LG Bamberg, Urteil vom 05.08.2014 - 1 HK O 31/13
Fundstelle
openJur 2014, 21767
  • Rkr:
Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, Produkte der Klägerin die mit Warencodierungen oder ähnlichen Kontrollnummern der Klägerin versehen sind, ohne diese Warencodierungen oder ähnliche Kontrollnummern der Klägerin anzubieten, zu vertreiben, in den Verkehr zu bringen und/oder diese Handlung durch Dritte vornehmen zu lassen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, Auskunft über seine Bezugsquelle des unter dem Bestelldatums des 20.06.2013, Bestellnummer xxx, Rechnungsnummer xxx, Kundennummer xxx, verkauften „Heckträger xxx für 2 Räder incl. Transportasche zu erteilen.

3. Die Widerklage wird abgewiesen.

4. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 36.000,-- EUR vorläufig vollstreckbar.

6. Der Geschäftswert wird festgesetzt auf 39.366,64 EUR; bis zur Teilrücknahme der Widerklage mit Schriftsatz vom 20.03.2014 auf 43.258,28 EUR.

Tatbestand

Beide Parteien vertreiben Fahrradträger für Pkw, die Klägerin als Hersteller, der Beklagte als Einzelhändler.

Seit dem Jahr 2013 vertreibt die Klägerin die von ihr hergestellten Fahrradträger über ein selektives Vertriebssystem, dergestalt, dass der Vertrieb ausschließlich an Groß-, Zwischen- und Einzelhändler erfolgt, die von ihr als „autorisierter xxx-Fachhändler“ zertifiziert worden sind, zu diesem Personenkreis gehört der Beklagte nicht. Mit ihren autorisierten Händlern schließt die Klägerin Vertriebsverträge, in denen insbesondere untersagt wird, die Produkte der Klägerin an Händler außerhalb des selektiven Vertriebssystems weiter zu veräußern.

Die Klägerin versieht sowohl die Umverpackung ihrer Fahrradträger als auch die Träger selbst mit Kontrollnummern, die sowohl eine Rückverfolgung des Herstellungsprozesses als auch der Vertriebswege ermöglichen.

Bei einem Ende Juni 2013 durchgeführten Testkauf ließ die Klägerin beim Beklagten einen Fahrradträger der Typbezeichnung „xxx“ erwerben, von diesem Fahrradträger waren sowohl auf der Umverpackung als auch auf dem Träger selbst die von der Klägerin selbst aufgebrachten Kontrollnummern entfernt worden. Eine vorgerichtlich geforderte Unterlassungserklärung hat der Beklagte nicht abgegeben.

Die Klägerin trägt vor, für die Aufnahme in ihr selektives Vertriebssystem als „autorisierter xxx-Händler“ seien ausschließlich qualitative Kriterien maßgebend, die Klägerin sei der einzige Hersteller, der vergleichbare Produkte in Deutschland fertige und müsse daher besonderen Qualitätsanforderungen genügen, auch was Service und Beratung angehe. Preiskriterien spielten keine Rolle. Die Preisempfehlungen der Klägerin seien unverbindlich. Der Beklagte sei im Januar 2013 zur Autorisierung als xxx-Fachhändler aufgefordert worden und habe zunächst nicht reagiert. Der während des Rechtsstreits angestoßene Autorisierungsprozess sei negativ verlaufen, weil der Beklagte die Anforderungen nicht erfülle, insbesondere nur über ein Lager, aber über kein Ladengeschäft verfüge.

Die Klägerin beantragt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, Produkte der Klägerin die mit Warencodierungen oder ähnlichen Kontrollnummern der Klägerin versehen sind, ohne diese Warencodierungen oder ähnliche Kontrollnummern der Klägerin anzubieten, zu vertreiben, in den Verkehr zu bringen und/oder diese Handlung durch Dritte vornehmen zu lassen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, Auskunft über seine Bezugsquelle des unter dem Bestelldatums des 20.06.2013, Bestellnummer xxx, Rechnungsnummer xxx, Kundennummer xxx, verkauften „Heckträger xxx für 2 Räder incl. Transportasche zu erteilen.

Der Beklagte beantragt

die Klage abzuweisen.

Das Vertriebssystem der Klägerin diene nur zur Durchsetzung eines Mindestpreises, was sich insbesondere daraus ergebe, dass der Angestellte xxx der Klägerin seit dem Jahr 2008 beim Beklagten und dessen Zulieferern habe darauf hinwirken wollen, dass dieser sich an die Preisvorgaben der Klägerin halte; später habe dann eine „schwarze Liste“ kursiert und es seien Großhändler veranlasst worden, an Einzelhändler, die auf dieser schwarzen Liste standen, darunter den Beklagten, nicht mehr auszuliefern.

Er habe sich noch bis Frühjahr 2013 bei verschiedenen Großhändlern eindecken können, seit Juli 2013 sei er, weil die Klägerin entsprechenden Druck entfaltet habe, nicht mehr beliefert worden. Die Nummern auf dem von der Klägerin erworbenen Träger habe nicht er entfernt.

Alle Aktivitäten der Klägerin drehten sich nur um das Preisgefüge.

Durch die Nichtbelieferung durch die Klägerin bzw. durch deren rechtswidrige Einflussnahme auf die Großhändler habe er keine Träger mehr erhalten können, die er aber ohne weiteres hätte gewinnbringend absetzen können. Die letzte Lieferung habe er am 17.04.2013 über die (gleichfalls vom Beklagten geführte) xxx erhalten, der von der Klägerin erworbene Träger stamme möglicherweise aus dieser Lieferung, möglicherweise aber auch aus einer Lieferung des Zeugen xxx oder der Firma xxx. Genauer könne er es nicht rekonstruieren.

Im Jahr 2013 habe er wegen der Aktivitäten der Klägerin 9.366,64 EUR Nettogewinn weniger erzielen können (Anlage B 30), die er widerklagend geltend macht. Zunächst hatte der Beklagte Widerklage in Höhe von 13.258,28 EUR erhoben, mit Schriftsatz vom 20.03.2014 hat er zuletzt

beantragt,

die Klägerin zu verurteilen, an den Beklagten und Widerkläger 9.366,64 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.11.2013 zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen xxx im Termin vom 15.04.2014; weiter des Zeugen xxx im Termin vom 15.07.2014. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen, weiter wird Bezug genommen auf den Akteninhalt, insbesondere die gewechselten Schriftsätze der Parteien und ihre Anlagen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin kann aus § 8, 4 Nr. 10 UWG vom Beklagten verlangen, dass diese es unterlässt, Fahrradträger der Klägerin mit entfernten Kontrollnummern zu vertreiben. Das Vertreiben von Waren mit entfernten Kontrollnummern stört das selektive Vertriebssystem der Klägerin und stellt damit eine Behinderungsmaßnahme gemäß § 4 Nr. 10 UWG dar (Köhler/Bornkamm, 32. Auflage 2014, Randnr. 10. 64 zu § 4 UWG mit weiteren Nachweisen). Ob der Beklagte die Nummer selbst entfernt hat, ist nicht relevant.

Das durch Kontrollnummern abgesicherte selektive Vertriebssystem der Klägerin ist auch schutzwürdig, denn ein Verstoß gegen Europäisches oder Deutsches Kartellrecht ist nicht ersichtlich.

Insbesondere hat die Beweisaufnahme nicht bestätigt, dass eine Preisvorgabe der Klägerin (über eine zulässige unverbindliche Preisempfehlung für den jeweiligen Träger hinaus) Gegenstand des im selektiven Vertriebssystem angewendeten Vertragswerks ist. Dass die Klägerin, wie von mehreren Zeugen berichtet, vor Einrichtung des selektiven Vertriebssystems durch ihren Mitarbeiter xxx versuchte, durch rechtlich fragliche Maßnahmen (schwarze Listen) die Einhaltung ihrer Mindestpreisvorstellungen gegenüber dem Beklagten zu erreichen, kann nicht auf das später eingerichtete selektive Vertriebssystem „durchschlagen“; maßgeblich ist allein, ob das später errichtete und jetzt bestehende selektive Vertriebssystem gegen Europäisches oder Deutsches Kartellrecht verstößt, was nach den getroffenen Feststellungen nicht der Fall ist:

Das selektive Vertriebssystem der Klägerin betrifft einen rein qualitativen Selektivvertrieb, quantitative Maßnahmen der Klägerin sind weder vorgetragen nocht ersichtlich. Die Zulässigkeit qualitativer Vertriebssysteme ist grundsätzlich anerkannt, wenn beispielsweise bei technischen Produkten nur auf diese Weise zu gewährleisten ist, dass sie richtig gebraucht werden und ihre Qualität zum Tragen kommt (BGHZ 142, 192 Randnr. 37 bei JURis m.w.N., Köhler/Bornkamp, 32. Auflage 2014, Randnr. 10.65 zu § 4 UWG). Diese Voraussetzung ist nach Beurteilung der Kammer für ein hochpreisiges, in Deutschland gefertigtes Autozubehörteil mit hoher Sicherheitsrelevanz der richtigen Handhabung – nämlich einen außerhalb des Fahrzeugs montierten Fahrradtransporträger – ohne weiteres gegeben.

Die Beweisaufnahme hat auch nicht ergeben, dass andere als qualitative Kriterien (wie aufgeführt im Klägerschriftsatz vom 07.01.2014 - Bl. 57 ff. d.A.) zur Anwendung kommen. Insbesondere hat keiner der Zeugen bestätigt, dass die Einhaltung eines vorgegebenen Mindestpreises Anforderung für die Aufnahme in das selektive Vertriebssystem der Klägerin gewesen sei; Der Zeuge xxx hat angegeben, dass die Firma xxx den Beitritt zum selektiven Vertriebssystem vor allem deshalb abgelehnt habe, weil ihr vorgeschrieben werden sollte, an wen sie verkaufen dürfe und vor allem an wen sie nicht verkaufen dürfe, dazu sei sie nicht bereit gewesen. Der Zeuge xxx hat (für die Firma xxx) mitgeteilt, dass eine Aufnahme in das selektive Vertriebssystem der Klägerin aus gleichen Erwägungen führt diese Firma nicht in Betracht kam, über Preise sei mit der Klägerin „so gut wie nie“ geredet worden, die habe man selbst kalkuliert. Der Zeuge xxx war als Mitarbeiter der Firma xx nicht mit dem Abschluss eines Vertriebsvertrags befasst und hat nicht bestätigt, dass von seiner (d.h. der Fa. xxx) Produktmanagerin oder von der Klägerin Preisvorgaben gegenüber dem Beklagten zu stellen waren. Der Zeuge xxx hat gar nicht erst versucht dem selektiven Vertriebssystem beizutreten; der Versuch des Beklagten schließlich ist aus Sicht der Klägerin am fehlenden Ladengeschäft gescheitert.

Dies alles entkräftet nicht die Aussage des Zeugen xxx, dass andere als die von der Klägerin bezeichneten qualitativen Vorgaben nicht Gegenstand der Autorisierung als Mitglied des selektiven Vertriebssystem sind.

Die von der Klägerin aufgestellten Kriterien gehen auch nicht über das erforderliche hinaus, sondern beziehen sich auf fachliche Eignung des Wiederverkäufers, seines Personals und auf die sachliche Ausstattung des Betriebs.

Dass, wie der Beklagte vorträgt, einzelne von ihm benannte Händler einzelne objektive Kriterien nicht erfüllen, ändert daran nichts: Die praktische Lückenlosigkeit des selektiven Vertriebssystem ist als Voraussetzung von der Rechtssprechung aufgegeben worden (BGHZ 142, 192). Auch gegenüber dem Beklagten konnte das selektive Vertriebssystem ja erst nach der letzten Belieferung im April 2013 bzw. mit dem streitgegenständlichen Rechtsstreit durchgesetzt werden.

Aus §§ 8, 4 UWG i.V.m. § 242 BGB folgt auch der Anspruch der Klägerin auf Auskunft darüber, von welchem Zwischen- oder Großhändler der Beklagte den beim Testkauf von der Klägerin erworbenen Träger bezogen hat. Das Recht auf Drittauskunft ist im Falle einer solchen Wettbewerbsverletzung anerkannt (BGHZ 148, 26). Der Beklagte hat den Auskunftsanspruch während des Prozesses noch nicht erfüllt, insbesondere nicht angegeben, konkret welchem seiner unterschiedlichen Bezugskanäle der erworbene Träger zuzuordnen ist.

Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Klägerin die Belieferung des Beklagten zurecht nicht vorgenommen bzw. unterbunden hat. Das selektive Vertriebssystem ist kartellrechtlich unbedenklich und damit schutzwürdig, seine Einhaltung nicht rechtswidrig. Ein Schadensersatzanspruch des Beklagten ist also nicht gegeben, die Widerklage ist unbegründet.

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 709 ZPO (Vorläufige Vollstreckbarkeit), 91 ZPO (Kosten), 3 ZPO (Streitwert).

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