VG München, Urteil vom 02.07.2014 - M 5 K 13.4946
Fundstelle
openJur 2014, 17112
  • Rkr:

Die Regelung in Ziffer 31.2.8 lit. d BayVwVBes (Bayerische Verwaltungsvorschriften) zum BayBesG (Bayerisches Besoldungsgesetz) verstößt gegen das Benachteiligungsverbot in § 7 Abs. 1 AGG und ist daher nicht anwendbar.

Tenor

I. Der Bescheid des ... vom 28. Januar 2013 und dessen Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2013 werden aufgehoben.

II. Der Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Anerkennung förderlicher Zeiten für seine Vollzeittätigkeit als Rechtsassessor vom 10. August 2009 bis zum 11. November 2009 sowie für seine Vollzeittätigkeit als Rechtsanwalt vom 12. November 2009 bis zum 14. November 2011 gemäß Art. 31 Abs. 2 BayBesG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

III. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Entschädigung in Höhe von 100 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

IV. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

V. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

VI. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Der am ... 1984 geborene Kläger begann mit 18 Jahren im Jahr 2002 sein Studium der Rechtswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität in M.; im Termin 2006/II legte er seine Erste juristische Staatsprüfung ab. Seine Zweite juristische Staatsprüfung schloss er im Termin 2008/II im Alter von 24 Jahren ab. Unmittelbar nach seiner mündlichen Prüfung am 19. Mai 2009 bewarb er sich erfolglos beim Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen. Infolgedessen nahm er ab dem 10. August 2009 eine Vollzeittätigkeit als Rechtsassessor in der Anwaltskanzlei A. in M. auf. Dort war er bis zum 11. November 2009 als Assessor und gleichzeitiger Vertreter des Rechtsanwaltes B. tätig und arbeitete nach seiner Zulassung ab dem 12. November 2009 bis zum 14. November 2011 als Rechtsanwalt.

Mit Wirkung vom 17. Oktober 2011 wurde der Kläger unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Regierungsrat (Besoldungsgruppe A 13) ernannt und mit Wirkung vom 23. August 2013 in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen. Seine Probezeit war wegen erheblich über dem Durchschnitt liegender fachtheoretischer und berufspraktischer Leistungen um 3 Monate verkürzt worden. Der Kläger ist derzeit beim ... - als juristischer Mitarbeiter der vierten Qualifikationsebene im Bereich des ... tätig.

Mit Schreiben vom 4. Mai 2012 beantragte der Kläger, seine als Rechtsanwalt geleisteten Vollzeittätigkeiten als förderliche hauptberufliche Beschäftigungszeiten anzuerkennen.

Dies wurde mit Bescheid vom 28. Januar 2013 abgelehnt. Die Tätigkeit als Assessor sei keine förderliche Beschäftigungszeit im Sinne des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 des Bayerischen Besoldungsgesetzes/BayBesG. Der Beruf des Rechtsanwaltes sei zwar als förderlich anzusehen, diese Beschäftigung habe der Kläger jedoch vor der Vollendung seines 29. Lebensjahres ausgeübt, so dass eine Berücksichtigung aufgrund der entsprechenden Verwaltungsvorschriften nicht in Betracht komme. Hiergegen legte der Kläger am 27. Februar 2013 Widerspruch ein.

Der Präsident des ... legte dem Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen mit Schreiben vom 10. September 2013 den Antrag mit der Bitte um Erteilung des Einvernehmens vor, weil nach seiner Auffassung förderliche Zeiten vorlägen. Das Staatsministerium verweigerte das Einvernehmen mit Schreiben vom 30. September 2013, weil keine besonderen Umstände vorlägen, die eine Abweichung vom im Gesetz vorgesehenen Regelfall der Nichtberücksichtigung von vor dem 29. Lebensjahr abgeleisteten Zeiten rechtfertigten.

Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2013 zurückgewiesen. Die Entscheidung, in welchem Umfang die Beschäftigungszeiten zu einer fiktiven Vorverlegung des Diensteintritts führten, liege im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Stelle. Hauptberufliche förderliche Beschäftigungszeiten könnten nur berücksichtigt werden, wenn diese nach Vollendung des 29. Lebensjahres lägen. Hintergrund sei, dass die ersten zwei Beschäftigungsjahre - soweit diese vor dem 29. Lebensjahr absolviert worden seien - bereits durch die neue Tabellenstruktur der Besoldungstabelle angemessen berücksichtigt seien. Eine Diskriminierung sei nicht ersichtlich, weil somit eine sachliche Differenzierung vorgenommen werde.

Mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2013, am selben Tag bei Gericht eingegangen, hat der Kläger Klage erhoben und beantragt,

I. Der Bescheid des ... vom 28. Januar 2013 und der Widerspruchsbescheid des ... vom 15. Oktober 2013 werden aufgehoben.
II. Der Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Anerkennung förderlicher Zeiten für seine Vollzeittätigkeit als Rechtsassessor vom 10. August 2009 bis zum 11. November 2009 sowie für seine Vollzeittätigkeit als Rechtsanwalt vom 12. November 2009 bis zum 14. November 2011 gemäß Art. 31 Abs. 2 BayBesG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
III. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Entschädigung in Geld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkejt zu bezahlen. Die Höhe der Entschädigung wird in das Ermessen des Gerichts gestellt. Diese darf den Betrag von 100 EUR nicht übersteigen.

Die Nichtanerkennung der beruflichen Vollzeittätigkeit vor dem Eintritt in den öffentlichen Dienst stelle eine Diskriminierung wegen Alters dar. Der Beklagte führe durch das Neue Dienstrecht Prinzipien wie die Abkehr vom Besoldungsdienstalter und die Zuwendung zum Leistungsprinzip ein, missachte diese aber, wenn er die Berufserfahrung vor dem 29. Lebensjahr nicht anerkenne. Insofern werde das zügigere Absolvieren einer Ausbildung bestraft und das länger andauernde Studieren würde demgegenüber privilegiert.

Auch die Tätigkeit des Klägers als Assessor sei als förderlich anzusehen, weil er eine entsprechende Berufserfahrung dadurch gesammelt habe; die beim Beklagten ausgeübte Tätigkeit sei identisch mit den Aufgaben eines Rechtsanwaltes. Darüber hinaus sei eine berufliche Tätigkeit nach einem Hochschulabschluss, die vor Vollendung des 29. Lebensjahres aufgenommen werde, nicht schlechter oder weniger förderlich als dieselbe Tätigkeit, die erst nach Vollendung des 29. Lebensjahres ausgeübt werde.

Mit Schriftsatz vom 18. November 2011 hat das ... für den Beklagten beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Kläger sei in der Besoldungsgruppe A 13 sofort in die Stufe 4 eingeordnet worden, weil die Stufen 1 bis 3 in dieser Besoldungsgruppe überhaupt nicht belegt seien. Das Lebensalter spiele dafür keine Rolle.

Hätte sich der Kläger nicht erst mit Schreiben vom 12. April 2011 beim damaligen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung und Familie beworben, sondern sich unmittelbar nach Ablegung der zweiten juristischen Staatsprüfung im Herbst 2009 um eine Einstellung bemüht, wäre es möglicherweise zu einem früheren Beginn des Beamtenverhältnisses auf Probe gekommen. Aus der Gesetzesbegründung gehe hervor, dass sich für Bewerber, die ihr Studium zügig absolvierten und früh in den Staatsdienst einträten, Verbesserungen ergeben sollten.

Die absolvierte Zeit als Assessor sei nicht förderlich, weil diese Tätigkeit kein eigenständiges Auftreten nach außen mit sich brächte. So bestünde kein Zusammenhang mit den Tätigkeiten, die der Kläger in seinem momentanen konkreten Amt im funktionellen Sinne zu leisten habe. Darüber hinaus könne die Tätigkeit als Rechtsanwalt nicht als förderlich im Sinne des Art. 31 Abs. 2 BayBesG anerkannt werden, weil sie zwar förderlich und auch hauptberuflich sei, jedoch vom 12. November 2009 bis zum 14. Oktober 2011 ausgeübt und damit vor der Vollendung des 29. Lebensjahrs des Klägers am 26. Juni 2013 geleistet worden sei. Insofern seien die Verwaltungsvorschriften zum Bayerischen Besoldungsgesetz ermessensleitend. Anhaltspunkte für eine Diskriminierung des Klägers lägen nicht vor, weil eine ausreichende sachliche Differenzierung gegeben sei. Indem der Einstieg in die Besoldungsgruppe A 13 erst in der vierten Stufe erfolge, trage der Gesetzgeber dem vorherigen Ableisten einer universitären Ausbildung Rechnung.

Mit Schriftsatz vom 28. November 2013 hat der Kläger auf mündliche Verhandlung verzichtet; der Beklagte hat dies mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2013 erklärt.

Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Gründe

I. Über die Streitsache kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. da die BI. Über die Streitsache kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. da die Beteiligten übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt haben (§ 101 Abs. 2 der VerwaltungsgerichtsordnungNwGO).

II. Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid des ... vom 28. Januar 2013 und der ihn bestätigende Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2013 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat Anspruch darauf, dass der Beklagte erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung desGenchts über die Anerkennung seiner Beschäftigungszeiten entscheidet (§ 113 Abs. 5 Satz 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Gemäß Art. 31 Abs. 2 Satz 1 BayBesG kann der Zeitpunkt des Diensteintritts auf Antrag um sonstige für die Beamtentätigkeit förderliche hauptberufliche Beschäftigungszeiten fiktiv vorverlegt werden. Unstreitig handelt es sich bei den vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten um hauptberufliche Beschäftigungen. Sowohl die Tätigkeit des Klägers als Rechtsanwalt, als auch die Zeit, die der Kläger als Assessor beschäftigt war, ist als förderlich und anerkennenswert im Sinne des Art. 31 Abs. 2 BayBesG anzusehen.

1. Förderlich sind Zeiten, die für die Wahrnehmung der künftigen Dienstaufgaben von konkretem besonderen Interesse sind (Voitl/Luber, Das neue Dienstrecht in Bayern, 1. Auflage 2011, S. 14 f.). Dies muss dahingehend konkretisiert werden, dass sich die Förderlichkeit auf die künftig auszuübende Beamtentätigkeit und die mit dem Amt verbundenen Aufgaben bezieht. Dementsprechend kommen als förderliche Zeiten insbesondere Tätigkeiten in Betracht, die mit den Anforderungsprofilen möglicher Tätigkeiten der betreffenden Qualifikationsebene in sachlichem Zusammenhang stehen oder durch die Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen erworben wurden, die für die auszuübenden Tätigkeiten von Nutzen oder Interesse sind (VG Augsburg, U.v. 12.7.2012 - Au 2 K 11.1646 - juris; Ziffer 31.2.3 der Bayerischen Verwaltungsvorschriften zum Besoldungsrecht und Nebengebieten/BayVwVBes). Die Förderlichkeit von Vortätigkeiten muss nicht die ganze Bandbreite der späteren Verwendung umfassen. Vielmehr sind die inhaltlichen Anforderungen mehrerer Ämter einer Fachrichtung oder auch nur die Anforderungen eines bestimmten Dienstpostens in den Blick zu nehmen (vgl. VG Stuttgart zur ähnlichen Vorschrift des § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BesG BW, U.v. 30.4.2014 - 3 K 5177/13 - juris, Rn. 20 f.); der Begriff ist weit auszulegen (vgl. Ziffer 31.2.3 Satz 1 BayVwBes; VG Augsburg, U.v. 12.7.2012 -Au 2 K 11.1646 - juris) und nach objektiven Maßstäben zu beurteilen. Diese Grundsätze, die das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 14.03.2002 - 2 C 4.01 - Buchholz 239.1 § 10 BeamtVG Nr. 14) zu § 10 Abs. 1 Nr. 2 des Beamtenversorgungsgesetzes/BeamtVG a.F. entwickelt hat, gelten hier gleichermaßen (vgl. auch VGH BW, U.v. 18.3.2014 - 4 S 2129/13 - juris, Rn. 22; VG Augsburg, U.v. 12.7.2012 -Au 2 K 11.1646 - juris; VG Wiesbaden, U.v. 1.10.2012 - 3 K 692/11.WI - juris).

Gemessen an diesen Vorgaben besitzt der Kläger einen Anspruch auf Neuentscheidung über die Anerkennung der 26-monatigen beruflichen Tätigkeit als Rechtsassessor sowie als Rechtsanwalt als förderliche hauptberufliche Zeit gemäß Art. 31 Abs. 2 Satz 1 BayBesG.

Bei gebotener weiter Auslegung des Begriffs der Förderlichkeit ist die Tätigkeit als Rechtsassessor und ständiger Vertreter eines Anwalts in einer Anwaltskanzlei förderlich für die Verwendung des Klägers als Beamter der vierten Qualifikationsebene. Der Kläger übte zwar keine inhaltlich deckungsgleiche Tätigkeit zu der Tätigkeit als juristischer Beamter aus. Er war jedoch ebenfalls hauptsächlich mit der juristischen Bearbeitung von Sachverhalten betraut, hatte Schriftsätze anzufertigen und beschäftigte sich damals wie heute mit rechtlich komplexen Gebieten. Ein sachlicher Zusammenhang zwischen der früheren Tätigkeit des Klägers und einer Beschäftigung als Beamter beim Integrationsamt des Beklagten besteht. Die Befugnis zur Schriftzeichnung kann für die Qualifikation nicht entscheidend sein, weil es auf die Außenwirkung der Tätigkeit nicht ankommt. Zum einen war der Kläger bei seiner früheren Tätigkeit als Vertreter des Rechtsanwaltes eingesetzt und übte damit auch dessen Tätigkeit aus, die wiederum vom Beklagten als förderlich angesehen wird. Zum anderen kommt hinzu, dass beim Beklagten auch Mitarbeiter der dritten Qualifikationsebene selbst Schriftsätze und Bescheide unterzeichnen dürfen. Im Übrigen besteht zwischen der Tätigkeit als Anwalt und der Tätigkeit als Assessor lediglich der formale Unterschied einer Zulassung als Rechtsanwalt, die aber an keine weiteren (fachlichen) Voraussetzungen anknüpft.

Der Beklagte verkennt, dass die Tätigkeit als Assessor nicht schon deshalb als nicht förderlich anzusehen ist, weil diese in Ziffer 31.2.3 BayVwVBes nicht genannt ist. Die dortige Aufzählung ist ausdrücklich nur beispielhaft und stellt keinesfalls einen abschließenden Katalog dar.

2. Die Ermessensentscheidung, die förderlichen hauptberuflichen Beschäftigungszeiten, die der Kläger vor Vollendung seines 29. Lebensjahres abgeleistet hat, nicht anzuerkennen, liegt nicht im Rahmen einer rechtlich ordnungsgemäßen Ermessensausübung und ist daher rechtswidrig. Der Beklagte ist daher verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts eine erneute Ermessensentscheidung zu treffen.

Art. 31 Abs. 2 Satz 1 BayBesG räumt der zuständigen Behörde einen Ermessensspielraum ein. Dieser wird wiederum durch die ermessensleitenden Verwaltungsvorschriften zum Bayerischen Besoldungsgesetz präzisiert. Da entgegen der Auffassung des Beklagten eine Förderlichkeit der gesamten streitgegenständlichen Tätigkeiten des Klägers gegeben ist, steht deren Anerkennung im Ermessen der Behörde. Insoweit ist die angefochtene Entscheidung nach § 114 Satz 1 VwGO ermessensfehlerhaft, da der Beklagte sein Ermessen auf der Basis rechtswidriger Verwaltungsvorschriften ausgeübt hat. Der Ausschluss der vor der Vollendung des 29. Lebensjahres geleisteten Beschäftigungszeiten beim Einstieg in die vierte Qualifikationsebene in Ziffer 31.2.8 lit. d BayVwVBes beinhaltet eine Ungleichbehandlung in Form einer unmittelbaren Diskriminierung aus Gründen des Alters i.S.v. Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABI. EG Nr. L 303 S. 16)/RL 2000178/EG. Diese Richtlinie konkretisiert das Verbot der Altersdiskriminierung, das im Unionsrecht als allgemeiner Grundsatz anerkannt und in Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte/GrCh verankert ist. Diese hat seit dem 1. Dezember 2009 gemäß Art. 6 Abs. 1 EUV den gleichen rechtlichen Rang wie die Verträge. Diese Grundsätze werden im nationalen Recht in §§ 1, 3 und 7 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes/AGG fortgeschrieben. Eine Abweichung vom Verbot der Altersdiskriminierung muss grundsätzlich eng ausgelegt werden (Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 7. Februar 2013 - C-546/11 (Dansk Jurist) - juris).

Die Regelung in Ziffer 31.2.8 lit. d BayVwVBes bewirkt eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters nach §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 1 AGG, die nicht nach § 10 AGG gerechtfertigt ist.

a) Die oberste Landesbehörde, in deren Bereich das Ermessen auszuüben ist, darf auch ohne besondere gesetzliche Ermächtigung ermessensleitende Richtlinien erlassen, um eine gleichmäßige Ausübung des Ermessens sicher zu stellen (vgl. BVerwG, U.v. 29.4.2004 - 2 C 21.03 - BVerwGE 120, 382). Davon hat das Bayerische Staatsministerium der Finanzen Gebrauch gemacht. Gegen die dort genannten Vorgaben betreffend den Ausschluss der vor Vollendung des 29. Lebensjahres geleisteten Beschäftigungszeiten beim Einstieg in die vierte Qualifikationsebene (Ziffer 31.2.8 lit. d BayVwVBes) bestehen allerdings durchgreifende rechtliche Bedenken, weil sie nicht auf hinreichend sachlichen Rechtfertigungsgründen beruhen.

b) Art. 1 und Art. 2 der RL 2000/78/EG bestimmen, dass eine von den Mitgliedstaaten vorgesehene Ungleichbehandlung aufgrund des Lebensalters einen Verstoß gegen Grundsatz des Verbots von Diskriminierungen aus Gründen des Alters darstellt.

Die Berufserfahrung, die der Kläger vor seinem vollendeten 29. Lebensjahr erworben hat, findet bei der Festlegung des Diensteintritts keine Berücksichtigung. Ausschließliches Kriterium für die Stufenfestlegung ist dabei das Lebensalter. Er wird damit im Gegensatz zu einem Beamten, der nach Vollendung des 29. Lebensjahres förderliche hauptberufliche Zeiten abgeleistet hat, schlechter gestellt.

c) Eine ausreichende Rechtfertigung für die Differenzierung aus Altersgründen für die Regelung in Ziffer 31.2.8 lit. d BayVwVBes ist nicht ersichtlich.

Nach § 10 Satz 1 AGG (der Art. 6 Abs. 1 RL 2000178/EG umsetzt) ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 AGG enthält eine Aufzählung von Tatbeständen, wonach derartige unterschiedliche Behandlungen insbesondere gerechtfertigt sein können, dabei werden in Nr. 2 insbesondere die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile angeführt.

Zweifelhaft ist bereits, ob ein legitimes Ziel der Regelung zugrunde liegt. Aus der Gesetzesbegründung zu Art. 102 Satz 2 BayBesG ist ein solches (wie auch aus dem Vortrag des Beklagten) nicht ersichtlich. Die Bestrebung, "die Interpretation und Anwendung der neuen gesetzlichen Vorschriften zu erleichtern" (Vorwort zu den BayVwVBes vom 22.12.2010, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 14.1.2014, FMBI S. 14), kann nicht genügen (so auch Schlussanträge des Generalanwaltes Bot vom 28.11.2013, Verbundene Rechtssachen C-501/12 bis C-506/12, C-540/12 und C-541/12, Rn. 74). Fragwürdig ist, ob ein legitimes Ziel in dem Anliegen gesehen werden kann, die Benachteiligung von Personen zu verhindern, die eine höhere Schulbildung absolviert haben. Denn wie sich im Fall des Klägers zeigt, geht das Absolvieren einer höheren Schulbildung nicht zwangsläufig mit der Erreichung des 30. Lebensjahres einher. Darüber hinaus wird dieses Ziel bereits ausreichend durch die entsprechende Einstufung in Stufe 4 bei der Besoldungsgruppe A 13 erreicht. Die erneuerte Tabellenstruktur dient in erster Linie dazu, die Nachteile für ältere Beschäftigte zu minimieren, weil "damit [ ... ] Verschlechterungen gegenüber der bisherigen Systematik nach § 27 BBesG weitestgehend ausgeschlossen" werden (Gesetzesbegründung zum BayBesG vom 26.1.2010, LTDrs. 16/3200, S. 378), nicht hingegen, um die Erfahrung jüngerer Beschäftigter zu honorieren.

Vielmehr wird durch die Regelung der Ziffer 31.2.8 lit. d BayVwVBes das Ziel einer Anreizsetzung für die Bewerber, die eine unterdurchschnittliche Studiendauer aufweisen (vgl. Gesetzesbegründung zum BayBesG vom 26.1.2010, L TOrs. 16/3200, S. 378 f.) sogar konterkariert, weil Beamte, die ihre Ausbildung zügig absolvieren und danach nicht unmittelbar in den Staatsdienst eintreten, benachteiligt werden (so auch Schlussanträge des Generalanwaltes Bot vom 28.11.2013, Verbundene Rechtssachen C-501/12 bis C-506/12, C-540/12 und C-541/12, Rn. 64, insbes. Rn. 66 ff.). Der Aspekt, dass nur Berufserfahrung, die beim Beklagten abgeleistet wurde, honoriert werden soll, findet im Gesetz keinen Niederschlag.

Das Ziel, die Berufserfahrung zu berücksichtigen, schlägt sich ferner bereits in der Tatsache nieder, dass ein Beamter als Einstiegsgehalt in der Besoldungsgruppe A 13 in der vierten Stufe eingruppiert wird. Grundsätzlich sind sog. "Anciennitätssysteme" gerechtfertigt, soweit sie relevante Berufserfahrung abgelten, ein Mindestalter lässt sich hingegen für die Berücksichtigung der Berufserfahrung nicht rechtfertigen (EuGH, U.v. 18.6.2009 - C-88/08 (Hütter) - juris, Rn. 43 ff.).

Zwar verfügt der Beklagte über einen weiten Ermessensspielraum bei der Wahl der Maßnahmen zur Erreichung seiner Ziele im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik (st. Rspr.; EüGH, U.V. 22.11.2005 - C-144/04 (Mangold) - juris, Rn. 63; U.V. 19.1.2010 - C-555/07 (Kücükdeveci), juris, Rn. 33). Unbeschadet dieses Ermessensspielraums ist festzustellen, dass durch die Nichtberücksichtigung der vor Vollendung des 29. Lebensjahres erworbenen Berufserfahrung keines der in der Richtlinie genannten Ziele besser erreicht wird. Zum einen ist die pauschale und alleinige Anknüpfung an das Kriterium des Alters, unabhängig von der Art der konkreten Ausbildung, zur Verfolgung des Ziels, Personen zu privilegieren, die eine höhere Schuldbildung absolviert haben, nicht angemessen (EuGH, U.v. 18.6.2009 - C-88/08 (Hütter) - juris, Rn. 48). Zum anderen ist die Regelung auch deshalb nicht angemessen, weil sie im Hinblick auf das oben genannte Ziel unterschiedslos jegliche Berufserfahrung unberücksichtigt lässt (EuGH, U.V. 8.9.2011 - C-297/10 und C-298/10 (Hennigs und Mai) - juris, Rn. 77). Demnach ist die systematische Differenzierung nach dem Lebensalter ohne daneben weitere Anknüpfungspunkte zu enthalten, vor dem Hintergrund der RL 2000n8/EG nicht zu rechtfertigen. Die Berufserfahrung des Einzelnen, die er frühzeitig erworben hat, wird in der Besoldungstabelle nicht abgebildet, sondern im Gegensatz zu einer später erworbenen Erfahrung ausgeblendet.

d) Der Kläger kann damit einen Verstoß gegen § 3 Abs.1 und § 1 AGG geltend machen, die eine Umsetzung der Bestimmungen der Art. 2 Abs. 2 Buchst. a, 6 der RL 2000/78/EG darstellen. Der Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot in § 7 Abs. 1 AGG hat zur Folge, dass die Regelung in Ziffer 31.2.8 lit. d BayVwVBes unangewendet bleiben muss (EuGH, U.v. 22.11.2005 - C-144/04 (Mangold) - juris, Rn. 77; U.v. 19.1.2010- C-555/07 (Kücükdeveci), juris, Rn. 55).

3. Des Weiteren steht dem Kläger eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes/AGG zu.

a) Die Beteiligten unterfallen dem persönlichen Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Der verbeamtete Kläger ist Beschäftigter im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 AGG, denn nach § 24 Nr. 1 AGG gelten die Vorschriften dieses Gesetzes für u.a. Beamtinnen und Beamte der Länder entsprechend. Der Beklagte ist Arbeitgeber nach § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG (vgl. VGH BW, U.v. 10.9.2013 - 4 S 547/12 - juris, Rn. 21).

b) Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG kann der oder die Beschäftigte wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch nach dieser Bestimmung ist ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG. Zwar wird der Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot nur in § 15 Abs. 1 AGG als Tatbestandsvoraussetzung für den Ersatz - hier nicht im Vordergrund stehender - materieller Schäden ausdrücklich genannt. Dem Charakter des § 15 AGG als umfassende Regelung der finanziellen Einstandspflicht des Arbeitgebers bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot nach § 7 AGG entspricht es aber, auch die Entschädigung immaterieller Schäden nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG an einen derartigen Verstoß zu binden (BVerwG, U.v. 3.3.2011 - 5 C 16.10 - BVerwGE 139,135; U.v. 15.12.2011 - 2 A 13.10- NVwZ-RR 2012, 320; VGH BW, U.v. 10.9.2013 - 4 S 547/12 - juris). Benachteiligung im Sinne des Benachteiligungsverbots des § 7 Abs. 1 AGG ist jede unterschiedliche Behandlung, die mit einem Nachteil verbunden ist; nicht erforderlich ist, dass in Benachteiligungsabsicht gehandelt oder die Benachteiligung sonst schuldhaft bewirkt worden ist. Nach § 3 Abs.1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde (VG Göttingen, U.v. 18.3.2014 - 1 A 247/12 - juris, Rn. 18). § 1 AGG nennt u. a. das Alter, weswegen Benachteiligungen zu verhindern oder zu beseitigen sind.

c) Der Kläger hat eine Benachteiligung wegen seines Alters erfahren.

Er wurde deshalb schlechter gestellt, ohne dass dafür ein sachlicher Grund vorlag. Hinsichtlich eines Beamten, der dieselbe berufliche Erfahrung wie der Kläger nach Vollendung des 29. Lebensjahres angesammelt hat, ergibt sich objektiv eine wesentlich günstigere Behandlung, denn für diesen Beamten findet die Altersgrenze in Ziffer 31.2.8 lit. d BayVwVBes keine Anwendung.

d) Zwischen dem Alter des Klägers und seiner Benachteiligung bezüglich der Vorverlegung des Diensteintritts besteht auch ein Kausalzusammenhang. Der Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot im Sinne des § 7 Abs. 1 AGG erfordert, dass die Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes - hier des Alters - erfolgt ist.

e) Der Entschädigungsanspruch ist gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG auch innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Zugang der Ablehnung des Antrags durch den Widerspruchsbescheid schriftlich geltend gemacht worden; insoweit hat der Beklagte auch nichts erinnert.

f) Die Höhe der Entschädigung ist nach Auffassung der Kammer nach den festgestellten Umständen der Diskriminierung angemessen. § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG räumt dem Gericht bei der Höhe der Entschädigung einen Beurteilungsspielraum ein, weshalb eine Bezifferung des Zahlungsantrags nicht notwendig ist. Erforderlich ist allein, dass der Kläger Tatsachen, die das Gericht bei der Bestimmung des Betrags heranziehen soll, benennt und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angibt (BAG, U.v. 13.10.2011 - 8 AZR 608/10 - juris). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger hat einen Sachverhalt dargelegt, der dem Gericht die Bestimmung einer Entschädigung ermöglicht, und den Betrag der angemessenen Entschädigung beziffert. Ein Betrag von 100 Euro - wie vom Kläger·genannt - erscheint angemessen.

III. Der Beklagte hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11,711 der Zivilprozessordnung/ZPO.

IV. Die Berufung wird wegen der grundsätzlichen, über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung der Sache nach § 124 a Abs. 1 iV.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen (Happ in Eyermann, VwGO, 13. Auflage 2010, § 124 Rn. 36). Es handelt sich um eine Rechtsfrage, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung klärungsbedürftig ist. Soweit ersichtlich, existiert zur konkreten Frage keine Rechtsprechung betreffend das Bayerische Besoldungsrecht und den entsprechenden Verwaltungsvorschriften.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 3978,40 festgesetzt. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes/GKG i.V.m. Nr. 11. 10.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.eteiligten übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt haben (§ 101 Abs. 2 der VerwaltungsgerichtsordnungNwGO).