BGH, Urteil vom 10.10.2008 - V ZR 175/07
Fundstelle
openJur 2011, 5064
  • Rkr:
Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 18. Juni 2007 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 19. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.

Die Beklagten tragen die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Beklagten sind Gesellschafter der L. GbR (Gesellschaft). Die Gesellschaft erwarb 1994 ein bebautes Grundstück in D., um dieses nach Teilung gemäß § 8 WEG als Wohnungs- bzw. Teileigentum weiterzuverkaufen. Mit Notarvertrag vom 17. November 1994 kauften der Kläger und seine Lebensgefährtin für 176.000 DM eine der Eigentumswohnungen und eine Garage. Zum Abschluss des Kaufvertrags kam es, nachdem die Herren D. und H. dem Kläger und seiner Lebensgefährtin eine Berechnung vorgelegt hatten, nach welcher die Miete für die Wohnung monatlich 556 DM, die Miete für die Garage monatlich 420 DM, die Belastung durch den Kauf bei vollständiger Finanzierung nach Steuern monatlich 68,10 DM betrage und die Gesellschaft auf die Dauer von drei Jahren die Mieten garantiere.

Der Kaufpreis wurde von der C. AG (C. ) finanziert. Die Gesellschaft verwaltete Wohnung und Garage für den Kläger und seine Lebensgefährtin. Sie garantierte auf die Dauer von drei Jahren die Zahlung der Mieten für Wohnung und Garage und überwies nach Abzug von Instandhaltungs- und Verwaltungskosten an den Kläger und seine Lebensgefährtin monatlich 910 DM. Zins und Tilgung auf die von der C. gewährten Darlehen leistete der Kläger allein.

Tatsächlich war die Garage in der Vergangenheit für monatlich 420 DM als Lager vermietet gewesen. Das Mietverhältnis war seit September 1994 beendet. Bei Abschluss des Kaufvertrags stand die Garage leer. Ihre Vermietung für monatlich 420 DM gelang nicht mehr.

Nach Ablauf der Garantiezeit war der Kläger nicht mehr in der Lage, die bei der C. aufgenommenen Darlehen zu bedienen und seine Verpflichtungen gegenüber der Eigentümergemeinschaft zu erfüllen. Wohnung und Garage wurden zwangsversteigert. Der Erlös reichte nicht aus, die zum Erwerb aufgenommenen Darlehen vollständig zurückzuführen und die Belastungen und Kosten zu decken, die dem Kläger im Zusammenhang mit dem Kauf entstanden waren.

Der Kläger hat geltend gemacht, seine Belastung aus dem Kauf habe von Anfang an den Betrag von monatlich 68,10 DM überstiegen. Der vereinbarte Kaufpreis sei sittenwidrig überhöht, die Gesellschaft habe ihn durch D. und H. fehlerhaft beraten und den Leerstand der Garage bei den Vertragsverhandlungen verschwiegen. Er hat beantragt, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, ihn von seinen Verpflichtungen gegenüber der C. und der Wohnungseigentümergemeinschaft freizustellen, 25.097,47 € Schadensersatz zuzüglich Zinsen an ihn zu bezahlen und festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, ihm die Schäden zu ersetzen, die ihm aus dem Abschluss des Kaufvertrags künftig entstünden.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Gründe

I.

Das Berufungsgericht verneint die geltend gemachten Ansprüche. Dass der vereinbarte Kaufpreis sittenwidrig überhöht sei, könne ebenso wenig festgestellt werden wie das Zustandekommen eines Beratungsvertrages zwischen den Parteien. Die dem Kläger und seiner Lebensgefährtin übergebene Musterberechnung habe nicht auf Angaben zu der tatsächlichen Steuerbelastung beruht und sei ausdrücklich als unverbindlicher Finanzierungsvorschlag bezeichnet gewesen. Die geltend gemachten Ansprüche seien auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen begründet. Im Hinblick auf die übernommene Garantie habe die Gesellschaft den Kläger und seine Lebensgefährtin ohne besondere Frage nicht über den Leerstand der Garage aufklären müssen.

II.

Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Auf die Angriffe der Revision gegen die Verneinung des Zustandekommens eines Beratungsvertrags zwischen dem Kläger und seiner Lebensgefährtin einerseits und der Gesellschaft andererseits durch das Berufungsgericht kommt es nicht an. Die von dem Kläger geltend gemachten Ansprüche sind schon unter dem Gesichtspunkt der schuldhaften Verletzung der Pflichten der Gesellschaft bei den Vertragsverhandlungen begründet, für die die Beklagten entsprechend § 128 Satz 1 HGB einzustehen haben.

2. a) Im Rahmen von Vertragsverhandlungen, in denen die Parteien entgegengesetzte Interessen verfolgen, besteht für jeden Vertragspartner die Pflicht, den jeweils anderen über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck vereiteln können und für den Entschluss zum Abschluss des Vertrags von wesentlicher Bedeutung sind, sofern die Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwartet werden kann (st. Rspr., vgl. Senat, Urt. v. 2. März 1979, V ZR 157/77, NJW 1979, 2243; Urt. v. 25. Juni 1982, V ZR 143/81, WM 1982, 960, 961; Urt. v. 26. Januar 1996, V ZR 42/94, NJW-RR 1996, 690; Urt. v. 19. Mai 2006, V ZR 264/05, NJW 2006, 3139, 3141, insoweit in BGHZ 168, 35 ff. nicht wiedergegeben). Ebenso besteht die Pflicht, dem Vertragspartner keine Umstände vorzuspiegeln, die für dessen Entscheidung wesentlich sein können, in Wirklichkeit jedoch nicht vorliegen (Senat, Urt. v. 24. November 1995, V ZR 40/94, NJW 1996, 451, 452). Ein zur Darstellung der Belastung aus dem Kauf von Wohnungs- und Teileigentum zur Vermögensbildung bestimmtes Berechnungsbeispiel ist dazu bestimmt, in dem Umworbenen den Entschluss zum Kauf zu erwecken oder zu bestärken. Die in dem Beispiel angegebenen Mieten bilden die Grundlage der Berechnung. Der Gedanke, dass diese tatsächlich nicht erzielt werden, liegt für den Kaufinteressenten fern. Für ihn erscheint als selbstverständlich, dass die Angaben des Verkäufers zu der oder den erzielten Mieten zutreffend sind. Verhält es sich so nicht, muss der Verkäufer daher auch ohne Frage hierüber aufklären.

b) Daran ändert sich nicht dadurch etwas, dass die Angaben zu den Mieterlösen Bestandteil eines "unverbindlichen Finanzierungsvorschlags" sind und der Verkäufer das Risiko des Ausbleibens von Mietzahlungen durch den Abschluss eines Garantievertrags zeitweilig übernimmt. Bei vollständiger Finanzierung des Kaufpreises kann der Erwerb von Immobilieneigentum allenfalls dann zu wirtschaftlichem Erfolg führen, wenn ein nachhaltiges Leerstandsrisiko nicht besteht. So verhält es sich von vornherein nicht, wenn das Kaufobjekt oder wesentliche Teile von diesem - wie hier die Garage - schon bei Abschluss des Kaufvertrags nicht zu den in den Verhandlungen angegebenen Konditionen vermietet sind. Die Bezeichnung eines Berechnungsbeispiels als "unverbindlich" ändert hieran nichts. Der Verkäufer erweckt durch die Übergabe des Beispiels die Annahme, die in diesem angegebenen Mieten würden erzielt. Der Käufer muss zwar damit rechnen, das Risiko eines künftigen Leerstands zu tragen. Er kann und braucht jedoch nicht davon auszugehen, dass er nicht nur dieses Risiko trägt, sondern sein Erwerb von Anfang nicht mehr als eine Spekulation auf eine künftige Vermietbarkeit zu den von dem Verkäufer in den Kaufvertragsverhandlungen angegebenen Konditionen bedeutet.

c) Das gilt auch dann, wenn der Verkäufer das Leerstandsrisiko durch die Vereinbarung einer Garantie zeitlich beschränkt übernimmt. Eine auf die Dauer von drei Jahren befristete Garantie stellt bei einer vollständigen Finanzierung des Kaufpreises keine nachhaltige Sicherung des Käufers dar, die den Verkäufer von der Verpflichtung zur Aufklärung über die tatsächlichen Umstände der Vermietung befreien könnte (vgl. BGH, Urt. v. 15. Juni 2000, III ZR 305/98, ZfIR 2000, 606, 607). So liegt es insbesondere, wenn sich die angeblich erzielte Miete wie im vorliegenden Fall auf einen ungewöhnlich hohen Betrag beläuft.

d) Auf die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat von den Beklagten aufgeworfene Frage, ob es der Gesellschaft gemäß § 278 Satz 1 BGB zuzurechnen ist, dass D. und H. die gebotene Aufklärung über den Leerstand der Garage unterlassen haben, kommt es nicht an. Die Pflicht zur Aufklärung traf die Gesellschaft. Der Vorwurf, die Aufklärung pflichtwidrig unterlassen zu haben, entfiele nicht, wenn sich die Gesellschaft zur Werbung des Klägers und seiner Lebensgefährtin nicht der Tätigkeit von D. und H. als Verhandlungsgehilfen bedient hätte.

e) Dass der Kläger und seine Lebensgefährtin bei Aufklärung über den Leerstand der Garage den Vertrag vom 17. November 1994 nicht abgeschlossen hätten, ergibt sich schon daraus, dass der Kaufpreis vollständig finanziert wurde und der Kläger zur Bedienung seiner Darlehensverpflichtungen darauf angewiesen war, die für die Garage angegebene Miete dauerhaft zu erhalten. Dass der Kläger durch den Abschluss des Kaufvertrags und die durch diesen bedingte Notwendigkeit zur Darlehensaufnahme nachhaltig in seiner wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit beeinträchtigt wurde und schon deshalb unabhängig von der Höhe des vereinbarten Kaufpreises und dem Wert des Wohnungs- und Teileigentums durch den Abschluss des Kaufvertrags einen Schaden erlitten hat (vgl. Senat, Urt. v. 30. März 2007, V ZR 89/06, ZfIR 2007, 797, 798), ist offensichtlich und wird von den Beklagten auch nicht in Abrede gestellt. Die Gesellschaft und damit die Beklagten schulden dem Kläger als Ersatz Freistellung von den im Zusammenhang mit dem Kauf der Wohnung und der Garage gegen den Kläger begründeten Forderungen, den von dem Landgericht erkannten Betrag nebst Zinsen und den Ersatz derjenigen Schäden, die dem Kläger durch den Abschluss des Kaufvertrags noch entstehen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 100 ZPO.

Krüger Klein Stresemann Czub Roth Vorinstanzen:

LG Essen, Entscheidung vom 19.10.2006 - 16 O 239/04 -

OLG Hamm, Entscheidung vom 18.06.2007 - 22 U 8/07 -