VG Berlin, Urteil vom 10.07.2014 - 2 K 232.13
Fundstelle
openJur 2014, 17111
  • Rkr:
Tenor

Die Bescheide des Bundesministeriums des Innern vom 21. Februar 2012, vom 6. Juni 2012, vom 27. Juni 2012, vom 31. Juli 2012, vom 1. August 2012, vom 3. September 2012, vom 9. Oktober 2012, vom 10. Oktober 2012 (mit Ausnahme des Bescheides mit dem Geschäftszeichen Z14-004 294-22 " D.../34#1 -), vom 12. Oktober 2012, vom 22. Oktober 2012 und vom 7. November 2012 in der Gestalt des gemeinsamen Widerspruchsbescheides vom 20. September 2013 werden aufgehoben, soweit dort Kosten (Gebühren und Auslagen) festgesetzt worden sind.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die, Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des Jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen die Heranziehung zu Gebühren und die Erhebung von Auslagen für die Gewährung von Informationszugang.

Die Kläger sind Journalisten. Mit E-Mail vom 21. November 2011 wandten sie sich an das Bundesministerium des Innern. Sie teilten mit, sie recherchierten an einem Beitrag zur Sportförderung und würden gerne Einsicht in die betreffenden Akten des Bundesministerium des Innern nehmen. Sie beantragten nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes Akteneinsicht in die Akten aller 33 olympischen Sportverbände sowie aller Fachverbände des Deutschen Behindertensportverbandes, des Deutschen Motor Sport Bund(es), des "Deutschen Golf Verband(es) und des American Football Verband(es) Deutschland bis zurück ins Jahr 2004. Im Einzelnen gehe es um folgende Akten:

- alle Förderanträge der oben genannten Verbände

- alle Finanzierungspläne inklusive der aufgegliederten Berechnung der Ausgaben / mit der Übersicht der Finanzierung - alle Zuwendungsbescheide

- alle Zwischen- und Verwendungsnachweise inklusive der Sachberichte und einem zahlenmäßigen Nachweis mit Belegliste

- alle Prüfungsvermerke der kursorischen Prüfunq und der stichprobenartigen vertieften Prüfung

- alle Prüfberichte

- alle Unterlagen zur Erfolgskontrolle mit Zielerreichungs-, Wirkungs- und Wirtschaftlichkeitskontrolle

- alle Strukturpläne für die jeweiligen Olympiazyklen (die so genannten "Zielvereinbarungen").

Darüber hinaus baten sie um Einsicht in die Zuweisungsbescheide für die einzelnen Olympiastützpunkte sowie in die Zuweisungskriterien für die Ermittlung des Finanzierungsanteils des BMI am Haushalt der einzelnen Olympiastützpunkte sowie alle dies betreffenden Prüfberichte und Unterlagen.

In der Folgezeit wies die Beklagte sinngemäß darauf hin, dass der Antrag der Kläger ihrer Auffassung nach mehrere Informationsbegehren umfasse, da er "eine Vielzahl von Vorgängen und Themengebiete(...)" betreffe. Es ergebe sich eine Kostenfolge für jedes Themengebiet".

Mit E-Mail vom 29. Februar 2012 baten die Kläger gleichwohl ergänzend "zu den Zielvereinbarungen" um "Einsicht in die Strukturpläne des Deutschen LeichtathletikVerbandes". Sie teilten hierzu mit, dies seien "Akten, die" sie "bislang noch nicht beantragt" gehabt hätten.

Mit insgesamt 66 Bescheiden des Bundesministeriums des Innern vom 21. Februar 2012, 6. Juni 2012, 27. Juni 2012, 31. Juli 2012, 1. August 2012, 3. September 2012, 9. Oktober 2012, 10. Oktober 2012, 12. Oktober 2012, 22. Oktober 2012, 7. November 2012 und 9. Januar 2013 gab die Beklagte den Anträgen der Kläger teilweise statt und setzte hierfür Gebühren in unterschiedlicher Höhe zwischen 28,00 Euro und 500,00 Euro, insgesamt 12.676,25 Euro, sowie Auslagen ebenfalls in unterschiedlicher Höhe zwischen 0,80 Euro und 580,30 Euro, insgesamt 2.275,95 Euro, fest (Gesamtkosten: 14.952,20 Euro).

Die Kläger widersprachen der Erhebung von Kosten; lediglich bezogen auf zwei Bescheide des Bundesministeriums des Innern vom 10. Oktober 2012 (Geschäftszeichen: Z14-004 294-22 11 D.../34#1) und vom 9. Januar 2013 - Gebühren in Höhe von (500,00 Euro + 145,00 Euro =) 645,00 Euro und Auslagen in Höhe von (78,40 Euro + 13,20 Euro =) 91,60 Euro - legten sie keinen Widerspruch ein. Sie vertraten die Auffassung, die Kostenerhebung sei rechtswidrig. Denn die Aufspaltung ihrer Anfragen in einzelne Themengebiete verstoße gegen das Gesetz, insbesondere gegen das Verbot prohibitiver Wirkung. Die Kostenentscheidungen seien zudem nicht mit dem Äquivalenzprinzip vereinbar und beruhten auf fehlerhaften Erwägungen. Für die pauschale Abrechnung von Auslagen fehle es an einer Rechtsgrundlage.

Mit (gemeinsamem) Widerspruchsbescheid vom 20. September 2013 wies die Beklagte die Widersprüche zu ruck und setzte hierfür eine Gebühr in Höhe von 30,00 Euro fest.

Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer am 23. Oktober 2013 erhobenen Klage. Sie wiederholen und vertiefen insoweit ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren.

Die Kläger beantragen,

die Bescheide des Bundesministeriums des Inneren vom 21. Februar 2012, vom 6. Juni 2012, vom 27. Juni 2012, vom 31. Juli 2012, vom 1. August 2012, vom 3. September 2012, vom 9. Oktober 2012, vom 110. Oktober 2012 (mit Ausnahme des Bescheides mit dem Geschäftszeichen: ZI4-004294-2211 D.../34#1), vom 12. Oktober 2012, vom 22. Oktober 2012 und vom 7. November 2012 in der Gestalt des gemeinsamen Widerspruchsbescheides vom 20. September 2013 aufzuheben, soweit dort Kosten (Gebühren und Auslagen) festgesetzt worden sind;
die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags verweist sie auf die Gründe des Widerspruchsbescheides. Ergänzend macht sie geltend, die Aufspaltung des Antrags in mehrere Themengebiete sei sachgerecht, da für jeden Verband und für jeden Olympiastützpunkt eine individuelle Einzelförderung erfolge. Ihre Vorgehensweise habe keine prohibitive Wirkung. Insgesamt seien von den Klägern 66 Informationsbegehren (Nr. 2 bis 6 zu den Olympiastützpunkten, Nr.7 bis 33 zur Förderung der verschiedenen Verbände und Nr. 34 bis 67 zu den Zielvereinbarungen des Deutschen Olympischen Sportbund mit den Bundessportfachverbänden) verfolgt worden. Auslagen seien nach der gesetzlichen Regelung in der Höhe zu erheben, in der sie tatsächlich angefallen seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte und auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Gründe

Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet Die angefochtenen 64 Bescheide des Bundesminis1teriums des Innern vom 21. Februar 2012, vom 6. Juni 2012, vom 27. Juni 2012, vom 31. Juli 2012, vom 1. August 2012, vom 3. September 2012, vom 9. Oktober 2012, vom 10. Oktober 2012 (mit Ausnahme des bestandskräftigen Bescheides mit dem Geschäftszeichen Z14-004 294-22 II D.../34#1-), vom 12. Oktober 2012, vom 22. Oktober 2012 und vom 7. November 2012 in der Gestalt des gemeinsamen Widerspruchsbescheides vom 20. September 2013 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten, soweit darin Kosten in Höhe von 14.250,60 Euro (Gebühren und Auslagen) festgesetzt worden sind (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Die Erhebung von Gebühren in Höhe von insgesamt 12.031,25 Euro steht nicht im Einklang mit dem Informationsfreiheitsgesetz.

a. Rechtsgrundlage für die Festsetzung der fraglichen Gebühren ist § 10 IFG in der Fassung des Gesetzes vom 5. September 2005 (BGBl. I S. 2722, im Folgenden: IFG a.F.) i.V.m. der Informationsgebührenordnung in der Fassung vom 2. Januar 2006 (BGBl. I S. 6, im Folgenden: IFGGebV a.F.). Denn die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit von Gebühren für vor dem 15. August 2013 vollständig erbrachte Leistungen. Insoweit beansprucht das inzwischen außer Kraft getretene Verwaltungskostengesetz noch Geltung (vgl. § 23 Abs. 1 BGebG). Gemäß § 11 Abs. 1 VwKostG entsteht die Gebührenschuld, soweit ein Antrag notwendig ist, mit dessen Eingang bei der Behörde. Hieraus folgt, dass bei antragsgebundenen Amtshandlungen für die Gebührenfestsetzung auf die zumZeitpunkt der Antragstellung geltenden Rechtsgrundlagen abzustellen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. September 2010 - BVerwG 3 B 46.10 -, juris Rn. 5).

Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 IFG a.F. werden für Amtshandlungen nach dem Informationsfreiheitsgesetz Gebühren und Auslagen erhoben. § 10 Abs. 3 Satz 1 IFG a.F. ermächtigt das Bundesministerium des Innern insoweit, die Gebührentatbestände und Gebührensätzedurch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen. Gemäß § 1 Abs. 1 IFGGebV a.F. richten sich die Gebühren und Auslagen nach dem der Informationsgebührenverordnung anliegenden Gebühren- und Auslagenverzeichnis.

Es kann insoweit offenbleiben, welcher der in Teil Ades Gebühren- und Auslagenverzeichnisses genannten Gebührentatbestände vorliegend einschlägig wäre. Denn die Vergehensweise der Beklagten, die Informationsanträge der Kläger vom 21. November 2011 und vom 29. Februar 2012 - sofern in letzterem ein neuer Antrag zu sehen sein sollte und das insoweit verfolgte Informationsbegehren inhaltlich nicht bereits vom Antrag vom 21. November 2011 mit umfasst war - in mehrere Begehren aufzuspalten und durch 66 gebührenpflichtige Amtshandlungen entsprechend zu bescheiden, verstößt gegen § 10 Abs. 2 IFG a.F.

Nach § 10 Abs. 2 IFG a. F. sind Gebühren auch unter Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes so zu bemessen, dass der Informationszugang wirksam in Anspruch genommen werden kann. Mit dieser Bestimmung bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass die Gebührenerhebung in einem Rahmen stattfinden soll, der bei objektiver Betrachtung eine prohibitive Wirkung für potentielle Antragsteller vermeidet.

§ 10 Abs. 2 IFG a.F. enthält insoweit das Verbot einer Abschreckungswirkung der Gebührenbemessung (vgl. Schoch, IFG, 2009, Rn. 45 ff. und 56 zu § 10; vgl. ferner BT -Drs, 15/4493, S. 16). Die genannte Vorgehensweise der Beklagten verstößt hiergegen. Der hier angegriffene Betrag von 12.031,25 Euro hat abschreckende Wirkung auf potentielle Antragsteller nach dem Informationsfreiheitsgesetz. Denn es handelt sich insoweit um eine Summe, die bei objektiver Betrachtung potentiell Informationsberechtigte von der Stellung von Informationsanträgen abhalten kann.

Entgegen der Auffassung der Beklagten haben die Kläger beim Bundesministerium des Innern nicht 66 Einzelinformationsbegehren anhängig gemacht. Vielmehr haben sie lediglich ein einziges Informationsbegehren (bzw. maximal zwei Informationsbegehren) verfolgt, für welches nur eine Gebühr (bzw. maximal zwei Gebühren) hätteen) festgesetzt werden dürfen. Dies ergibt sich aus fol'genden Erwägungen:

Ein Antrag auf Informationszugang kann ein oder mehrere Informationsbegehren enthalten und damit ein oder mehrere Amtshandlungenauslösen. Für die Frage, ob ein Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz nur ein oder aber mehrere - und ggf. wie viele - Informationsbegehren im Sinne der §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 7 Abs. 1 Satz 1 IFG a.F. enthält, ist nach Auffassung der Kammer, ähnlich wie beim gerichtlichen Streitgegenstand, auf den gestellten Antrag und auf den ihm zugrunde liegenden Lebenssachverhalt abzustellen. Liegt nur ein Antrag vor,der sich zudem auf einen einheitlichen Lebenssachverhalt bezieht, muss deshalb gebührenmäßig von nur einem einheitlichen Informationsbegehren ausgegangen werden; eine von der informationspflichtigen Stelle - etwa aus Gründen der Übersichtlichkeit - insoweit vorgenommene Aufstückelung des Begehrens in mehrere Einzelbescheide darf sich in diesem Fall giebührenrechtlich nicht zu Lasten des Informationsberechtigten auswirken. Nur dann, wenn der Informationsberechtigte entweder ausdrücklich mehrere Informationsanträge gestellt hat oder sein einheitlicher Antrag verschiedene Lebenssachverhalte betrifft, die keinerlei inhaltlichen Zusammenhang aufweisen, darf die Behörde dem durch den Erlass mehrerer Gebührenbescheide gebührenrechtlich Rechnung tragen. So lag der Fall hier aber nicht.

Die Kläger hatten nur ein einziges Informationsbegehren bzw. maximal zwei selbständigeInformationsbegehren zu einem einheitlichen Lebenssachverhalt behördlich anhängig gemacht. Sie hatten nämlich mit E-Mail vom 21. November 2011 und mit E-Mail vom 29. Februar 2012 Zugang zu Informationen beantragt, die unter den einheitlichen Oberbegriff der "Sportförderung" standen.

Die Annahme der Beklagten, hierin lägen 66 Einzelbegehren auf Zugang zu den beim Bundesministerium des Innern vorliegenden Informationen zu fünf Olympiastützpunkten, zu 27 betroffenen Sportverbänden und zu 34 Zielvereinbarungen, überzeugt nicht. Zwar mag es für die von der Beklagten vorgenommene Aufspaltung sachliche Gründe aus der innerbehördlichen Zuständigkeitsaufteilung geben. Dies rechtfertigt jedoch nicht die Annahme, es lägen auch mehrere Informationsbegehren vor. Der Umstand, dass die Aufteilung sachlich vertretbar ist, ist für die Abgrenzung von Informationsbegehren nämlich untauglich. ließe man für eine Aufspaltung eines Informationsantrags in mehrere Einzelinformationsbegehren nämlich das Vorliegen <irgend eines) sachlichen Grundes ausreichen, so hätte es die informationspflichtige Stelle letztlich selbst in der Hand, die Zahl der Begehren zu bestimmen und damit die - potentielle - Gebührenhöhe festzulegen. Vorliegend etwa hätten sich sachliche Gründe auch für beliebige andere Aufspaltungen finden lassen. So hätte die Beklagte gleichermaßen auch von nur drei Informationsbegehren (Olympiastützpunkte, Verbände, Zielvereinbarungen) ausgehen und/oder nur nach beantragten Jahren ("bis ... 2004") oder nach der Anzahl der betroffenen Akten - sachlich - differenzieren können. Je nachdem, welche Aufspaltung die Behörde wählt, verändert sich auch die Höhe der Gebühren. Dies zuzulassen stünde mit der gesetzlichen Regelung nicht im Einklang. Denn in diesem Fall wären Informationsberechtigteeinem nicht kalkulierbaren Kostenrisiko ausgesetzt, welches sie - der gesetzlichen Regelung und dem Willen des Gesetzgebers zuwider (vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 16) - davon abhalten könnte, Informationsa-nträge zu stellen.

b. Die angefochtenen Gebührenbescheidesind in vollem Umfang aufzuheben; eine teilweise Aufrechterhaltung der Bescheide bzw. eines von ihnen scheidet aus, weil es wegen der unzulässigen Aufspaltung des Begehrens in Einzelverfahren an einer das (bzw. die) Informationsbegehren betreffenden einheitlichen Ermessensentscheidung (vgl. § 40 VwVfG) der Beklagten in Bezug auf den für das eine bzw. für die zwei Informationsbegehren vorgegebenen Gebührenrahmen (vgl. Teil A Nr. 2.1 und 2.2 des Gebühren- und Auslagenverzeichnisses zu § 1 Abs. 1 IFGGebV a.F.) fehlt.

Auch eine Umdeutung (vgl. §47 VwVfG) der Einzelgebührenbescheide in einen einzigen rechtmäßigen Gesamtgebührenbescheid kommt nicht in Betracht. Denn der denkbare rechtmäßige Gesamtgebührenbescheid ist vorliegend nicht Teil der von den Klägern angefochtenen rechtswidrigen Einzelgebührenbescheide (vgl. zu Um-· deutungen in gegenteiliger Hinsicht - Gesamtbescheid in Teilbescheide -: BVerwG, Urteil vom 26. September 1983 - BVerwG 8 C 47.82 u.a. -, juris; BayVGH, Urteil vom 1. Oktober 1981 - 6 B 1200.79 -, BayVBI. 1982, 153 [154]).

2. Die Bescheide des Bundesministeriums des Innern sind auch hinsichtlich der Auslagen in Höhe von insgesamt 2.184,35 Euro rechtswidrig. Denn es fehlt an einer die Auslagenerhebung tragenden Rechtsgrundlage.

a. Die Auslagenerhebung ist nicht von § 10 Abs. 3 IFG a.F. i.V.m. § 1 Abs. 1 IFGGebV a.F. und Teil B des Gebühren- und Auslagenverzeichnisses zur Informationsgebührenverordnung - maßgeblich ist bei der Auslagenerhebung der Zeitpunkt der Aufwendung des zu erstattenden Betrages (vgl. o§ 11 Abs. 2 VwKostG) - gedeckt. Zwar bestimmt Teil B NT. 1 des Gebühren- und Auslagenverzeichnisses, dass für die hier in Rede stehende Herstellunp von Abschriften und Ausdrucken je DIN A4-Kopie, DIN A3-Kopie, DIN A4-Farbkopieund DIN A4-Farbkopie ein Auslagenbeitrag in Höhe von 0,10 Euro, 0,15 Euro, 5,00 Euro bzw. 7,50 Euro zu erheben ist. Teil B Nr. 1 des Gebühren- und Auslagenverzeichnisses ist jedoch nichtig, weil es für die Festsetzung der genannten Auslagentatbestände und Auslagensätze durch den Verordnungsgeber an einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage fehlt (vgl. Schoch, a.a.O., Rn. 74).

Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG müssen Gesetze, die zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigen, Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung bestimmen. Der Gesetzgeber soll im Bereich der Grundrechtsausübung die wesentlichen Entscheidungen selbst treffen und, sofern Einzelregelungen einer Verordnung überlassen bleiben, die Tendenz und das Programm schon so weit umreißen, dass sich der Zweck und der mögliche Inhalt der Verordnung bestimmen lassen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 1989 - 1 BvR 1033/82, 1 BvR 174/84 -, juris Rn. 58). Die von der Beklagten für die Festsetzung von Auslagentatbeständen und -sätzen durch die Informationsgebührenverordnung in Anspruch genommene Rechtsgrundlage des § 10 Abs. 3 IFG a.F. genügt diesen Anforderungen nicht. Durch diese Bestimmung ist das Bundesministerium des Innern nur ermächtigt worden, für Amtshandlungen nach dem Informationsfreiheitsgesetz die "Gebührentatbestände und Gebührensätze" durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen. Eine Befugnis zur Festsetzung vonAuslagentatbeständen und Auslagensätzen enthält diese Norm nicht. Sie ergibt sich auch nicht durch Auslegung (vgl. hierzu BVertG, a.a.O.) der Vorschrift <im Ergebnis ebenso Schoch, a.a.O., Rn. 68 und 75 ff.; a.A. z.B. Guckelberger in: Fluck/Fischer/Fetzer, Informationsfreiheitsrecht, Stand: Oktober 2013, Rn. 60 zu § 10 m.w.N.; Rossi, IFG, 2006, Rn. 39 zu § 10).

Ausgangspunkt der Auslegung ist der Wortlaut der Norm. Dieser enthält gerade keine Ermächtigung des Bundesministeriums des Innern zur Schaffung von Auslagentatbeständen und Auslagensätzen (vgl. hierzu auch Schoch, a.a.O.). Denn § 10 Abs. 3 IFG a.F. nennt nur Gebührentatbestände und Gebührensätze. Eine systematische Betrachtung des § 10 IFG ergibt dabei, dass dem Gesetzgeber der Unterschied zwischen Gebühren und Auslagen bewusst war. Denn in§ 10 Abs. 1 IFG a.F. erwähnt er ausdrücklich beide Kostenarten ("Gebühren und Auslagen"), so dass bei einer beabsichtigten Ermächtigung des Verordnungsgebers auch zur Festlegung von Auslagentatbeständen und Auslagensätzen im Rahmen von § 10 Abs. 3 IFG a.F. - nur wenige Zeilen später - ebenfalls mit einer Nennung bei der Kostenarten zurechnen gewesen wäre. Angesichts dessen verbietet es sich, den in § 10 Abs. 3 IFG a.F. gewählten Begriff "Gebühren" in einem weiten Sinne dahin zu verstehen, dass hiermit allgemein zur Schaffung von Regelungen zu den "Kosten" ermächtigt werden sollte.

Die Vorgeschichte (vgl. hierzu BVerfG, a.a.O.) des § 10 Abs. 3 IFGa.F. rechtfertigt kein anderes Auslegungsergebnis. Denn ein eindeutiger auf die Ermächtigung des Verordnungsgebers zur Bestimmung von Auslagentatbeständen und Auslagensätzen gerichteter Wille des Gesetzgebers lässt sich nicht feststellen. Auch in der amtlichen Begründung zu § 10 Abs. 3 IFG a.F. (BT-Drs. 15/4493, S.16) wird vielmehr ausdrücklich nur von "Gebühren" gesprochen; Auslagen werden nicht erwähnt.

Der Hinweis in der Gesetzesbegründung darauf, dass sich die Rechtsverordnung an der Umweltinformationskostenverordnung orientieren soll, ändert hieran nichts. Auch dieser Hinweis lässt nicht den Schluss auf einen entsprechenden Ermächtigungswillen des Gesetzgebers zu. Zwar enthielt die in Bezug genommene Umweltinformationskostenverordnung bei Veröffentlichung des Entwurfs des Informationsfreiheitsgesetzes im Dezember 2004 in ihrem Kostenverzeichnis Auslagentatbestände und Auslagensätze (vgl. die Anlage zur Umweltgebührenverordnung in der Fassung des Gesetzes vom 27. Juli 2001 [BGBl. I S. 1950]). Das Umweltinformationsgesetz stellte hierfür jedoch auch - anders als § 10 Abs. 3 IFG a.F. - bereits zum fraglichen Zeitpunkt eine eindeutige Ermächtigungsgrundlage zur Verfügung (vgl. § 10 Abs. 2 UIG in der Fassung des vorgenannten Gesetzes: "Kosten"). Für die zeitlich nachfolgende. Vorschrift des § 12 der vom Gesetzgeber des Informationsfreiheitsgesetzes an anderer Stelle ausdrücklich in Bezug genommenen (vgl. BT -Drs. 15/4493, S. 16 zu § 10 Abs. 1 und 2) Neufassung des Umweltinformationsgesetzes" (vom 22. Dezember 2004, BGBl. I S 3704) gilt dies in gleicher Weise. Angesichts dieser Unterschiede in der Formulierung der jeweiligen Ermächtigungsgrundlagen lässt der genannte Hinweis in der Gesetzesbegründung des Informationsfreiheitsgesetzes nicht eindeutig erkennen, dass der Verordnungsgeber durch § 10 Abs. 3 IFG a.F. auch zur Bestimmung von Auslagentatbeständen und Auslagensätzen habe ermächtigt werden sollen. Nichts anderes ergäbe sich im Übrigen, wenn der Gesetzgeber mit seiner Begründung die vorangegangene Fassung der Umweltinformationsgebührenverordnung (vom 7. Dezember 1994 [BGBl. I S. 3732]) im Blick gehabt haben sollte. Denn diese Fassung enthielt gerade keine Auslagentatbestände und Auslagensätze, weil die entsprechende Ermächtigungsgrundlage im Umweltinformationsgesetz in der Fassung vom 8. Juli 1994 (BGBl. I S. 1490) nur zur Bestimmung von Gebühren (nicht jedoch von Auslagen) durch Rechtsverordnung ermächtigte.

Soweit in der GesetzesbegrOndung zu § 10 IFG schließlich allgemein ausgeführt wird, Gebühren und Auslagen würden nach Verwaltungsaufwand, jedoch nicht notwendig kostendeckend erhoben, und Näheres regele eine Rechtsverordnung, lässt auch dies nicht den eindeutigen Schluss auf einen Ermächtigungswillen des Gesetzgebers bezogen auf Auslagentatbestände und Auslagensätze zu. Denn der Hinweis auf eine nähere Regelung durch Rechtsverordnung muss sich nicht zwangsläufig (auch) auf die aufgeführten Auslagen beziehen, sondern kann - wie der zuvor eingeschobene Halbsatz zur nicht notwendigen Kostendeckung wohl auch - ebenso gut nur die zuerst genannten Gebühren betreffen.

Gegen ein weites Verständnis der Begriffe "Gebührentatbestände und Gebührensätze" in § 10 Abs. 3 IFG a.F. in Sinne von "Kostentatbestände und Kostensätze" bestünden im Übrigen Bedenken im Hinblick auf das in Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG zum Ausdruck kommende Postulat, dass der Gesetzgeber die wesentlichen Entscheidungen selbst treffen soll. Denn ein solches Verständnis des § 10 Abs. 3 IFG a.F. erweiterte die Verordnungsermächtigung über den Wortlaut hinaus um einen vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich in den Blick genommenen Kostentatbestand mit erheblich belastender Wirkung für den Bürgen. Die zutreffende enge, am Wortlaut orientierte Auslegung, vermeidet dies.

b. Die Auslagenfestsetzung durch die Beklagte ist auch nicht durch § 10 Abs. 1 Nr. 2 VwKostG in der zur Zeit der Aufwendung der zu erstattenden Beträge maßgeblichen (vgl. § 11 Abs. 2 VwKostG) - vom 12. März 2011 bis zum 11. Dezember 2012 geltenden - Fassung des Gesetzes vom 7. März 2011 (BGBl. I S. 338) gerechtfertigt. Nach dieser Bestimmung werden alls Auslagen Aufwendungen für weitere Ausfertigungen, Abschriften und Auszüge erhoben, die auf besonderen Antrag erteilt werden; für die Berechnung der als Au$lagen zu erhebenden Schreibgebühren gelten die Vorschriften des § 136 Abs. 3 bIs 6 der Kostenordnung - hier in der bei Aufwendung der Beträge geltenden Fassung des Gesetzes vom 11. Juli 2011 (BGBl. I, S. 1338).

Zwar dürfte die Verweisung auf die Absätze 3 bis 6 des §136 KostO in der genannten Fassung ein Redaktionsversehen sein, weil diese Absätze - anders als frühere Versionen der Norm - keine Kostenregelungen für die Herstellung von Dokumenten enthalten, sich eine entsprechende] Bestimmung vielmehr ausschließlich in § 136 Abs. 2 KostO in der fraglichen Fassung findet. Selbst wenn man jedoch deshalb auf § 136 Abs. 2 KostO in der Fassung des Gesetzes vom 11. Juli 2011 abstellte, änderte dies nichts an der Rechtswidrigkeit der durch die Beklagte vorgenommenen Auslagenerhebung. Die dortige Vorgabe - "für die ersten 50 Seiten 0,50 Euro je Seite und für jede weitere Seite 0,15 Euro" - ist nämlich schon beim ersten Auslagenbescheid (Z14-004 294-22 11 D.../2#1) nicht eingehalten worden, da dort mit Blick auf angefertigte 70 DIN A3-Farbkopien eine Auslagenerstattung in Höhe von 580,30 Euro festgesetzt worden ist, während sich nach der genannten Bestimmung eine maximale Dokumentenpauschale in Höhe von ([50 x 0,50 Euro =] 25i,OO Euro + [572 x 0,15 Euro =] 85,80 Euro =) 110,80 Euro ergeben hätte.

Angesichts der von der Beklagten vorgenommenen Aufspaltung der Auslagenerstattung auf 66 Einzelbescheide, von denen 64 im Streit stehen, kann d1ie festgesetzte Gesamtauslagenhöhe bezogen auf die einzelnen Bescheide auch nicht auf die rechnerisch nach § 136 Abs. 2 KostO in der genannten Fassung noch zulässige Höhe reduziert werden. Einer solchen Vorgehensweise durch das Gericht steht entgegen, dass Unklar ist, welche 50 Kopien aus welchem Bescheid insoweit als die "ersten 50 Seiten" im Sinne des § 136 Abs. 2 KostO in der Fassung des Gesetzes vom 11. Juli 2011 anzusehen sind. Zöge man etwa die im vorgenannten Bescheid (ZI4-004 294- 22 " D.../2#1) gefertigten Kopien alsdie ersten Ablichtungen heran, ergäbe sich für diesen Bescheid ein anderes Ergebnis (110,80 Euro), als bei der Annahme, alle dort abgerechneten Kopien seien erst nach den "ersten 50 Seiten" angefertigt worden (dann: 622 x 0,15 Euro = 93,30 Euro).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Dabei ist die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren im Sinne von § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären, weil den Klägern eine Beantwortung der sich im Widerspruchsverfahren stellenden Rechtsfragen ohne rechtskundige Beratung nicht zumutbar war.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 1ß7 VwGO LV.m. den §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

Die Berufung ist zuzulassen gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 LV.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Fragen, wie vor dem Hintergrund des Verbots prohibitiver Wirkung (§ 10 Abs. 2 IFG) die Anzahl von Informationsbegehren zu bestimmen ist bzw. ob und ggf: unter welchen Voraussetzungen ein einheitlicher Informationsantrag mehrere Informationsbegehren enthalten und damit mehrere gebührenpflichtige Amtshandlungen auslösen kann und ob die Auslagentatbestände der Informationsgebührenverordnung mangels gesetzlicher Ermächltigungsgrundlage nichtig sind. Die genannten Fragen haben sich durch die Neufassunq des Gesetzes nicht erledigt, stellen sich vielmehr in leicht abgewandelter Form auch für diese.