OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 03.08.2011 - 18 W 130/11
Fundstelle
openJur 2014, 13523
  • Rkr:
Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerinnen wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18.4.2011 aufgehoben.

Die Klägerinnen haben zu je ½ die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf € 3.258,15 festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien haben vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main gestritten. Das Landgericht hat durch Urteil vom 31.3.2010 (Bl. 187 ff d.A.), das Oberlandesgericht durch Urteil vom 2.12.2010 (Bl. 406 ff d.A.) entschieden. Das Landgericht hat am 18.4.2011 einen Kostenfestsetzungsbeschluss betreffend die erstinstanzlichen Kosten des Beklagten zu 1. erlassen (KfB I, Bl. 497 f d.A.). Gegen den am 27.4.2011 zugestellten Beschluss haben die Kläger am 11.5.2011 sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie die Berücksichtigung einer außergerichtlich erklärten Aufrechnung verfolgen. Der Rechtspfleger hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akte vorgelegt (Beschluss vom 27.5.2011, Bl. 530 f d.A.).

II.

1.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere als solche statthaft und rechtzeitig eingelegt worden, §§ 104 III S.1, II; 567 I Ziff.1; 569 I, II ZPO.

2.

In der Sache hat das Rechtsmittel Erfolg.

Denn der Kostenerstattungsanspruch des Beklagten zu 1. ist - einschließlich der festgesetzten Zinsen - durch Aufrechnung erloschen, §§ 387, 389 BGB.

Die Klägerinnen haben unstreitig mit Schriftsatz vom 10.5.2011 (Bl. 517 d.A.) gegenüber sämtlichen Kostenerstattungsansprüchen des Beklagten zu 1. die Aufrechnung mit dem sich aus dem Urteil des Landgerichts vom 31.3.2010 ergebenden Zahlungsanspruch von € 4.188,80 erklärt.

Die Aufrechnung ist wirksam, obgleich sie nur „vorsorglich“, d. h. unter der Bedingung erklärt wurde, dass die oben genannte Forderung nicht durch Zahlung ausgeglichen wird. Zwar ist die Ausübung von Gestaltungsrechten grundsätzlich bedingungsfeindlich. Eine Bedingung steht ihr aber dann nicht entgegen, wenn der Eintritt - wie vorliegend - ausschließlich im Einflussbereich des Erklärungsempfängers steht (Potestativbedingung). Denn in diesem Fall ist der Empfänger einer zu vermeidenden Rechtsunsicherheit nicht ausgesetzt (BGH, WM 1986, 975; LG Braunschweig, NdsRpfl 1984, 12).

Der Wirksamkeit der Aufrechnung steht auch nicht unter dem Aspekt der „Gegenseitigkeit“ entgegen, dass der Beklagte zu 1. bezüglich etwaiger Kostenerstattungsansprüche in der dem Beklagtenvertreter zu 1. erteilten Prozessvollmacht eine Abtretung erklärte (Vollmacht Bl. 546 d.A.). Denn nach zutreffender Auffassung ist diese Erklärung unwirksam, da die in einer Formularvollmacht enthaltene Abtretung eine überraschende Klausel im Sinne von § 305c I BGB darstellt (Hans OLG, Az.: 2 W 72/91, juris; OLG Koblenz, RuS 2010, 341, LG Konstanz, Rpfleger 2008, 596; LG Düsseldorf, AGS 2007, 34; a.A. LG Hamburg, AnwBl 1977, 70; nur am Rande sei darauf hingewiesen, dass der Kostenfestsetzungsbeschluss anderenfalls bereits deshalb aufzuheben wäre, weil der Beklagte zu 1. nicht mehr Forderungsinhaber wäre). Der formale Aufbau der durch den Beklagten zu 1. vorgelegten Vollmachtsurkunde gibt keinen Anlass für eine abweichende Bewertung.

Unter prozessrechtlichem Blickwinkel steht einer Berücksichtigung der Aufrechnung nicht entgegen, dass diese erst im Beschwerdeverfahren, nach Erlass der Festsetzungsentscheidung, erklärt worden ist. Denn nach § 571 II S.1 ZPO kann die Beschwerde auf neue Angriffsmittel gestützt werden.

Die Aufrechnung ist auch nicht aus anderen verfahrensrechtlichen Gründen unbeachtlich. Zwar beschränkt sich das Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich auf die Berücksichtigung kostenrechtlicher Aspekte. Nach gefestigter Rechtsprechung findet aber eine Aufrechnung - bei der es sich um einen materiellrechtlichen Einwand handelt - aus prozessökonomischen Gründen Berücksichtigung, wenn die zur Aufrechnung gestellte Forderung außer Streit steht oder rechtskräftig festgestellt ist. Letzteres ist der Fall, denn die Berufung des Beklagten zu 2. gegen das landgerichtliche Urteil (Kostengrundentscheidung) ist rechtskräftig zurückgewiesen worden.

Die für die Berücksichtigung der Aufrechnung sprechenden verfahrensökonomischen Gründe sind grundsätzlich auch dann beachtlich, wenn sich die zur Aufrechnung gestellte Forderung aus dem Titel ergibt, der gleichzeitig die für die Festsetzung maßgebliche Kostengrundentscheidung darstellt.

Allerdings sieht die Kostengrundentscheidung in derartigen Fällen regelmäßig, wie auch vorliegend, eine Kostenquote vor. Dies ist insoweit problematisch, als vertreten wird, eine Aufrechungslage liege mangels Bestimmbarkeit des Erstattungsanspruchs in dieser Konstellation erst mit Erlass des Festsetzungsbeschlusses vor, so dass keine Möglichkeit bestehe, dem Erstattungspflichtigen, dem die Aufrechnung während des Festsetzungsverfahrens damit verschlossen ist, die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 97 II ZPO aufzuerlegen. Dies führe in derartigen Fallgestaltungen zur Nichtbeachtlichkeit der Aufrechnung (OLG Düsseldorf, Rpfleger 1996, 185).

Dem kann nicht gefolgt werden, wobei dahinstehen kann, ob die Kostenvorschrift des § 97 II ZPO überhaupt geeignet ist, die Berücksichtigungsfähigkeit der Aufrechnung zu berühren: Nach wohl einhelliger Auffassung entsteht der prozessuale Kostenerstattungsanspruch aufschiebend bedingt bereits zu Beginn des Prozessrechtsverhältnisses zwischen den Parteien (BGH, WM 1976, 460) und wird mit rechtskräftiger Entscheidung unbedingt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist er der Aufrechnung zugänglich. Soweit durch das OLG Düsseldorf (a.a.O.) die Bestimmbarkeit des Kostenerstattungsanspruchs vor Erlass des Festsetzungsbeschlusses verneint wurde, weil im Falle einer Quotenentscheidung die im Ergebnis nicht feststehende Kostenausgleichung nach § 106 I ZPO durchzuführen sei, hält der Senat diese Auffassung bereits deshalb für zweifelhaft, weil § 106 I ZPO lediglich die Verrechnung vorsieht, aber die Existenz zweier Kostenerstattungsansprüche als solche nicht berührt. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass nach § 106 II ZPO auch eine einseitige Festsetzung möglich ist (eine solche ist vorliegend sogar tatsächlich durchgeführt worden) und zum anderen aus dem Umstand, dass der Verrechnung zwei Festsetzungsentscheidungen vorausgehen, die jeweils selbstständig mit der Beschwerde angreifbar sind (Zöller-Herget, 27. Aufl., § 106, Rd.6). In jedem Falle liegt hinreichende Forderungsbestimmtheit vor, sobald die Parteien ihre Kostenfestsetzungsanträge eingereicht haben und der Rechtspfleger in der Lage ist, das Verrechnungsergebnis festzustellen (wie hier: OLG München, MDR 2000, 850; siehe auch OLG Celle, JurBüro 1983, 1698). Letzteres ist vorliegend der Fall so dass die Aufrechnung bereits vor Erlass des Festsetzungsbeschlusses wirksam hätte erklärt werden können. Der der Festsetzung zu Grunde liegende Antrag des Beklagten zu 1. ist am 25.1.2011 (Bl. 448 d.A.), der Antrag der Kläger am 10.6.2010 (Bl. 426 f d.A.) bei Gericht eingegangen, so dass vor Erlass des Festsetzungsbeschlusses vom 18.4.2011 die wirksame Erklärung der Aufrechnung möglich gewesen ist. Anderes ergibt sich selbst dann nicht, wenn man insoweit zusätzlich auf den Zeitpunkt der Rechtskraft des Berufungsurteils abzustellen hätte. Denn diese hat seit Mitte Januar 2011 vorgelegen (EB´s Bl. 421 ff d.A.).

3.

Da die Klägerinnen wegen einer Aufrechnung obsiegen, die sie nach dem oben Gesagten bereits vor Erlass des Festsetzungsbeschlusses hätten erklären können, ist es geboten, sie in Anwendung des § 97 II ZPO mit den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu belasten.

Der Beschwerdewert ergibt sich aus der Höhe des zu Gunsten des Beklagten zu 1. festgesetzten Betrags.

Im Hinblick auf die oben genannte Entscheidung des OLG Düsseldorf hält es der Senat für geboten, die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 II, III ZPO zuzulassen.