OLG Schleswig, Beschluss vom 20.10.2014 - 10 UF 105/14
Fundstelle
openJur 2014, 23706
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag des Antragstellers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist wird als unzulässig verworfen.

Dem Antragsteller werden die Kosten des Wiedereinsetzungsverfahrens auferlegt.

Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Zahlung von rückständigem Trennungsunterhalt für das Jahr 2011 und für die Monate Januar 2012 und April 2012.

Bei den Beteiligten handelt es sich um getrennt lebende Eheleute. Die Eheleute heirateten am 15. Juni 2001.

Vor dem Familiengericht hat der Antragsteller zuletzt beantragt,

1. die Antragsgegnerin zu verpflichten, für das Jahr 2011 einen Unterhaltsbetrag von insgesamt 4.282,20 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab Antragstellung und für den Zeitraum Januar 2012 und April 2012 2.050,00 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab Antragstellung an den Antragsteller zu zahlen;

2. Dem Antragsteller Verfahrenskostenhilfe für den Antrag zu 1. unter Beiordnung der Unterzeichnerin zu bewilligen.

Die Antragsgegnerin hat vor dem Familiengericht beantragt,

den Antrag und den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes nimmt der Senat auf die Sachverhaltsdarstellung im Schlussbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Pinneberg vom 25. April 2014 Bezug.

Durch Schlussbeschluss vom 25. April 2014 hat das Amtsgerichts - Familiengericht - Pinneberg den Antrag des Antragstellers zurückgewiesen. Dieser Beschluss ist der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers per Zustellungsurkunde am 29. April 2014 zugestellt worden.

Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 29. Mai 2014 - eingegangen beim Familiengericht vorab per Fax am selben Tage - Beschwerde eingelegt.

Durch das der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers per Zustellungsurkunde am 8. Juli 2014 zugestellte Schreiben des Vorsitzenden des Senats vom 2. Juli 2014 wurde diese auf die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist hingewiesen.

Am 21. Juli 2014 rief die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers in der Geschäftsstelle des Senats an und teilte mit, dass sie um Fristverlängerung bitten und voraussichtlich einen Wiedereinsetzungsantrag stellen werde.

Nach Ablauf der gesetzten Stellungnahmefrist hat der Senat die Beschwerde des Antragstellers durch Beschluss vom 29. Juli 2014 als unzulässig verworfen. Dieser Beschluss ist der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers am 31. Juli 2014 per Postzustellungsurkunde zugestellt worden.

Durch Schriftsatz vom 8. August 2014 - beim Oberlandesgerichts Schleswig vorab per Fax am selben Tage eingegangen - beantragte der Antragsteller Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerde-begründungsfrist und begründete die eingelegte Beschwerde.

Der Antragsteller trägt vor, dass seine Verfahrensbevollmächtigte den Schriftsatz für die Beschwerdebegründung in dieser Sache am 12. Juni 2014 persönlich zur Post aufgegeben habe. Sie habe am 12. Juni 2014 die bereits vorformulierten Schriftsätze im Original nebst Abschriften in dieser Sache ausgedruckt und diesen Schriftsatz in den Briefkasten der Post in P. eingeworfen. Seine Verfahrensbevollmächtigte erinnere sich deshalb so gut, weil sie in diesen Briefkasten in P. grundsätzlich keine Briefsendungen einwerfe. Denn ihr sei bekannt, dass der Briefkasten nicht zu den angegebenen Zeiten geleert werde, so dass sich eine Zustellung der Briefe regelmäßig um mehrere Tage verzögere. Sie habe vor dem Einwurf von der unregelmäßigen Leerung des Briefkastens von Anwohnern Kenntnis erhalten. Aufgrund des noch lange zur Verfügung stehenden Zeitablaufs - mehr als 14 Tage - habe sie aber davon ausgehen können, dass die Beschwerdebegründung das Oberlandesgericht Schleswig noch innerhalb der gesetzten Frist erreiche. Diesen Vortrag hat die Antragstellerin anwaltlich versichert.

Durch Hinweisbeschluss vom 15. August 2014 hat der Senat darauf hingewiesen, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung bisher noch keinen ausreichenden Vortrag zur ordnungsgemäßen Adressierung und Frankierung der Postsendung enthalte. Weiterhin sei der Vortrag hinsichtlich des Einwurfs des Schriftsatzes in einen unregelmäßig geleerten Briefkasten nicht ausreichend substantiiert. Der Hinweisbeschluss des Senats wurde der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers per Zustellungsurkunde am 22. August 2014 zugestellt.

Nach der durch den Vorsitzenden des Senats bewilligten Fristverlängerung zur Stellungnahme trägt der Antragsteller ergänzend wie folgt vor:

Die Postsendung sei ordnungsgemäß adressiert und frankiert gewesen. Weiterhin habe die Verfahrensbevollmächtigte zu den unregelmäßigen Leerungszeiten des in Anspruch genommenen Briefkastens der Deutschen Post lediglich vorgetragen, weil sie auf die ab und zu vorkommende Unzuverlässigkeit der Deutschen Post hinweisen wolle. Durch Schreiben vom 27. August 2014 sei die Verfahrensbevollmächtigte durch die Deutsche Post durch den als Anlage Ast 3 anliegenden Brief dahingehend benachrichtigt worden, dass es zu Unregelmäßigkeiten in der Postzustellung im Postzustellungsbezirk der Unterzeichnerin gekommen sei. Die nicht ordnungsgemäß beförderte Beschwerdebegründung war dem Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten an den Senat vom 6. Oktober 2014 nicht beigefügt.

Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, dass das Wiedereinsetzungsgesuch nicht ausreichend substantiiert und im Übrigen auch nicht glaubhaft gemacht worden sei.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Der Antrag des Antragstellers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist ist als unzulässig zu verwerfen, § 117 Abs. 5 FamFG i. V. m. §§ 234 Abs. 1 S. 2, 238 ZPO.

1.

Der Statthaftigkeit des Wiedereinsetzungsgesuchs des Antragstellers steht nicht entgegen, dass der Senat durch Beschluss vom 29. Juli 2014 die Beschwerde des Antragstellers als unzulässig verworfen hat. Insbesondere ist für den Fall der Verwerfung des Rechtsmittels über den Wiedereinsetzungsantrag gleichwohl noch zu entscheiden, da die Wiedereinsetzung rückwirkend dem Verwerfungsbeschluss die Grundlage entziehen würde (BGH FamRZ 2005, 791; BGH NJW 1992, 1898).

2.

Der Wiedereinsetzungsantrag des Antragstellers ist nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von einem Monat (§ 117 Abs. 5 FamFG i.V.m. § 234 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 BGB) gestellt worden, so dass er als unzulässig zu verwerfen ist.

Nach § 117 Abs. 5 FamFG i. V. m. § 234 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 BGB beträgt die Wiedereinsetzungsfrist einen Monat, wenn ein Beteiligter verhindert ist, die Frist zur Begründung der Beschwerde einzuhalten. Die Frist beginnt - da hier kein Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für ein beabsichtigtes Rechtsmittelverfahren vorliegt - mit der Kenntnis bzw. dem Kennen müssen der Fristversäumung (Musielak/Grandel, ZPO, 11. Auflage 2014, § 234 Rn. 1). Ausreichend ist in diesem Zusammenhang, wenn der Rechtsanwalt bei Anwendung äußerster Sorgfalt die Versäumung bzw. Wegfall des Hindernisses erkennen konnte (BGH NJW 2000, 592). Ob ein Verschulden des Beteiligten oder seines Vertreters vorliegt, ist nach einem objektiv-abstrakten Maßstab des § 276 Abs. 2 BGB zu beurteilen. Hinsichtlich des nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden anwaltlichen Verschuldens ist die Regel, die übliche, also berufsbedingt strenge Sorgfalt vorauszusetzen, so dass insoweit regelmäßig eine Fristversäumung verschuldet ist, wenn sie für einen pflichtbewussten Rechtsanwalt abwendbar gewesen wäre (Zöller/Greger, ZPO, 30. Auflage 2014, § 233 Rn. 12, 13).

Unter Anwendung dieser Sorgfaltsanforderungen war es der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers möglich, die Fristversäumung am 16. Juni 2014 zu erkennen. Denn spätestens an diesem Tag wäre die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers gehalten gewesen, beim Beschwerdegericht hinsichtlich des Eingangs ihrer Beschwerdebegründung nachzufragen (vgl. zur Nachfrageverpflichtung des Anwalts: BGH NJW 1993, 1332). Die Frist begann demnach am 16. Juni 2014 zu laufen, so dass der Wiedereinsetzungsantrag vom 8. August 2014 nicht mehr innerhalb der Monatsfrist eingegangen ist.

Der Vortrag des Antragstellers zum fehlenden Verschulden an der Fristversäumung ist in sich widersprüchlich und deshalb auch nicht glaubhaft gemacht. Der Antragsteller hat zunächst vorgetragen, dass die Postsendung mit der Beschwerdebegründung von der Verfahrensbevollmächtigten eigenhändig am 12. Juni 2014 in einen Briefkasten eingeworfen wurde, bei dem der Verfahrensbevollmächtigten die nicht fristgerechte und unregelmäßige Leerung bekannt war.

Im weiteren Schriftsatz vom 6. Oktober 2014 verweist der Antragsteller darauf, dass dies nur ein Vortrag im Hinblick auf das allgemeine Risiko des Verlustes von Postsendungen gewesen sein soll.

Selbst bei wohlwollender Auslegung kann der Vortrag des Antragstellers im Wiedereinsetzungsgesuch vom 8. August 2014 so nicht verstanden werden. Der Senat geht vielmehr davon aus, dass der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers beim Einwurf der Postsendung bewusst war, dass der von ihr benutzte Briefkasten unzuverlässig und unregelmäßig entleert wird.

Zwar ist es richtig, dass einem Verfahrensbeteiligten Verzögerungen oder sonstige Fehler bei der Briefbeförderung oder Briefzustellung durch die Deutsche Post AG nicht als Verschulden zugerechnet werden dürfen. Er darf vielmehr darauf vertrauen, dass die normalen Postlaufzeiten eingehalten werden. In seinem Verantwortungsbereich liegt es allein, das Schriftstück so rechtzeitig und ordnungsgemäß aufzugeben, dass es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Deutschen Post AG den Empfänger fristgerecht erreichen kann (BGH WuM 2012, 157; BGH FamRZ 2010, 726). Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, ergeben sich für den Beteiligten bzw. für den Verfahrensbevollmächtigten grundsätzlich keine weiteren Sorgfaltsanforderungen.

Anders ist es aber dann, wenn der Beteiligte bzw. der Verfahrensbevollmächtigte gewusst hat oder hätte wissen können, dass mit einer normalen und üblichen Postbeförderung nicht zu rechnen war. Dies ist zum Beispiel bei einem Poststreik der Fall (vgl. BGH NJW 1993, 1332). In diesem Fall ergeben sich dann gesteigerte Sorgfaltsanforderungen, insbesondere die Verpflichtung zur Nachfrage, ob das Schriftstück das Gericht erreicht hat (vgl. BGH a.a.O., Rn. 8).

3.

Dieser Rechtsgedanke ist auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Insbesondere wäre die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers verpflichtet gewesen nach Ablauf einer angemessenen Frist beim Beschwerdegericht nachzufragen, ob die Postsendung angekommen ist.

Zweifel an einer ordnungsgemäßen Beförderung der Sendung auf dem Postweg hätten bei der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers schon kurze Zeit nach dem Einwerfen des Schriftstücks entstehen müssen. Denn da ihr nach eigenem Vortrag bewusst war, dass der Briefkasten unzuverlässig und unregelmäßig geleert wurde, konnte sie schon zum Zeitpunkt des Einwurfs des Schriftstücks nicht von einer üblichen und zuverlässigen Beförderung ausgehen. Dieses erhöhte Risiko hat sich nach dem eigenen Vortrag der Antragstellerin auch tatsächlich realisiert.

Somit hätte die Antragstellerin spätestens nach einer Frist von drei Tagen - also spätestens am 16. Juni 2014 - beim Beschwerdegericht nachfragen müssen, ob ihre Beschwerdebegründung eingegangen ist. Der Senat hält diese Frist unter Berücksichtigung einer normalen Postlaufzeit von einem Tag für angemessen.

Dadurch, dass sie dies nach eigenem Vortrag unterließ, hat sie schuldhaft die Fristversäumnis nicht erkannt (vgl. BGH NJW 1993, 1332). Dies führt dazu, dass die Wiedereinsetzungsfrist bereits am 16. Juni 2014 begonnen hat, so dass spätestens bis zum 16. Juli 2014 ein Wiedereinsetzungsantrag hätte gestellt werden müssen Das Wiedereinsetzungsgesuch vom 8. August 2014 ist demnach verspätet.

Nicht gehört werden kann der Antragsteller mit dem Vortrag, dass aufgrund der noch ausreichend zur Verfügung stehenden Frist von mehr als 14 Tage auch bei einer unregelmäßigen Leerung noch mit einem fristgerechten Eingang der Beschwerdebegründung beim Beschwerdegericht hätte gerechnet werden können. Denn dadurch, dass nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers der von der Verfahrensbevollmächtigten benutzte Briefkasten unzuverlässig und unregelmäßig entleert wird, ergab sich nicht nur das Risiko einer verzögerten Beförderung, sondern auch das Risiko, dass der Briefkasten entweder überhaupt nicht oder so unzuverlässig geleert wird, dass ein erhöhtes Verlustrisiko von Briefsendungen besteht. Diese Überlegung wird auch durch den tatsächlichen Geschehensablauf insoweit bestätigt, als die Briefsendung nach dem eigenen Vortrag der Antragstellerin tatsächlich verloren gegangen ist.

4.

Da das Rechtmittel des Antragstellers bereits als unzulässig verworfen wurde, sind im Rahmen der hiesigen Kostenentscheidung dem Antragsteller die Kosten des Wiedereinsetzungsverfahrens aufzuerlegen (vgl. Musielak/Grandel, ZPO, 11. Auflage 2014, § 238 Rn. 8).

5.

Da die Beschwerde des Antragstellers ist unzulässig zu verwerfen ist und auch die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung nicht vorliegen, hat die Rechtsverfolgung in der Beschwerdeinstanz keine Aussicht auf Erfolg, § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 114 ZPO.