LG Kleve, Urteil vom 01.10.2013 - 4 O 272/12
Fundstelle
openJur 2014, 24406
  • Rkr:

1.

Zur Einbeziehung von Standard-AGB in Transportverträge nach niederländischem Recht (hier: FENEX-Bedingungen).

2.

Enthalten AGB eine Wahl niederländischen Rechts, ist in Transportverträgen grundsätzlich nach niederländischem Recht zu beurteilen, ob die AGB Vertragsbestandteil geworden sind.

3.

Die §§ 305, 305a BGB sind keine Eingriffsnormen im Sinne von Art. 9 Rom I-VO.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 13.10.2009 vom O-Museum in Auburn in den Vereinigten Staaten von Amerika zwei restaurierte Militärfahrzeuge der früheren deutschen Wehrmacht. Der Kläger suchte dazu eine Spedition, die die Fahrzeuge nach Neukirchen-Vluyn verbringen konnte. Mit einer entsprechenden Anfrage wandte er sich dazu an Herrn K. Herr K nahm darauf Kontakt zur Beklagten auf, einer in Rotterdam ansässigen Spedition. Die Beklagte übersandte darauf am 20.11.2009 per Email ein Angebot an Herrn K. Die Email an Herrn K enthielt im Fuß den (englischen) Text: "On all our activities the FENEX conditions latest edition shall apply." Wegen weiterer Einzelheiten des Inhaltes wird auf die ausgedruckte Email vom 20.11.2009 (Anlage B 5 zum Schriftsatz vom 24.05.2013 = Bl. 277 GA) Bezug genommen. Die FENEX-Bedingungen sind Standard-AGB der "Nederlandse Organisatie voor Expeditie en Logistiek" (FENEX), des niederländischen Spediteur-Verbandes, die unter anderem auch auf dessen Internetseite "fenex.nl" abrufbar sind. Auf dieser Grundlage traten die Parteien zueinander in Kontakt. Nach Verhandlungen schlossen sie am 28.04.2010 einen Vertrag über den Transport der zwei Fahrzeuge von Auburn nach Neukirchen-Vluyn. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Vertrag vom 28.04.2010 (Anlage K6 zum Schriftsatz vom 22.01.2013 = Bl. 82 GA) Bezug genommen. Die Fahrzeuge wurden vor der Ausfuhr aus den Vereinigten Staaten vom amerikanischen Zoll beschlagnahmt, da es sich um militärische Güter im Sinne der usamerikanischen Ausfuhrbestimmungen handelte. Die Beklagte und die von ihr eingeschaltete Spedition H Inc. verfügten nicht über die für die Ausfuhr erforderliche ITAR-Registrierung nach usamerikanischem Recht, überdies waren weitere für die Ausfuhr erforderliche Formalien nicht eingehalten. Aufgrund dieser Problematik schaltete der Kläger den Rechtsanwalt A ein, der in der Angelegenheit sowohl mit den amerikanischen Behörden, als auch mit der Beklagten korrespondierte. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die als Anlage K 15 zum Schriftsatz vom 22.01.2013 (Bl. 124-129 GA) verwiesen. Der Kläger erreichte mit einer Petition am 08.06.2011 die Freigabe der Fahrzeuge durch die amerikanischen Behörden und ließ diese dann durch die Spedition C nach Europa verschaffen; Zielpunkt für ein Fahrzeug war das Militärmuseum in Q (Niederlande), das andere wurde nach Neukirchen-Vluyn verbracht. Im Rechtsstreit hat die Beklagte die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Kleve gerügt und zudem die Einrede des Schiedsvertrages erhoben.

Der Kläger trägt vor:

Auf den Vertrag der Parteien sei ausschließlich deutsches Recht anzuwenden. Die FENEX-Bedingungen seien nicht einbezogen worden. Er habe diese - was für sich genommen unstreitig ist - nicht übersandt erhalten. Die Email mit dem Verweis auf diese habe ihm Herr K nicht weitergeleitet, er habe nur die im Email-Anhang enthaltenen Anlagen bekommen. Herr K sei auch nicht sein Bevollmächtigter gewesen. Überdies könne der Verweis in der Email ohnehin nicht zur Geltung der FENEX-Bedingungen führen. Er verstehe weder Englisch, noch Niederländisch und habe zudem als Verbraucher gehandelt. Die Angabe der Firma "E GmbH" im Briefkopf der Korrespondenz ändere daran nichts, er habe die Fahrzeuge nicht für das Bauunternehmen erworben. Eine Einbeziehung der FENEX-Bedingungen ohne Übersendung verstoße gegen Europarecht. Das ursprünglich auf dem Fahrzeug vorhandene FLAK-Geschütz sei bereits im Museum in Auburn abgebaut worden. Daher hätten die Fahrzeuge genau die Beschaffenheit gehabt, die er gegenüber der Beklagten angegeben habe. Demgemäß habe ihm die Beklagte die Kosten der Vertragsstörungen zu ersetzen. Diese ergäben sich aus 41.481,37 € Transportkosten für die C Spedition, 1.740,85 € Bußgeld gegenüber dem amerikanischen Zoll, 4.178,04 € Lagerkosten des amerikanischen Zolls sowie 37.754,62 € Beratungskosten einschließlich weiterberechneter Lagerkosten, wovon er das mit der Beklagten vereinbarte Entgelt abziehe. Wegen weiterer Einzelheiten der Schadensberechnung wird auf Seite 17/18 des Schriftsatzes vom 22.01.2013 (= Bl. 68/69 GA) verwiesen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 49.203,53 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.08.2013 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie wendet ein:

Das Landgericht Kleve sei international unzuständig. Überdies erhebe sie die Einrede des Schiedsvertrages, weil Art. 23 der FENEX-Bedingungen eine Schiedsklausel enthalten. Die FENEX-Bedingungen seien auch wirksam in den Vertrag einbezogen. Die Einbeziehung richte sich nach niederländischem Recht, da die Bedingungen auch eine Rechtswahlklausel enthalten. Herr K habe die Email mit dem Verweis auf die FENEX-Bedingungen auch an den Kläger weitergeleitet. Die Bedingungen seien auch unschwer auffindbar, so etwa auf der Internetseite der FENEX "fenex.nl", was durch eine Suchmaschinenabfrage problemlos feststellbar sei. Diese Bedingungen würden bereits durch Brauch in den Vertrag einbezogen, jedenfalls aber habe der Kläger von der Einbeziehung ausgehen müssen, wenn er einen Vertrag mit einem niederländischen Spediteur schließe. Auch die übrige Korrespondenz der Parteien enthalte Verweise auf die FENEX-Bedingungen. Lediglich hilfsweise für den Fall, dass die gerichtliche Zuständigkeit bejaht werde, werde vorgetragen, dass die Probleme mit dem amerikanischen Zoll daher hergerührt hätten, dass die Fahrzeuge mit einem FLAK-Geschütz ausgestattet gewesen seien, während die Beklagte aufgrund der Angaben des Klägers davon habe ausgehen dürfen, dass es an einer militärischen Relevanz des Frachtgutes fehle. Der geltendgemachte Schadensersatz sei überhöht. Das Entgelt für den Transport sei unangemessen und marktunüblich, Marktpreis sei etwa 20.000,- €. Die Beratungskosten von A, die der Kläger geltendmache, seien überhöht, soweit sie eine 1,5-Gebühr nach RVG überstiegen. Sie erhebt die Einrede der Verjährung.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unzulässig.

I.

Das Landgericht Kleve ist international und örtlich unzuständig.

1.)

Die internationale Zuständigkeit ist nach der EuGVVO zu bestimmen, weil die Beklagte ihren Sitz in den Niederlanden hat, die ein Mitgliedsstaat im Sinne von Art. 1 Abs. 3 EuGVVO sind und keine vorrangigen Abkommen im Sinne von Art. 71 EuGVVO bestehen. Die Parteien haben unstreitig einen Vertrag über eine Beförderung von Gegenständen mit verschiedenen Transportmitteln abgeschlossen. Auf einen solchen Multimodaltransport sind CMR, CIM oder Montrealer Übereinkommen (MÜ) nicht anwendbar. Die CMR sind nur anwenden, wenn die Beförderung ausschließlich mit Kraftfahrzeugen über Straßen erfolgt (Art. 1 CMR), wenn kein - hier von keiner Partei behaupteter - Fall des "Huckepacktransports" im Sinne von Art. 2 CMR vorliegt. Das Montrealer Übereinkommen ist bei Beförderungen, die nicht ausschließlich auf dem Luftwege erfolgen, nur für den Teil anzuwenden, der auf dem Luftwege erfolgt (Art. 38 Abs. 1 und Art. 1 MÜ). Dass der Transport teilweise mit Flugzeugen erfolgen sollte, ist nicht dargetan oder ersichtlich. Insbesondere ist weder dargetan, noch ersichtlich, dass die Beförderung in den Sprengel des Landgerichts Kleve auf dem Luftwege erfolgen sollte. Dass ein Transport mit der Eisenbahn im Sinne von Art. 1 CIM vorgelegen hätte, ist nicht ersichtlich.

2.)

Das Landgericht Kleve ist auch dann nicht nach Art. 16 Abs. 1 EuGVVO international zuständig, wenn der Kläger als Verbraucher gehandelt hat. Gemäß Art. 15 Abs. 3 EuGVVO gelten die Vorschriften der Art. 15 ff. EuGVVO für Beförderungsverträge nicht. Es kann daher insoweit offenbleiben, ob der Kläger als Verbraucher gehandelt hat.

3.)

Das Landgericht Kleve ist auch nicht nach Art. 5 Nr. 1 lit. b) Spiegelstrich 2 EuGVVO international und örtlich zuständig.

a.)

Der Erfüllungsort des streitgegenständlichen Vertrages ist nach Art. 5 Nr. 1 lit. b) Spiegelstrich 2 EuGVVO grundsätzlich europarechtlich autonom zu bestimmen (vgl. Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 34. Aufl. 2013, Art. 5 EuGVVO, Rn. 4 m.w.N.). Beförderungsverträge sind Verträge über "die Erbringung von Dienstleistungen" im Sinne der vorgenannten Bestimmung (vgl. EuGH NJW 2009, 2801, 2803 zur Luftbeförderung). Zwar ist in diesen Fällen grundsätzlich sowohl der Anfangs-, als auch der Endpunkt der Beförderung als Erfüllungsort anzusehen (vgl. EuGH NJW 2009, 2801, 2803 zur Luftbeförderung); dies gilt aber nicht, wenn die Parteien - wie hier - einen anderen Erfüllungsort vereinbart haben (vgl. EuGH NJW 2010, 1059, 1060).

b.)

Die Parteien haben in Art. 22 Abs. 2 der FENEX-Bedingungen den Sitz der Beklagten, also Rotterdam, als Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b.) Spiegelstrich 2 EuGVVO vereinbart. Eine solche Erfüllungsortvereinbarung bedarf nicht der Form des Art. 23 EuGVVO (vgl. EuGH WM 1980, 720, 722/723; Schütze WM 1980, 723). Dabei kann dahinstehen, ob der Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 1 lit. b.) Spiegelstrich 2 EuGVVO nur durch die vertragliche Vereinbarung eines einheitlichen Erfüllungsortes entfallen kann (so Musielak/Stadler, ZPO, 5. Aufl. 2013, Art. 5 EuGVVO, Rn. 15), oder - zumindest teilweise - auch durch die Bestimmung eines Erfüllungsortes für bestimmte vertragliche Ansprüche (so MünchKomm/Gottwald, ZPO, 4. Aufl. 2013, Art. 5 EuGVVO, Rn. 28). Die Parteien haben in Art. 22 Abs. 2 der FENEX-Bedingungen einen einheitlichen Erfüllungsort vereinbart, auch wenn die von der Beklagten als Anlage B 3 zum Schriftsatz vom 18.03.2013 zur Akte gereichte deutsche Übersetzung etwas anderes nahelegen könnte. Art. 22 Abs. 2 FENEX-Bedingungen lautet im niederländischen Original: "Als plaats van vereffening en schaderegeling geldt de plaats van vestiging van de expediteur." "Vereffening" ist mit "Erfüllung" zu übersetzen, der Begriff "Zahlung" ist zu eng (vgl. beispielsweise van Dale, Groot Woordenboek van de Nederlandse taal, 14. Aufl. 2005: vereffenen, synonym "voldoen", sowie van Dale, Handwoordenboek Nederlands-Duits, 3. Aufl. 1997: vereffenen: ausgleichen, begleichen; schulden vereffenen: Schulden begleichen; sowie van Dale, Handwoordenboek Nederlands-Duits, 3. Aufl. 1997: voldoen: [...] erfüllen, gerecht werden).

c.)

Art. 22 Abs. 2 der FENEX-Bedingungen ist wirksam in den Vertrag einbezogen worden.

aa.)

Die Einbeziehung richtet sich nach niederländischem Recht, weil sie nach der lex causae zu beurteilen ist (vgl. Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 34. Aufl. 2013, Art. 5 EuGVVO, Rn. 5).

Lex causae ist das niederländische Recht, weil Art. 22 Abs. 1 der FENEX-Bedingungen eine Rechtswahl zum niederländischen Recht enthält. Die Wirksamkeit einer in AGB vereinbarten Rechtswahl richtet sich gemäß Art. 3 Abs. 5 Rom I-VO i.V.m. Art. 10 Abs. 1 Rom I-VO nach den Einbeziehungsvoraussetzungen für AGB des gewählten Rechts und nicht nach der lex fori (vgl. Palandt/Thorn, BGB, 71. Aufl. 2012, Art. 3 Rom I-VO, Rn. 9; Staudinger/Hausmann, BGB, Neubearb. 2011, Art. 10 Rom I-VO, Rn. 80, jeweils m.w.N.). Dies gilt auch dann, wenn die Rechtswahl durch AGB erfolgt (vgl. Staudinger/Hausmann a.a.O.).

Anderes gilt nur dann, wenn dadurch gegen Art. 6 Abs. 2 S. 2 Rom I-VO, Art. 9 Abs. 2 Rom I-VO oder Art. 21 Rom I-VO verstoßen würde. Dies ist aber vorliegend nicht der Fall. Art. 6 Abs. 2 S. 2 Rom I-VO ist wegen Art. 6 Abs. 4 lit. b.) Rom I-VO auf Beförderungsverträge nicht anzuwenden. Deutsches Recht ist auch nicht nach Art. 9 Abs. 2 Rom I-VO unabhängig von einer Rechtswahl der Parteien anzuwenden, weil die §§ 305, 305a BGB über die Einbeziehung von AGB keine Eingriffsnormen im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO sind. Eine Vorschrift ist nicht bereits dann eine "Eingriffsnorm", wenn sie zwingendes Recht ist, vielmehr muss sie sowohl internationale Geltung beanspruchen, als auch eine überindividuelle Zielrichtung zur Wahrung des öffentlichen Interesses haben (vgl. Palandt/Thorn, BGB, 71. Aufl. 2012, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 5). Den §§ 305 ff. BGB fehlt es jedenfalls an einer derartigen überindividuellen Zielrichtung, weil bei ihnen der Individualschutz des Klauselgegners im Vordergrund steht (vgl. Staudinger/Magnus, BGB, Neubearb. 2011, Art. 9 Rom I-VO, Rn. 151 m.V.a. BGH NJW 2009, 3371, 3374 [dort allerdings zu §§ 307-309 BGB]). Ebensowenig ist ein Verstoß gegen den ordre public im Sinne von Art. 21 Rom I-VO ersichtlich. Ein Verstoß läge nur dann vor, wenn das konkrete Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts den Kernbereich der deutschen Rechtsordnung offensichtlich verletzen würde (BT-Dr 10/504, S. 42; Palandt/Thorn, BGB, 71. Aufl. 2012, Art. 6 EGBGB, Rn. 4; Palandt/Thorn, BGB, 71. Aufl. 2012, Art. 21 Rom I-VO, Rn. 3). Dieser Kernbereich ist vorliegend offenkundig nicht betroffen.

bb.)

Die Parteien haben die FENEX-Bedingungen auch dann in den streitgegenständlichen Vertrag einbezogen, wenn der Kläger die Email der Beklagten mit dem Verweis auf die FENEX-Bedingungen nicht erhalten hat.

Unter welchen Voraussetzungen die FENEX-Bedingungen in einen Beförderungsvertrag einbezogen werden, ist im niederländischen Recht umstritten. Im Ergebnis kommt es vorliegend aber auf den Streit nicht an. Alle Auffassungen führen vorliegend dazu, dass die FENEX-Bedingungen Vertragsinhalt geworden sind. Entweder sind diese durch "gewoonte" Vertragsinhalt geworden oder als von den Parteien stillschweigend vereinbart anzusehen.

(1.)

Teilweise wird vertreten, dass die FENEX-Bedingungen bei Abschluss eines Beförderungsvertrages mit einem niederländischen Spediteur gemäß Art. 6:248 Abs. 1 Burgerlijk Wetboek (BW) durch "gewoonte" Vertragsinhalt werden (so Oostwouder, Hoofdzaken Boek 8 BW - Verkeersmiddelen en vervoer, 3. Aufl. 2001, Seite 56; inzidenter auch Rechtbank Rotterdam, Urteil vom 10.06.2009, Az.: 322853 / HA ZA 09-195, dort unter Tz.: 4.2, zitiert nach rechtspraak.nl). Der - in seiner Reichweite umstrittene - Begriff der "gewoonte" umfasst nicht nur Gewohnheitsrecht im engeren Sinne, sondern auch Bräuche. Er ist - anders als § 346 HGB - nicht auf den kaufmännischen Rechtsverkehr beschränkt, was sich bereits aus der systematischen Stellung im sechsten Buch des Burgerlijk Wetboek ergibt, in welchem der allgemeine Teil des niederländischen Schuldrechts geregelt ist. Die "gewoonte" kann allgemein sein, oder sich auf eine bestimmte Branche beschränken (Valk in: Nieuwenhuis/Stolker/Valk, BW, 6. Aufl. 2005, Art. 6:248, Tz.: 3 c). Allgemeine Geschäftsbedingungen können "gewoonte" im Sinne von Art. 6:248 Abs. 1 BW sein (Rechtbank Rotterdam, Urteil vom 01.12.2004, Az.: 175852 / HA ZA 02-992 = S&S 2005, 90 für die "Algemene Duwconditiën", zitiert nach Claringbould, NTHR 2008, 55 ff. unter Tz.: 3.2). Teilweise wird vertreten, dass ständig gebrauchte Klauseln ("bestendig gebruiklijk beding") "gewoonte" im Sinne von Art. 6:248 Abs. 1 BW sind, weil ein "bestendig gebruiklijk beding" nach dem inzwischen außer Kraft getretenen Art. 1383 BW a.F. Vertragsinhalt wurde, wenn nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart worden war. Der Begriff des "bestendig gebruikelijk beding" wurde nicht in das neue BW übernommen (Valk in: Nieuwenhuis/Stolker/Valk, BW, 6. Aufl. 2005, Art. 6:248, Tz.: 3 c), er werde jedoch vom Begriff der "gewoonte" in Art. 6:248 Abs. 1 BW mit umfasst, der den des "bestendig gebruiklijk beding" enthalte.

Folgt man dieser Auffassung, sind die FENEX-Bedingungen vorliegend als Vertragsbestandteil kraft "gewoonte" anzusehen. Die FENEX-Bedingungen sind ständig gebrauchte Klauseln ("bestendig gebruikelijk beding") der niederländischen Spediteure (so Gerechtshof s’Hertogenbosch, Arrest vom 30.07.2013, Az.: HD 200.052.328/01, dort unter Tz.: 4.3.4, zitiert nach rechtspraak.nl). "Gewoonte" wird gemäß Art. 6:248 Abs. 1 BW auch ohne rechtsgeschäftliche Einbeziehung Vertragsinhalt und zwar selbst dann, wenn die Parteien diese nicht kennen (Valk in: Nieuwenhuis/Stolker/Valk, BW, 6. Aufl. 2005, Art. 6:248, Tz.: 3 b). Ausdrücklich abweichende Vereinbarungen (was eine zulässige Abweichung von der "gewoonte" wäre) haben die Parteien unstreitig nicht getroffen.

(2.)

Teilweise wird die oben dargestellte Auffassung jedoch abgelehnt und vertreten, dass ein "bestendig gebruikelijk beding" entweder keine "gewoonte" sei (vgl. Claringbould, NTHR 2008, Seite 55-67, dort unter Tz.: 3.2.2) oder dass die vorgenannte ständige Verwendung angesichts der Aufhebung von Art. 1383 BW a.F. jedenfalls nicht stets ausreiche, eine Klausel als "gewoonte" anzusehen, es aber möglich sei, dass solche ständig gebrauchten AGB zur "gewoonte" erstarken (Valk in: Nieuwenhuis/Stolker/Valk, BW, 6. Aufl. 2005, Art. 6:248, Tz.: 3 c; Rinkes in: Wessels/Jongeneel/Hendrikse, Algemene Voorwaarden, 1. Aufl. 2006, S. 159). Nach diesen Auffassungen kommt aber eine stillschweigende Einbeziehung der AGB in den Vertrag in Betracht (vgl. Valk in: Nieuwenhuis/Stolker/Valk, BW, 6. Aufl. 2005, Art. 6:248, Tz.: 3 c); Claringbould, NTHR 2008, Seite 55-67, dort unter Tz.: 3.2.2).

Gemäß Art. 6:217 Abs. 1 BW wird ein Vertrag auch im niederländischen Recht durch Angebot und Annahme geschlossen. Auch allgemeine Geschäftsbedingungen werden gemäß Art. 6:217 Abs. 1 BW durch Angebot und Annahme Vertragsinhalt (vgl. Hijma/Olthoff, Compendium van het Nederlands vermogensrecht, 9. Aufl. 2005, Tz.: 484). Gemäß Art. 6:232 BW ist es aber nicht erforderlich, dass sich die Annahmeerklärung auf den Inhalt der einbezogenen AGB bezieht, vielmehr reicht es aus, dass sie sich auf die Geltung der AGB als Ganzes bezieht (vgl. Hijma/Olthoff, Compendium van het Nederlands vermogensrecht, 9. Aufl. 2005, Tz.: 484; Bloembergen/Dam/Hijma/Valk, Rechtshandeling en Overeenkomst, 1. Aufl. 1995, Tz. 228). Auf eine Kenntnis von deren Inhalt durch den Annehmenden kommt es nach dem ausdrücklichen Wortlaut von Art. 6:232 BW nicht an (Valk in: Nieuwenhuis/Stolker/Valk, BW, 6. Aufl. 2005, Art. 6:232, Tz.: 1). Ob die Vertragsannahme die AGB ("als Ganzes") mitumfasst, bestimmt sich nach den allgemeinen Regeln der Art. 6:217, 3:33, 3:35 BW (Hijma/Olthoff, Compendium van het Nederlands vermogensrecht, 9. Aufl. 2005, Tz.: 484; Rechtbank Haarlem, Urteil vom 14.09.2011, Az.: 139093 / HA ZA 07-1169, dort unter Tz.: 5.28, zitiert nach rechtspraak.nl = S&S 2013, 59). Dabei sind die AGB als angenommen anzusehen, wenn die Widerpartei beim Verwender ein gerechtfertigtes Vertrauen erweckt hat, mit der Einbeziehung einverstanden zu sein (vgl. Rechtbank Haarlem, Urteil vom 14.09.2011, Az.: 139093 / HA ZA 07-1169, dort unter Tz.: 5.28, zitiert nach rechtspraak.nl = S&S 2013, 59). Diese Frage ist jeweils einzelfallbezogen zu beantworten (vgl. Rinkes in: Wessels/Jongeneel/Hendrikse, Algemene Voorwaarden, 1. Aufl. 2006, S. 158). Art. 6:234 BW regelt hingegen nicht die Einbeziehung von AGB in Verträge, sondern legt nur fest, wann diese nach Art. 6:233 lit. b.) BW unanfechtbar in den Vertrag einbezogen worden sind (vgl. de Graaf, Exoneraties in (ICT-)contracten tussen professionele partijen, 1. Aufl. 2006 (Diss.), S. 154).

Unter Anwendung der vorgenannten Grundsätze auf den vorliegenden Fall sind die FENEX-Bedingungen jedenfalls als stillschweigend vereinbart anzusehen. Das gilt auch dann, wenn zugunsten des Klägers unterstellt wird, dass ihm Herr K die Email der Beklagten mit dem Verweis auf die FENEX-Bedingungen nicht weitergeleitet hat.

Die Beklagte hat in ihrer Email an Herrn K klargestellt, dass sie "alle" Verträge nur auf Basis der FENEX-Bedingungen abschließt. Herr K hat diese Email auch unstreitig erhalten. Die Beklagte durfte berechtigterweise davon ausgehen, dass der Kläger die gesamte Email und nicht nur deren Anlagen erhalten hat, da er auf Basis des an Herrn K übersandten Angebotes mit der Beklagten in Vertragsverhandlungen eingetreten ist. Auf eine Vollmacht des Herrn K kommt es nicht an. Zum einen ist nicht dargetan, dass der Kläger sich vorprozessual auf eine fehlende Vollmacht des Herrn K berufen hätte, zum anderen ist auch in diesem Fall Herr K zumindest als sein Bote anzusehen. Für die Beklagte war jedenfalls in keiner Weise ersichtlich, dass dem Kläger nicht sämtliche Unterlagen vorlagen. Dass der Kläger behauptet, die englische Sprache - und damit den Hinweis - nicht zu verstehen, ist unerheblich. Dies gilt im vorliegenden Fall bereits deswegen, weil auch das vom Kläger unterschriebene Vertragsdokument auf Englisch verfasst ist. Demgemäß durfte die Beklagte davon ausgehen, dass nicht nur dieser Vertragsinhalt, sondern auch der Einbeziehungshinweis in der Email verstanden worden war. Im Übrigen würde es der Einbeziehung nicht einmal entgegenstehen, wenn nur der Verweis auf die AGB auf Englisch erfolgt wäre und der Vertrag auf Deutsch geschlossen worden wäre (vgl. Hoge Raad, Arrest vom 02.02.2001, Az.: C99/160HR, dort unter Tz.: 3.2, zitiert nach rechtspraak.nl = NJ 2001, 200). Der Kläger ist Bauunternehmer und muss mit der Einbeziehung allgemeiner Geschäftsbedingungen rechnen (vgl. Hoge Raad, Arrest vom 02.02.2001, Az.: C99/160HR, dort unter Tz.: 3.5, zitiert nach rechtspraak.nl = NJ 2001, 200). Dies gilt auch für fremdsprachige Hinweise, selbst wenn er diese Sprache nicht versteht, da ihn dann eine Erkundigungspflicht trifft (vgl. Hoge Raad, Arrest vom 02.02.2001, Az.: C99/160HR, dort unter Tz.: 3.5, zitiert nach rechtspraak.nl = NJ 2001, 200). Ohne Belang ist dabei, ob der Kläger den Vertrag vorliegend im Rahmen seiner unternehmerischen Betätigung oder als Verbraucher abgeschlossen hat. Der Kläger hat mit der Beklagten (auch) mittels Fax korrespondiert und dabei im Briefkopf angegeben "F.F. in: Firma E GmbH". Die Beklagte durfte daher darauf vertrauen, einen mit unternehmerischen Belangen vertrauten Vertragspartner zu haben. Es kann nicht außer Betracht bleiben, ob der Vertragspartner geschäftliche Erfahrungen aufweist, selbst wenn er im konkreten Fall als Verbraucher gehandelt haben sollte. Eine etwaige Verbrauchereigenschaft des Klägers bei Vertragsschluss ist nur von Belang für die Frage, ob er zur Anfechtung der einbezogenen AGB befugt ist (Art. 6:235 BW). Der Einbeziehung steht auch nicht entgegen, dass auf dem Auftragsformular nicht nochmals auf die Einbeziehung hingewiesen wurde. Wie Art. 6:234 BW entnommen werden kann, ist sogar eine (unanfechtbare) Einbeziehung unter Gewährung einer redlichen Möglichkeit der Kenntnisnahme möglich, wenn der Einbeziehungshinweis nicht bei, sondern vor Vertragsschluss erfolgt. Dies gilt dann erst recht, wenn es allein um die Frage einer (möglicherweise anfechtbaren) Einbeziehung der AGB geht. Bei der Frage der Einbeziehung kann im Übrigen auch das Verhalten der Parteien nach Vertragsschluss relevant sein. So wird ein berechtigtes Vertrauen des Verwenders in die Geltung seiner AGB erweckt, wenn eine Rechnung, auf der ein Verweis auf deren Geltung angebracht ist, bezahlt wird, ohne gegen die Geltung der AGB zu protestieren (vgl. Rechtbank Rotterdam, Urteil vom 17.12.2008, Az.: 310814 / HA ZA 08-1722, dort unter Tz.: 3.6). Wie aus der vom Kläger als Anlage K15 vorgelegten Korrespondenz der Beklagten mit dem seinerzeitigen Bevollmächtigten des Klägers, Rechtsanwalt A, hervorgeht, hat die Beklagte in ihren Emails an diesen regelmäßig auf die Geltung der FENEX-Bedingungen hingewiesen, ohne dass dagegen von Klägerseite protestiert worden wäre. Angesichts dessen, dass die Korrespondenz aufgrund von Problemen bei der Vertragsabwicklung erfolgte und auf Klägerseite sogar durch einen Rechtsanwalt geführt wurde, durfte die Beklagte auch aufgrund dieses Verhaltens der Klägerseite von der Geltung ihrer AGB ausgehen.

(3.)

Die niederländische Rechtslage zur Einbeziehung der FENEX-Bedingungen steht auch in Einklang mit dem Recht der Europäischen Gemeinschaften, und zwar unabhängig davon, ob man der Auffassung ist, diese würden durch "gewoonte" oder durch stillschweigende Vereinbarung Vertragsbestandteil. Die Richtline 93/13/EWG ("Klauselrichtlinie") trifft keine Regelungen zur Einbeziehung allgemeiner Geschäftsbeziehungen, dieser Teil des AGB-Rechts ist nicht europarechtlich vereinheitlicht (Pfeiffer in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, 40. Aufl. 2009, Vorbem. vor Art. 1 RL 93/13/EWG, Rn. 89 m.w.N.).

d.)

Die Erfüllungsortvereinbarung aus Art. 22 Abs. 2 der FENEX-Bedingungen ist auch nicht gemäß Art. 3:41 BW ex tunc durch Anfechtung entfallen.

Ob die Einbeziehung der FENEX-Bedingungen in einen Beförderungsvertrag mit einem niederländischen Spediteur nach Art. 6:233 lit. b.) BW anfechtbar ist, wenn der Verwender dem Vertragspartner keine redliche Möglichkeit geboten hat, vom Inhalt der AGB Kenntnis nehmen zu können (vgl. Valk in: Nieuwenhuis/Stolker/Valk, BW, 6. Aufl. 2005, Art. 6:233, Tz. 3), ist umstritten.

aa.)

Sieht man die FENEX-Bedingungen als "gewoonte" im Sinne von Art. 6:248 Abs. 1 BW an, kann der Kläger deren Einbeziehung in den Vertrag nicht anfechten. Insoweit ist es unerheblich, ob ihm die Bedingungen übersandt wurden oder ob ihm deren Geltung auch nur denkbar erschien (vgl. Rechtbank Rotterdam, Urteil vom 01.12.2004, Az.: 175852 / HA ZA 02-992 = S&S 2005, 90 für die "Algemene Duwconditiën", zitiert nach Claringbould, NTHR 2008, 55 ff. unter Tz.: 3.2). "Gewoonte" wird auch dann Vertragsbestandteil, wenn die Parteien diese nicht kennen (Valk in: Nieuwenhuis/Stolker/Valk, BW, 6. Aufl. 2005, Art. 6:248, Tz.: 3 b). In diesem Fall ist eine Anfechtung unter Berufung auf die fehlende Möglichkeit redlicher Kenntnisnahme ausgeschlossen, weil die Parteien ohnehin von der "gewoonte" Kenntnis haben müssen (vgl. Rinkes in: Wessels/Jongeneel/Hendrikse, Algemene Voorwaarden, 1. Aufl. 2006, Seite 158/159).

bb.)

Sieht man die FENEX-Bedingungen hingegen als stillschweigend in den Vertrag einbezogen an, so sind diese nach Art. 6:233 lit. b.) BW anfechtbar, wenn die Beklagte dem Kläger keine redliche Möglichkeit geboten hat, von deren Inhalt Kenntnis zu nehmen. Dass die FENEX-Bedingungen "bestendig gebruikelijk beding" sind, steht dem nicht entgegen (Gerechtshof s’Hertogenbosch, Arrest vom 30.07.2013, Az.: HD 200.052.328/01, dort unter Tz.: 4.3.4, zitiert nach rechtspraak.nl). Art. 6:234 BW regelt, wann dem Vertragspartner die redliche Möglichkeit der Kenntnisnahme der AGB eingeräumt worden ist. Dies ist der Fall, wenn die AGB vor oder bei Vertragsschluss übersandt werden (Art. 6:234 Abs. 1 BW), oder falls dies redlicherweise nicht möglich ist, durch die vor Vertragsschluss an die Gegenpartei erfolgte Mitteilung, bei welchem Gericht oder bei welcher IHK die AGB hinterlegt sind und dass diese auf Verlangen übersandt werden (Art. 6:234 Abs. 1 BW) oder, bei Vertragsschluss auf elektronischem Wege, dass diese elektronisch übersandt werden, oder falls dies redlicherweise nicht möglich ist, vor Vertragsschluss mitgeteilt wird, wo diese elektronisch eingesehen werden können (Art. 6:234 Abs. 2 BW). Vorliegend dürfte eine solche Möglichkeit nicht eingeräumt worden sein. Die Beklagte hat dem Kläger die FENEX-Bedingungen unstreitig weder postalisch, noch elektronisch übersandt. Dass dies redlicherweise nicht möglich gewesen wäre, ist nicht ersichtlich. Die FENEX-Bedingungen umfassen nur 24 Artikel, die auf neun DIN A 4-Seiten Platz haben. Warum diese nicht mitübersandt werden könnten, ist nicht ersichtlich. Eine Übersendung ist beispielsweise bei telefonischem Vertragsschluss oder dem Kauf einer Straßenbahnfahrkarte redlicherweise nicht möglich (Valk in: Nieuwenhuis/Stolker/Valk, BW, 6. Aufl. 2005, Art. 6:234, Tz. 2). Damit ist der vorliegende Fall offenkundig nicht vergleichbar. Dies kann jedoch letztlich vorliegend ebenso dahinstehen wie die Frage, ob der Kläger als Verbraucher oder als unternehmerische Person im Sinne von Art. 6:235 BW anzusehen ist, die sich auf den Anfechtungsgrund nicht berufen kann, weil der Kläger keine Anfechtung der FENEX-Bedingungen erklärt hat.

cc.)

Im niederländischen Recht können anfechtbare Rechtsgeschäfte entweder durch außergerichtliche Anfechtungserklärung oder richterliche Feststellung für nichtig erklärt werden (Art. 3:49 BW). Der Kläger hat die Einbeziehung der FENEX-Bedingungen weder durch außergerichtliche Erklärung gegenüber der Beklagten angefochten (Art. 3:50 BW), noch durch Antragen einer Berufung auf den Anfechtungsgrund gegenüber dem erkennenden Gericht (Art. 3:51 BW).

Eine außergerichtliche Anfechtung der FENEX-Bedingungen ist nicht dargetan. Diese erfolgt gemäß Art. 3:50 Abs. 1 BW durch (außergerichtliche) Erklärung gegenüber der anderen Partei. Diese Erklärung ist formlos möglich, muss aber deutlich machen, dass sich der Erklärende von der Gebundenheit an eine bestimmte Rechtshandlung frei machen will (Hijma in: Nieuwenhuis/Stolker/Valk, BW, 6. Aufl. 2005, Art. 3:50, Tz.: 3 c) und 3 d). Der Kläger behauptet selbst nicht, eine derartige außergerichtliche Erklärung an die Beklagte gerichtet zu haben.

Die Nichtigkeit eines anfechtbaren Rechtsgeschäftes kann allerdings gemäß Art. 3:51 Abs. 1 BW durch richterliches Gestaltungsurteil ("constitutief vonnis") festgestellt werden; dazu ist ausreichend, dass die Nichtigkeit aus den Urteilsgründen hervorgeht, eines besonderen Tenors bedarf es nicht (Hijma in: Nieuwenhuis/Stolker/Valk, BW, 6. Aufl. 2005, Art. 3:51, Tz. 2). Diese richterliche Feststellung kann nicht von Amts wegen erfolgen, sondern nur dann, wenn die Partei eine Berufung auf den Anfechtungsgrund anträgt (Hijma in: Nieuwenhuis/Stolker/Valk, BW, 6. Aufl. 2005, Art. 3:51, Tz. 2). Diese "Berufung" bedarf keiner besonderen Form (Hoge Raad, Arrest vom 08.04.2011, Az.: 09/04088, dort unter Tz.: 2.4, zitiert nach rechtspraak.nl = RvdW 2011, 507; Hijma in: Nieuwenhuis/Stolker/Valk, BW, 6. Aufl. 2005, Art. 3:51, Tz. 2). Ein ausdrücklicher Antrag auf Nichtigerklärung ist somit nicht nötig. Notwendig für eine "Berufung" im Sinne von Art. 3:51 BW ist aber, dass nicht nur der Anfechtungsgrund genannt wird, sondern zugleich eindeutig daraus hervorgeht, dass die Rechtshandlung angefochten werden soll (Hoge Raad, Arrest vom 08.04.2011, Az.: 09/04088 unter Tz.: 2.4, zitiert nach rechtspraak.nl = RvdW 2011, 507). In diesem Fall ist das Rechtsgeschäft nichtig, wenn das Gericht den Anfechtungsgrund bejaht.

Der Kläger hat bei Anwendung der oben genannten Grundsätze auf den vorliegenden Fall keine Berufung auf den Anfechtungsgrund der Einbeziehung ohne die redliche Möglichkeit einer Kenntnisnahme des Inhalts angetragen. Der Kläger hat gerade nicht erklärt, er wolle die Geltung der FENEX-Bedingungen anfechten, weil ihm keine redliche Möglichkeit der Kenntnisnahme eingeräumt worden sei. Vielmehr ist er der Auffassung, die FENEX-Bedingungen seien nicht Vertragsbestandteil geworden, weil sie ihm nicht übersandt wurden. Einer solchen Erklärung kann auch im Wege der Auslegung nicht entnommen werden, dass die AGB angefochten werden sollen. AGB, die nicht in einen Vertrag einbezogen worden sind, gelten von vornherein nicht, so dass es keiner Anfechtung bedarf. Mit dieser Äußerung drückt der Kläger damit gerade nicht aus, dass er die Geltung beseitigen will (vgl. BGH NJW-RR 1990, 366, 367 zur vergleichbaren Situation bei der Einrede der Anfechtbarkeit nach AnfG). Überdies sind die Rechtsfolgen von Nichteinbeziehung und (erfolgreicher) Anfechtung von AGB durchaus verschieden. Aufgrund von Art. 3:41 BW kommt bei erfolgreicher Anfechtung in Betracht, dass nicht nur die AGB nichtig sind, sondern der ganze Vertrag nichtig ist. Dies wäre vorliegend aus den nachfolgend unter 4.) erläuterten Gründen bei einer erfolgreichen Anfechtung der Einbeziehung der FENEX-Bedingungen anzunehmen. Aus diesem Grunde entspräche es auch nicht der Interessenlage des Klägers, sein vorgenanntes Vorbringen als Anfechtung auszulegen.

4.)

Selbst wenn der Kläger die Einbeziehung der FENEX-Bedingungen erfolgreich angefochten hätte - was aus den oben dargestellten Gründen nicht der Fall ist - bestünde keine Zuständigkeit des Landgerichts Kleve nach Art. 5 Nr. 1 lit. b) Spiegelstrich 2 EuGVVO. Bei einer erfolgreichen Anfechtung würde es an einem vertraglichen Erfüllungsort fehlen. Gemäß Art. 3:41 BW wäre dann nicht nur die Geltung der FENEX-Bedingungen ex tunc entfallen, vielmehr wäre der gesamte Vertrag, der Grundlage der streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche ist, nichtig. Das niederländische Recht enthält keine § 306 Abs. 1 BGB entsprechende Regelung, vielmehr richtet sich die Rechtsfolge der erfolgreichen Anfechtung von AGB nach der allgemeinen Regelung des Art. 3:41 BW. Zwar begründet dieser - anders als § 139 BGB - keine Vermutung für die Gesamtnichtigkeit eines Rechtsgeschäftes, wenn Teile davon nichtig sind, sondern begründet eine Gesamtnichtigkeit nur dann, wenn ein untrennbarer Zusammenhang mit dem nichtigen Teil besteht. Dabei kommt es (bei der Anfechtung von AGB) nicht auf die Sicht der Parteien, sondern auf die Sicht eines objektiven Dritten an (Bloembergen/van Dam/Hijma/Valk, Rechtshandeling en Overeenkomst, 1. Aufl. 1995, Tz. 256). Bei AGB ist grundsätzlich zu vermuten, dass keine Gesamtnichtigkeit besteht, wenn keine besonderen Umstände vorliegen (Bloembergen/van Dam/Hijma/Valk, Rechtshandeling en Overeenkomst, 1. Aufl. 1995, Tz. 256). Im vorliegenden Fall wäre ein solcher untrennbarer Zusammenhang aber zu bejahen. Durch eine erfolgreiche Anfechtung der FENEX-Bedingungen würden nicht nur deren Regelungen wegfallen, vielmehr würde der Vertragsinhalt darüber hinaus stark umgestaltet. Durch die Anfechtung würde auch die Rechtswahlklausel des Art. 22 Abs. 1 der FENEX-Bedingungen entfallen, so dass der Vertrag nicht mehr als Multimodaltransportvertrag nach Art. 8:40 ff. BW ("overeenkomst van gecombineerd goederenvervoer") anzusehen wäre, sondern als ein solcher nach § 452 HGB. Dieser komplette Wechsel des Rechtskleides der Vertragsbeziehung der Parteien würde diese so stark verändern, dass auch aus der Sicht eines objektiven Dritten bei erfolgreicher Anfechtung der AGB Gesamtnichtigkeit anzunehmen wäre. Dies kann letztlich aber auch dahingestellt bleiben, da der Kläger aus den oben dargestellten Gründen die Einbeziehung der FENEX-Bedingungen nicht angefochten hat.

5.)

Ob die Erfüllungsortklausel nach Art. 233 lit. a) BW i.V.m. Art. 6:236, 6:237 BW anfechtbar ist, kann grundsätzlich dahingestellt bleiben. Der Kläger hat diese nicht angefochten. Dass die Erfüllungsortvereinbarung inhaltlich zu beanstanden sei, wird nicht dargetan. Ergänzend wird zudem auf die obigen Ausführungen unter I. 3.) d.) cc.) verwiesen, um Wiederholungen zu vermeiden.

6.)

Die Erfüllungsortklausel des Art. 22 Abs. 2 der FENEX-Bedingungen ist auch nicht nach Art. 6:248 Abs. 2 BW wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der "Redlichkeit und Billigkeit" (dem niederländischen Gegenstück zum "Treu und Glauben" des deutschen Rechts) unanwendbar. Zwar muss sich die Klausel am Maßstab von "Redlichkeit und Billigkeit" messen lassen, ohne dass es darauf ankäme, ob diese vereinbart oder durch "gewoonte" Vertragsbestandteil geworden ist. Auch eine "gewoonte" muss mit "Redlichkeit und Billigkeit" übereinstimmen (Valk in: Nieuwenhuis/Stolker/Valk, BW, 6. Aufl. 2005, Art. 6:248, Tz. 4 a). Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Art. 6:236 BW und Art. 6:237 BW. Klauseln, die inhaltlich gegen diese Vorschriften verstoßen, bleiben im niederländischen Recht - jedenfalls im Anwendungsbereich der Klauselrichtlinie - auch dann gemäß Art. 248 Abs. 2 BW unangewandt, wenn sie nicht angefochten wurden (vgl. Hijma/Olthof, Compendium van het Nederlands vermogensrecht, 9. Aufl. 2005, Tz.: 489a; Hoge Raad, Arrest vom 14.06.2002, Az.: C00/315HR = NJ 2003, 112, zitiert nach rechtspraak.nl). Dadurch wird die Übereinstimmung des niederländischen Rechts mit den Anforderungen der Klauselrichtlinie erreicht (vgl. Hijma/Olthof, Compendium van het Nederlands vermogensrecht, 9. Aufl. 2005, Tz.: 489a). Ein Anfechtungserfordernis für inhaltlich missbräuchliche Klauseln wäre bei Verbrauchern mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG nicht vereinbar (EuGH EuZW 2009, 503, 504).

Es sind aber keine Anhaltspunkte für einen Verstoß ersichtlich. Im Katalog der Art. 6:236, 6:237 BW sind (ebenso wie im Klauselkatalog der Richtlinie 93/13/EWG) keine besonderen Verbote für Erfüllungsortvereinbarungen enthalten. Auch im Übrigen ist kein Verstoß der Klausel gegen Redlichkeit und Billigkeit ersichtlich. Teilweise ist sie sogar nur gesetzeswiederholend, da Geldschulden nach Art. 6:116 Abs. 1 BW Bringschulden sind, so dass der materiellrechtliche Erfüllungsort für die Entgeltforderung der Beklagten ohnehin in Rotterdam belegen war. Demgemäß kann auch hier dahinstehen, ob der Kläger als Verbraucher gehandelt hat.

8.)

Es fehlt nicht an einem vertraglichen Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b.) Spiegelstrich 2 EuGVVO, weil der Vertrag nach Art. 9 Abs. 2 Rom I-VO i.V.m. § 134 BGB i.V.m. § 22a Abs. 1 Nr. 4 KrWaffG nichtig wäre. Zwar sind die Vorschriften des Kriegswaffenkontrollgesetzes i.V.m. § 134 BGB unzweifelhaft Eingriffsnormen im Sinne von Art. 9 Rom I-VO. Sie beanspruchen internationale Geltung, was sich bereits daraus ergibt, dass Regelungen über die Einfuhr von Kriegswaffen getroffen worden sind. Einfuhren in das Bundesgebiet haben notwendigerweise internationalen Charakter. Sie dienen auch einer überindividuellen Zielrichtung zur Wahrung des öffentlichen Interesses, nämlich der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Beide Parteien behaupten aber übereinstimmend, dass der Transport von Wehrmachtslastern ohne FLAK-Geschütz vereinbart gewesen sei. Ohne montiertes FLAK-Geschütz handelt es sich aber nicht um Kriegswaffen im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes. Streitig ist zwischen den Parteien lediglich, ob auf einem der Laster - entgegen der vertraglichen Vereinbarung - ein FLAK-Geschütz montiert gewesen ist, wie die Beklagte behauptet.

II.

Da die Klage bereits mangels internationaler Zuständigkeit unzulässig ist, bedarf es keiner Prüfung, ob auch die von der Beklagten erhobene Einrede des Schiedsvertrages aufgrund der in Art. 23 der FENEX-Bedingungen enthaltenen Schiedsklausel zur Unzulässigkeit der Klage führt (§ 1032 Abs. 1 ZPO).

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Streitwert: 49.203,53 Euro.

(Unterschriften)

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