StA München I, Verfügung vom 15.07.2014 - 560 AR 2659/14
Fundstelle
openJur 2014, 14514
  • Rkr:

Der zum Zweck der Veröffentlichung und Kommentierung bei der Staatsanwaltschaft als aktenverwahrenden Behörde gestellte Antrag auf Übersendung einer Gerichtsentscheidung ist als berechtigtes Interesse iSv § 475 Abs. 1 StPO nicht ausreichend.

Tenor

Der Antrag von B... B... auf Übersendung der gerichtlichen Entscheidungen betreffend Verbandsgeldbußen in den Ermittlungskomplexen "M...", "S..." sowie "F..." wird abgelehnt.

Gründe

Der Antragsteller begeht mit E-Mail vom 20.06.2014 die Übersendung der Verbandsgeldbeschlüsse des Landgerichts München I in den Verfahrenskomplexen "M...", "S..." sowie "F..." zum Zwecke der Veröffentlichung in der Rechtsprechungsdatenbank "openJur".

Dem Antrag von Herrn B... war nicht nachzukommen, da eine Rechtsgrundlage für die Übersendung der Gerichtsentscheidungen nicht besteht.

Zunächst ergibt sich aus Artikel 4 BayPrG kein Anspruch auf die Übersendung von Urteilstexten, da dieser lediglich einen Anspruch auf Auskunft, nicht jedoch auf die Übersendung von Urteilstexten gewährt (vgl. dazu VG Frankfurt vom 28.07.2009, Az.: 7 L 1553/09 und BayVGH vom 07.01.2008, Az.: 5 BV 07.21620).

Auf die Auskunftserteilung gegenüber Medien ist vielmehr - mangels anderer gesetzlicher Regelung - § 475 StPO anzuwenden (vgl. dazu Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57 Auflage, § 475, RdNr. 1). Voraussetzung dafür wäre das Vorliegen eines berechtigten Interesses an der Auskunft. Ferner dürfte das schutzwürdige Interesse des hiervon Betroffenen an der Versagung nicht überwiegen.

Der Zweck der Veröffentlichung und Kommentierung der genannten gerichtlichen Entscheidungen ist als berechtigtes Interesse aus Sicht der Staatsanwaltschaft München I nicht ausreichend. Zwar leistet die Veröffentlichung von Entscheidungen in Fachzeitschriften einen wichtigen Beitrag zur Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und erfüllt die Funktion die wissenschaftliche Diskussion und Kritik zu ermöglichen, die ihrerseits wieder zur Rechtsfortbildung beitragen kann (vgl. OLG Celle vom 12.06.1990, Gz.: VAs 4/90). Jedoch obliegt die Entscheidung, ob gerichtliche Entscheidungen veröffentlicht werden, einzig und allein den Justizbehörden. Eine gesetzliche Pflicht der Veröffentlichung landgerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen besteht anders als z.B. in Artikel 8 BayAGVWGO für Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, soweit diese grundsätzlich Bedeutung haben, nicht. Anhaltspunkte dafür, dass die Veröffentlichungspraxis des Landgerichts München I bzw. der Staatsanwaltschaft München I unzulänglich dahingehend sei, dass z.B. ein bestimmter Verlag betreffend die Veröffentlichung bevorzugt würde (vgl. dazu OVG Bremen vom 25.10.1988, Gz.: 1 BA 32/88) liegen nicht vor. Die Verpflichtung der Herausgabe von bislang unveröffentlichten gerichtlichen Entscheidungen gemäß § 475 StPO an Antragsteller zum Zwecke der Veröffentlichung käme letztlich einer gesetzlichen Pflicht zur Veröffentlichung annähernd aller strafgerichtlichen Entscheidungen erster Instanz gleich. Eine solche ist gesetzlich jedoch gerade nicht vorgesehen. Sie folgt aus Sicht der Staatsanwaltschaft München I auch nicht aus dem Grundsatz des öffentlichen Gerichtsverfahrens. Dieser sieht in seiner Ausprägung in Deutschland gemäß § 169 GVG lediglich die Öffentlichkeit der Verhandlungen der Gerichte, nicht jedoch die generelle Veröffentlichung der schriftlichen Entscheidungen vor. Dies setzt auch Artikel 6 MRK nicht voraus.

Gegen diese Entscheidung besteht die Möglichkeit des Antrages auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 478 Abs. 3 in Verbindung mit § 162 StPO zum Amtsgericht München zu stellen.