LG Köln, Urteil vom 20.11.2013 - 28 O 293/13
Fundstelle
openJur 2014, 20407
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin ist die einzige in Deutschland bestehende Wahrnehmungsgesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte. Sie verwaltet durch Berechtigungsverträge mit Komponisten, Textdichtern und Musikverlegern sowie durch Gegenseitigkeitsverträge mit ausländischen Verwertungsgesellschaften ein weltumfassendes Repertoire. Sie ist berechtigt, die sich aus dem Urheberrecht ergebenden Rechte in eigenem Namen geltend zu machen. Aufgrund dieser Berechtigung hat die Klägerin für unterschiedliche Arten von Nutzungen Tarife aufgestellt, auf deren Grundlage sie Nutzungsrechte einräumt.

Die Beklagte verwaltet einen Ferienhauspark in Butjadingen mit dem Namen T2. Dieser Park besteht als eigenständige Rechtspersönlichkeit nicht. Es handelt sich vielmehr um im Privateigentum stehende Ferienhäuser, von denen jeweils unterschiedliche Zahlen zu Wohnungseigentümergemeinschaften zusammengefasst sind. Die Beklagte verwaltet die gemeinsamen Angelegenheiten der auf dem "T2" angesiedelten Wohnungseigentümergemeinschaften und Einzeleigentümer, ohne dabei im eigenen Namen Verträge einzugehen. Weiterhin betreibt die Beklagte die Vermietung eines erheblichen Teils der auf dem Areal befindlichen Ferienwohnungen. Die Beklagte tritt dabei nicht selbst als Vermieter auf, sondern vermittelt lediglich die Verträge, die zwischen dem Feriengast und dem Eigentümer der Wohnung zustande kommen.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung der Vergütung nach ihrem Tarif WR-S 1 "für die Weiterleitung von Musik durch eine Verteileranlage an Empfangsgeräte in Hotels, Pensionen, Gasthöfen etc." betreffend die Jahre 2011 und 2012 in Anspruch. Auf die vorgerichtlichen Rechnungen und mehrmaligen Mahnungen zahlte die Beklagte nicht.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte sei einem Hotelbetreiber vergleichbar. Auch dort sei es regelmäßig so, dass dieser nicht Eigentümer des Hotelobjektes sei, so dass es hierauf nicht ankomme. Maßgeblich sei, dass die Beklagte die Ferienhäuser an die Reisegäste vermittele und entsprechend für die Nutzungen innerhalb der Ferienhäuser verantwortlich sei. Durch die Bereitstellung der einzelnen mit Fernsehgeräten ausgestatteten Ferienhäuser an die jeweiligen Mieter habe sie eine adäquat kausale Ursache gesetzt. Denn schon die Bereitstellung des Endempfangsgerätes, über welches das Signal den Mietern der Ferienwohnung zugänglich gemacht worden sei, erfülle den Tatbestand. Dass die Beklagte lediglich als Mietvermittlerin auftrete, entlaste sie nicht. Denn auch wenn sie ausdrücklich darauf hinweise, im Namen und auf Rechnung des Eigentümers tätig zu werden, mache sie doch den Abschluss des Vertrages von ihrer Buchungsbestätigung abhängig (unstreitig), weshalb eine Direktvermietung durch den Eigentümer im selben Zeitraum ausgeschlossen sei. Die Wirksamkeit des Mietvertrages hänge also nicht von einer Einwilligung des Eigentümers sondern von der Bestätigung der Beklagten ab, so dass diese als maßgeblich handelnde Person anzusehen sei und es auf die dahinter stehende rechtliche Konstruktion zwischen ihr und den Wohnungseigentümern nicht ankomme. Die Beklagte stelle die Ferienwohnungen mit den Fernsehgeräten den Feriengästen zur Verfügung und ermögliche diesen dadurch den Empfang von Fernsehsignalen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie EUR 6.546,70 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.03.2013 und 8,00 EUR vorgerichtliche Kosten zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass der von der Klägerin zugrunde gelegte Tarif auf sie nicht anzuwenden sei. Sie übe keine Geschäftstätigkeit aus, die als Gastronomie- und Hotelbetrieb bezeichnet werden könne. Sie sei auch nicht Sendender im Sinne des Urheberrechtsgesetzes. Die Einspeisung erfolge durch die Firma L GmbH, die hierzu gegenüber den Verwertungsgesellschaften berechtigt sei. Zusätzliche Vergütungspflichten der Einzeleigentümer gegenüber der Klägerin bestünden nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen keine Ansprüche aus ihrem Tarif WR S1 gegen die Beklagte zu. Es fehlt an einer Verletzung von Urheberechten, zu deren Wahrnehmung die Klägerin berechtigt ist.

1. Die Beklagte beruft sich zur Anspruchsbegründung auf eine Verletzung des Senderechts gemäß § 20 UrhG und den diese Nutzungshandlung erfassenden Tarif WR S 1 für die Weiterleitung von Musik durch eine Verteileranlage an Empfangsgeräte in Hotels, Pensionen, Gasthöfen, etc.. Eine Verletzung des Senderechts gemäß § 20 UrhG durch die Beklagte liegt jedoch nicht vor, so dass der Tarif WR S1 nicht anwendbar ist.

a) Gemäß § 20 UrhG ist das Senderecht das Recht, das Werk durch Funk, wie Ton- und Fernsehrundfunk, Satellitenrundfunk, Kabelfunk oder ähnliche Mittel, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

aa) Nicht gegen § 20 UrhG verstößt damit der bloße Empfang einer Sendung. Wer empfängt, sendet nicht. Der Werkkonsum ist urheberechtsfrei (Dreier/Schulze, UrhG, § 20, Rz. 12).

bb) Problematisch ist allerdings die Frage der Abgrenzung zwischen Sende- und Empfangstätigkeit. So enthält die Weiterleitung eines Signals von einer Gemeinschaftsantennenanlage zu den angeschlossenen Endgeräten bereits eine Weiterleitung des Signals, so dass maßgebliche Bedeutung der Frage der Öffentlichkeit zukommt. Für die Abgrenzung entscheidend ist letztlich der soziale Vorgang des Sendens und die damit verbundenen besonderen Anstrengungen, die unternommen werden, um Rundfunksendungen zugänglich zu machen. Solche Anstrengungen können etwa in dem Bereitstellen von Empfangsgeräten liegen und dies unabhängig davon, ob diese eine fremde Sendung selbst empfangen oder ob es sich um unselbständige Empfangsstellen handelt (Dreier/Schulze, UrhG, § 20 Rz. 12).

Vor diesem Hintergrund stellt das Bereitstellen von Fernsehern in den Zimmern eines Hotels eine Sendung im Sinne des § 20 UrhG dar. Demgegenüber ist der organisierte Privatempfang in Mehrfamilienhäusern urheberechtlich grundsätzlich unerheblich, auch wenn das Signal über eine gemeinschaftliche Empfangsanlage an die einzelnen Wohneinheiten weiter geleitet wird.

b) Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie der vorliegende Sachverhalt einzuordnen ist.

aa) Fest steht zunächst, dass die Beklagte kein Signal zentral empfängt und an die einzelnen Wohneinheiten weiterleitet. Vielmehr wird das Signal von den Kabelnetzbetreibern aufgrund von Einzelverträgen mit den jeweiligen Wohnungseigentümern unmittelbar an die Endgeräte in den Wohnungen transportiert.

bb) Die Beklagte hat die Wohnungen auch nicht selbst mit den Endgeräten ausgestattet. Hier unterscheidet sich der Sachverhalt von demjenigen, der regelmäßig bei Hotels anzutreffen ist. Unabhängig von der Eigentumssituation - die in der Tat für sich betrachtet unerheblich ist - obliegt jedenfalls die Ausstattung der Hotelzimmer dem Hotelbetreiber. Indem dieser die Hotelzimmer mit Empfangsgeräten ausstattet, unternimmt er besondere Anstrengungen, um das Signal der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. An solchen tatsächlichen Anstrengungen fehlt es hier.

cc) Die Beklagte vermietet auch nicht die Wohnungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Ein solches Verhalten könnte den Tatbestand wiederum erfüllen, weil sich die Beklagte dann eine vorhandene Infrastruktur zunutze machen würde und bei wertender Betrachtung wie ein Hotelbetreiber anzusehen sein könnte. Da die Beklagte jedoch unstreitig nur verwaltet und vermittelt, liegt eine solche Situation nicht vor.

dd) Die Beklagte ist insoweit auch nicht wirtschaftlich als Vermieterin anzusehen. Sie weist ausdrücklich darauf hin, im Namen und auf Rechnung des Eigentümers tätig zu werden - insoweit unterscheidet sich die Situation von derjenigen eines Hotelbetreibers, der nicht zugleich Eigentümer ist. Sie trägt nicht das unternehmerische Risiko der Vermietung. Dass der Mietvertrag von ihrer Bestätigung abhängt, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Dies ist das übliche Verfahren, durch das Doppelbelegungen - möglicherweise auch im Verhältnis zum Eigentümer - verhindert werden sollen.

c) Die Beklagte ist mithin nicht Täterin einer Urheberrechsverletzung im Sinne des § 20 UrhG, da sie weder faktisch noch normativ besondere Maßnahmen ergriffen hat oder sich besondere Umstände zu Nutze macht, um ein Rundfunksignal öffentlich zugänglich zu machen.

Sie haftet auch nicht als Mittäterin, Gehilfin oder Störerin im Hinblick auf eine fremde Verletzung des Senderechts aus § 20 UrhG. Dies käme nur in Betracht, wenn die jeweiligen Eigentümer der Ferienwohnungen den Tatbestand verwirklichen würden. Dies ist jedoch nicht der Fall. Insoweit handelt es sich um reinen Privatempfang und nicht um eine Sendung. Der jeweilige Eigentümer hat in seiner Wohnung ein Empfangsgerät installiert, mit dem er das von dem Kabelnetzbetreiber unmittelbar an ihn transportierte Signal empfängt. Dieser Empfang ist urheberrechtsfrei. Er wird nicht dadurch zu einer Verletzung des Senderechts im Sinne des § 20 UrhG, weil die Wohnung an wechselnde Feriengäste vermietet wird. Auch wenn die sukzessive Herstellung von Öffentlichkeit grundsätzlich ausreicht, fehlt es bei der gebotenen wertenden Betrachtung gleichwohl an einer Sendung, da keine Maßnahmen ersichtlich sind, die über die Herstellung der Möglichkeit des Empfangs an einer singulären Abnahmestelle hinausgehen. Der einzelne Eigentümer stellt lediglich ein Empfangsgerät zur Verfügung, ohne besondere Anstrengungen zu entfalten, das Signal in einem bestimmten Bereich einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ein über den bloßen Empfang hinausgehendes Verhalten, das auf eine (Weiter-) Sendung des Werkes gerichtet ist, ist hierin nicht zu erkennen. Das mag anders zu beurteilen sein, soweit eine größere Anzahl von Wohneinheiten in der Hand eines Eigentümers ist, der diese vergleichbar ausstattet. Die Situation mag dann mit derjenigen eines Hotelbetreibers vergleichbar sein. Dass eine solche Situation vorliegend gegeben ist, hat indes die Klägerin selbst nicht vorgetragen.

2. Mangels Hauptforderung bestehen die Nebenansprüche ebenfalls nicht.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 708, 711 Nr. 11 ZPO.

4. Gegenstandswert: EUR 6.546,70

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