BGH, Urteil vom 22.05.2014 - IX ZR 147/12
Fundstelle
openJur 2014, 12674
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 17 U 32/11

Bei vorzeitiger Beendigung des Steuerberatervertrages ist ein vereinbartes Pauschalhonorar auf den Teil herabzusetzen, welcher der bisherigen Tätigkeit des Steuerberaters entspricht.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 25. Mai 2012 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 25. November 2011 hinsichtlich der Ansprüche in Höhe von 7.352,30 € und 4.113,98 € nebst Zinsen zurückgewiesen wurde.

Die Sache wird in diesem Umfang zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerde- und des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die beklagte Steuerberatungsgesellschaft betreute die Klägerin und mehrere von ihr beherrschte Gesellschaften seit dem 9. Juli 2001 in allen steuerrechtlichen Angelegenheiten. Die abgeschlossenen Steuerberaterverträge unterschieden zwischen Regelleistungen, für welche jeweils eine Jahrespauschalvergütung, zahlbar in gleich hohen monatlichen Teilbeträgen, vereinbart wurde, und Sonderleistungen, bei denen eine Vergütung nach Zeitaufwand berechnet wurde. Diese Verträge wurden im März 2010 durch die Klägerin und die betreuten Gesellschaften außerordentlich gekündigt. Leistungen hat die Beklagte seit diesem Zeitpunkt nicht mehr erbracht.

Die Klägerin hat aus eigenem und abgetretenem Recht die Rückzahlung von Vergütungsbeträgen für nicht geleistete Arbeiten in den Jahren 2008 und 2009 sowie für die Monate Januar und Februar 2010 - letztere betragen 7.352,30 € - begehrt. Daneben hat sie weitere Ansprüche, hierunter ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 4.113,98 € wegen fehlerhafter Beratung, geltend gemacht. Das Landgericht hat die Klage ganz überwiegend abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde hat der Senat die Revision hinsichtlich der Ansprüche über 7.352,30 € und 4.113,98 € nebst Zinsen zugelassen.

Gründe

Die Revision führt im Umfang der Zulassung zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin könne die für die Monate Januar und Februar 2010 entrichteten Vergütungsbeträge nicht zurückfordern. Zwar sei davon auszugehen, dass die Klägerin und die von ihr vertretenen Gesellschaften zur außerordentlichen Kündigung nach § 627 Abs. 1 BGB berechtigt gewesen seien. Diese Befugnis hätten die Parteien nicht abbedungen. Der Abrede zur Vertragslaufzeit, wonach sich der auf ein Jahr geschlossene Vertrag jeweils um ein Jahr verlängere, wenn er nicht drei Monate vor Ablauf gekündigt werde, könne nicht hinreichend deutlich entnommen werden, dass dem Mandaten ein außerordentliches Kündigungsrecht nicht zustehen solle. Aus der von den Parteien gehandhabten Berechnung und Zahlung der monatlichen Pauschbeträge und unter Berücksichtigung des praktischen Bedürfnisses für die Vereinbarung von Pauschalvergütungen folge, dass es sich hierbei um eine endgültige Vergütung der in diesen Teilzeiträumen erbrachten Leistungen habe handeln sollen. Eine Herabsetzung der für diese Monate gezahlten Vergütung nach § 628 Abs. 1 BGB komme nicht in Betracht. Der Grundsatz, dass bei vorzeitiger Beendigung des Anwaltsvertrages ein vereinbartes Pauschalhonorar auf den Teil herabzusetzen sei, welcher der bisherigen Tätigkeit des Rechtsanwalts entspreche, sei auf einen Steuerberatervertrag nicht übertragbar. Die hier in Rede stehenden Steuerberaterverträge bezögen sich auf wiederkehrende Tätigkeiten im Rahmen von Dauermandaten, welche jeweils zurückliegende Zeiträume beträfen. Zudem habe die Beklagte dargelegt, dass sie "Regelleistungen" sowohl für die Klägerin als auch für die von ihr vertretenen Gesellschaften erbracht habe.

Weitergehende Zahlungsansprüche seien nicht Gegenstand der Berufung. Soweit die Klägerin im ersten Rechtszug Zahlungsansprüche gegen die Beklagte in Höhe von 4.113,98 € wegen Festsetzung von Strafzinsen und Ordnungsgeldern als Schadensersatz begehrt habe, verfolge sie diese Ansprüche nach Maßgabe der beschränkten Berufung nicht weiter. Das mit der Berufung verfolgte Zahlungsbegehren in Höhe von 54.666,23 € umfasse lediglich die Schadensersatzforderung in Höhe von 47.313,93 € und die Rückzahlungsforderung in Höhe von 7.352,30 € für die Vergütungspauschalen der Monate Januar und Februar 2010.

II.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts kann weder der geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung der für die Monate Januar und Februar 2010 entrichteten Vergütungspauschalen noch der Schadensersatzanspruch wegen der Verhängung von Ordnungsgeldern und Strafzinsen verneint werden.

1. Hinsichtlich des Zahlungsanspruches über 7.352,30 € kommt eine Rückforderung nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB in Betracht, wenn der Beklagten gemäß § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB für den in Rede stehenden Zeitraum von Januar bis Februar 2010 eine geringere als die vereinbarte und entrichtete Vergütung zustehen sollte.

a) Die Bestimmung des § 628 Abs. 1 BGB regelt die Frage, in welchem Umfang dem Dienstverpflichteten nach der außerordentlichen Kündigung gemäß § 627 BGB Honoraransprüche gegen seinen Auftraggeber zustehen. Danach kann der Verpflichtete grundsätzlich einen seinen bisherigen Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung verlangen (§ 628 Abs. 1 Satz 1 BGB). Diese Regelung gilt auch für Verträge mit Rechtsanwälten (vgl. BGH, Urteil vom 29. September 2011 - IX ZR 170/11, WM 2011, 2110 Rn. 13; vom 26. September 2013 - IX ZR 51/13, NJW 2014, 317 Rn. 9) sowie mit Steuerberatern (OLG Düsseldorf, GI 1995, 80, 82; LG Duisburg, NJW-RR 2002, 277, 278; MünchKomm-BGB/Henssler, 6. Aufl., § 628 Rn. 3; Palandt/Weidenkaff, BGB, 73. Aufl., § 628 Rn. 1; Zugehör in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung, 2. Aufl., Rn. 880). Die Vorschrift des § 628 Abs. 1 BGB ist zwar abdingbar (vgl. BGH, Urteil vom 16. Oktober 1986 - III ZR 67/85, NJW 1987, 315, 316), jedoch haben die Parteien in der Vergütungsvereinbarung für den Fall der vorzeitigen Mandatsbeendigung, wie den entsprechenden Ausführungen des Berufungsgerichts zu § 627 BGB zu entnehmen ist, auch hierzu keine Regelung getroffen.

b) Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist bei vorzeitiger Beendigung des Anwaltsvertrages aufgrund der Bestimmung des § 627 Abs. 1 BGB ein vereinbartes Pauschalhonorar nach § 628 Abs. 1 BGB auf den Teil herabzusetzen, welcher der bisherigen Tätigkeit des Rechtsanwalts entspricht (BGH, Urteil vom 27. Februar 1978 - AnwSt (R) 9/77, NJW 1978, 2304, 2305; vom 16. Oktober 1986 - III ZR 67/85, aaO; MünchKomm-BGB/Henssler, aaO Rn. 14). Hierbei ist ausgehend von der vereinbarten Vergütung und der insgesamt vorgesehenen Tätigkeit zu bewerten, welcher Anteil auf die bereits erbrachten Leistungen des Rechtsanwalts entfällt (OLG Düsseldorf, GI aktuell 2010, 88, 91; MünchKomm-BGB/Henssler, aaO).

c) Entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Ansicht (so auch OLG Celle, StB 1987, 241 f) sind diese Grundsätze auch auf eine vereinbarte Pauschalvergütung für steuerrechtliche Beratungsleistungen anwendbar (Feiter, Die neue Steuerberatervergütungsverordnung, § 12 StBVV Rn. 230; Eckert, Steuerberatergebührenverordnung, 4. Aufl., StBGebV Vor § 1 Ziff. 1.3.5).

aa) Der vom Berufungsgericht für maßgeblich angesehene Umstand, dass die von der Beklagten zu erbringenden steuerlichen Leistungen wiederkehrende Tätigkeiten im Rahmen von Dauermandaten betrafen, steht einer Anwendung des § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht entgegen. Der Normzweck dieser Bestimmung beruht auf dem allgemeinen Rechtsgedanken, demzufolge sich die Vergütung des Dienstverpflichteten nach den tatsächlich erbrachten Leistungen richtet (MünchKomm-BGB/Henssler, aaO Rn. 1). Die Vorschrift unterscheidet ersichtlich nicht danach, ob die aufgekündigte Tätigkeit im Rahmen eines über mehrere Jahre zu führenden Dauermandats oder nur bezogen auf eine kürzere Zeitdauer erbracht werden sollte. Auch bei einer Pauschalvergütung kommt diesem Gesichtspunkt keine maßgebliche Bedeutung zu.

bb) Die in § 14 StBGebV geregelte Pauschalvergütung verschafft dem Steuerberater keinen schuldrechtlichen Anspruch auf Bezahlung noch nicht erbrachter Leistungen, sondern erleichtert lediglich das Abrechnungsverfahren für schon ausgeführte Leistungen. Anstelle einer Vielzahl von Einzelvergütungen sollen die Parteien eine Pauschalvergütung vereinbaren können (Amtliche Begründung zu § 14 StBGebV, abgedruckt bei Eckert, aaO § 14 StBGebV). Ob und gegebenenfalls inwieweit der Steuerberater die Pauschalvergütung verlangen kann, ist demnach zunächst keine Frage des Steuerberatergebührenrechts, sondern eine solche der vertraglichen Regelung und der Vorschriften des Bürgerlichen Rechts (OLG Düsseldorf, GI 1995, 80, 81; LG Duisburg aaO; Eckert, aaO StBGebV Vor § 1 Ziff. 1.3.5; für die BRAGO BGH, Urteil vom 16. Oktober 1986, aaO).

cc) Eine gewisse Einschränkung erfährt § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB durch § 12 Abs. 4 StBGebV, wonach es auf bereits entstandene Gebühren ohne Einfluss ist, wenn sich die Angelegenheit vorzeitig erledigt oder der Auftrag endigt, bevor die Angelegenheit erledigt ist. Diese Bestimmung ist jedoch auf den Tatbestand der Pauschgebühr zugeschnitten und findet deshalb entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auf eine Pauschalvergütung, die - wie im Streitfall - mehrere Pauschgebühren abdeckt, keine Anwendung (Feiter, aaO § 12 StBVV Rn. 230; für die Parallelvorschrift des § 13 Abs. 4 BRAGO (jetzt § 15 Abs. 4 RVG) BGH, Urteil vom 27. Februar 1978, aaO; vom 16. Oktober 1986, aaO S. 316 f).

dd) Der Anwendungsbereich des § 628 Abs. 1 BGB und die danach gebotene Bewertung der tatsächlich erbrachten Leistungen lässt sich auch nicht mit der zusätzlichen Erwägung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe Regelleistungen für die Monate Januar und Februar 2010 erbracht, verneinen. Nach § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB ist ausgehend von der vereinbarten Vergütung und der insgesamt vorgesehenen Tätigkeit im Einzelnen zu bewerten, welcher Anteil auf die bereits ausgeführten Leistungen des Rechtsberaters entfällt (vgl. OLG Düsseldorf, GI aktuell 2010, aaO; MünchKomm-BGB/Henssler, aaO Rn. 14). Tragfähige Feststellungen hierzu hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Es hat nicht weiter dargelegt, welche einzelnen Regelleistungen die Beklagte im hier maßgeblichen Zeitraum der Monate Januar und Februar 2010 tatsächlich für die Klägerin und die von ihr vertretenen Gesellschaften erbracht hat und welcher Anteil an der Vergütung diesen Leistungen zuzumessen ist.

ee) Von seinem Rechtsstandpunkt aus hätte das Berufungsgericht im Übrigen auch einen Wegfall des von ihm angenommenen Vergütungsanspruchs für die Monate Januar und Februar 2010 gemäß § 628 Abs. 1 Satz 2 2. Fall BGB in Betracht ziehen und bei Vorliegen der hierfür erforderlichen Voraussetzungen insoweit prüfen müssen, ob erbrachte Teilleistungen für die angeführten Monate im Hinblick auf die infolge der Kündigung notwendige Beauftragung eines anderen Steuerberaters für die Klägerin nutzlos geworden sind (vgl. BGH, Urteil vom 29. September 2011, aaO Rn. 13).

2. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Klägerin habe ihren Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Beratung - bezogen auf den Anfall von Ordnungsgeldern und Strafzinsen - im Berufungsrechtszug nicht weiterverfolgt, beruht auf einer Gehörsverletzung (Art. 103 Abs. 1 GG).

a) Wie die Revision zu Recht rügt, sind tragfähige Anhaltspunkte für die Annahme, die Klägerin habe den Anspruch über 4.113,98 € im Berufungsrechtszug nicht weiterverfolgen wollen, nicht ersichtlich. Mit diesem vom Landgericht für nicht begründet erachteten Anspruch hat sich die Klägerin in ihrer Berufungsbegründungsschrift ausführlich befasst und ist der Ansicht des Landgerichts unter verschiedenen Gesichtspunkten entgegengetreten. Hieraus folgt deutlich, dass auch dieser Anspruch und die hierzu geäußerte Ansicht des Landgerichts zur Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt werden sollte. Das Berufungsgericht hat dieses entscheidungserhebliche Vorbringen der Klägerin nicht zur Kenntnis genommen. Der Umstand, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung den zu diesem Anspruchskomplex gehörenden vorgerichtlichen Kostenersatzanspruch zurückgenommen hat, stützt die Annahme einer Beschränkung der Berufung nicht, weil der Hauptanspruch von dieser Rücknahmeerklärung gerade nicht erfasst wurde. Jedenfalls hätte das Berufungsgericht die Klägerin ausdrücklich darauf hinweisen müssen, es werde angesichts des im Klageantrag aufgeführten Zahlungsbetrages angenommen, die Klägerin wolle den im Hinblick auf die Berufungsbegründung zumindest hilfsweise zur Überprüfung gestellten Anspruch über 4.113,98 € nicht weiter verfolgen. Die Nichtberücksichtigung ihres Vorbringens ist unter diesen Umständen als Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG zu bewerten (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2003 - V ZR 187/02, NJW 2003, 3205; Beschluss vom 29. September 2011 - IX ZR 184/08, NJW-RR 2012, 305 Rn. 5).

b) Das Berufungsurteil beruht auf dieser Verletzung des rechtlichen Gehörs. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens anders entschieden hätte (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2003, aaO S. 3205 f; Beschluss vom 29. September 2011, aaO Rn. 6).

III.

Das Urteil des Berufungsgerichts unterliegt daher - im Umfang der Zulassung - der Aufhebung (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Kayser Gehrlein Vill Fischer Grupp Vorinstanzen:

LG Kiel, Entscheidung vom 25.11.2011 - 17 O 131/10 -

OLG Schleswig, Entscheidung vom 25.05.2012 - 17 U 32/11 -