OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16.07.2014 - OVG 9 N 69.14
Fundstelle
openJur 2014, 14990
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 24. April 2014 wird abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt die Klägerin.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 4.408,95 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks in Cottbus, das vor dem 3. Oktober 1990 an eine Schmutzwasserkanalisation im Gebiet der heutigen Stadt Cottbus angeschlossen worden ist.

Der Beklagte zog die Klägerin für das Grundstück mit Bescheid vom 12. November 2010 zu einem Kanalanschlussbeitrag heran. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 24. April 2014 abgewiesen. Das Urteil ist der Klägerin am 5. Mai 2014 zugestellt worden. Sie hat am 5. Juni 2014 die Zulassung der Berufung beantragt und am 27. Juni 2014 ihren Antrag begründet.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen (§ 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO). Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO dargelegt ist und vorliegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Danach ist die Berufung hier nicht zuzulassen. Das Vorbringen der Klägerin weckt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Klägerin hat keinen tragenden Rechtssatz und keine erhebliche Tatsachenfeststellung schlüssig angegriffen.

Die Klägerin macht zu Unrecht geltend, die Beitragsforderung sei bereits vor ihrer Festsetzung verjährt gewesen.

1) Der Beitrag ist nicht wegen § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG in seiner bis zum 31. Januar 2004 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.) verjährt. Diese Fassung der Norm gilt nicht mehr, seit dem das Zweite Gesetz zur Entlastung der Kommunen von pflichtigen Aufgaben vom 17. Dezember 2003 (GVBl. I S. 294) am 1. Februar 2004 in Kraft getreten ist. Diese Normfassung musste deshalb bei Erlass der Kanalanschlussbeitragssatzung vom 1. Dezember 2008 nicht beachtet werden, nachdem sich die Satzung keine Rückwirkung in den Geltungszeitraum des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F. beigemessen hat.

In die Kanalanschlussbeitragssatzung vom 1. Dezember 2008 kann – entgegen der Ansicht der Klägerin – auch keine Rückwirkung in den Geltungszeitraum von § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F. „hineingelesen“ werden. Vorbehaltlich aller übrigen Wirksamkeitsvoraussetzungen tritt eine Beitragssatzung zu dem Zeitpunkt in Kraft, den der Satzungsgeber ausdrücklich anordnet oder der dem Tag der Veröffentlichung nachfolgt (§ 3 Abs. 5 Kommunalverfassung des Landes Brandenburg). Hier hat der Satzungsgeber das Inkrafttreten auf den 1. Januar 2009 und nicht auf den 30. Juni 1993 bestimmt.

Unbeschadet dessen ist die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht auch während der Geltungszeit des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. vom Vorhandensein einer wirksamen, den Beitragstatbestand regelnden Beitragssatzung abhängig gewesen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b KAG, § 38 AO). Die in § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. getroffene Regelung zum Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht hat das insoweit unterstrichen, als danach die Beitragspflicht mit der Anschlussmöglichkeit, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der Satzung entstand und die Satzung einen späteren Zeitpunkt bestimmen konnte; in Bezug auf solche Grundstücke, die bereits vor Inkrafttreten der ersten Beitragssatzung angeschlossen werden konnten, wurde die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht danach gerade nicht auf den Zeitpunkt der ersten Inanspruchnahmemöglichkeit der Anlage, sondern auf das Inkrafttreten der ersten Satzung oder sogar einen darin geregelten späteren Zeitpunkt festgelegt. Allerdings hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. mit Urteil vom 8. Juni 2000 - 2 D 29/98.NE -, Juris Rn. 43 ff. dahin ausgelegt, dass die erste Beitragssatzung auch im Falle ihrer Unwirksamkeit insofern für den Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht maßgeblich blieb, als die sachliche Beitragspflicht für die genannten Grundstücke nur noch durch eine nachfolgende wirksame Beitragssatzung begründet werden konnte, die sich Rückwirkung auf das formale Inkrafttretensdatum der ersten, unwirksamen Beitragssatzung (oder den darin geregelten späteren Zeitpunkt für die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht) beimaß. § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. hat nach dieser Auslegung für bestimmte Fallgestaltungen eine Rückwirkungsanforderung an die erste wirksame Beitragssatzung geregelt. Danach hätte eine Beitragssatzung während der Geltungszeit des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F. nur dann die sachliche Beitragspflicht für das klägerische Grundstück begründen können, wenn der Satzung Rückwirkung auf den Zeitpunkt des - vermeintlichen - Inkrafttretens der ersten Kanalanschlussbeitragssatzung der Stadt Cottbus zum 30. Juni 1993 beigemessen worden und die Satzung im Übrigen wirksam gewesen wäre. An einer solchen Satzung fehlte es hier indessen bis zum 31. Januar 2004; auch später ist keine auf den 30. Juni 1993 rückwirkende wirksame Beitragssatzung erlassen worden.

2) Nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Entlastung der Kommunen von pflichtigen Aufgaben vom 17. Dezember 2003 (§ 8 Abs. 7 Satz 2 KAG n. F.) entsteht die sachliche Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der ersten rechtswirksamen Satzung. Danach bringt die erste rechtwirksame Satzung die sachliche Beitragspflicht für alle Grundstücke zum Entstehen, die bis dahin schon von einer Anschlussmöglichkeit bevorteilt sind, ohne dass es - wie nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. - einer Rückwirkung auf den ersten Satzungsgebungsversuch bedarf. Die Klägerin geht selbst davon aus, dass die gegen sie gerichtete Beitragsforderung danach nicht festsetzungsverjährt ist. Die diesbezügliche Änderung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG ist indessen auch wirksam.

a) Sie unterliegt zunächst keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Rückwirkungsverbots.

Zwar wäre eine Veranlagung etwa des Grundstücks der Klägerin zu einem Herstellungsbeitrag gemäß § 8 Abs. 7 Satz 2 a. F. KAG nicht mehr möglich gewesen, wenn es bei der seinerzeitigen Gesetzeslage geblieben wäre. Wäre eine auf den 30. Juni 1993 rückwirkende wirksame Beitragssatzung beschlossen worden, wäre die vierjährige Festsetzungsfrist gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG i.V.m. §§ 169, 170 Abs. 1 AO in Lauf gesetzt worden und Verjährung mit Ablauf des 31. Dezember 1997 eingetreten. Einen die Festsetzungsfrist wahrenden (§ 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG i.V.m. § 169 Abs. 1 Satz 3 AO) Beitragsbescheid hatte der Beklagte bis zu diesem Zeitpunkt nicht erlassen. Der Gesetzgeber war indessen nicht gehalten, es bei der seinerzeitigen Gesetzeslage zu belassen; dies gilt gerade auch, soweit die Gesetzesänderung für diejenigen Grundstücke einen Unterschied bedeutet, die bereits vor dem ersten Satzungsgebungsversuch die Inanspruchnahmemöglichkeit erlangt haben.

aa) Insoweit handelt es sich um keinen Fall der – verfassungsrechtlich regelmäßig unzulässigen – echten Rückwirkung bzw. Rückbewirkung von Rechtsfolgen.

Ein solcher Fall ist gegeben, wenn der Gesetzgeber nachträglich in einen abgeschlossenen Sachverhalt ändernd eingreift oder Rechtsfolgen für einen vor der Verkündung liegenden Zeitpunkt eintreten sollen (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 28. November 1984 - 1 BvR 1157/82 -, BVerfGE 68, 287, 306; Beschluss vom 14. Mai 1986 - 2 BvL 2/83 -, BVerfGE 72, 200, 242; Beschluss vom 3. Dezember 1997 - 2 BvR 882/97 -, BVerfGE 97, 67, 78 ff.), bei Abgabengesetzen, wenn im Zeitpunkt der Verkündung die Abgabenschuld bereits entstanden ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Dezember 1997 - 2 BvR 882/97 -, BVerfGE 97, 67, 80; Beschluss vom 23. März 1971 - 2 BvL 17/69 -, BVerfGE 30, 392, 401). So liegt der Fall hier nicht. Die durch die Neufassung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG bewirkte Rechtsfolge, das Hinausschieben des Zeitpunkts für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht und des Verjährungsbeginns, tritt erst nach der Gesetzesänderung ein, nämlich mit dem Inkrafttreten der Kanalanschlussbeitragssatzung vom 1. Dezember 2008, die ihrerseits erstmals eine Beitragspflicht für das Grundstück der Klägerin begründet. Hierin liegt auch kein „rückwirkender“ Eingriff in einen der Vergangenheit angehörenden („abgeschlossenen“) Tatbestand, vielmehr werden lediglich für die Zukunft neue abgabenrechtliche Folgerungen an die andauernde Vorteilslage geknüpft (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, 483, 484). Ein Eingriff in einen abgeschlossenen Sachverhalt liegt insbesondere deshalb nicht vor, weil § 8 Abs. 7 Satz 2 n. F. KAG Wirkung nur für Fallkonstellationen entfaltet, in denen vor Inkrafttreten der Neuregelung keine rechtswirksame Beitragssatzung erlassen worden war und damit weder die sachliche Beitragspflicht entstehen noch Festsetzungsverjährung eintreten konnte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 -, Juris Rn. 37 f.). Weil keine Verjährung eingetreten ist, geht es damit - entgegen der Ansicht der Klägerin - auch nicht um ein „Wiederaufleben“ verjährter Forderungen. Die Klägerin konnte lediglich die Erwartung hegen, dass es dem Beklagten bei unveränderter Gesetzeslage nach deren Auslegung durch die (ober-)verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung nicht mehr möglich sein werde, in Anknüpfung an die bestehende Vorteilslage die sachliche Beitragspflicht für ihr Grundstück zu begründen und die Beitragsforderung durch Bescheid geltend zu machen. Eine geschützte Rechtsposition war damit nicht begründet; es gibt keine schutzwürdige Rechtsposition des Inhalts, dass es bei einer Rechtslage, nach der Abgaben nicht erhoben werden (können), verbleibt (vgl. zum Ganzen: Urteil des Senats vom 12. Dezember 2007 - OVG 9 B 45.06 -, Juris Rn. 55 m.w.N.; hierzu: BVerwG, Beschluss vom 14. Juli 2008 - 9 B 22.08 -, Juris; Beschluss des Verfassungsgerichts für das Land Brandenburg vom 21. September 2012 - VfGBbg 46/11 -, Juris Rn. 66 ff., 74 ff.).

bb) Auch liegt in der Änderung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG kein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Einer grundsätzlich zulässigen sogenannten "unechten Rückwirkung", wie sie hier allenfalls vorliegt, können nur ausnahmsweise Gründe des Vertrauensschutzes entgegen gehalten werden. Eine unechte Rückwirkung ist (nur) ausnahmsweise unzulässig, wenn das Gesetz einen entwertenden Eingriff vornimmt, mit dem der Betroffene nicht zu rechnen brauchte, den er also bei seinen Dispositionen nicht berücksichtigen konnte (vgl. BVerfG, Urteil vom 16. Juli 1985 – 1 BvL 5/80 u.a. –, BVerfGE 69, 272, 309; Beschluss vom 13. Mai 1986 – 1 BvR 99, 461/85 –, BVerfGE 72, 175, 196). Zudem muss das Vertrauen des Betroffenen schutzwürdiger sein als die mit dem Gesetz verfolgten Anliegen. Das ist hier nicht der Fall. Vielmehr gilt für den Bereich des Abgabenrechts, dass die bloße Erwartung, das geltende Recht werde unverändert fortbestehen, grundsätzlich nicht geschützt wird (vgl. ausführlich: Beschluss des Verfassungsgerichts für das Land Brandenburg vom 21. September 2012, a.a.O., Juris Rn. 74 ff., 81 ff.; Urteil des Senats vom 12. Dezember 2007, a.a.O., Juris Rn. 56 ff. m.w.N. sowie hierzu: BVerwG, Beschluss vom 14. Juli 2008, a.a.O.). Dies gilt hier im Besonderen vor dem Hintergrund der vielfältigen und langwierigen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der neu geschaffenen kommunalen Versorgungs- bzw. Entsorgungsträger, mit Blick auf die Konzeption des Kommunalabgabengesetzes, kommunale Einrichtungen, die überwiegend dem Vorteil einzelner Personen oder Personengruppen dienen, nicht aus dem allgemeinen Haushalt, sondern durch den bevorteilten Personenkreis finanzieren zu lassen (§ 6 Abs. 1 Satz 1, § 8 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 KAG) sowie angesichts der Möglichkeiten des Kommunalabgabengesetzes, auch besonderen Fallgestaltungen wie Härtefällen durch Billigkeitsentscheidungen Rechnung zu tragen (vgl. zum Ganzen ausführlich: Beschluss des Verfassungsgerichts für das Land Brandenburg vom 21. September 2012, a.a.O., Juris Rn. 82 ff.; Urteil des Senats vom 12. Dezember 2007, a.a.O., Juris Rn. 56 ff.).

Ausnahmsweise schutzwürdige Gründe ergeben sich auch aus dem Zulassungsvorbringen nicht.

Die Klägerin verweist darauf, dass ihr Grundstück bereits vor ca. 50 Jahren an eine Entwässerungsanlage angeschlossen worden sei und meint, bereits damals sei die Vorteilslage entstanden, so dass die nunmehrige Beitragserhebung überraschend und viele Jahrzehnte zu spät komme. Diese Frage des Einzelfalls zeigt indessen schon keine Bedeutung für die Zulässigkeit der angesprochenen Änderung des - generell geltenden - Gesetzes auf. Aber auch wenn man den Fall der Klägerin als Beispiel für eine Vielzahl von vergleichbaren Fallgestaltungen ansieht, würde dies der Zulässigkeit der Gesetzesänderung nicht entgegenstehen.Die Klägerin verkennt, dass die nach § 8 KAG beitragsrelevante Vorteilslage in Bezug auf die Möglichkeit, die kommunale zentrale Abwasserentsorgungsanlage dauerhaft in Anspruch zu nehmen, nicht vor dem Jahr 1990 geschaffen worden sein kann, weil erst in diesem Jahr die Kommunen und die kommunale Selbstverwaltung auf dem Gebiet der früheren DDR wiedererrichtet worden sind und eine Kontinuität und Identität hinsichtlich früherer Kommunen und früherer Abwasserentsorgungsanlagen nicht besteht (vgl. u.a. Urteil des Senats vom 14. November 2013 - OVG 9 B 34.12 -, Juris Rn. 26 m.w.N.; Beschluss des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg vom 21. September 2012, a.a.O., Juris Rn. 53 ff.); mit dieser auch vom Verwaltungsgericht (S. 21 UA m.w.N.) vertretenen Ansicht setzt sich das Zulassungsvorbringen zudem nicht auseinander.

Soweit die Klägerin darauf hinweist, dass sich auf sie als Altanschließer entfallende Beiträge insgesamt auf ca. 7 Mio. Euro beliefen und dass sie ihre regulären Sanierungsplanungen vollständig umstellen und überwiegend einstellen müsse, um die Beiträge zu zahlen, zeigt sie keine Gründe eines schutzwürdigen Vertrauens auf, die die Gesetzesänderung unzulässig machen könnten. Die Klägerin kann beim Beklagten einen Antrag auf Billigkeitsentscheidung (z.B. teilweise Stundung) stellen; auf die durch das Urteil bejahte Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides wirkt sich dies indessen ebenso wenig aus wie auf die Zulässigkeit der Gesetzesänderung (vgl. Beschluss des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg vom 21. September 2012, a.a.O., Juris Rn. 90).

Soweit die Klägerin meint, dass der Landesgesetzgeber mit der Änderung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG die bisherige Rechtslage nicht rückwirkend habe ändern wollen und dies daraus ableitet, dass es um die Vermeidung künftiger Beitragsausfälle (LT-Drucksache 3/6324 vom 27./28. August 2003, S. 26) gegangen sei, führt auch dies nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Urteils. Indem der Gesetzgeber den Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht - für, wie ausgeführt, noch nicht entstandene sachliche Beitragspflichten - und damit den Anfangszeitpunkt der Festsetzungsfrist hinausgeschoben hat, hat er gerade mehr Zeit dafür gewährt, Ausfälle zu vermeiden, indem noch nicht verjährte Beiträge erhoben werden.

Auf den weiteren Hinweis der Klägerin darauf, wie das Ministerium des Innern die Gesetzesänderung interpretiert habe, kommt es nicht an; diese Interpretation ist für den Inhalt des vom Parlament beschlossenen Gesetzes von vorn herein nicht bestimmend.

b) Die Änderung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG hat zunächst dazu geführt, dass - im Falle von Satzungsfehlern und daraus resultierender Satzungsunwirksamkeit - praktisch eine unbeschränkt lange Zeit zwischen der Erlangung der Anschlussmöglichkeit und der Beitragsveranlagung liegen konnte, weil § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG n. F. kein Rückwirkungserfordernis für eine nachgebesserte Satzung mehr regelt und die Festsetzungsfrist erst mit dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht, d. h. also erst mit dem Erlass der ersten rechtswirksamen Satzung zu laufen beginnt. Eine solche zeitlich unbegrenzte Beitragserhebungsmöglichkeit verstößt nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 (- 1 BvR 2457/08 -, Juris Rn. 34 ff.) zwar gegen das Rechtsstaatsprinzip. Das bedeutet aber nicht, dass die Änderung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG unwirksam wäre. Die Möglichkeit, im Falle von Satzungsfehlern zeitlich unbegrenzt nachbessern und noch Beitragsbescheide erlassen zu können, ergab sich aus dem Zusammenspiel zwischen § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG n. F. und den Vorschriften über die Festsetzungsverjährung. In seinem Beschluss vom 5. März 2013 hat das Bundesverfassungsgericht für eine ähnliche Fallgestaltung von einer Nichtigerklärung einer bestimmten Vorschrift abgesehen und dem Bayerischen Landesgesetzgeber eine Frist zur Korrektur bis zum 1. April 2014 gesetzt. Bis zu diesem Zeitpunkt hat auch der brandenburgische Landesgesetzgeber den Anforderungen genügt, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 5. März 2013 (a.a.O., Juris Rn. 49 f.) aufgestellt hat. Eine den Verfassungsgerichten vorbehaltene Nichtigerklärung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG n. F. ist bis dahin nicht erfolgt und nun auch nicht mehr zu erwarten.

aa) Für Beitragsbescheide, die - wie hier - erstmals bis zum 31. Dezember 2011 ergangen sind, bestand und besteht eine verfassungskonforme Gesetzesregelung bereits in Gestalt der besonderen Fristenbestimmung des § 12 Abs. 3a KAG aufgrund des Dritten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes.

Bei der Erhebung eines Beitrages für den Anschluss an eine leitungsgebundene Einrichtung oder Anlage im Bereich der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung nach § 8 Abs. 7 oder für die Möglichkeit eines solchen Anschlusses endet die Festsetzungsfrist gemäß § 12 Abs. 3a Satz 1 KAG frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2011. Das gilt nur, soweit die Festsetzungsverjährung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Dritten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes noch nicht eingetreten ist (§ 12 Abs. 3a Satz 2 KAG). § 12 Abs. 3a KAG hat die Festsetzungsverjährung für bestimmte Fälle noch über das hinaus nach hinten verschoben, was nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG in Verbindung mit den allgemeinen Verjährungsregelungen gelten würde. Mit der Einfügung des § 12 Abs. 3a KAG wollte der Gesetzgeber sich selbst und den Gemeinden und Wasser- und Abwasserverbänden Zeit für die Lösung des "Altanschließerproblems" verschaffen. Das ist ausweislich der Gesetzesmaterialien in dem Bewusstsein geschehen, dass bei der Bemessung der Verjährungsfrist der Grundsatz der Rechtssicherheit sowie der Sinn von Verjährungsregelungen, zu einem bestimmten Zeitpunkt Rechtsfrieden herzustellen, zu beachten ist und dass der Beitragspflichtige innerhalb einer überschaubaren Frist Gewissheit über das Bestehen von Beitragsforderungen erlangen soll (vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf der Landesregierung vom 26. Juni 2008, LT-DrS 4/6422, S. 8). Dem hat der Gesetzgeber zwar insofern keine Taten folgen lassen, als er auch mit § 12 Abs. 3a KAG keinen absoluten zeitlichen Endpunkt für die Beitragserhebung gesetzt hat, sondern lediglich bestimmt hat, dass (noch laufende) Festsetzungsfristen frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2011 ablaufen sollten. Gleichwohl hat der Gesetzgeber durch die Einfügung des § 12 Abs. 3a KAG klar erkennen lassen, dass seiner Ansicht nach die Eigentümer der im Land Brandenburg schon mit einer Anschlussmöglichkeit oder mit einem Anschluss versehenen Grundstücke (vorbehaltlich des § 12 Abs. 3a Satz 2 KAG) jedenfalls bis 31. Dezember 2011 mit einer Beitragserhebung rechnen mussten. Die Regelung mag unmittelbar nur Satzungsgebiete betroffen haben, für die im Zeitpunkt der Neuregelung durch das Gesetz vom 2. Oktober 2008 bereits eine wirksame Beitragssatzung bestand und deshalb der Ablauf der Festsetzungsfrist überhaupt vor dem 31. Dezember 2011 anstand; ihr lässt sich indessen erst recht für Satzungsgebiete, in denen noch keine wirksame Beitragssatzung bestand oder deren Wirksamkeit offen war, der Wille des Gesetzgebers entnehmen, eine Beitragserhebung jedenfalls bis zum 31. Dezember 2011 zuzulassen.

Dieser Stichtag stellt sich zeitlich auch als verfassungskonform dar. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 5. März 2013 den Spielraum betont, den der Gesetzgeber bei der Festlegung einer zeitlichen Höchstgrenze für die Beitragserhebung hat. Diesen Spielraum hat der Gesetzgeber nicht überschritten, als er eine Beitragserhebung jedenfalls bis zum 31. Dezember 2011 zugelassen hat. Vielmehr hatte er für die entsprechende Festlegung gute Gründe, nämlich die Schwierigkeiten beim Aufbau einer funktionierenden kommunalen Selbstverwaltung, die Schwierigkeiten bei der Gründung von Zweckverbänden, die Schwierigkeiten bei der erstmaligen Schaffung von wirksamem Satzungsrecht und die Schwierigkeit der Lösung des Altanschließerproblems (vgl. zum Ganzen: Urteil des Senats vom 14. November 2013 - OVG 9 B 34.12 -, Juris Rn. 60 f.).

bb) Unabhängig davon besteht - wie das Verwaltungsgericht (S. 22 ff. des UA) in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats ausgeführt hat - für das brandenburgische Kommunalabgabengesetz die im verfassungsgerichtlichen Beschluss vom 5. März 2013 angesprochene Problematik generell nicht (mehr), nachdem der Landesgesetzgeber im Dezember 2013 ergänzende Regelungen getroffen hat.

Danach verstößt das Kommunalabgabengesetz für alle Beitragsbescheide - nun einschließlich derjenigen, die erstmals nach dem 31. Dezember 2011 für einen bestimmten Veranlagungsfall erlassen worden sind - nicht (mehr) gegen das Grundgesetz. Eine vom Bundesverfassungsgericht für das Bayerische Kommunalabgabengesetz vermisste gesetzliche Regelung einer bestimmbaren zeitlichen Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner ist in das Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg nunmehr aufgrund des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes mit Wirkung vom 7. Dezember 2013 auch für - wie hier - noch nicht bestandskräftige Abgabenbescheide eingefügt worden (§ 19 Abs. 1, § 20 Abs. 2 KAG in der Fassung dieses Änderungsgesetzes, im Folgenden: n.F.). Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist diese Neuregelung verfassungsrechtlich unbedenklich. Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 KAG n.F. dürfen Abgaben zum Vorteilsausgleich mit Ablauf des 15. Kalenderjahres, das auf den Eintritt der Vorteilslage folgt, nicht mehr festgesetzt werden. Nach § 19 Abs. 1 Satz 3 KAG n.F. ist der Lauf der Frist aufgrund der Sondersituation nach der Deutschen Einheit bis zum 3. Oktober 2000 gehemmt. Die zeitliche Obergrenze gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 KAG n.F. von 15 Jahren seit Eintritt der Vorteilslage – in Anschlussbeitragsfällen damit seit Schaffung der kommunalen öffentlichen Anlage und der Möglichkeit des Anschlusses bzw. deren Nutzung, die nach Obenstehendem frühestens im Jahr 1990 bestand – ist gemessen an den rechtsstaatlichen Kriterien der Belastungsklarheit und Belastungsvorhersehbarkeit weder zu weit noch im Vergleich zu anderen Fristen systemwidrig gesetzt. Vergleichbar lange Fristen (vgl. § 15a Abs. 2 Erschließungsbeitragsgesetz Berlin), wie auch mit 30 Jahren längere Fristen (vgl. § 1 Abs. 1 VwVfGBbg i.V.m. § 53 Abs. 2 Satz 1 VwVfG; zum Erschließungsbeitragsrecht in Bayern: BayVGH, Urteil vom 14. November 2013 - 6 B 12.704 -, Juris Rn. 22) sind im öffentlichen Recht nicht selten. Soweit das Gesetz zusätzlich mit der Anordnung der Hemmung in § 19 Abs. 1 Satz 3 KAG n.F. bis zum 3. Oktober 2000 in der Sache Rücksicht auf die langwierigen erheblichen Schwierigkeiten beim Aufbau einer funktionierenden kommunalen Selbstverwaltung, bei der Gründung von Zweckverbänden, bei der erstmaligen Schaffung von wirksamem Satzungsrecht und der Lösung des Altanschließerproblems nimmt, ist auch dies nicht zu beanstanden. Dabei macht es keinen erheblichen Unterschied, ob es sich um Schwierigkeiten eines Zweckverbandes oder – wie hier – einer kreisfreien Stadt handelte; abgesehen von den Umständen einer Verbandsgründung stand auch eine Kommune, die die gleichen Aufgaben zu erfüllen hatte, wie ein kommunaler Zweckverband, vor den gleichen Schwierigkeiten, wie sich dies zudem für den Fall der Stadt Cottbus nicht zuletzt in einer größeren Anzahl vergeblicher Satzungsgebungsversuche bis hin zur ersten wirksamen Beitragssatzung vom 1. Dezember 2008 manifestiert hat. Der Hemmungszeitraum ist vor dem genannten Hintergrund nicht unangemessen lang, zumal ein Teil der genannten Schwierigkeiten oder deren Auswirkungen vielfach sogar noch bis in die Gegenwart besteht (vgl. zum Ganzen: u.a. Beschluss des Senats vom 10. Januar 2014 - OVG 9 S 64.13 -, Juris Rn. 15).

Für die von der Klägerin begehrte Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG besteht nach dem Obenstehenden kein Anlass.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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