LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.12.2013 - L 5 KA 3838/12
Fundstelle
openJur 2014, 22001
  • Rkr:

Bei einem Schiedsspruch, mit dem von einer Schiedsperson ein Vertrag über die hausarztzentrierte Versorgung nach § 73b Abs. 4 SGB V festgesetzt wird, handelt es sich im Verhältnis zu den Vertragsparteien um einen Verwaltungsakt. Für Entscheidungen nach § 73b Abs. 4a SGB V gilt nichts anderes als für Entscheidungen der Schiedsämter nach § 89 SGB V. Dementsprechend ist gegen den Schiedsspruch die Anfechtungsklage zulässig. Für die inhaltliche Prüfung hochkomplexer Regelungen, wie Verträge über die hausarztzentrierte Versorgung mit weitreichenden Auswirkungen für Hausärzte und Krankenkassen, sind die §§ 317 bis 319 BGB nicht geeignet.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 25.04.2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf 1.680.000,00 EUR festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen den Schiedsspruch über den Vertrag zwischen ihr und den Beklagten über die hausarztzentrierte Versorgung nach § 73b Abs. 4 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V).

Nach der Bestimmung des § 73b Abs. 1 SGB V haben die Krankenkassen ihren Versicherten eine besondere hausärztliche Versorgung (hausarztzentrierte Versorgung) anzubieten. Zur flächendeckenden Sicherstellung dieses Angebotes mussten die Krankenkassen gem. § 73b Abs. 4 SGB V (in der zum 01.01.2009 in Kraft getretenen Fassung vom 15.12.2008, BGBl. I S. 2426) allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen spätestens bis zum 30.06.2009 Verträge mit Gemeinschaften schließen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung (im Folgenden: KV) vertreten. Können sich die Vertragsparteien nicht einigen, kann die Gemeinschaft die Einleitung eines Schiedsverfahrens nach näherer Maßgabe des § 73b Abs. 4a SGB V beantragen (§ 73b Abs. 4 Satz 2 SGB V).

Im Hinblick darauf fanden zwischen der Klägerin und den Beklagten in der ersten Jahreshälfte 2009 Verhandlungen statt. Da eine Einigung nicht zustande kam, beantragten die Beklagten die Durchführung des Schiedsverfahrens. Mit Bescheid vom 08.03.2010 bestellte das Bundesversicherungsamt den Vorsitzenden Richter am BSG a. D. Dr. E. zur Schiedsperson. Dagegen erhob die Klägerin am 09.04.2010 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (Verfahren S 5 KA 2172/10) und suchte außerdem um vorläufigen Rechtsschutz nach (Verfahren S 5 KA 2173/10 ER). Mit Beschluss vom 30.07.2010 (S 5 KA 2173/10 ER) wies das Sozialgericht den Antrag zurück. Die dagegen von der Klägerin eingelegte Beschwerde zum LSG Baden-Württemberg (Verfahren L 5 KA 4112/10 ER-B) wurde nach Ergehen des Schiedsspruchs vom 09.09.2010 zurückgenommen. Am 23.07.2010 hatte die Klägerin beim Sozialgericht Stuttgart - ebenfalls erfolglos (Beschluss vom 30.07.2010, S 10 KA 4471/10 ER) - um vorläufigen Rechtsschutz gegen die Terminfestsetzung durch die Schiedsperson nachgesucht. Diese führte am 03.08.2010 eine mündliche Verhandlung durch, an der die Klägerin nicht teilgenommen hat.

Mit Schreiben vom 07.04.2010 hatte die Klägerin der Schiedsperson mitgeteilt, dass sie mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht einverstanden sei. Mit Schreiben vom 20.04.2010 hatte die Klägerin eine Festsetzung auf der Grundlage des von ihr unterbreiteten Vertragsangebotes beantragt. Zu dem Vertragsentwurf der Beklagten hatte sie im Schreiben vom 29.04.2010 mit insgesamt 68 Einzelanträgen Stellung genommen und diese im Schreiben vom 01.09.2010 um folgende Sachanträge (Anträge 2 bis 5) ergänzt:

2. Bestimmung eines vollständigen Vertrages insbesondere einschließlich der Anlagen zum Hilfsmittel- und Arzneimittelmanagement.

2.1. Festlegung der Anlagen zum Hilfsmittel- und Arzneimittelmanagement entsprechend dem Vertragsangebot der Bahn-BKK, bei der eine zusätzliche Vergütung nur erfolgen würde, wenn auch im Übrigen ein Add-on-Vertrag festgesetzt wird. Im Hilfsmittelmanagement wäre die Malusregelung beizubehalten.

2.2. Festlegung der Anlagen zum Hilfsmittel- und Arzneimittelmanagement entsprechend dem Ergebnis einer mündlichen Verhandlung

3. Festlegung konkreter Vertragsinhalte zu den Vorgaben des § 73b Abs. 2 Satz 1 SGB V gemäß § 73b Abs. 5 Satz 1 SGB V

4. Bestimmung einer Obergrenze in Abhängigkeit von dem Bereinigungsvolumen

5. Festsetzung von vertretbaren und eindeutigen Fälligkeits-, Abrechnung- und Prüfungsregelungen

Die Klägerin hatte ferner die Durchführung eines Termins zur mündlichen Verhandlung beantragt (Antrag Ziff. 1).

Mit Schiedsspruch vom 09.09.2010 setzte die Schiedsperson den Vertragsinhalt des Vertrags über die hausarztzentrierte Versorgung nebst Anlagen fest. Der Vertrag trat mit dem 15.09.2010 in Kraft (§ 16 Abs. 1 Satz 1 des Vertrages). In der Begründung des Schiedsspruchs ist unter anderem ausgeführt, die Schiedsperson werde als Vertragshelfer und nicht als Behörde tätig, weswegen der Schiedsspruch nicht als Verwaltungsakt (§ 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch, SGB X) einzustufen sei. Der Vertrag werde in Ausübung billigen Ermessens als die gesamte hausärztliche Versorgung (einschließlich der bisherigen durch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) sicherzustellenden Regelversorgung) erfassender Vollversorgungs- oder Bereinigungsvertrag und nicht als „Add-on-Vertrag“ festgelegt. Dies entspreche der Absicht des Gesetzgebers, der mehr Wettbewerb unter den Krankenkassen habe schaffen wollen. Die hausarztzentrierte Versorgung stelle ein eigenständig und einzelvertraglich (selektivvertraglich) zu regelndes Vollversorgungssystem dar, das an die Stelle der hausärztlichen Regelversorgung trete; die entsprechenden Selektivverträge beschränkten sich damit nicht auf die Vereinbarung einiger zusätzlicher Leistungen zur ansonsten im Kollektivvertragssystem verbleibenden hausärztlichen Versorgung. Die in § 73b Abs. 4 Satz 6 SGB V vorgesehene Beschränkung des Sicherstellungsauftrags der KV sei bei einem bloßen „Add-on-System“ nicht sinnvoll; entsprechendes gelte für die Bestimmungen über die Bereinigung der Gesamtvergütung (§ 73b Abs. 7 Satz 2 ff. SGB V). Der Vollversorgungsvertrag ermögliche es den Krankenkassen und den Hausärztegemeinschaften, strukturelle Verbesserungen in der Leistungserbringung für die Versicherten vorzunehmen, während Add-on-Verträge hierfür nur punktuelle Ansätze bieten könnten; letztere führten auch nicht zwangsläufig zu niedrigeren Vergütungen für hausärztliche Leistungen. Der festgelegte Vertragsinhalt entspreche den gesetzlichen Anforderungen und führe zu einer Verbesserung der hausärztlichen Versorgung. Die Forderungen der Krankenkassen in Schiedsverfahren des KV-Bezirks Bayern würden voll erfüllt; teilweise gehe der Vertragsinhalt noch darüber hinaus. Hinsichtlich der Vergütungsregelungen würden die wirtschaftlichen Risiken der Krankenkassen begrenzt; den durch die Vergütung der hausarztzentrierten Versorgungsleistungen bedingten Mehrausgaben stünden Einsparungen gegenüber. Dem Schiedsspruch war die Rechtsmittelbelehrung beigefügt, er sei gerichtlich mit der Gestaltungsklage und im Wege der Inzidentkontrolle mit der Leistungsklage gegen den anderen Vertragspartner anfechtbar.

Die Klägerin wandte sich zunächst gegen die in der Anlage 6 des Vertrags festgelegte „Teilnahmeerklärung Hausarztprogramm“, die sie für rechtswidrig hielt, weil sie ihren Satzungsregelungen widerspreche. Einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz der Klägerin mit dem Ziel, es den Beklagten zu untersagen, Erklärungen ihrer Versicherten nach Anlage 6 herbeizuführen, lehnte das Sozialgericht mit Beschluss vom 05.01.2011 (S 10 KA 5750/10 ER) ab; die dagegen gerichtete Beschwerde wies der erkennende Senat mit Beschluss vom 16.05.2011 (L 5 KA 362/11 ER-B) zurück.

Am 09.09.2011 erhob die Klägerin vor dem Sozialgericht Stuttgart Klage gegen die Beklagten und beantragte festzustellen, dass der (Teil-)Schiedsspruch der Schiedsperson vom 09.09.2010 unwirksam sei. Hilfsweise beantragte sie, die Inkrafttretens-Regelung des § 16 Abs. 1 Satz 1 HzV-Vertrag um den Zusatz „der Vertrag tritt nicht in Kraft, bevor nicht sämtliche Anlagen zum Vertrag durch die Parteien vereinbart oder durch weiteren Schiedsspruch festgesetzt wurden" zu ergänzen. Zur Begründung ihrer Klage führte die Klägerin aus, dass der Schiedsspruch kein Verwaltungsakt sei. Die Erhebung einer Anfechtungs- und/oder Verpflichtungsklage sei deshalb nicht statthaft. Gleiches gelte für die Erhebung einer Leistungsklage, da die Ersetzung eines gesamten Vertrages durch Urteil nicht statthaft sein dürfte. Richtiger Beklagter sei deshalb nicht die Schiedsperson. Die Klage sei vielmehr gegen die Gemeinschaften zu richten, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württembergs vertreten. Dies folge aus der Begründung des Entwurfes eines Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung, wonach die Regelung des § 73b Abs. 4a SGB V um den Satz „Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts richten sich gegen eine der beiden Vertragsparteien, nicht gegen die Schiedsperson" ergänzt werden solle (BT-Drs. 17/6906).

Die Klägerin machte ferner geltend, der Schiedsspruch sei wegen Verstoßes gegen wesentliche Verfahrensgrundsätze rechtswidrig. Es fehle bereits eine individualisierte Begründung, die auf das konkrete Verfahren zwischen der Klägerin und den Beklagten abstelle. Stattdessen seien Argumente und Einwendungen abgehandelt worden, die in ganz anderen Verfahren geltend gemacht worden seien. Der Schiedsspruch beruhe ferner auf Datenmaterial, welches nicht die individuellen Verhältnisse der Klägerin und ihre finanzielle Situation betreffe, sondern ebenfalls aus anderen Verfahren stamme. Eine Erhebung von belastbarem und für die Klägerin zutreffenden Zahlenmaterial sei unterblieben. Für die Kalkulation der finanziellen Auswirkungen des Vertrages hätte aber zwingend auf die individuellen Daten der Klägerin abgestellt werden müssen.

Die Schiedsperson habe sich zudem nur unzureichend mit den verschiedenen im Verlaufe des Verfahrens behandelten Vertrags-Versionen und den Anträgen der Klägerin beschäftigt. Diese seien im Einzelnen begründet worden. Wenn im Schiedsspruch vom 09.09.2010 diese Begründungen als nicht substantiiert beanstandet würden, hätte zur Wahrung rechtlichen Gehörs ein rechtzeitiger Hinweis und die Einräumung einer Möglichkeit zur Nachbesserung erwartet werden dürfen. Damit liege ein eklatanter Verstoß gegen eine transparente und faire Verfahrensführung und die Gewährung rechtlichen Gehörs vor.

Aus der Begründung des Schiedsspruches gehe auch zweifelsfrei hervor, dass die Schiedsperson gegen die Klägerin eingenommen gewesen sei, so dass ihre Parteilichkeit gerügt werde. So habe die Schiedsperson die Anträge der Klägerin stets als „sogenannte Anträge“ bezeichnet und ihr vorgeworfen, auf Zeit gespielt zu haben. Diesbezüglich müsse sich die Schiedsperson selbst entgegenhalten lassen, zwischen dem Antrag der Klägerin vom 07.04.2010 und der Anberaumung des Termins zur mündlichen Verhandlung keine das Verfahren fördernden Maßnahmen eingeleitet zu haben. Schließlich habe die Schiedsperson den ausdrücklichen Antrag der Klägerin aus dem Schreiben vom 01.09.2010, gerichtet auf Festlegung der noch offenen Anlagen zum Hilfs- und Arzneimittelmanagement, vollständig übergangen, so dass der Schiedsspruch insoweit an einem Begründungsmangel leide. Das Vorliegen einer formalen Begründung in nicht unerheblicher textlicher Länge, die sich allein auf Floskeln und Allgemeinplätze sowie die Übernahme von Passagen aus anderen Schiedsverfahren beschränke, könne insoweit nicht ausreichen.

In materieller Hinsicht rügt die die Klägerin, der Schiedsspruch sei bereits deswegen rechtswidrig, weil er den Gesetzeszweck ganz offensichtlich konterkariere. Der Gesetzgeber habe mit der hausarztzentrierten Versorgung eine Abkehr vom System der kollektivrechtlichen Gesamtverträge geschaffen und einen Vertragswettbewerb zwischen den einzelnen Krankenkassen mit dem Ziel der Weiterentwicklung der Versorgung beabsichtigt. Da die Schiedsperson in allen Schiedsverfahren einheitliche Verträge festgesetzt habe, habe sie im Ergebnis für den Bezirk der KV Baden-Württemberg quasi einen kollektivrechtlichen Gesamtvertrag zur hausarztzentrierten Versorgung geschaffen und damit den Vertragswettbewerb vollständig unterbunden. Außerdem habe sich die Schiedsperson zu Unrecht durch das Gesetz dahingehend gebunden gesehen, dass sie allein die Vereinbarung von Vollversorgungsverträgen für rechtmäßig gehalten und die von der Klägerin beantragte Festsetzung eines Add-on-Vertrages nicht in Betracht gezogen habe. Letztere würden im Rahmen des § 73b SGB V aber durchaus für zulässig erachtet.

Die Vertragsbestimmung des § 10 Abs. 5 sei rechtswidrig, weil er die Klägerin verpflichte, mit der KV Baden-Württemberg eine vertragliche Einigung über die Bereinigung der Gesamtvergütung anzustreben. Hierzu seien nach § 73b Abs. 7 S. 1 SGB V aber nur die Gesamtvertragsparteien (§ 83 SGB V) berechtigt, so dass es der Klägerin aus rechtlichen Gründen unmöglich sei, diese Verpflichtung umzusetzen. Weiterhin sei § 1 Abs. 1 der Anl. 9 zum Vertrag rechtswidrig. Darin werde in Anlehnung an die Prüfungsregelung des § 106 Abs. 3 S. 1 SGB V der Klägerin eine Abrechnungsprüfung auferlegt, die sie tatsächlich überhaupt nicht durchführen könne. Zudem unterliege die Entscheidung, welche Prüfung durchgeführt werde, der Selbstverwaltungsautonomie der Klägerin, in die hier unzulässig eingegriffen werde.

Auch die Regelung in § 8 der Anlage 3 zum Vertrag sowie an verschiedenen anderen Stellen des Vertrages, wonach die Klägerin verpflichtet sei, für bestimmte Aufgaben Dienstleister einzusetzen, greife unzulässig in die Selbstverwaltungsautonomie der Klägerin ein. Zudem enthalte der Vertrag keine Ausgabenobergrenzen und verstoße damit grob und eklatant gegen die zwingend zu beachtenden Wirtschaftlichkeitsgrundsätze. Der Schiedsvertrag habe mehr oder weniger vollständig dem Antrag der Beklagten entsprochen und die Anträge der Klägerin nur in Form von marginalen und redaktionellen Änderungen berücksichtigt.

Darüber hinaus verstoße der Vertrag an mehreren Stellen gegen Satzungsregelungen der Klägerin. Der Rechtsmeinung des LSG Baden-Württemberg im Beschluss vom 16.05.2011 (L 5 KA 362/11 ER-B), in diesem Fall müsse die Klägerin ihre Satzung an den Vertrag anpassen, könne nicht gefolgt werden. Während der Abschluss von Verträgen zu den Aufgaben des Vorstandes gehöre (§ 35a SGB IV), beschließe der Verwaltungsrat die Satzung als autonomes Recht der Kasse (§§ 33 Abs. 1, 34 Abs. 2 SGB IV). Bereits aus diesem Regelungskontext dürfte es unzulässig erscheinen, der Klägerin durch Vertrag Satzungsinhalte vorzugeben.

Des Weiteren erfülle der mit Schiedsspruch festgesetzte Vertrag die schon sparsam ausgestalteten gesetzlichen Mindestanforderungen nicht. Nach § 73b Abs. 5 S. 1 SGB V sei in den Verträgen das Nähere über die Ausgestaltung der Anforderungen nach § 73b Abs. 2 SGB V zu regeln. Hierbei handele es sich um das wesentliche Element der hausarztzentrierten Versorgung. Dennoch beschränke sich § 3 Abs. 3 des Vertrages mehr oder weniger auf die Wiederholung des Gesetzestextes und verweise ansonsten auf Anlage 2 zum Vertrag. Im Vertrag selbst seien daher keine Regelungen über eine qualitativ höherwertige, den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Versorgung vereinbart worden. Das einfache Übernehmen gesetzlicher Vorgaben genüge nicht.

Der Vertrag sei daher aufgrund schwerwiegender Verfahrensmängel sowie aufgrund der Auferlegung von rechtlich bzw. tatsächlich Unmöglichem im Bereich der Bereinigung der Gesamtvergütung und Durchführung der Abrechnungsprüfung insgesamt unwirksam. Ferner erscheine der Vertrag sittenwidrig, weil der Klägerin bzw. ihren Versicherten für die nicht unerheblichen Mehrausgaben derzeit keine erkennbaren Gegenleistungen gegenüberstünden. Zudem dürfte der Abschluss unwirtschaftlicher Verträge ohne Mengen- oder Ausgabenbegrenzung auf wenigstens einer Seite der Vertragspartner unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit schlicht verboten sein.

Zu dem hilfsweise gestellten Antrag, den Vertrag erst nach vollständiger Einigung über die noch ausstehenden Anlagen in Kraft treten zu lassen, führte die Klägerin aus, die Schiedsperson habe die Anlage 2a zum Vertrag, die Anhänge 3 und 4 zur Anlage 3 zum Vertrag und die wesentlichen datenschutzrechtlichen Vereinbarungen zwischen den Beklagten und der HÄVG nicht festgelegt. Insbesondere die Auslassung der Anlage 2a und des Anhanges 3 zur Anlage 3 des Vertrages erschienen gravierend, denn die Schiedsperson rechtfertige die vermeintliche Wirtschaftlichkeit des Vertrages gerade mit möglichen Einsparungen aus dem Arznei- und Hilfsmittelmanagement, die sie dann aber nicht festsetze. Demgegenüber habe die Klägerin aber ausdrücklich mit Schreiben vom 01.09.2010 die Festlegung dieser Anlagen beantragt. Auch zuvor habe die Klägerin die Schiedsperson mehrfach aufgefordert, einen vollständigen Vertrag festzulegen (Schreiben vom 07.04.2010). Da die fehlenden Anlagen erkennbar dem Interesse der Klägerin dienen sollten und das wirtschaftliche Gegengewicht zu den erwarteten Mehrausgaben darstellen sollten, sei die Klägerin durch die Nichtfestsetzung dieser Anlagen in ihren Rechten verletzt. Da die Klägerin allerdings respektieren müsse, dass die Schiedsperson die Vereinbarung dieser Anlagen den Vertragsparteien oder einem weiteren Schiedsverfahren habe überlassen wollen, sei die Inkrafttretensregelung in der beantragten Weise auszugestalten.

Der Beklagte Ziff. 1 trat der Klage entgegen und vertrat die Auffassung, die Feststellungsklage sei nicht statthaft, weil die Schiedsperson bei der Festsetzung des Schiedsvertrages als Behörde im Sinne des § 1 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gehandelt habe. Der Schiedsspruch sei demzufolge als Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X anzusehen, weshalb vorliegend eine Anfechtungsklage die richtige Klageart sei. Der Beschluss der Schiedsperson nach § 73b Abs. 4a SGB V gestalte den Vertrag zwischen den Beteiligten und sei insoweit mit den Entscheidungen der Schiedsämter gemäß § 89 SGB V und der Schiedsstellen vergleichbar. In beiden Fällen sei den Schiedsämtern bzw. der Schiedsperson die Ausfüllung eines gesetzlichen Rahmens in einem förmlichen Schiedsverfahren übertragen. Die Einstufung des Schiedsspruches als Verwaltungsakt folge auch aus § 73b Abs. 4a Satz 4 SGB V, wonach Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhaltes durch die Schiedsperson keine aufschiebende Wirkung hätten. Außerdem seien die Beklagten nicht passivlegitimiert, weil der streitgegenständliche Verwaltungsakt vom 09.09.2010 von der Schiedsperson erlassen worden sei. Nur diese komme als Beklagte in Betracht.

Im Übrigen verwies der Beklagte Ziff. 1 darauf, dass Schiedssprüche nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegen würden und den Schiedsstellen eine weite Gestaltungsfreiheit eingeräumt sei, weil sie ihrem Wesen nach auf einen Interessenausgleich ausgelegt seien und demzufolge Kompromisscharakter hätten.

Grundlegende Verfahrensfehler bei Erlass des Schiedsspruchs seien nicht zu erkennen. Die Rügen der Klägerin seien im Wesentlichen unsubstantiiert. Wenn sie die mangelnde Vergleichbarkeit des Datenmaterials mit ihrer Situation beanstande, werde weder dargelegt, welche Zahlen und Daten nicht vergleichbar seien, noch werde die Aussagekraft des Zahlenmaterials substantiiert angegriffen. Soweit die Schiedsperson Datenerhebungen anderer Krankenkassen oder Verbände herangezogen habe, seien diese von kassenübergreifender Relevanz oder hätten einen vergleichbaren Hintergrund. Die von der Klägerin erhobene Gehörsrüge wegen eines fehlenden Hinweises auf ihre unzureichende Begründung gehe insoweit fehl, als die Schiedsperson keine Rechtsberatung zu Gunsten der Parteien zu betreiben und sie auf etwaige Defizite im Vortrag hinzuweisen habe. Der Vorwurf, die Schiedsperson habe sich nicht mit den Anträgen der Klägerin befasst und sei aufgrund des Übergehens von Anträgen parteilich, entbehre jeder Grundlage.

In inhaltlicher Hinsicht ergäben sich keine begründeten Zweifel daran, dass der dem Schiedsspruch zu Grunde gelegte Sachverhalt zutreffe und die Schiedsperson den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten habe. Die Festlegung einheitlicher Verträge im vorliegenden Verfahren bedeute entgegen der Auffassung der Klägerin keinen Rückfall in das Kollektivvertragssystem und stelle auch keinen Ermessensfehlgebrauch der Schiedsperson dar. Diese Vorgehensweise könne vielmehr durch sachliche Erwägungen gerechtfertigt, interessengerecht und vor allem prozessökonomisch sein. Es seien hier individuelle Selektivverträge zwischen dem Beklagten Ziff. 1 und den entsprechenden Kostenträgern gestaltet worden, die durch ihren Vollversorgungscharakter ein gleichwertiges Pendant zum Kollektivvertrag darstellten.

Mit ihrer Rüge, sie sei keine Gesamtvertragspartei und könne deshalb nicht die Vertragsklausel des §§ 10 Abs. 5 umsetzen, verkenne die Klägerin, dass nur sie als Kostenträger den Bereinigungsvertrag mit den jeweiligen kassenärztlichen Vereinigungen abschließen könne und nicht der Beklagte Ziff. 1, so dass dessen explizite Benennung in dieser Vertragsregelung entbehrlich gewesen sei. Ferner sei nicht ersichtlich, inwieweit das Unvermögen der Klägerin, die in § 1 Anl. 9 zum Vertrag vorgesehene Abrechnungsprüfung vorzunehmen in die Satzungsautonomie der Klägerin eingreife. Da sich die Parteien nicht im Wege der Verhandlung auf den Inhalt eines HzV-Vertrages hätten einigen können, habe es der Schiedsperson oblegen, einen umsetzbaren Vertrag festzusetzen, der ad hoc gelebt werden könne. Der Vorwurf der Unwirtschaftlichkeit des Vertrages sowie des Verstoßes gegen die Satzung der Klägerin seien unsubstantiiert und damit irrelevant. Eine einseitige Gewichtung zu Gunsten der Beklagten sei nicht zu erkennen. Im Übrigen werde vorsorglich nochmals auf den weiten Gestaltungsspielraum der Schiedsperson verwiesen. Es seien damit keine Anhaltspunkte für die Rechtswidrigkeit und eine Unwirksamkeit des Schiedsspruches erkennbar.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht beantragte die Klägerin nach gerichtlichem Hinweis auch die Aufhebung des Schiedsspruches im Wege der Anfechtungsklage.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 25.04.2012 ab. Die Anfechtungsklage sei grundsätzlich statthaft, da es sich bei dem angegriffenen Schiedsspruch um einen Verwaltungsakt handele. Das Sozialgericht nahm insoweit Bezug auf einen Beschluss des erkennenden Senats vom 02.08.2011 (- L 5 KA 1601/11 ER-B -), der ebenfalls einen Schiedsspruch über einen Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung zum Gegenstand und diesen als Verwaltungsakt qualifiziert hatte. Das Sozialgericht hielt den auf Aufhebung des Schiedsspruches gerichteten Anfechtungsantrag allerdings als isolierten Anfechtungsantrag für nicht statthaft, weil eine gegen den Inhalt des Schiedsvertrages gerichtete isolierte Anfechtungsklage den gesetzlichen Kontrahierungszwang aus § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V unterlaufen würde. Zudem sei der erstmals in der mündlichen Verhandlung am 25.04.2012 gestellte Anfechtungsantrag erst nach Ablauf der hier maßgeblichen Jahresfrist gestellt worden, die mit der Bekanntgabe des Schiedsspruches im September 2010 begonnen habe, so dass der Anfechtungsantrag auch verfristet sei. Der Feststellungsantrag, gerichtet auf Feststellung der Unwirksamkeit des Schiedsspruches sei unzulässig, weil der damit erstrebte Zweck mit der Gestaltungsklage (Verpflichtungs- oder Leistungsklage) zu verfolgen gewesen wäre und das Feststellungbegehren demgegenüber subsidiär sei.

Soweit die Klägerin weiter hilfsweise beantragt habe, die Vorschrift des § 16 Abs. 1 Satz 1 des durch Schiedsspruch festgesetzten Vertrages zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung um den Zusatz zu ergänzen, dass der Vertrag nicht in Kraft trete, bevor nicht sämtliche Anlagen zum Vertrag durch die Parteien vereinbart oder durch weiteren Schiedsspruch festgesetzt worden seien, sei die Klage als Verpflichtungsbescheidungsklage statthaft und zulässig, aber nicht begründet.

Die Beklagten seien als Vertragsparteien des durch Schiedsspruch festgesetzten Vertrages passivlegitimiert. Gemäß § 73b Abs. 4a Satz 5 SGB V in der ab 01.01.2012 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 13 des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstrukturgesetz - GKV-VStG) vom 22.12.2011 (BGBl. I S. 2983 (2985)) seien Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts nicht gegen die Schiedsperson, sondern gegen die andere der beiden Vertragsparteien zu richten.

Die Schiedsperson sei im Rahmen eines fairen Verfahrens auf der Grundlage eines zutreffenden Sachverhalts zu einer Entscheidung gekommen, die den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum nicht überschreite. Die Klägerin habe keinen Anspruch darauf, dass der durch Schiedsspruch festgesetzte HzV-Vertrag insgesamt erst dann wirksam werde, wenn auch die Anlagen zum Hilfsmittel- und Arzneimittelmanagement vollständig bestimmt worden seien. Die Klägerin habe vor Erlass des Schiedsspruches nicht ausdrücklich beantragt, dass die Wirksamkeit des gesamten HzV-Vertrages davon abhängen solle, dass sein Inhalt vollständig festgesetzt werde.

Es bestehe auch kein gesetzlicher Anspruch darauf, dass der durch Schiedsspruch festgesetzte HzV-Vertrag erst dann in Kraft trete, wenn auch das wirtschaftliche Hilfsmittelmanagement (Anlage 2a des HzV-Vertrages), das gemäß § 23 HzV-Vertrag in gemeinsamer Absprache noch zu erstellen sei, sowie die durch den Schiedsspruch nicht bestimmten Zuschläge für rationale Pharmakotherapie (Anhang 3 zu Anlage 3 des HzV-Vertrages) und für die Beschäftigung eines Versorgungsassistenten der Hausarztpraxis (sog. VERAH-Zuschlag, Anhang 4 zu Anlage 3 des HzV-Vertrages) festgesetzt worden seien. Die Schiedsperson werde durch § 73b Abs. 4a SGB V nicht dazu verpflichtet, den Inhalt des HzV-Vertrages lückenlos festzusetzen. Dafür liefere auch die Gesetzesbegründung keinen Anhaltspunkt. Den Gemeinschaften, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung vertreten würden, werde das Recht eingeräumt, die Durchführung eines Schiedsverfahrens zu beantragen, „wenn" - und nicht „soweit" - es zu keiner Einigung mit der Krankenkasse komme (BT-Drucks. 16/10609, S. 54, zu Nummer 1f (§ 73b), zu Buchstabe c). Die Erwartung inhaltlicher Vollständigkeit des Schiedsspruches werde damit gerade nicht geäußert. Die Schiedsperson solle vielmehr die Aufgabe haben, die fehlende Einigung der Parteien „nach billigem Ermessen" festzulegen (BT-Drucks. 16/10609, a.a.O.). Der besonders weite Gestaltungsspielraum der Schiedsperson bei der Neuregelung komplexer Materien stehe der Begründung einer Rechtspflicht zur lückenlosen Festsetzung des Vertragsinhalts ebenfalls entgegen. Schließlich würde die Annahme eines Junktims zwischen dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des (gesamten) durch Schiedsspruch festgesetzten HzV-Vertrages und dessen inhaltlicher Lückenlosigkeit das von dem durch § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V begründeten Kontrahierungszwang verfolgte Ziel der Gewährleistung einer flächendeckenden hausarztzentrierten Versorgung nicht fördern, sondern verzögern und vereiteln. Es stehe der Klägerin frei, zum Zwecke der Festlegung der vom Schiedsspruch nicht näher bestimmten Anlagen ein Verfahren zur Vertragsänderung gemäß § 17 Abs. 1 HzV-Vertrag einzuleiten, um insoweit mit den Beklagten eine einvernehmliche Regelung zu vereinbaren und ggf. hierüber einen weiteren Schiedsspruch herbeizuführen. Zwingende Gründe, das Inkrafttreten des gesamten HzV-Vertrages bis zu diesem Zeitpunkt aufzuschieben, sehe das Gesetz nicht vor.

Gegen das ihr am 08.08.2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 07.09.2012 Berufung eingelegt.

Zur Begründung führt sie aus, sie gehe weiterhin davon aus, dass es sich bei der Entscheidung der Schiedsperson um keinen Verwaltungsakt handele. Es bleibe auch unklar, ob das Sozialgericht Stuttgart die Anfechtungsklage in seinem Urteil für statthaft erachte oder nicht. Die Klägerin gehe aber davon aus, dass eine isolierte Anfechtungsklage zulässig sein müsse. Sofern der Schiedsspruch einen Verwaltungsakt darstelle, komme eine Leistungsklage in der Form der Ersetzungsklage kaum in Betracht, da der Klägerin kein Recht zustehe, den Vertragsinhalt nach ihren Vorstellungen vollständig durch das Gericht ersetzen zu lassen. Zudem sei eine Verpflichtung der Schiedsperson auf Festsetzung eines bestimmten Vertragsinhaltes ebenfalls nicht möglich, da sich die Klage gegen die Vertragsparteien richte. Das Argument des Sozialgerichts, eine isolierte Anfechtungsklage sei deshalb ausgeschlossen, weil damit der gesetzlich vorgesehene Kontrahierungszwang nach § 73b Abs. 4 S. 1 SGB V unterlaufen werde, verfange nicht, weil die begehrte Aufhebung des Schiedsspruches den Erlass eines neuen Schiedsspruches - gegebenenfalls durch eine neue Schiedsperson - keinesfalls ausschließe. Die Anfechtungsklage sei auch fristgerecht erhoben worden. Die Klägerin habe mit ihrem ursprünglichen Klageantrag zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht, dass sie die Wirkungen des in Rede stehenden Schiedsspruches beseitigt sehen wolle. Damit könne die Anfechtungsklage durch Auslegung des ursprünglichen Klageantrages als gestellt angesehen werden. Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht nach Hinweis gestellte Anfechtungsantrag stelle damit eine Konkretisierung des ursprünglichen Klageantrags und keine erstmalige Antragstellung dar.

Ausgehend von der Überlegung, dass der Schiedsspruch kein Verwaltungsakt sei, komme in diesem Fall die Feststellungsklage in Betracht. Da der Klägerin ein Anspruch auf Festsetzung eines bestimmten Vertragsinhaltes nicht zustehen dürfte, komme eine Leistungsklage in Form der Ersetzungsklage hingegen nicht in Betracht.

Hinsichtlich des hilfsweise gestellten Antrages auf Ergänzung der Inkrafttretensregelung bis zur Festlegung sämtlicher Anlagen und Anhänge zum Vertrag sei erneut darauf hinzuweisen, dass die Schiedsperson den Vertragsinhalt vollständig festzusetzen habe. Das Sozialgericht verkenne, dass die Klägerin mit den Anträgen 25 und 48 aus dem Schreiben vom 29.04.2010 darauf hingewiesen habe, dass sie eine entsprechende Festlegung erwarte und der Vertrag vorher nach ihrer Auffassung nicht in Kraft treten könne. Der Schiedsspruch stelle sich im Ergebnis so dar, dass die von den Beklagten beantragten Inhalte weitgehend festgesetzt worden seien, die von der Klägerin beantragten Änderungen fast vollständig unberücksichtigt geblieben seien und die von ihr gewünschten Vertragsinhalte nicht zum Tragen gekommen seien. Sie halte den Schiedsspruch insoweit für unbillig.

Die Klägerin beantragt,

1. das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 25.04.2012 aufzuheben und

2. den Schiedsspruch der Schiedsperson Dr. K. E. vom 09.09.2010 in dem Schiedsverfahren über die Festsetzung eines Vertrages zur hausarztzentrierten Versorgung gemäß § 73b Abs. 1 und 4 SGB V zwischen der Klägerin und den Beklagten Ziff. 1 und 2 für den Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg aufzuheben,

3. hilfsweise festzustellen, dass der Schiedsspruch der Schiedsperson Dr. K. E. vom 09.09.2010 in dem Schiedsverfahren über die Festsetzung eines Vertrages zur hausarztzentrierten Versorgung gemäß § 73b Abs. 1 und 4 SGB V zwischen der Klägerin und den Beklagten Ziff. 1 und 2 für den Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg unwirksam ist,

4. hilfsweise § 16 Abs. 1 S. 1 des durch Schiedsspruch der Schiedsperson Dr. K. E. vom 09.09.2010 in dem Schiedsverfahren über die Festsetzung eines Vertrages zur hausarztzentrierten Versorgung gemäß § 73b Abs. 1 und 4 SGB V zwischen der Klägerin und den Beklagten Ziff. 1 und 2 für den Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg festgesetzten Vertrages um den Zusatz zu ergänzen: „Der Vertrag tritt nicht in Kraft, bevor nicht sämtliche Anlagen zum Vertrag durch die Parteien vereinbart oder durch weiteren Schiedsspruch festgesetzt wurden.“

Die Beklagten Ziff. 1 und Ziff. 2 beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte Ziff. 1 hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Zu Recht habe das Sozialgericht die Klage im Hauptantrag und dem ersten Hilfsantrag als unzulässig angesehen. Ausgehend von der Überlegung, dass es sich bei dem Schiedsspruch um behördliches Handeln in Form eines Verwaltungsakts handele, wäre hier eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsbescheidungsklage zu erheben gewesen. Die isolierte Anfechtungsklage sei demgegenüber nicht statthaft. Zu Recht habe das Sozialgericht darauf abgestellt, dass die Klägerin damit den gesetzlichen Kontrahierungszwang des § 73b Abs. 4 S. 1 SGB V unterlaufe. Die Klägerin sei als gesetzliche Betriebskrankenkasse verpflichtet, ihren Versicherten eine hausarztzentrierte Versorgung im Sinne von § 73b SGB V anzubieten und mit qualifizierten Gemeinschaften wie den Beklagten einen Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung zu schließen. Der gerichtliche Rechtsschutz dürfe nicht dazu dienen, sich seiner gesetzlichen Verpflichtungen zu entziehen, wie es die Klägerin hier scheinbar versuche. Es sei auch nicht ersichtlich, warum die Klägerin keinen Antrag auf Verpflichtung zur Neufestsetzung des HzV-Vertrages mit den von ihr begehrten Modifizierungen gestellt habe. Die Vertragsparteien des HzV-Vertrages hätten jederzeit die Möglichkeit, den durch Schiedsspruch festgelegten Vertrag abzuändern, notfalls unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Wäre die Klägerin tatsächlich durch den Schiedsspruch in ihren Rechten verletzt, hätte sie gegebenenfalls einen Anspruch auf Beseitigung dieser Rechtsverletzung unter Anpassung des Vertrages. Das Vorbringen der Klägerin hierzu sei nicht schlüssig und zudem unsubstantiiert. Schließlich habe das Sozialgericht auch zutreffend festgestellt, dass die isolierte Anfechtungsklage bereits verfristet und damit in doppelter Hinsicht unzulässig sei. Die Klägerin habe bei Klageerhebung am 09.09.2011 ausdrücklich dargelegt, warum sie die Anfechtungsklage für unzulässig halte und sich auf den Feststellungsantrag beschränkt. Es wäre ihr aber durchaus möglich gewesen, bereits zu diesem Zeitpunkt hilfsweise einen Anfechtungs- oder Verpflichtungsantrag zu stellen. Dies habe die Klägerin nicht für nötig erachtet. Da sie einen eindeutigen und keinen unklaren Antrag gestellt habe, sei auch eine Auslegung durch das Gericht nicht geboten gewesen.

Im Übrigen seien sowohl der Hauptantrag als auch der erste Hilfsantrag unbegründet. Der Beklagte Ziff. 1 verwies hierzu auf seine Ausführungen im erstinstanzlichen Verfahren.

Der zweite Hilfsantrag sei sowohl unzulässig als auch unbegründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die Änderung des Inkrafttretens des durch den Schiedsspruch festgesetzten HzV-Vertrages.

Der Beklagte Ziff. 2 schloss sich den Ausführungen des Beklagten Ziff. 1 an.

Mit Schriftsatz vom 06.02.2013 hat die Klägerin ergänzend zur Begründung ihrer Berufung ausgeführt, sie halte den Schiedsspruch wegen schwerwiegender Verfahrensmängel für unbillig. Nachdem sich abgezeichnet habe, dass die Schiedsperson dem Antrag der Beklagten im Wesentlichen zu folgen beabsichtige, habe sie zahlreiche Änderungen beantragt. Mit diesen habe sich die Schiedsperson nur unzureichend befasst, obwohl sich die 70 Punkte thematisch nur auf wenige Problemfelder des Vertrags bezogen hätten. Es wäre für die Schiedsperson auch klar erkennbar gewesen, dass insbesondere die Anträge zur Vergütung für die Klägerin von Belang gewesen seien und hierzu eine dezidierte Begründung erforderlich gewesen wäre.

Der Vertrag sei auch wegen materieller Unrichtigkeit unbillig. Die Schiedsperson habe ihre Kompetenzen überschritten, weil sie nicht berechtigt gewesen sei, die Durchführung der Teilnahme der Versicherten an der hausarztzentrierten Versorgung festzulegen. Die Krankenkasse regele im Verhältnis zu ihren Versicherten, ob und zu welchem Zeitpunkt eine Teilnahme beginne und ende, während der Vertrag die Modalitäten der Teilnahme selbst regele. Nach der allgemeinen Normenhierarchie gehe von einer Satzung als untergesetzlichem Regelungswerk regelmäßig eine normative Wirkung aus. Verwaltungsakte und öffentlich-rechtliche Verträge, die gegen Satzungsregelungen verstoßen würden, seien deshalb rechtswidrig.

Der Schiedsvertrag sei auch wegen fehlender Obergrenze unbillig. Die Festlegung einer vertragsärztlichen Vergütung ohne ausgabensteuernde bzw. ausgabenbegrenzende Maßnahmen sei dem System der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich wesensfremd und dürfte auch mit den Vorgaben des § 71 SGB V kaum vereinbar sein. Die Schiedsperson habe für Bayern und Baden-Württemberg weitgehend identische Verträge geschiedst. Allerdings sei in Bayern eine Obergrenze festgelegt worden, in Baden-Württemberg nicht. Dies sei von den Hausärzten jeweils so beantragt worden. Allein dies belege, dass sich die Schiedssprüche einseitig an den Anträgen der Hausärzte orientiert hätten. Ein Schiedsspruch, der durch einseitige Berücksichtigung der Interessen einer Partei gekennzeichnet sei, verstoße gegen Treu und Glauben und diene nicht dem vom BSG geforderten Interessenausgleich nach billigem Ermessen auf der Grundlage eines vertretbaren, nachvollziehbaren Beurteilungsspielraums.

Der Vertreter der Klägerin teilte am 04.12.2013 auf Anfrage des Senats mit, dass der HzV-Vertrag derzeit von ihr nicht praktiziert werde, so dass aus der Sicht der Klägerin keine Notwendigkeit gesehen worden sei, diesen zum 31.12.2013 zu kündigen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Akten des Sozialgerichts zu den Verfahren S 5 KA 2173/10 ER, S 10 KA 4471/10 ER, S 10 KA 5750/10 ER, S 10 KA 5806/10 ER und S 20 KA 5274/11, auf die Akten des Senats zum vorliegenden und zu den Verfahren L 5 KA 4112/10 ER-B und L 5 KA 362/11 ER-B Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung der Klägerin ist nach §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, beim zuständigen Gericht eingelegt und auch sonst zulässig.

Das Landessozialgericht ist das nach § 29 Abs. 1 SGG zuständige Berufungsgericht und entscheidet in zweiter Instanz; das SG hat zu Recht seine Zuständigkeit als erste Instanz angenommen. Ein Fall des in § 29 Abs. 2 SGG geregelten verkürzten Verfahrenszuges, in dem das Landessozialgericht anstelle des Sozialgerichts als erste Instanz entscheidet, liegt nicht vor. § 29 Abs. 2 SGG enthält eine abschließende (Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz-Kommentar, 10. Aufl. § 29 Rn 4) und die Entscheidungen der dort genannten Institutionen klar benennende Aufzählung, in der indes die Entscheidung der Schiedsperson nach § 73b Abs. 4a SGB V nicht aufgeführt ist. Die sich vom Regelungszweck des § 29 Abs. 2 SGG aufdrängende analoge Erstreckung dieser Regelung auf die Schiedsperson nach § 73b Abs. 4a SGB V würde jedoch die Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung sprengen (gegen eine analoge Anwendung auch Ulrich, NZS 2011, 448,454)

Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Aufhebung des Schiedsspruches vom 09.09.2010 über den Vertrag zwischen ihr und den Beklagten zur hausarztzentrierten Versorgung, noch kann sie die Feststellung seiner Unwirksamkeit und eine auf das Aufschieben des Inkrafttretens des Vertrages gerichtete Änderung des § 16 des Vertrages geltend machen. Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Der Senat hält allerdings - anders als das Sozialgericht - die Anfechtungsklage gegen den Schiedsspruch nicht nur für statthaft, sondern auch für zulässig, allerdings für unbegründet (I.). Die hilfsweise erhobene Feststellungsklage ist demgegenüber subsidiär und damit unzulässig (II.). Der auf Änderung der Inkrafttretensregelung in § 16 des Vertrages gerichtete, weiter hilfsweise gestellte Leistungsantrag ist ebenfalls unzulässig (III.).

I. Die Anfechtungsklage gegen den Schiedsspruch vom 09.09.2010, mit der zwischen der Klägerin und den Beklagten ein Vertrag nach § 73b SGB V über die hausarztzentrierte Versorgung festgesetzt wurde, ist statthaft (1.) und zulässig (2.). Sie ist gegen die richtigen Beklagten gerichtet (3.), aber nicht begründet (4.).

1. Entgegen der von der Klägerin auch im Berufungsverfahren noch vertretenen Rechtsauffassung erfüllt der Schiedsspruch vom 09.09.2010 die Voraussetzungen eines Verwaltungsaktes nach § 31 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Dies hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 16.05.2011 im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes der Klägerin gegen die „Teilnahmeerklärung Hausarztprogramm“ in Anlage 6 des Vertrages (L 5 KA 362/11 ER-B) angenommen und im Beschluss vom 02.08.2011 im Verfahren L 5 KA 1601/11 ER-B (in Juris) zu einem Schiedsspruch über Verträge zur hausarztzentrierten Versorgung anderer Krankenkassen nochmals näher dargelegt. Daran hält der Senat auch weiterhin fest. Zur Verwaltungsaktqualität von Beschlüssen der Schiedsperson nach § 73b Abs. 4b SGB V gilt nichts anderes als zu Entscheidungen der Schiedsämter gem. § 89 SGB V und der Schiedsstellen nach § 114 SGB V. Die Festsetzung des Vertragsinhalts durch ein Schiedsamt oder eine Schiedsstelle ist im Verhältnis zu den Vertragsparteien ein Verwaltungsakt (BSG, Urteil vom 21.03.2012 - B 6 KA 21/11 R - in Juris (zur Klage gegen die Festsetzung eines Honorarverteilungsvertrages durch das Schiedsamt) und Urteil vom 13.11.2012 - B 1 KR 27/11 R - in Juris, m.w.N., in dem das BSG die Doppelnatur des Schiedsspruchs einer Schiedsstelle nach § 114 SGB V betont, der nicht nur Normenvertrag nach § 112 SGB V ist, sondern gegenüber den beteiligten Institutionen zugleich Verwaltungsaktqualität besitzt). Nach der Rechtsauffassung des Senats ist diese höchstrichterliche Rechtsprechung auch auf die Entscheidungen der Schiedspersonen gemäß § 73b Abs. 4b SGB V zu übertragen. Gründe, die dagegenstehen, vermögen den Senat nicht zu überzeugen. Sowohl bei den Verträgen, die nach § 89 SGB V von den Schiedsämtern bzw. nach § 112 SGB V von den Schiedsstellen festzusetzen sind, als auch bei den Verträgen nach § 73b Abs. 4b SGB V hat der Gesetzgeber das Regelungskonzept verfolgt, den Beteiligten die Ausfüllung eines gesetzlichen Rahmens zu übertragen. Kommen Institutionen, die aufgrund ihrer praktischen Sachkenntnisse diese Verträge abschließen sollen, diesem gesetzlichen Auftrag nicht nach, soll an ihrer Stelle und mit Verbindlichkeit für sie eine Entscheidung durch eine neutrale Stelle getroffen werden. Wenn § 73b Abs. 4b SGB V eine Schiedsperson anstelle der im Vertragsarztrecht tätigen Schiedsämter oder Schiedsstellen hierfür vorsieht, ändert dies nichts daran, dass in § 73b Abs. 4b Satz 2 SGB V ein förmliches Schiedsverfahren geregelt ist, das die qualifizierten Gemeinschaften einleiten können, damit die Verpflichtung der Krankenkassen zum Abschluss von Verträgen zur hausarztzentrierten Versorgung durchgesetzt werden kann (vgl. BT-Drucks. 16/10609, S. 54 zu Nummer 1f, Buchstabe b, Doppelbuchstabe aa), nachdem entsprechende Verträge trotz der bereits seit dem 01.04.2007 bestehenden Verpflichtung der Krankenkassen, eine hausarztzentrierte Versorgung anzubieten, nicht in ausreichender Form zustande gekommen waren (vgl. BT-Drucks. 16/10609 S. 53 zu Nummer 1f, Buchstabe b, Doppelbuchstabe aa). Vor diesem Hintergrund ist der Senat davon ausgegangen, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der hier streitigen Schiedsentscheidung eine in gleicher Weise verbindliche Regelung einer neutralen Instanz ermöglichen wollte, wie dies auch an anderer Stelle im Leistungserbringerrecht des SGB V durch Schiedsämter und Schiedsstellen vorgesehen ist. Zudem hat das BSG für den hier einschlägigen Bereich des Vertragsarztrechts seit jeher die Verwaltungsaktqualität des Schiedsspruchs bejaht (BSG, zuletzt im Urteil vom 21.03.2012, B 6 KA 21/11 R, a.a.O. und bereits im Urteil vom 14.12.2000 - B 3 P 19/00 R -, veröffentlicht in Juris unter Hinweis auf BSGE 20, 73, 75 = SozR Nr. 1 zu § 368h Reichsversicherungsordnung (RVO)).

Auch die Änderung des § 73b Abs. 4a SGB V zum 01.01.2012 durch das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG vom 22.12.2011 BGBl. I S. 2983) spricht nicht gegen die Annahme der Verwaltungsaktqualität des Schiedsspruchs. Satz 4 wurde zwar dahingehend geändert, dass - nur noch - Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson aufschiebende Wirkung haben, während Klagen gegen die Festsetzung des Vertragsinhalts, die in der Vorgängerreglung genannt waren, nicht mehr in dieser Regelung erwähnt sind. Aus dieser Streichung lässt sich - entgegen der Auffassung der Klägerin - jedoch nicht entnehmen, dass es sich bei einem Schiedsspruch nunmehr nicht mehr um einen Verwaltungsakt handelt. Der Senat hält auch insoweit an seinen Ausführungen im Beschluss vom 02.08.2011 (L 5 KA 1601/11 ER-B, a.a.O.) fest, wo im Hinblick auf den damals bereits vorliegenden Referentenentwurf ausgeführt wurde, dass die ausdrückliche Bezugnahme auf § 77 Abs. 1 Satz 5 SGB XII in der Begründung des Entwurfs gegen die Annahme spreche, dass der Schiedsspruch - in Zukunft - nicht als Verwaltungsakt anzusehen wäre. Auch die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/6906, S. 56) verweist, obwohl sie von der Schiedsperson als Vertragshelfer spricht, letztlich doch erneut auf § 77 SGB XII. Zu dieser Regelung hat das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich entschieden, dass entsprechende prozessuale Änderungen die Verwaltungsaktqualität unberührt lassen (BVerwG, Beschluss vom 28.02.2002 - 5 C 25/01 -, und Urteil vom 01.12.1998 - 5 C 17/97 -, jeweils veröffentlicht in Juris; so auch: Buchner/Spiegel, Festlegung hausarztzentrierter Versorgungsverträge durch die Schiedsperson gemäß § 73b Abs. 4a SGB V - Rechtsqualität und Rechtsschutz, NZS 2013, S. 1(6f)).

Der gegenteiligen Auffassung der Schiedsperson vermag der Senat nicht zu folgen. Zunächst kann die Schiedsperson nach § 73b Abs. 4a SGB V zwanglos unter den Begriff der Behörde im Sinne von § 1 Abs. 2 SGB X subsumiert werden, wonach Behörde jede Stelle ist, die Aufgaben öffentlicher Verwaltung wahrnimmt. Aufgaben öffentlicher Verwaltung nimmt die Schiedsperson wahr, wenn sie die Vertragsverhältnisse zwischen einer Krankenkasse und den Verbänden der Hausärzte festlegt. Ob die Schiedsperson nach dem Schiedsspruch endgültig aus dem Schiedsverfahren ausscheidet oder ggfs. nach einem Bescheidungsurteil nochmals punktuell tätig werden muss oder von den Vertragsparteien einen erneuten Schiedsauftrag erhält (personale Kontinuität für weitere Fälle - dazu Kopp/Ramsauer VwVfG, 10. Aufl. 2008, § 1 Rn 51, m.w.N.), kann nach Auffassung des Senats nicht maßgeblich sein. Sie nimmt Aufgaben des Gesetzes wahr, die ihr vom Bundesversicherungsamt übertragen wurden (vgl. dazu auch BSG Urt. v. 25.11.2010 - B 3 KR 1/10 R). Unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzes ist zudem zu beachten, dass die Schiedsperson eine Verfügung trifft, die gegenüber der Krankenkasse und den Verbänden der Hausärzten die Voraussetzungen eines Verwaltungsakts im Übrigen erfüllt. Aus dem Zusammenspiel von § 31 SGB X mit § 1 Abs. 2 SGB X ist abzuleiten, dass Behörde ist, wer in Erfüllung eines gesetzlichen Auftrags verbindliche Regelungen im Einzelfall erlässt. Andernfalls steht den Betroffenen nicht der in vergleichbaren Fällen von Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Rechtsschutz zur Verfügung.

Bei dem Schiedsspruch der Schiedsperson handelt es sich - vor allem wenn wie hier Vollversorgungsverträge festgesetzt werden - um für Hausärzte, Patienten und Krankenkassen außerordentlich weitreichende Entscheidungen, die von der Zahl der Regelungen und deren wirtschaftlichem Gewicht die Entscheidungen von Schiedsämtern und anderen Schiedsstellen bei Weitem übertreffen. Der Schiedsspruch ersetzt den Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen (§ 73b Abs. 4 Satz 6 SGB V) und füllt ihn mit eigenen Regelungen aus, wobei Vorschriften des SGB V nicht nur ergänzt, sondern nach § 73b Abs. 5 Satz 4 SGB V auch ersetzt werden können (beispielsweise hinsichtlich der Vergütung der Hausärzte). Für einen Teil der Versicherten wird die hausärztliche Versorgung unter erheblichem Kostenaufwand verbessert, für die Hausärzte werden wesentliche Teile des Vertragsarztrechtes etwa hinsichtlich der persönlichen Qualifikation, der Qualität ärztlicher Leistungen, Art und Umfang der Leistungen, deren Vergütung und Abrechnung außer Kraft gesetzt bzw. modifiziert. Für die Krankenkassen bestehen erhebliche finanzielle Risiken und nur die nicht genau kalkulierbare Erwartung von gleichwertigen Einsparungen an anderer Stelle.

Für die gerichtliche Prüfung derartig komplexer Regelungen mit weitreichenden Auswirkungen eignen sich die über § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V entsprechend geltenden Vorschriften von § 317 bzw. § 319 BGB über den Vertragshelfer nicht. § 317 BGB regelt den Fall, dass die Bestimmung der Leistung einem Dritten überlassen bleibt. Die dazu ergangene Rechtsprechung der Zivilgerichte betrifft beispielsweise Probleme der Festsetzung der Erbbauzinsanpassung (BGH Urt. v. 12.01.2001 - 5 ZR 372/99) oder die Unterwerfung der Kfz-Schadensversicherer unter das Gutachten eines unabhängigen vereidigten Sachverständigen nach Unfällen (BGH v. 17.01.2013 - III ZR 11/12; vgl. dazu auch Völzmann-Stickelbrock, JurisPK § 317 Rn 11, 20). Die Bestimmung der Leistung erfolgt nach einer Beurteilung der tatsächlichen Gegebenheiten, die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien sind in den von den Zivilgerichten entschiedenen Fällen aber bereits zuvor ausgehandelt und rechtsverbindlich vereinbart worden. Dies ist konsequent, weil § 317 BGB nicht die Bestimmung des Vertragsinhalts, sondern nur die Bestimmung der Leistung als Schiedsgutachten (zur Abgrenzung vom Schiedsvertrag nach § 1025 ff ZPO Völzmann-Stickelbrock, JurisPK § 317 Rn 22) dem Dritten überlässt. Vorliegend wurden von der Schiedsperson aber sämtliche gegenseitigen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien festgelegt. Die Festlegung eines Vertrags über die hausarztzentrierte Versorgung durch die Schiedsperson geht somit weit über das hinaus, was Vertragshelfer nach § 317 BGB festlegen.

Damit erweist sich auch der Maßstab des „billigen Ermessens“ bzw. der der „offenbaren Unbilligkeit“ in § 319 BGB als wenig geeignet, die Rechtmäßigkeit der getroffenen Regelungen nachzuprüfen. Auch die Schiedsperson gibt keine Hinweise darauf, nach welchen rechtlichen Maßstäben (bzw. ab welchem Abweichen von sonst geltenden gesetzlichen Regelungen) etwa für eine solidarisch finanzierte (§ 3 SGB V), an das gesetzliche Leistungsrecht und den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit (§ 2 SGB V) gebundene öffentlich-rechtliche Körperschaft wie die Klägerin die Unbilligkeit einer Regelung zu ermitteln sein könnte. Gleiches gilt für die Steigerung in § 319 BGB, wo Prüfmaßstab die „offenbare Unbilligkeit“ ist. Für letzteren Fall hat das BSG für das öffentliche Recht zwar bereits eine Anpassung vorgenommen und lässt einfache Unbilligkeit genügen (BSG Urt. v. 25.11.2010 - B 3 KR 1/10 R - Juris Rn 33). Die dortigen Ausführungen zur Frage der Unbilligkeit (Juris Rn 35 bis 41) helfen allerdings bei der Prüfung der im vorliegenden Vertrag von der Schiedsperson festgesetzten Regelungen nicht weiter.

Schließlich verhindert auch die Rechtskonstruktion des Vertragshelfers nicht eine Verzögerung der Umsetzung des geschiedsten Vertrags durch in destruktiver Absicht eingelegte Rechtsmittel, wie der vorliegende Fall zeigt. Der Belehrung der Schiedsperson am Ende seiner Begründung ist zu entnehmen, dass er von der Zulässigkeit einer gerichtlichen Anfechtung durch eine Gestaltungsklage ausgeht, für die keine Ausschlussfrist gilt. Dieses Fehlen einer Ausschlussfrist hat aber zur Folge, dass zwischen den Vertragsparteien noch lange unklar bleiben kann, ob der festgelegte Vertrag auch rechtsverbindlich wird. Die Klägerin hat dies ausgenützt und im vorliegenden Fall erst knapp ein Jahr nach Zustellung des Schiedsspruchs Klage erhoben. Wäre der Schiedsspruch als Verwaltungsakt angesehen und mit einer entsprechenden Rechtsmittelbelehrung versehen worden, so hätte die Frist des § 87 SGG von einem Monat nach Zustellung gegolten. Es ist davon auszugehen, dass der Rechtsstreit dann von den angerufenen Gerichten auch früher hätte abgeschlossen werden können. Zwar will der Gesetzgeber das sofortige Inkrafttreten des Vertrags durch den Wegfall der aufschiebenden Wirkung in § 73 b Abs. 4a Satz 4 SBG V erreichen, angesichts des großen organisatorischen Aufwands (auch ggfs im Falle einer Rückabwicklung von Teilen des Vertrags) sowohl bei den Krankenkassen als auch bei den betroffenen Ärzten dürfte die Umsetzung des Vertrags in der Praxis regelmäßig erst dann als vertretbar angesehen werden, wenn dessen rechtliche Verbindlichkeit auch feststeht. Auch dies zeigt der vorliegende Fall.

2. Die statthafte Anfechtungsklage ist auch sonst zulässig. Sie ist weder verfristet (a.) noch steht ihrer Zulässigkeit entgegen, dass sie als isolierte Anfechtungsklage erhoben wurde (b.); schließlich bedurfte es auch keines Vorverfahrens (c.).

a)Der Senat hält die Anfechtungsklage - anders als das Sozialgericht - nicht für verfristet. Die Klägerin hat am 09.09.2011 binnen Jahresfrist Klage gegen den Schiedsspruch vom 09.09.2010 erhoben mit dem Ziel, diesen und die daraus folgenden Rechtswirkungen, insbesondere das Inkrafttreten des festgesetzten Vertrages über die hausarztzentrierte Versorgung, vollständig zu beseitigen bzw. zu verhindern. Dieses Begehren ist aus der Klageschrift von Anfang an deutlich geworden. Zwar hat die Klägerin zunächst lediglich einen Feststellungsantrag, gerichtet auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrages, gestellt, und auch zum Ausdruck gebracht, dass sie - ausgehend von der Rechtsauffassung, der Schiedsspruch sei kein Verwaltungsakt - keinen Anfechtungsantrag stellen wolle. Das Gericht hat - ohne an die Fassung der Anträge nach § 123 SGG gebunden zu sein - über das Begehren der klagenden Partei zu entscheiden und dabei im Zweifel auch anzunehmen, dass der Kläger diejenige Klageart wählt, die die Rechtverfolgung nicht an verfahrensrechtlichen Hürden scheitern lässt (Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 10. Aufl. § 54 RdNr. 1b). Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 12.04.2012 gestellte Anfechtungsantrag das bereits mit Klageerhebung geltend gemachte Begehren der Klägerin, den Schiedsspruch vollständig zu beseitigen, lediglich in formaler Hinsicht konkretisiert. Die Klageerhebung umfasste damit von Anfang an auch das Anfechtungsbegehren und ist innerhalb der hier maßgeblichen Jahresfrist des § 66 Abs. 2 SGG nach dem Ergehen des Schiedsspruches erfolgt, so dass Verfristung nicht eingetreten ist.

b)Die Klage ist auch als isolierte Anfechtungsklage zulässig. Dabei kann hier offenblieben, ob der Schiedsspruch allein mit der Anfechtungsklage angegriffen werden kann und eine Neubescheidungsklage sogar unzulässig wäre (so für die Schiedsstellenentscheidungen über Normverträge nach § 114 SGB V: BSG, Urteil vom 13.11.2012 - B 1 KR 27/11 R - a.a.O.), oder ob die Anfechtungsklage mit einer Gestaltungs- bzw. Neubescheidungsklage gerichtet auf erneute Entscheidung über den Vertragsinhalt nach der Rechtsauffassung des Gerichts zulässig wäre (so BSG, Urteil vom 21.03.2012 - B 6 KA 21/11 R - a.a.O.). Mit ihrem Anfechtungsantrag verfolgt die Klägerin hier das alleinige Begehren, den Schiedsspruch und den daraus resultierenden Vertrag in seiner Gesamtheit zu Fall zu bringen. Dieses Begehren ist grundsätzlich mit der Anfechtungsklage verfolgbar und könnte etwa dann zum Erfolg führen, wenn grundlegende Verfahrensverstöße vorliegen würden oder für die Wirksamkeit des gesamten Vertrages bedeutsame Einzelregelungen des Vertrages zu beanstanden wären. Die Frage, ob die Klägerin dies hinreichend dargetan hat, ist allerdings im Rahmen der Begründetheit der Klage zu prüfen; die Anfechtung des durch den Schiedsspruch festgesetzten Gesamtvertrages ist deshalb nicht bereits im Bereich der Zulässigkeit ausgeschlossen.

c) Der Durchführung des in § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG vor Erhebung der Anfechtungsklage regelmäßig erforderlichen Vorverfahrens bedurfte es nicht, da vorliegend zwei der in § 78 Abs. 1 Satz 2 SGG genannten Ausnahmefälle vorliegen. Für die Klägerin entfällt das Vorverfahrenserfordernis schon deshalb, weil es sich bei ihr um einen Versicherungsträger im Sinne von § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGG handelt, der generelle Wegfall des Vorverfahrens folgt darüber hinaus aus § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGG, weil § 73 Abs. 4a Satz 4 SGB V die direkte Klage gegen die Festlegungen der Schiedsperson vorsieht.

3. Die Anfechtungsklage ist auch gegen die richtigen Beklagten gerichtet. Diese bestimmen sich nach der nunmehr maßgeblichen Regelung des § 73b Abs. 4b Satz 5 SGB V, wonach sich Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts gegen eine der beiden Vertragsparteien und nicht gegen die Schiedspersonen richten. Weitere Ausführungen hierzu erübrigen sich deshalb.

4. Die Anfechtungsklage ist allerdings nicht begründet. Der Senat hat bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes im Beschluss vom 16.05.2011 (L 5 KA 362/11 ER-B) ausgeführt, dass die gerichtliche Rechtskontrolle eines Schiedsspruches und des durch die Schiedsperson nach § 73b Abs. 4 Satz 2, Abs. 4a SGB V festgelegten Vertragsinhalts erheblich beschränkt ist und der Schiedsperson ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht. Im Hauptsacheverfahren gilt insoweit nichts anderes.

Schiedssprüche sind auch im Hauptsacheverfahren nur in eingeschränktem Umfang gerichtlicher Kontrolle zugänglich. Die Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle berücksichtigt, dass die Schiedsstellen, deren Sprüche fehlende Vereinbarungen der zum Vertragsabschluss berufenen Vertragspartner ersetzen, eine weite Gestaltungsfreiheit haben. Dies trägt dem Wesen der Schiedssprüche Rechnung, die auf Interessenausgleich angelegt sind und Kompromisscharakter haben. Dementsprechend sind sie nur daraufhin zu überprüfen, ob sie die grundlegenden verfahrensrechtlichen Anforderungen und in inhaltlicher Hinsicht die zwingenden rechtlichen Vorgaben eingehalten haben. Mithin ist in formeller Hinsicht zu prüfen, ob die Schiedsperson den von ihr zu Grunde gelegten Sachverhalt in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs ermittelt hat und der Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis wenigstens andeutungsweise erkennen lässt. Die inhaltliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der dem Schiedsspruch zu Grunde gelegte Sachverhalt zutrifft und ob die Schiedsstelle den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, d.h. die maßgeblichen Rechtsmaßstäbe beachtet hat (BSG, Urteil vom 16.07.2003 - B 6 KA 29/02 R -, zu § 89 SGB V m.w.N., veröffentlicht in Juris).

Die Einwendungen der Klägerin gegen den Schiedsspruch vom 09.09.2010 und den darin festgesetzten Vertragsinhalt sind nach diesen Maßstäben zu überprüfen. Sie greifen weder in verfahrensrechtlicher (a.) noch in materieller (b.) Hinsicht. Der Senat vermag anhand der von der Klägerin erhobenen Rügen nicht zu erkennen, dass die Schiedsperson bei der Festlegung des Vertrages den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum überschritten hat.

a) Die Klägerin hält den Schiedsspruch vom 09.09.2010 für rechtswidrig, weil er unter Verstoß gegen wesentliche verfahrensrechtliche Grundsätze zustande gekommen sei. Derartige Verfahrensverstöße hat die Klägerin indes nicht substantiiert dargetan.

aa) Soweit die Klägerin das Fehlen einer individualisierten Begründung beanstandet, ist diese Behauptung pauschal und trifft den Sachverhalt nicht. Das BSG hält es für ausreichend, wenn aus dem Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis wenigstens andeutungsweise hervorgehen (BSG, Urteil vom 16.07.2003, a.a.O.). Die Schiedsperson hat die Festlegung des Vertragsinhalts sogar ausführlich begründet. Die Begründung enthält neben umfangreichen Darlegungen zum festgelegten Vertragsinhalt auch ausdrückliche Darlegungen zu den von der Klägerin erhobenen Einwendungen. Dass diese nicht im Einzelnen abgehandelt worden sind, hat die Schiedsperson damit begründet, dass sich die Einwendungen teilweise erledigt haben, teilweise neben der Sache liegen oder unsubstantiiert sind. Damit ist dem Begründungserfordernis des § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB X, der für die Begründung von Entscheidungen mit Beurteilungsspielraum maßgeblich ist (von Wulffen, SGB X, Kommentar, § 35 RdNr. 7), genügt. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe der Entscheidung mitzuteilen, sie muss sich nicht mit allen Einzelüberlegungen auseinandersetzen, es genügt, dass die Entscheidung nachprüfbar ist (von Wulffen, a.a.O. , RdNr. 5 m.w.N.). Woraus sich höhere Anforderungen für das vorliegende Schiedsverfahren hätten ergeben sollen, hat die Klägerin nicht dargetan.

bb) Mit ihrer Rüge, die Schiedsperson habe nicht auf individuelles, die Klägerin betreffendes Datenmaterial zurückgegriffen, kann die Klägerin ebenfalls nicht durchdringen. Der Senat hat schon in seinem Beschluss vom 02.08.2011 (L 5 KA 1601/11 ER-B) ausgeführt, dass die Schiedsperson bei der erstmaligen Festsetzung eines HzV-V bezüglich einzelner Festsetzungen teilweise nur auf eingeschränkt aussagefähiges statistisches Zahlenmaterial oder gesicherte Erfahrungswerte zurückgreifen konnte, so dass die Rechtsprechung des BSG über den erweiterten Gestaltungsspielraum bei Einführung neuer Regelungen zur Anwendung kommt (vgl. zum Beurteilungsspielraum des Bewertungsausschusses BSG Urt. v. 29.01.1997 - 6 RKa 3/96 -). Die entsprechende Übernahme dieser Rechtsprechung ist gerechtfertigt, denn in den Vergütungsregelungen des HzV-Vertrags hat die Schiedsperson bezüglich der Hausärzte ein den EBM ablösendes und daher vergleichbares Regelwerk entwerfen müssen. Die Schiedsperson darf deshalb im Interesse der Überschaubarkeit und Praktikabilität einer Regelung verallgemeinern, typisieren und pauschalieren. Bei der Neuregelung komplexer Materien (wie hier) erweitert sich danach der Gestaltungsspielraum der Schiedsperson, während die Schiedsperson bei einer eventuellen Nachfolgeregelung die bis dahin gewonnenen Erfahrungen und Auswirkungen eingehend zu analysieren und zu bewerten haben wird. Die Klägerin hat nicht dargetan, in welcher Weise der Schiedsspruch anders hätte ausfallen müssen, wenn anderweitiges, konkret auf die Klägerin bezogenes Datenmaterial berücksichtigt worden wäre. Der Senat kann deshalb nicht erkennen, dass die Schiedsperson insoweit ihren Gestaltungsspielraum überschritten hat.

cc) Wenn die Klägerin eine Verletzung rechtlichen Gehörs dadurch beanstandet, dass die Schiedsperson ihre im Verlaufe des Verfahrens vorgelegten Vertragsversionen und Anträge als unsubstantiiert zurückgewiesen habe, ohne vorher auf diese Einschätzung hinzuweisen und ihr die Möglichkeit zur Nachbesserung einzuräumen, so verkennt sie damit den Umfang der Verpflichtung zur Wahrung rechtlichen Gehörs.

Das Gebot der Wahrung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) verpflichtet ein Gericht regelmäßig nur dazu, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Es ist erst verletzt, wenn sich klar ergibt, dass das Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung gar nicht erwogen worden ist (BSG, Beschluss vom 22.04.2013 - B 13 R 39/13 B - in Juris, mit Hinweis auf BVerfGE 65, 293, 295 f und m.w.N.). Andererseits muss sich ein Gericht nicht ausdrücklich mit jedem Beteiligtenvorbringen auseinandersetzen, wenn sich aus der Entscheidung zweifelsfrei ergibt, dass es das Vorbringen auch ohne explizite Erwähnung für unerheblich gehalten hat (vgl. BSG vom 16.01.2007 - B 1 KR 133/06 B - in Juris; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 136 RdNr 7a m.w.N.). Erst recht gebietet der Grundsatz rechtlichen Gehörs nicht, dass der von den Beteiligten vertretenen Rechtsansicht zu folgen sei. Die Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs wird, wenn sich der Verstoß auf einzelne Feststellungen bezieht, nur dann ordnungsgemäß vorgebracht, wenn zugleich darlegt wird, was vorgetragen worden wäre, wenn der Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzt worden wäre und dass bei Berücksichtigung dieses zusätzlichen Vortrags eine andere Entscheidung in der Sache möglich gewesen wäre. Nicht geboten ist dagegen, worauf hier aber der Vortrag der Klägerin abzielt, dass schon vorab eine vorläufige Einschätzung mitgeteilt wird, wie der Vortrag der Beteiligten rechtlich gewürdigt werden soll um dadurch die Möglichkeit einer Nachbesserung einzuräumen. Es gibt keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht (bzw. die Schiedsperson) verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern (st. Rspr. des BSG, vgl. zuletzt Beschluss vom 27.06.2013- B 9 V 57/12 B - in Juris m.w.N.).

dd) Die Klägerin rügt ferner die Voreingenommenheit und Parteilichkeit der Schiedsperson. Sie stützt diese Einwendung allerdings lediglich auf die in der Begründung verwendete Formulierung „sog. Anträge“ und - pauschal - auf die verwendete „Diktion“ der Schiedsperson. Der Senat vermag hierin keine Anhaltspunkte für eine Voreingenommenheit zu erkennen. In den entsprechenden Ausführungen im Schiedsspruch (S. 39-41) kommt die Bewertung des Vortrags der Klägerin durch die Schiedsperson zum Ausdruck, nicht aber eine unsachliche Einstellung der Klägerin gegenüber. Die Ausführungen sind sachlich gehalten und enthalten keine unangemessenen Unmutsäußerungen. Soweit die Klägerin sich insbesondere gegen den von der Schiedsperson erhobenen Vorwurf, sie habe „auf Zeit gespielt“, wehrt, ist in der Begründung zum Schiedsspruch ausführlich dargelegt, worauf dieser Vorwurf gründet. Die Schiedsperson hat hierbei insbesondere auf die Bemühungen der Klägerin, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zunächst zu verhindern, um anschließend eine erneute Verhandlung zu fordern, deren Zustandekommen dann aber wiederum zu verhindern, abgestellt. Unsachliche Erwägungen vermag der Senat hierin nicht zu erkennen. Wenn die Klägerin stattdessen beanstandet, die Schiedsperson hätte seit dem Einreichen des klägerischen Antrags vom 07.04.2010 keine das Verfahren fördernden Maßnahmen eingeleitet, so fehlt es an jeglichen Darlegungen dazu, welche Maßnahmen aus Sicht der Klägerin überhaupt angezeigt gewesen wären.

ee) Die Klägerin rügt einen Begründungsmangel des Schiedsspruches, weil die Anträge aus ihrem Schreiben vom 01.09.2010 nicht berücksichtigt worden seien. Die Schiedsperson hat dieses Schreiben zur Kenntnis genommen. Dies ergibt sich schon daraus, weil zu dem darin enthaltenen Geschäftsordnungsantrag zur Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung Ausführungen in der Begründung des Schiedsspruchs enthalten sind. Dass die Schiedsperson nicht im Einzelnen näher auf die gestellten Sachanträge in ihrer Begründung eingegangen ist, war nicht erforderlich (vgl. oben unter aa.).

b)Auch die materiellen Rügen der Klägerin gegen den Inhalt des festgelegten Vertrages über die hausarztzentrierte Versorgung führen nicht zum Erfolg der Anfechtungsklage.

aa) Soweit die Klägerin eine Verfehlung des Gesetzeszwecks geltend macht, weil in allen Schiedsverfahren einheitliche Verträge festgesetzt worden seien und damit entgegen der vom Gesetzgeber intendierten Abkehr von System der kollektivrechtlichen Gesamtverträge anstelle von Selektivverträgen letztlich doch quasi ein kollektivrechtlicher Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung geschaffen worden sei, verkennt sie die Funktion des Schiedsverfahrens. Dieses dient allein dazu, den fehlenden, den Vertragsparteien vom Gesetzgeber vorgegebenen Abschluss von Selektivverträgen zu ersetzen. Derartige Schiedsverfahren sind für den Bereich der hausarztzentrierten Versorgung in großem Umfang erforderlich geworden, weil insbesondere von Seiten der Krankenkassen der gesetzlichen Verpflichtung zum Abschluss von Verträgen nicht nachgekommen worden ist. Die Krankenkassen haben von der ihnen vom Gesetzgeber eingeräumten Vertragsfreiheit zum Abschluss von Selektivverträgen keinen Gebrauch gemacht. Wenn der Rückgriff auf Schiedsverfahren, denen insoweit eine reine Ersetzungsfunktion zukommt, nunmehr zur Festsetzung gleichgearteter Verträge führt, so ist dies schlicht eine Folge der zuvor - auch von der Klägerin - gezeigten Versäumnisse. Eine Verfehlung des Gesetzeszwecks würde daher nicht der Schiedsperson, sondern dem Verhalten der Klägerin selbst anzulasten sein.

Außerdem liegt es auf der Hand, dass für vergleichbare Sachverhalte gleiche Regelungen mit identischer Begriffswahl verwendet werden. Dass die Klägerin die Einheitlichkeit der abgeschlossenen Verträge rügt, erstaunt, weil sie sich zuvor darüber beklagt hatte, dass bei ihr als bundesweit tätiger Krankenkasse ein besonders hoher organisatorischer Aufwand anfalle, zumal für jeden Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung ein eigener Vertrag beachtet und organisatorisch umgesetzt werden müsse. Die Vergleichbarkeit der getroffenen Regelungen müsste ihr somit eher entgegenkommen und ihren praktischen Aufwand bei der Umsetzung mindern.

bb) Die Entscheidung der Schiedsperson für die Festlegung eines Vertrages mit Vollversorgung statt des von der Klägerin gewünschten Add-On-Vertrages unterfällt dem weiten Gestaltungsspielraum der Schiedsperson und ist schon deshalb vom Senat nicht zu beanstanden. Wenn die Klägerin insoweit beanstandet, dass die Schiedsperson sich gesetzlich gebunden gefühlt habe, einen Vollversorgungsvertrag abzuschließen, weil sie davon ausgegangen sei, dass „allein die Vereinbarung von Vollversorgungsverträgen der Intention des Gesetzgebers entsprechen dürfte“, so nimmt sie die Ausführungen in der Begründung des Schiedsspruchs nicht zur Kenntnis. Darin ist auf den Seiten 18 bis 21 umfangreich dargelegt, aus welchen Gründen sich die Schiedsperson in Ausübung ihres Ermessens für die Vollversorgung entschieden hat, und welche Gründe gegen die Festlegung von Add-on-Verträgen sprachen. Hierauf nimmt der Senat vollinhaltlich Bezug und macht sich die Rechtsauffassung der Schiedsperson zu eigen. Dass die Klägerin Add-on-Verträge demgegenüber weiterhin für zulässig erachtet und eine solche Vertragsgestaltung gewünscht hätte, ändert nichts daran, dass sich die Schiedsperson mit der Festlegung der Vollversorgung im Rahmen ihres weiten Gestaltungsspielraums bewegt hat.

cc)Soweit die Klägerin Einzelbestimmungen des festgelegten Vertrages rügt, kann dies ihrem Anfechtungsbegehren schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil sie nicht dargelegt hat, inwieweit eine mögliche Fehlerhaftigkeit oder Rechtswidrigkeit der einzelnen Regelungen den Vertrag insgesamt rechtswidrig oder unwirksam machen. Die angegriffenen Regelungen sind aber auch als solche nicht zu beanstanden.

aaa) Die Klägerin wendet gegen § 10 Abs. 5 des Vertrages ein, die ihr darin auferlegte Verpflichtung, unverzüglich eine vertragliche Einigung über die Vergütung der Gesamtverträge anzustreben, sei ihr rechtlich unmöglich, da es nach § 73b Abs. 7 Abs. 1 SGB V Aufgabe der Gesamtvertragsparteien nach § 83 Abs. 1 SGB V sei, solche Verträge zu schließen. Hier verkennt die Klägerin, dass ihr in § 10 Abs. 5 Satz 2 des Vertrages lediglich auferlegt wurde, unverzüglich nach Inkrafttreten des HzV-Vertrages eine Bereinigungsregelung mit der Kassenärztlichen Vereinigung „anzustreben“. Eine Verpflichtung zum Vertragsschluss ist darin nicht enthalten. Zudem verkennt die Klägerin, dass § 10 Abs. 5 des Vertrages eine Junktim-Regelung zu ihren Gunsten enthält, da das Entstehen ihrer Vergütungsverpflichtung und - dem korrespondierend - des Vergütungsanspruchs des Hausarztes davon abhängig gemacht werden, dass eine entsprechende Bereinigungsregelung durch die Gesamtvertragsparteien erfolgt. Diese Regelung wurde gerade deshalb getroffen, um einer finanziellen Überbelastung der Krankenkassen entgegen zu wirken.

bbb) Die Klägerin sieht in der Regelung des § 1 Abs. 1 der Anl. 9 zum Vertrag eine Verletzung ihrer Selbstverwaltungsautonomie. Sie stellt hierzu fest, dass diese Regelung der Regelung über die Abrechnungsprüfung nach § 106a Abs. 3 SGB V entlehnt ist. Dies setzt die Vorgabe des Gesetzgebers aus § 73b Abs. 5 Satz 5 SGB V um, wonach § 106a Abs. 3 SGB V hinsichtlich der arzt- und versichertenbezogenen Prüfung der Abrechnungen auf Rechtmäßigkeit entsprechend gilt. Soweit die Klägerin rügt, die Übernahme aus dem Gesetz sei unvollständig und teilweise falsch, ist dieser Einwand nicht nachvollziehbar. Soweit die Formulierung in § 1 Abs. 1 Anlage 9 des Vertrages Abweichungen von § 106a Abs. 3 SGB V enthält, wird damit dem Umstand Rechnung getragen, dass sich die Vertragsregelung anders als das Gesetz ausschließlich auf die hauarztzentrierte Versorgung bezieht, so dass etwa der Zusatz für zahnärztliche Leistungen in § 106a Abs. 3 Satz 1 Ziff. 2 SGB V entfallen konnte. Worin die Klägerin die Übernahme ansonsten für „falsch“ hält, hat sie nicht näher dargelegt. Ebenso wenig hat sie dargetan, warum sie meint, die Abrechnungsprüfung nach § 1 Abs. 1 Buchstabe b) der Anlage 9 (Prüfung der Plausibilität von Art und Umfang der für die Behandlung eines Versicherten abgerechneten Leistungen, auch in Bezug auf die angegebene Diagnose) aufgrund der Pauschalierungen in der hausarztzentrierten Versorgung nicht durchführen zu können. Dieser Einwand ist daher nicht nachvollziehbar. Auch die geltend gemachte Beeinträchtigung in ihrer Selbstverwaltungsautonomie vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Wenn die Klägerin hierzu behauptet, es sei allein ihre Angelegenheit, zu entscheiden, welche Prüfungen sie im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben (§§ 73b Abs. 5 Satz 5, 106a Abs. 3 SGB V) durchführe, so ist nicht zu erkennen, dass die Regelung des § 1 Abs. 1 der Anlage 9 zum Vertrag ihr hier anderes vorgibt.

ccc) Auch mit der Regelung des § 8 der Anlage 3 zum Vertrag werde nach Auffassung der Klägerin in ihre Selbstverwaltungsautonomie unzulässig eingegriffen. Diese Regelung nennt drei Dienstleistungsgesellschaften, von denen die Krankenkasse eine zur Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen einsetzen soll. Die Klägerin verkennt, dass es sich bei der Vertragsregelung in § 2 Abs. 7, auf die sich § 8 der Anlage 3 bezieht, um eine Sollvorschrift handelt: „Die Krankenkasse soll sich …. einer Dienstleistungsgesellschaft bedienen.“ Verbleibt der Krankenkasse damit auch die Entschließungsfreiheit, keinen Dienstleister einzusetzen, ist ein Eingriff in die Selbstverwaltungsautonomie schon im Ansatz nicht zu erkennen.

dd) Die Klägerin wendet des weiteren - zuletzt im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 06.02.2013 - generell gegen den festgelegten Vertrag ein, dieser enthalte keine Ausgabenobergrenze und sei deshalb wegen Verstoßes gegen zwingende Wirtschaftlichkeitsgrundsätze rechtswidrig. Hierbei übersieht die Klägerin, dass in § 10 Abs. 9 des Vertrages eine Begrenzung der HzV-Vergütung auf einen durchschnittlichen maximalen Fallwert von 76 EUR festgesetzt worden ist. Welche weiteren Ausgabenbegrenzungen die Klägerin darüber hinaus für erforderlich hält, ist weder dargetan noch sonst erkennbar.

ee) Eingewandt wird von der Klägerin auch, dass der Vertrag „mehr oder weniger vollständig“ dem letzten Antrag der Beklagten entspreche und nur marginale und redaktionelle Änderung auf die klägerischen Anträge hin erfolgt seien. Damit sei die Entscheidung allein zugunsten der Beklagten ergangen. Dieser Einwand lässt auch außer Acht, dass es dem Wesen des Schiedsverfahrens entspricht, dass auch ein Vertragsinhalt festgelegt werden kann, in dem die einzelne Vertragspartei nur wenig oder gar nichts von der von ihr angestrebten Ausgestaltung wiederfindet. Einen Rechtsgrundsatz, wonach gleichgewichtig den Vorstellungen beider Seiten entsprochen werden muss, gibt es nicht. Eine Überprüfung am Maßstab der Unbilligkeit (§ 319 BGB) nimmt der Senat nicht vor, für die Einhaltung des Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums der Schiedsperson sind nicht die Wünsche der Klägerin maßgeblich, sondern die Richtigkeit des angenommenen Sachverhalts und die Einhaltung der gesetzlichen Maßstäbe.

Es wäre bereits im Vorfeld an der Klägerin gewesen, ihre Vorstellungen im Rahmen von Vertragsverhandlungen auszuhandeln. Auch in diesem Fall sind Verträge typischerweise das Resultat von Kompromissen, die eine vollständige Durchsetzung der eigenen Gestaltungswünsche zumeist nicht ermöglichen. Dies gilt umso mehr, wenn der Vertragsinhalt - wie hier - in einem Schiedsverfahren von dritter Seite festgelegt wird. Dass die Schiedsperson hierbei den ihr eingeräumten weiten Gestaltungsspielraum überschritten habe, hat die Klägerin mit ihrem nur äußerst pauschal gehaltenen Einwand nicht dargelegt.

ff) Die Klägerin wendet auch im Hauptsacheverfahren erneut ein, der Vertrag verstoße an mehreren Stellen gegen ihre Satzungsregelungen. Diesem Vortrag fehlt zum einen die konkrete Darlegung, welche „Stellen“ die Klägerin meint. Zum anderen hat der Senat hinsichtlich der Teilnahme der Versicherten an der hausarztzentrierten Versorgung bereits ausgeführt, dass und aus welchen Gründen er die vertraglichen Regelungen als vorrangig vor dem Satzungsrecht der Krankenkasse ansieht (Beschluss vom 16.05.2011 im Verfahren L 5 KA 362/11 ER-B). Er hat im Einzelnen dargelegt:

„Der Vertrag über die hausarztzentrierte Versorgung enthält danach das Gesetz ergänzende und ggf. modifizierende Festlegungen im Rechtsverhältnis zwischen den Versicherungsträgern (Krankenkassen) und den Leistungserbringern (Hausärzte bzw. Hausärztegemeinschaften). Rechte und Pflichten der Versicherten werden durch den Vertrag selbst unmittelbar nicht begründet. Diese sind Gegenstand der Satzungen der Krankenkassen. Sie treffen Regelungen im Rechtsverhältnis der Versicherungsträger zu den Versicherten, nämlich der Krankenkassen zu ihren Mitgliedern (§ 173 Abs. 1 SGB V). Die Krankenkassensatzungen stellten damit grds. Binnenrecht dar und können (bzw. müssen) als solches (u.a.) der Umsetzung oder Konkretisierung von Bestimmungen des gesetzlichen oder (gesamt-)vertraglichen Leistungs- und Leistungserbringerrechts für die Versicherten dienen. Das verdeutlichen die (beispielhaft aufgeführten) Regelungsgegenstände der Satzungsermächtigung in § 194 Abs. 1 SGB V. So muss die Satzung der Krankenkasse Bestimmungen enthalten über den Kreis der Mitglieder (Nr. 2), Art und Umfang der Leistungen (an die Mitglieder), soweit nicht durch Gesetz bestimmt (Nr. 3) oder über den von den Mitgliedern zu zahlenden Zusatzbeitrag nach § 242 SGB V (Nr. 4). Sowohl hinsichtlich des Leistungserbringer- wie des Leistungsrechts kann die Satzung der Krankenkasse aber nur den Rechtsrahmen ausfüllen, der für den jeweiligen Leistungsbereich durch Gesetz, Gesamtvertrag oder (hier) Einzelvertrag nach § 73a Abs. 2 Satz 4, Abs. 4a SGB V vorgegeben ist. Leistungen darf sie bspw. nur vorsehen, soweit das SGB V dies zulässt (§ 194 Abs. 2 SGB V; vgl. auch § 194 Abs. 1 Nr. 3 SGB V).

An diese (dienende) Funktion des Satzungsrechts der Krankenkassen knüpft § 73b Abs. 3 Satz 4 SGB V an und verpflichtet die Krankenkassen, das Nähere zur Durchführung der Teilnahme der Versicherten an der hausarztzentrierten Versorgung, insbesondere zur Bindung an den gewählten Hausarzt, zu weiteren Ausnahmen von dem Überweisungsgebot und zu den Folgen bei Pflichtverstößen der Versicherten in ihren Satzungen zu regeln. Damit werden die Krankenkassen mit ihrer Satzungsautonomie an den Inhalt des Vertrags über die hausarztzentrierte Versorgung gebunden. Den von den Vertragsparteien oder nach Maßgabe des § 73b Abs. 4a SGB V von der Schiedsperson an deren Stelle getroffenen Festlegungen kommt Vorrang vor dem Satzungsrecht der einzelnen Krankenkasse zu. Die Krankenkasse muss den sie bindenden Vertrag bei jeglicher Verwaltungstätigkeit und damit auch beim Erlass bzw. der Änderung von Satzungsbestimmungen einhalten. Alles andere wäre mit der dargestellten Funktion des Vertrags über die hausarztzentrierte Versorgung und dem Grundsatz der Verbindlichkeit vertraglicher Abreden (auch bei deren Festlegung in einem Schiedsverfahren) sowie dem Sicherstellungsauftrag der Krankenkassen in der hausarztzentrierten Versorgung nicht zu vereinbaren. Wenn die Satzung der Krankenkasse mit den Festlegungen des Vertrags nicht in Einklang steht, muss sie daher die Satzung entsprechend § 73b Abs. 3 Satz 3 SGB V ändern und an den Vertrag anpassen.“

An diesen Ausführungen hält der Senat fest. Die Klägerin hat dem im vorliegenden Verfahren lediglich entgegengehalten, sie folge dieser Rechtsmeinung nicht, und auf die Zuständigkeitsverteilung zwischen Vorstand der Krankenkasse und Verwaltungsrat (§§ 33 und 35 a SGB IV) hingewiesen. Mit der vom Senat im Beschluss vom 16.05.2011 dargelegten Argumentation setzt sich die Klägerin überhaupt nicht auseinander. Die Rüge des Satzungsverstoßes ist damit unsubstantiiert.

gg) Schließlich rügt die Klägerin, der Vertrag erfülle die gesetzlichen Mindestanforderungen nicht. Der Gesetzgeber habe in § 73b Abs. 5 Satz 1 SGB V vorgegeben, das Nähere über die Ausgestaltung der Anforderungen nach § 73b Abs. 2 SGB V zu regeln, welche das Kernstück der hausarztzentrierten Versorgung darstellten. Der Vertrag erschöpfe sich hierzu in § 3 Abs. 3 aber im Wesentlichen in der Wiedergabe des Gesetzestextes und verweise ansonsten auf die Anlage 2 zum Vertrag. Die darin enthaltenen Regelungen zum Praxismanagement, zur Teilnahme an strukturierten Qualitätszirkeln und zu den Behandlungsleitlinien ließen nicht erkennen, dass damit Regelungen getroffen worden seien, die den gesetzlichen Vorgaben auch nur im Ansatz genügen würden.

Diese Rüge greift schon vom Ansatz her nicht durch. Insbesondere verkennt die Klägerin auch mit dieser Argumentation, dass es bereits seit 2007 ihrer eigenen gesetzlich begründeten Verpflichtung oblegen hatte, einen Vertrag über die hausarztzentrierte Versorgung mit den qualifizierten Hausarztverbänden zu schließen. Darin hätten weitergehende Regelungen, die nach den Vorstellungen der Klägerin den gesetzlichen Vorgaben besser entsprochen hätten, frei ausgehandelt werden können. Die Festlegung des Vertragsinhaltes im Wege des Schiedsverfahrens erfolgt allein aus dem Grund, dass die Klägerin dieser Verpflichtung gerade nicht nachgekommen ist. Es bleibt ihr aber auch weiterhin die Möglichkeit eröffnet, Regelungen über eine genauere Ausgestaltung der hausarztzentrierten Versorgung im Wege einer Vertragsänderung noch auszuhandeln.

5. Da keine der von der Klägerin erhobenen Einwendungen durchgreifen, erweist sich der durch den Schiedsspruch festgelegte Vertrag - entgegen des von der Klägerin gezogenen Fazits - weder als unwirksam noch als unbillig. Wenn die Klägerin den Vertrag für sittenwidrig erachtet, weil ihr und ihren Versicherten für die aus dem Vertrag folgenden, nicht unerheblichen Mehrausgaben derzeit keine erkennbaren Gegenleistungen gegenüber stehen würden, ignoriert sie, dass die Aufwertung der hausärztlichen Versorgung durch das Konzept einer qualitätsgesicherten, hausarztzentrierten Versorgung letztlich Einsparungen im Bereich der fachärztlichen Versorgung bewirken soll.

Die Berufung bleibt damit mit dem Anfechtungsantrag ohne Erfolg.

II. Die Klägerin hat in ihrem ersten Hilfsantrag die Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrages beantragt. Dieser Antrag, der ursprünglich den Hauptantrag der am 09.09.2011 erhobenen Klage bildete, beruht auf der Rechtsauffassung der Klägerin zur Rechtsnatur des Schiedsspruches. Die Klägerin sieht darin keinen Verwaltungsakt, so dass sie - insoweit konsequent - einen Feststellungsantrag gestellt hat.

Der Senat qualifiziert indes - wie oben unter I.1. ausführlich dargelegt - den Schiedsspruch als Verwaltungsakt und hat deshalb die Anfechtungsklage für statthaft erachtet. Der hilfsweise erhobene Feststellungsantrag nach § 55 Abs. 1 SGG ist demgegenüber subsidiär und damit unzulässig. Dies hat das Sozialgericht in dem angegriffenen Urteil vom 25.04.2012 zutreffend dargelegt. Dem schließt sich der Senat an und nimmt insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

III. Für das mit dem zweiten Hilfsantrag geltende gemachte Begehren der Klägerin auf Ergänzung der Inkrafttretensregelung des § 16 Abs. 1 Satz 1 des Vertrages mit dem Ziel, das Inkrafttreten des Vertrages bis zur Vereinbarung sämtlicher Vertragsanlagen durch die Vertragsparteien oder deren Festsetzung durch weiteren Schiedsspruch hinauszuschieben, fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin. Auch dieser Hilfsantrag ist deshalb unzulässig.

1. An einem Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin für diesen Antrag fehlt es schon deshalb, weil der Klägerin eine einfachere rechtliche Möglichkeit eröffnet ist, die Rechtswirkungen des Vertrages zu beseitigen. Denn sie kann den Vertrag kündigen. Nach § 16 Abs. 4 des Vertrages ist dieser zum Halbjahres- oder Jahresende, erstmals zum 31.12.2013, mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten kündbar. Die Klägerin strebt mit dem zweiten Hilfsantrag an, das Inkrafttreten des Vertrages auf einen unbestimmten Zeitpunkt hinauszuschieben, den sie zudem in erster Linie selbst beeinflussen kann, da nach ihrer Vorstellung der Vertrag erst in Kraft treten soll, wenn die noch ausstehenden Anlagen bzw. Anhänge zu den Vertragsanlagen vereinbart sind. Vor dem Hintergrund, dass der Vertrag entgegen der Inkrafttretensregelung des § 16 Abs. 1 Satz 1 des Vertrages (Inkrafttreten zum 15.09.2010) derzeit tatsächlich nicht praktiziert wird, wie der Vertreter der Klägerin gegenüber dem Senat mitgeteilt hat, erweist sich die Herbeiführung einer Änderung der Inkrafttretensregelung durch gerichtliche Entscheidung als rechtsmissbräuchlich. Die Klägerin muss sich darauf verweisen lassen, den Vertrag entsprechend dem ihr eingeräumten Kündigungsrecht zu kündigen und den Gesamtvertrag einschließlich der Anlagen neu zu verhandeln. Dieses Recht steht ihr nämlich auch dann zu, wenn der Senat ihrem Antrag entsprechen und das Inkrafttreten tatsächlich hinausgeschoben würde. Die Klägerin könnte auch dann anstelle der Verhandlung über die noch fehlenden Vertragsanlagen den Vertrag durch Kündigung zu Fall bringen. Mit der Möglichkeit zur Kündigung des Gesamtvertrages könnte die Klägerin auch etwaige Bemühungen der Beklagten, die fehlenden Anlagen durch einen weiteren Schiedsspruch herbeizuführen, konterkarieren.

2. Im Hinblick auf den zweiten Hilfsantrag muss sich die Klägerin auch ihr widersprüchliches Verhalten im Sinne eines venire contra faktum proprium entgegen halten lassen. Das Sozialgericht hat in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hingewiesen, dass die Annahme eines Junktim zwischen dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des (gesamten) durch Schiedsspruch festgesetzten HzV-Vertrages und dessen inhaltlicher Lückenlosigkeit das von dem durch § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V begründeten Kontrahierungszwang verfolgte Ziel der Gewährleistung einer flächendeckenden hausarztzentrierten Versorgung nicht fördern, sondern verzögern und vereiteln würde. Die Klägerin hat durch ihr Vorgehen erkennen lassen, dass sie auch den durch Schiedsspruch festgesetzten Vertrag nicht umzusetzen gewillt ist, und möchte seine Rechtswirkungen - wie aus dem Anfechtungsantrag unter Ziff. 1 erkennbar - vollständig beseitigt haben. Aus dem gesamten Verhalten der Klägerin in Bezug auf die Umsetzung ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Eröffnung des Angebots einer hausarztzentrierten Versorgung ist zu erkennen, dass die Klägerin sich weigert, ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen. Ernsthafte Bemühungen, die fehlenden Vertragsanlagen auszuhandeln, sind nicht ersichtlich. Die Klägerin hätte es mit der begehrten Vertragsänderung in der Hand, das Inkrafttreten des Vertrags ad ultimo hinauszuschieben. Die Blockadehaltung der Klägerin findet nicht zuletzt ihren Ausdruck darin, dass sie in ihren Änderungsanträgen vom 29.04.2010 zu dem Anhang 3 zur Anlage 3 betreffend den VERAH-Zuschlag (Zuschlag für die Beschäftigung eines Versorgungsassistenten in der Hausarztpraxis) unter Ziff. 46 gefordert hat, diese Anlage ersatzlos zu streichen. Nunmehr soll ihrem Hilfsantrag zufolge das Inkrafttreten des Gesamtvertrages vom Abschluss gerade auch dieser Anlage abhängig gemacht werden. Selbst wenn die Anlagen durch Schiedsvertrag festgelegt werden würden, wäre es der Klägerin durch Einlegung von Rechtsmitteln - wie im bisherigen Verfahrensverlauf gezeigt - möglich, sich fortdauernd ihrer gesetzlichen Verpflichtung aus § 73b SGB V zu entziehen. Letztlich hätte sie immer ihr Kündigungsrecht aus § 16 Abs. 4 des Vertrages in der Hand, um sich ihrer Verpflichtungen aus dem Vertrag zu entziehen.

Die Änderung der Inkrafttretensregelung in der beantragten Weise macht daher bei einem nunmehr bestehenden Kündigungsrecht der Klägerin keinen erkennbaren Sinn.

3. Darüber hinaus ist der zweite Hilfsantrag auch in der Sache nicht begründet. Ein Schiedsspruch muss nicht alle während der Vertragsverhandlungen angesprochenen Problemfelder regeln. Ausreichend ist, dass der Schiedsspruch in sich so schlüssig ist, dass die geregelten Vertragsteile von den Vertragsparteien umgesetzt werden können, woran hinsichtlich des Schiedsspruchs vom 09.09.2010 schon deshalb keine Zweifel bestehen, weil Verträge mit vergleichbarem Inhalt von anderen Krankenkassen durchgeführt werden. Die Rechtsauffassung der Klägerin hätte im Übrigen zur Folge, dass auch Add-on-Verträge wegen Unvollständigkeit rechtswidrig wären, wenn auch nur ein von einer Seite für wichtig gehaltener Verhandlungspunkt nicht im Schiedsspruch geregelt wäre, was von ihr selbst wohl nicht behauptet wird. Besteht insoweit aber keine Rechtswidrigkeit des Schiedsspruchs vom 09.09.2010, kann auch kein Anspruch auf Aussetzung des geschiedsten Vertrags bis zur Ergänzung durch die gewünschten Zusatzregelungen bestehen. Im Übrigen steht es den Vertragsparteien frei, ihres Erachtens im Schiedsspruch nicht berücksichtigte, aber für notwendig gehaltene Vertragsergänzungen nach Ergehen des Schiedsspruchs einzuklagen. Statt des zweiten Hilfsantrags hätte die Klägerin besser einen ausgefeilten Vertragsentwurf vorgelegt und eingeklagt.

Die Berufung bleibt daher insgesamt ohne Erfolg.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht in tatsächlicher Hinsicht im Wesentlichen auf den Angaben des Bevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung des Senats. Danach sind in Baden-Württemberg ca. 40.000 Personen bei der Klägerin versichert. Ausgehend von einem Bereinigungsbetrag (in anderen KV-Bezirken - vgl. § 73b Abs. 7 Satz 1 SGB V) von 35 bis 40 EUR und einem angenommenen durchschnittlichen Fallwert von 75-80 EUR einschließlich außerbudgetärer Leistungen bzw. der Fallwertobergrenze von 76 EUR nach § 10 Abs. 9 des Vertrags ergibt sich für die Klägerin durch den Vertrag vom 09.09.2010 pro Versicherten ein Zusatzaufwand von jedenfalls 35 EUR im Quartal. Erfahrungsgemäß schreiben sich nur ein Bruchteil der Versicherten in Hausarztverträge ein. Bei angenommen 10% der Versicherten wären dies in Baden-Württemberg ca. 4.000 Versicherte. Hochgerechnet auf 12 Quartale besteht das wirtschaftliche Interesse der Klägerin am vorliegenden Rechtsstreit (zumindest) darin, Zusatzkosten in Höhe von (4.000 x 35 EUR x 12 = ) 1.680.000 EUR zu vermeiden. In dieser Höhe war der Streitwert festzusetzen.

Die Revision ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).