OLG Schleswig, Beschluss vom 23.05.2014 - 15 UF 102/13
Fundstelle
openJur 2014, 14220
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die Beschwerden der weiteren Beteiligten zu 3.) vom 12. Juni 2013 und der weiteren Beteiligten zu 4.) vom 01. Juli 2013 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Neumünster vom 30. April/2. Mai 2013 zu I. aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass das Verfahren über den Versorgungsausgleich erledigt ist.

3. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

4. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.410,00 € festgesetzt.

Gründe

Die am 31. Mai 1979 vor dem Standesamt … geschlossene Ehe der Beteiligten ist aufgrund des am 15. Februar 2012 zugestellten Antrages der Antragstellerin durch Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Neumünster vom 19. September 2012 geschieden worden. Der Scheidungsausspruch ist seit dem 19. September 2012 rechtskräftig. Das Familiengericht hat den Versorgungsausgleich vom Scheidungsverbund abgetrennt und im Beschluss vom 30. April/2. Mai 2013 wie folgt geregelt:

Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Ehemannes bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Versicherungskonto Nr. …) zu Gunsten der Ehefrau ein Anrecht in Höhe von 24,9156 Entgeltpunkten auf deren Versicherungskonto Nr. … bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, bezogen auf den 31. Januar 2012, übertragen.

Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Versicherungskonto Nr….) zu Gunsten des Ehemannes ein Anrecht in Höhe von 21,9951 Entgeltpunkten auf dessen Versicherungskonto Nr. …. bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, bezogen auf den 31. Januar 2012, übertragen.

Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Ehefrau bei dem Versorgungsträger Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (Az.: …) zu Gunsten des Ehemannes ein Anrecht in Höhe von 15,6700 Versorgungspunkten nach Maßgabe von § 32a der VBL-Satzung in der Fassung der 17. Satzungsänderung, bezogen auf den 31. Januar 2012, übertragen.

Im Wege der externen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Ehemannes bei dem Versorgungsträger … (Az.: …) zu Gunsten der Ehefrau ein Anrecht in Höhe von 21.345,32 Euro auf einem für sie zu errichtenden Versicherungskonto bei der Versorgungsausgleichskasse, bezogen auf den 31. Januar 2012, begründet.

Der Versorgungsträger des Ehemannes wird verpflichtet, diesen Betrag an den Versorgungsträger der Ehefrau zu zahlen. Der Betrag ist vom 31. Januar 2012 bis zum Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung zum Versorgungsausgleich mit 6,00% zu verzinsen.

Im Wege der externen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Ehefrau bei dem Versorgungsträger … (Az.: …) zu Gunsten des Ehemannes ein Anrecht in Höhe von 32.295,30 Euro bei der …, bezogen auf den 31. Januar 2012, nach Maßgabe des Vertragsangebotes Nr… begründet.

Der Versorgungsträger der Ehefrau wird verpflichtet, diesen Betrag an den Versorgungsträger des Ehemannes zu zahlen. Der Betrag ist vom 31. Januar 2012 bis zum Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung zum Versorgungsausgleich mit 6,00% zu verzinsen.

Hinsichtlich der von der Ehefrau bei der … in der Ehezeit erworbenen Anrechte (Az.: ….) findet ein Wertausgleich bei der Scheidung nicht statt.

Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Ehefrau bei dem Versorgungsträger (Az.: …) zu Gunsten des Ehemannes ein Anrecht in Höhe von 5.941,43 Euro des Deckungskapitals nach Maßgabe der Teilungsordnung vom 28. April 2011, bezogen auf den 31. Januar 2012, übertragen. Die Ausgleichsquote für den zusätzlich bestehenden Fondanteil beträgt 50% des zum Teilungstermin vorhandenen Fondsvermögens.

Die weiteren Beteiligten zu 3.) und 4.) haben gegen die Entscheidung des Familiengerichts Beschwerde eingelegt.

Die weitere Beteiligte zu 3.) wendet sich mit ihrer Beschwerde vom 12. Juni 2013 gegen die Verpflichtung zur Zinszahlung an die Versorgungsausgleichskasse. Sie ist der Ansicht, eine Verzinsung sei nicht vorzunehmen, da der Antragsgegner bereits Leistungen aus der Betriebsrente beziehe. Die weitere Beteiligte zu 4.) führt zur Begründung ihrer Beschwerde vom 01. Juli 2013 aus, das Familiengericht habe einen unzutreffenden Beginn der Ehezeit (01. Mai 1978 statt 01. Mai 1979) mitgeteilt, so dass die Auskunft für die Antragstellerin zu nicht korrekten Berechnungswerten geführt habe. Ferner habe der Antragsgegner während der Ehezeit ein Anrecht aus seiner Pflichtversicherung bei der Beteiligten zu 4.) erworben, welches im Versorgungsausgleichsverfahren bisher unberücksichtigt geblieben sei. Zu beiden Anrechten hat die Beteiligte zu 4.) Berechnungen mit der richtigen Ehezeit vorgelegt.

Am 21. September 2013 ist der Antragsgegner verstorben.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegten Beschwerden sind gemäß §§ 58 ff., 228 FamFG zulässig. Sie führen zur Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung, nämlich zur Aufhebung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich und zur Feststellung, dass das Verfahren über den Versorgungsausgleich sich erledigt hat. Ein Versorgungsausgleich ist nicht durchzuführen, weil der Anspruch auf Wertausgleich, den die Antragstellerin nach dem Tod des Antragsgegners gemäß § 31 VersAusglG hat, nur geringfügig im Sinne von § 18 VersAusglG ist.

Stirbt ein Ehegatte nach Rechtskraft der Scheidung, aber noch vor einer abschließenden Entscheidung über den abgetrennten Versorgungsausgleich, so findet ein Ausgleich nach §§ 9 ff VersAusglG nicht mehr statt. An die Stelle des wechselseitigen Ausgleichs tritt der Wertausgleich nach § 31 VersAusglG. Gemäß § 31 Abs. 1 VersAusglG ist nur noch das Recht des überlebenden Ehegatten auf Wertausgleich gegen die Erben geltend zu machen. Die Erben haben kein Recht auf Wertausgleich. Der Anspruch des verstorbenen Ehegatten auf Wertausgleich ist mit seinem Tod erloschen, da hierfür kein Bedürfnis mehr besteht. Gemäß § 31 Abs. 2 VersAusglG darf der überlebende Ehegatte durch den Wertausgleich nicht bessergestellt werden, als wenn der Versorgungsausgleich durchgeführt worden wäre. Der Wertausgleich setzt deshalb voraus, dass der überlebende Ehegatte im Falle der Durchführung des Versorgungsausgleichs ausgleichsberechtigt wäre. Bei der hiernach vorzunehmenden Saldierung der ausgleichsreifen Anrechte der Ehegatten ist regelmäßig der korrespondierende Kapitalwert der Anrechte heranzuziehen, um einen einheitlichen Bewertungsmaßstab zu erhalten (vgl. OLG Nürnberg, FamRZ 2013, 1046; Borth, Versorgungsausgleich, 7. Auflage, Rn. 767; Palandt-Brudermüller, BGB, 73. Auflage, § 31 VersAusglG Rn. 2). Dabei sind diejenigen Anrechte zu berücksichtigen, die noch nicht rechtskräftig ausgeglichen worden sind (OLG Nürnberg, a.a.O.). Das sind hier sowohl die bei den Beschwerdeführern erworbenen Anrechte als auch die bei den anderen Versorgungsträgern erworbenen Anrechte, weil diese noch nicht in Rechtskraft erwachsen sind. § 66 FamFG sieht eine Frist zur Einlegung der Anschlussbeschwerde nicht vor. Sind mehrere Anrechte auszugleichen, ist gemäß § 31 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG nach billigem Ermessen zu entscheiden, welche Anrechte zum Ausgleich herangezogen werden.

Eine Saldierung nach den korrespondierenden Kapitalwerten der Anrechte ergibt, dass der verstorbene Antragsgegner höhere Anrechte erworben hat, d. h., dass bei einer Saldierung die Antragstellerin ausgleichsberechtigt wäre.

Im Einzelnen gilt:

Kapitalwerte Ehefrau        (wird ausgeführt)189.207,52 €Kapitalwerte Ehemann        (wird ausgeführt)193.885,78 €Aus diesen Anrechten ergibt sich eine Differenz von 4.678,26 € zu Gunsten des verstorbenen Ehemanns. Die Ehefrau hat einen Anspruch auf Wertausgleich in Höhe der Hälfte der Wertdifferenz (vgl. MK-Gräper, Familienrecht I, § 31 VersAusglG Rn 5; Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, 7. Aufl., VI Rn 92), d.h. einen Anspruch auf Wertausgleich in Höhe von 2.339,13 €.

Dieser Wert ist geringfügig im Sinne von § 18 Abs. 3 VersAusglG, weil er nicht größer ist als 120 Prozent der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV am Ende der Ehezeit im Jahr 2012 (Bezugsgröße: 2.625,00 €; 120 Prozent hiervon: 3.150,00 €). Ein Ausgleichsbetrag von 2.339,13 € entspricht auf der Grundlage der Auskünfte der DRV vom 4. Juni 2012 und vom 2. August, nach denen ein Kapitalwert von 139.875,99 € mit einer Monatsrente von 604,21 € bzw. ein Kapitalwert von 158.448,67 € mit einer Monatsrente von 684,43 € korrespondiert, einer monatlichen Rente von 10,10 €.

Die Frage der Anwendbarkeit von § 18 VersAusglG auf die Saldierung nach § 31 VersAusglG wird nicht einheitlich beurteilt. Die meisten Entscheidungen verhalten sich nur zu der Frage, ob in die Saldierung einzelne geringfügige Anrechte einzustellen sind (bejahend OLG Hamm NJW-RR 2011, 1376; OLG Koblenz FamRZ 2012, 300; OLG Dresden MDR 2011, 566; OLG Brandenburg FamRZ 2011, 1299; verneinend OLG Naumburg FamRZ 2013, 1046). Darauf kommt es hier nicht an. Als geringfügiges Einzelanrecht kommt hier allein die Versicherung bei der …. AG mit der Nummer …. in Betracht. Nimmt man diese von der Saldierung aus, so ergibt sich bei der Ehefrau ein Kapitalwert von 188.779,76 €, d.h. eine Differenz von 5.106,02 € zu ihren Gunsten und ein Ausgleichswert von 2.553,01 €, der auch noch unter dem für die Frage der Geringfügigkeit maßgeblichen Wert von 3.150,00 € liegt.

Soweit die veröffentlichte Literatur und Rechtsprechung sich ausdrücklich mit der Frage der Anwendbarkeit von § 18 VersAusglG auf den Wertausgleich im Anschluss an die Saldierung befasst, wird überwiegend die Anwendbarkeit bejaht (MK-Gräber, a.a.O., § 31 Rn 5; Ruland, Versorgungsausgleich, 3. Aufl., Rn 494; OLG Celle FamRZ 2013, 382; AG Ludwigslust FamRZ 2011, 1869; wohl auch Palandt-Brudermüller, a.a.O., § 31 VersAusglG Rn 2 a.E.; so nur für die Gesamtwertdifferenz gleichartiger Anrechte Borth, Versorgungsausgleich, 6. Aufl., Rn 682 f., 7. Aufl. Rn 767 f., und Breuers, jurisPK-BGB, 6. Aufl., § 31 Rn 21). Dieser Auffassung schließt der Senat sich an mit der Folge, dass ein Wertausgleich nach § 31 VersAusglG wegen der Geringfügigkeit des Ausgleichswerts nicht stattfindet. Es ist nur noch die Erledigung des Verfahrens festzustellen. Damit erübrigt sich zugleich eine Entscheidung zu dem Beschwerdevorbringen der Beteiligten zu 3.) und zu 4.).

Der Senat kann ohne Erörterung in einem Termin gemäß § 221 Abs. 1 FamFG entscheiden, da der Sachverhalt geklärt ist, den Beteiligten rechtliches Gehör gewährt worden ist und keine weitergehenden Erkenntnisse von einem Erörterungstermin zu erwarten sind.

Der Senat hat davon abgesehen, gemäß § 219 Nr. 4 FamFG eventuelle Hinterbliebene und Erben des verstorbenen Ehemannes zu beteiligen, weil ein Wertausgleich nicht stattfindet. Hinsichtlich von Hinterbliebenen sind nachteilige Auswirkungen auf etwaige Versorgungsleistungen nach dem verstorbenen Ehemann bei Nichtdurchführung des Versorgungsausgleichs ausgeschlossen, weil das Gesetz einen Wertausgleich zugunsten des Verstorbenen nicht vorsieht. Die Erben haben gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG schon kraft Gesetzes kein Recht auf Nachteilsausgleich und bei Nichtdurchführung des Versorgungsausgleichs auch kein Interesse daran, als Verfahrensstandschafter für den Erblasser einen ungerechtfertigten Wertausgleich zugunsten der überlebenden Ehefrau zu verhindern (vgl. AG Ludwigslust FamRZ 2012, 1387 und FamRZ 2013, 704).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG. Die Festsetzung des Verfahrenswertes folgt aus §§ 40, 50 Abs. 1 S. 1 FamGKG.