesetzt wird, sagt über deren Qualifikation und Zuverlässigkeit zur Erledigung von Fristsachen nichts aus. Da sonach die Versäumung der Frist auf einer fehlenden Qualifikation der mit der Eintragung und Überwachung der Fristen betraut gewesenen Aushilfssekretärin N beruhen kann, ist diese Versäumung nicht als unverschuldet anzusehen.

Das gilt auch, wenn auf die in der eidesstattlichen Versicherung des Rechtsanwalts K enthaltene Erklärung (GA 240) abgestellt wird, er - Rechtsanwalt K - habe "alle sein Dezernat betreffenden Fristen genau überwacht". Der dahingehende Vortrag eigener anwaltlicher Überwachung von Fristsachen ist pauschal und substanzlos.

Es fehlt eine konkrete Darlegung dazu, wann dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt die Handakten nach einer erfolgten Verlängerung der Begründungsfrist zur Fertigung der Berufungsbegründung vorgelegt werden, wann dies im konkreten Fall geschehen ist und was er hierauf veranlasst hat. Zwar will der anwaltliche Sachbearbeiter sich davon überzeugt haben, dass die auf den 01.10.2012 erfolgte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ordnungsgemäß notiert worden sei. Ziffer 4. seiner eidesstattlichen Versicherung ist vielmehr zu entnehmen, dass Rechtsanwalt K sich offenbar auf die sein Dezernat betreffende Wochenübersicht verlassen hatte, was zeigt, dass der das Dezernat des Rechtsanwalts K betreffende Fristenkalender durch die Aushilfssekretärin bearbeitet werden konnte. Worin unter diesen Umständen die eigene Fristenkontrolle des Rechtsanwalts bestanden haben soll, erschließt sich nicht.

III.

Da die Frist zur Begründung nicht unverschuldet versäumt worden ist und den Beklagten insoweit keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden kann, beabsichtigt der Senat, die Berufung der Beklagten gemäß § 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.