OLG Karlsruhe, Beschluss vom 28.04.2014 - 2 UF 238/13
Fundstelle
openJur 2014, 12542
  • Rkr:

Dass die nichteheliche Mutter wegen der Geburt und der nachfolgenden Betreuung des Kindes ihr Studium unterbrochen hat, während der Vater in diesem Zeitraum sein Studium abschließen konnte, stellt keinen elternbezogenen Umstand dar, der aus Billigkeitsgründen eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts rechtfertigen würde.

Hinweis:Die zugelassene Rechtsbeschwerde ist eingelegt worden. Das Rechtsbeschwerdeverfahren wird unter dem Aktenzeichen XII ZB 251/14 geführt.

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- Karlsruhe vom 06.09.2013 - 6 F 47/13 - wie folgt abgeändert:

1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin rückständigen Unterhalt für den Zeitraum November 2012 bis Januar 2013 in Höhe von 2.340,00 EUR zu zahlen.

2. Der Antragsgegner wird weiter verpflichtet, an die Antragstellerin vom 01.02.2013 bis zum 31.10.2013 einen monatlichen, jeweils zum Ersten des Monats im Voraus fälligen Unterhalt in Höhe von 800,00 EUR zu zahlen.

3. Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.

II. Die weitergehende Beschwerde des Antragsgegners wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

IV. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 11.940,00 EUR festgesetzt.

V. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB ab November 2012.

Die am … 1986 geborene Antragstellerin und der am … 1985 geborene Antragsgegner sind die nicht verheirateten Eltern des am … 2010 geborenen Kindes T.. T. lebt bei der Antragstellerin und wird von ihr betreut und versorgt. Das Kind ist seit der Geburt zu 100 % schwerbehindert. Es leidet an einer Chromosomenanomalie des Typs Trisomie 21, dem sogenannten Down-Syndrom, und ist in Pflegestufe II eingestuft.

Die Beteiligten studierten zunächst beide in P.. Die Antragstellerin unterbrach ihr Studium zum Lehramt infolge der Schwangerschaft und der Geburt des Kindes. Sie lebt jetzt mit ihrem Sohn im Haus ihrer Eltern in K.. Der Antragsgegner schloss sein Studium ab und ist seither als wissenschaftlicher Mitarbeiter, jeweils mit befristeten Arbeitsverträgen, erwerbstätig. Zunächst war er aufgrund eines am 09.12.2011 abgeschlossenen und bis zum 30.04.2014 befristeten Vertrags als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Stadtwerke P. GmbH beschäftigt. Dieser Vertrag wurde mit Aufhebungsvereinbarung vom 01.10.2013 vorzeitig zum 13.10.2013 beendet. Der Antragsgegner nahm am 14.10.2013 bei der L.-M.-Universität in M. eine Anschlusstätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter auf.

Die Antragstellerin nahm neben der Betreuung des Kindes ihr Lehramtsstudium wieder auf. Mitte Januar 2013 stellte sie ihre Examens-Zulassungsarbeit fertig. Diese wurde mit der Note eins bewertet. Die Prüfungen für den Studienabschluss wollte die Antragstellerin zunächst im Sommer 2014 abschließen; sie ist jedoch nach ihren Angaben wegen der häufigen Erkrankungen des Kindes nicht zur Prüfung angetreten und beabsichtigt nunmehr, ihr Studium im Sommer 2015 zu beenden. Sie will sich nach bestandenem Examen auf eine Referendarsstelle bewerben.

Das Kind T. wird seit 01.09.2012 in einer von 6:30 Uhr bis 18:00 Uhr geöffneten Kindertagesstätte in K. regelmäßig montags bis freitags von 9:00 Uhr bis 15:00 Uhr betreut. Die Kindertagesstätte ist für behinderte Kinder besonders eingerichtet und verfügt über ausgebildete Betreuungskräfte und Therapeuten. Während der Ferien und an den Wochenenden versorgt ausschließlich die Mutter das Kind. T. benötigt nach dem Aufstehen ca. eine Stunde, um sein Frühstück zu sich zu nehmen, wobei er gefüttert werden muss. Nach den unangegriffenen Feststellungen des Amtsgerichts verlässt die Antragstellerin morgens um 08:30 Uhr das Haus und gibt T. um 09:00 Uhr bei der Kindertagesstätte ab. Ab 09:30 Uhr ist die Antragstellerin wieder zu Hause und geht dann dem Studium nach. Spätestens um 14:30 Uhr verlässt sie wieder das Haus, um das Kind gegen 15:00 Uhr bei der Kindertagesstätte abzuholen. Danach findet wieder die persönliche Betreuung durch die Antragstellerin statt. T. konnte zunächst zum Zeitpunkt der Aufnahme in der Kindertagesstätte infolge seiner Behinderung weder gehen noch stehen, weder sprechen noch kauen sowie nicht selbständig essen oder trinken. Der Antragsgegner hat unwidersprochen vorgetragen, dass T. inzwischen erhebliche Fortschritte gemacht habe und zwischenzeitlich auch laufen könne. Vierteljährlich nimmt das Kind in Begleitung seiner Mutter an einer ärztlich verordneten Intensiv-Therapie-Woche in B. teil. Außer den wöchentlichen zusätzlichen Therapieeinheiten muss die Mutter mit dem Kind täglich zusätzliche Übungen zuhause absolvieren.

Der Antragsgegner bezahlte bis einschließlich Oktober 2012 an die Antragstellerin Unterhalt in Höhe von monatlich 604,00 EUR.

Die Antragstellerin begehrt Betreuungsunterhalt ab November 2012 in Höhe von monatlich 770,00 EUR und ab Januar 2013 in Höhe von monatlich 800,00 EUR. Sie hat in erster Instanz vorgetragen, auch während des Aufenthalts des Kindes in der Kindertagesstätte sei die ständige Bereitschaft der Mutter erforderlich; dies sei mit einer geregelten Arbeitszeit nicht zu vereinbaren. Oftmals müsse T. schon am frühen Nachmittag abgeholt werden, wenn er im Anschluss noch Therapien habe. Andernfalls sei er zu sehr erschöpft. Das Kind sei auch außergewöhnlich häufig erkrankt. Allein in den Monaten Januar und Februar 2013 sei das Kind an 26 Tagen krank gewesen und habe die Einrichtung nicht besuchen können. Die alltägliche Betreuung T. sei außerordentlich anstrengend. Die Antragstellerin habe durch das Heben und Tragen des Kindes Rückenprobleme, die einer ständigen orthopädischen und krankengymnastischen Behandlung bedürften. Der Antragsgegner sei ihr unabhängig von ihrem wieder aufgenommenen Studium zum Unterhalt verpflichtet. Wegen der von ihr geleisteten Betreuung des Kindes, welches wegen seiner gesundheitlichen Besonderheiten besonderer Zuwendung bedürfe, sei auch nach der Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes eine Erwerbstätigkeit weder möglich noch zumutbar.

Die Antragstellerin hat beantragt,

den Antragsgegner zu verpflichten,

1. an sie rückständigen Unterhalt in Höhe von 2.340,00 EUR zu zahlen;2. an sie ab 01.02.2013 einen monatlichen, jeweils zum Ersten des jeweiligen Monats im Voraus fälligen Unterhalt in Höhe von 800,00 EUR zu zahlen.

Der Antragsgegner hat beantragt,

die Anträge abzuweisen.

Er hat vorgetragen, er schulde ab November 2012 keinen Betreuungsunterhalt mehr. T. könne über den ganzen angebotenen Betreuungszeitraum in der Kindertagesstätte bleiben. Der Gesundheitszustand von T. habe sich inzwischen stabilisiert. Der Antragsgegner hat die langen Krankheitszeiten des Kindes bezweifelt. Die Antragstellerin habe ihr Studium nicht wegen der Geburt des Kindes unterbrechen müssen. Sie habe keine Lust mehr gehabt zu studieren und unbedingt schwanger werden wollen. Die Betreuung und Erziehung des Kindes werde während der Woche vollumfänglich an die Pflegeeinrichtung abgegeben. Die Erkrankungen des Kindes seien in der Vergangenheit nicht so schwerwiegend gewesen, dass T. nicht in der Einrichtung habe betreut werden können. Die Einrichtung sei von Montag bis Freitag bis 18:00 Uhr geöffnet. Eine Pflege und Erziehung des Kindes durch die Mutter sei daher in dieser Zeit während der Woche nicht erforderlich und werde auch nicht erbracht. Die Antragstellerin könne täglich acht Stunden erwerbstätig sein und ein Nettoeinkommen von ca. 1.041,00 EUR erzielen.

Mit Beschluss vom 06.09.2013 hat das Amtsgericht den Antragsgegner verpflichtet, an die Antragstellerin ab 01.02.2013 einen monatlichen, jeweils zum Ersten des Monats im Voraus fälligen Unterhalt in Höhe von 800,00 EUR zu zahlen. Es hat den Antragsgegner weiter verpflichtet, an die Antragstellerin rückständigen Unterhalt für den Zeitraum vom 01.11.2012 bis 31.01.2013 in Höhe von 2.340,00 EUR zu zahlen. Hierbei entfallen auf November und Dezember 2012 jeweils 770,00 EUR und auf Januar 2013 800,00 EUR. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, der Mutter stehe es innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren ab dem Zeitpunkt der Geburt frei, zu bestimmen, inwieweit sie die Betreuung persönlich vornehme. Der Anspruch scheitere auch nicht daran, dass die Antragstellerin zum Teil nicht wegen der Kinderbetreuung, sondern wegen des Studiums keiner Erwerbstätigkeit nachgehe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des Beschlusses Bezug genommen.

Gegen den am 11.09.2013 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 30.09.2012 beim Amtsgericht Beschwerde eingelegt. Er erstrebt die Aufhebung des Beschlusses und die Abweisung des Antrags der Antragstellerin, hilfsweise eine Befristung oder Reduzierung des Unterhalts. Der Antragsgegner hält einen Unterhaltsanspruch nach § 1615l Abs. 2 BGB für nicht gegeben. Nicht die Betreuung des Kindes, sondern das Studium der Antragstellerin sei Ursache für deren Nichterwerbstätigkeit. Im Rahmen des § 1615l Abs. 2 BGB sei jedoch Ausbildungsunterhalt durch ihn nicht geschuldet. Dieser Ausbildungsunterhalt sei Sache der Eltern der Antragstellerin. Es sei zwar richtig, dass die Antragstellerin für die ersten drei Lebensjahre des Kindes nicht auf eine Fremdbetreuung verwiesen werden könne. Hierbei habe das Amtsgericht jedoch nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Antragstellerin bereits seit September 2012 tatsächlich eine Fremdbetreuung in Anspruch nehme. Außerdem sei nicht ausreichend berücksichtigt worden, dass die Antragstellerin während der Dauer der Fremdbetreuung erfolgreich ihr Studium fortgesetzt habe und dass der kurzfristige Abschluss des Studiums bevorstehe. Fälschlich sei das Amtsgericht davon ausgegangen, es sei keine Kausalität zwischen Kinderbetreuung und nicht erfolgter Erwerbstätigkeit erforderlich. Zwar sei nur ein eingeschränktes Kausalitätserfordernis gegeben. Vorliegend sei jedoch keinerlei Verbindung zwischen der fehlenden Erwerbstätigkeit und der Kinderbetreuung vorhanden, da die Antragstellerin ihr Studium weiter betreibe. Der Antragsgegner ist der Ansicht, zumindest eine Befristung des Unterhaltsanspruchs bis zum 31.10.2013 (Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes) hätte erfolgen müssen. Ein Härtefall, bei dem ein Unterhaltsanspruch auch nach Ablauf von drei Jahren zuzubilligen sei, liege nicht vor. Trotz der Behinderung von T. sei eine optimale und individuelle Förderung des Kindes gewährleistet. Es habe keine gemeinsame Lebensplanung der Beteiligten für eine Elternschaft vorgelegen, so dass auch kein Vertrauenstatbestand geschaffen worden sei. Es sei der ausdrückliche, aber auch alleinige Wunsch der Antragstellerin gewesen, ein Kind zu bekommen. Außerdem erhebt der Antragsgegner ab November 2013 fürsorglich den Einwand der beschränkten Leistungsfähigkeit. Infolge des Umzugs nach München habe er nun Mietaufwendungen von monatlich insgesamt 850,00 EUR bei einem monatlichen Nettoeinkommen von 2.191,44 EUR. Der Selbstbehalt sei daher um 450,00 EUR zu erhöhen, so dass nach Abzug des Kindesunterhalts und der berufsbedingten Aufwendungen lediglich eine Leistungsfähigkeit in Höhe von 274,86 EUR monatlich gegeben sei

Der Antragsgegner beantragt,

den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Karlsruhe vom 06.09.2013, 6 F 47/13, aufzuheben und den Antrag zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragstellerin verteidigt die amtsgerichtliche Entscheidung und wiederholt und vertieft ihren bisherigen Vortrag. Ergänzend verweist sie darauf, dass sie T. in der Zeit von Januar 2013 bis Januar 2014 an 88 Tagen, davon an 60 Werktagen, krankheitsbedingt zu betreuen gehabt habe. Dieser durch die Kindertagesstätte nicht abgedeckte erhöhte Betreuungsaufwand erfordere die ständige Bereitschaft der Mutter, immer wieder völlig unplanbar für das Kind da zu sein. Eine auch nur annähernd regelmäßige Erwerbstätigkeit sei ihr daher nicht möglich. Der Antragsgegner sei schon aus Billigkeitsgründen verpflichtet, den notwendigen Betreuungsunterhalt sicherzustellen. Beide seien sie für die Betreuung des Kindes verantwortlich. Die Schwangerschaft und insbesondere die Komplikationen durch die Krankheit des Kindes seien für die Eltern nicht vorhersehbar gewesen. Dennoch habe der Antragsgegner nach der Geburt sein Studium fortführen und abschließen können. Die Antragstellerin habe ihn nicht auf eine Erwerbstätigkeit verwiesen und hinnehmen müssen, dass der Antragsgegner weder Geburtskosten noch Geburtsunterhalt bezahlt habe. Sie hingegen habe ihr Studium unterbrechen müssen, welches sonst schon lange abgeschlossen wäre. Trotz der Kinderbetreuung habe sie unter hohem Einsatz ihr Studium zielstrebig weiterverfolgt. Sie erwarte, dass sich der angestrebte Lehrerberuf auch mit der aufwändigen Kinderbetreuung vereinbaren lasse. Es sei unbillig, wenn sie im Gegensatz zum Antragsgegner ihr Studium nicht beenden könne. Sie bestreitet, dass es ihr ausdrücklicher und alleiniger Wunsch gewesen sei, ein Kind zu bekommen. Die Antragstellerin bewertet die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Antragsgegners und die Neuaufnahme eines lediglich bis zum 06.10.2014 befristeten Arbeitsverhältnisses in M. als mutwillig. Die ortsübliche Miete in M. sei geringer als die Miete für die angemietete Wohnung. Außerdem sei der Mietvertrag erst zum 01.12.2013 abgeschlossen worden. In den Monaten Oktober und November 2013 sei der Antragsgegner daher uneingeschränkt leistungsfähig.

Wegen der näheren Einzelheiten des beiderseitigen Beschwerdevorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Antragsgegners ist nach § 58 FamFG statthaft und auch im Übrigen gemäß §§ 59 ff., 117 FamFG, § 520 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO zulässig. In der Sache ist die Beschwerde nur teilweise begründet. Die Beschwerde hat insoweit Erfolg, als sich der Antragsgegner gegen die Verpflichtung zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von 800,00 EUR ab November 2013 wendet.

Der Antragsgegner schuldet der Antragstellerin Unterhalt gemäß § 1615l Abs. 2 Satz 2 und 3 BGB ab November 2012 bis einschließlich Oktober 2013 in der vom Amtsgericht zugesprochenen Höhe (1). Ab November 2013 besteht jedoch keine Unterhaltspflicht mehr (2).

1. Unterhalt für den Zeitraum 01.11.2012 bis 31.10.2013:

a) Gemäß § 1615l Abs. 2 Satz 2 und 3 BGB kann die nicht mit dem Vater verheiratete Mutter vom Vater des Kindes Unterhalt auch über acht Wochen nach der Geburt des Kindes (§ 1615l Abs. 1 Satz 1 BGB) hinaus für die Dauer von mindestens drei Jahren nach der Geburt verlangen, soweit sie keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, weil wegen der Pflege oder Erziehung des Kindes eine Erwerbstätigkeit von ihr nicht erwartet werden kann. Hierbei ist es nicht erforderlich, dass die Kinderbetreuung der alleinige Grund für die Nichterwerbstätigkeit ist. Bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres trifft die betreuende Mutter einschränkungslos keine Erwerbsobliegenheit. Die Mutter kann grundsätzlich nicht auf eine Fremdbetreuung verwiesen werden (jurisPK-BGB/ Viefhues, 6. Auflage 2012, § 1615l BGB, Rn. 22 ff., 27). Die Kinderbetreuung braucht nicht die alleinige Ursache für die Nichterwerbstätigkeit zu sein. Die Mutter verliert ihren Unterhaltsanspruch während der ersten drei Lebensjahre des Kindes auch dann nicht, wenn sie neben der Kinderbetreuung ihr Studium fortsetzt (Palandt/Brudermüller, BGB, 73. Auflage 2014, § 1615l Rn. 11; Wendl/Bömelburg, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 8. Auflage 2011, § 7 Rn. 22, 23; Eschenbruch/Menne, Der Unterhaltsprozess, 6. Auflage 2013, Kapitel 2 Rn. 1482, 1484).

Daher steht der Antragstellerin der Anspruch auf Kindesbetreuungsunterhalt bis einschließlich Oktober 2013 zu. In dieser Zeit ist die Antragstellerin keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen. Dem Unterhaltsanspruch steht nicht entgegen, dass T. in diesem Zeitraum tatsächlich in der Kindertagesstätte teilweise fremd betreut worden ist. Zum einen hat die Antragstellerin nachvollziehbar vorgetragen, dass eine umfangreichere Betreuung in der Kindertagesstätte für T. zu anstrengend ist. Außerdem hat sie sich dazu entschieden, das Kind oftmals vorzeitig aus der Kindertagesstätte abzuholen, um es zu von ihr für erforderlich gehaltenen Therapien zu fahren. Auch fallen die häufigen Erkrankungen, bei denen die Antragstellerin das Kind abgeholt und selbst betreut hat, ins Gewicht. Darüber hinaus ist nicht zu verkennen, dass das schwerbehinderte Kind, welches der Pflegestufe II zugeordnet ist, zunächst weder gehen noch stehen, noch selbstständig essen oder kauen konnte, eine solch intensive Betreuung erforderte, die von Eltern nur schwer, zumal alleinerziehend, 24 Stunden am Tag erbracht werden kann. Der Antragsgegner kann sich daher nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Antragstellerin das Kind zeitweise nicht selbst betreut hat, zumal der Aufenthalt und die Förderung in der Kindertagesstätte unstreitig auch zur Entwicklung des Kindes beigetragen hat. Auch insoweit ist die Mutter während der ersten drei Lebensjahre des Kindes frei in der Ausgestaltung der Betreuung und der Alltagsplanung.

Der Antragstellerin steht daher bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes im Oktober 2013 grundsätzlich ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt gemäß § 1615l Abs. 2 Satz 2 und 3 BGB zu.

b) Die Höhe des Unterhaltsanspruchs bestimmt sich nach der Lebensstellung der Kindesmutter (§ 1615l Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 1610 Abs. 1 BGB). Da die Antragstellerin vor der Geburt von T. nicht berufstätig war, bestimmt sich ihr Bedarf jedenfalls nach einem Mindestbedarf in Höhe des Existenzminimums, der unterhaltsrechtlich mit dem notwendigen Selbstbehalt eines Nichterwerbstätigen pauschaliert werden darf (BGH FamRZ 2010, 357). Dieser beträgt nach den Süddeutschen Leitlinien ab 01.01.2013 monatlich 800,00 EUR, bis 31.12.2012 betrug er monatlich 770,00 EUR. Auch wenn die Einkünfte des betreuenden Elternteils vor der Geburt des Kindes unterhalb des Existenzminimums lagen, gilt nichts anderes, da der betreuende Elternteil gegebenenfalls Anspruch auf ergänzende Sozialhilfe gehabt hätte. Sowohl beim Betreuungsunterhalt nach § 1615l Abs. 2 BGB als auch beim Ehegattenunterhalt ist von einem Unterhaltsbedarf auszugehen, der das Existenzminimum nicht unterschreiten darf.

Das Amtsgericht hat daher zutreffend rückständigen Unterhalt für die Monate November und Dezember 2012 mit jeweils 770,00 EUR und für den Monat Januar 2013 mit 800,00 EUR, somit insgesamt 2.340,00 EUR zugesprochen. Ebenso richtig hat das Amtsgericht der Antragstellerin bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes laufenden Unterhalt vom 01.02.2013 bis einschließlich 31.10.2013 in Höhe von monatlich 800,00 EUR zugesprochen.

2. Unterhalt ab dem 01.11.2013 nach Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes im Oktober 2013:

Der Antragsgegner schuldet der Antragstellerin gemäß § 1615l Abs. 2 BGB nach Beginn des vierten Lebensjahres von T. keinen Betreuungsunterhalt mehr, da sie nicht wegen der Pflege und Erziehung des Kindes, sondern durch das wiederaufgenommene Lehramtsstudium an einer ihren Bedarf deckenden Erwerbstätigkeit gehindert war und ist. Mit einer ihr zumutbaren Teilzeiterwerbstätigkeit wäre die Antragstellerin in der Lage, die zur Deckung ihres Existenzminimums erforderlichen monatlich 800,00 EUR zu verdienen. Die insoweit beweisbelastete Antragstellerin hat nicht nachgewiesen, dass es aus kindbezogenen oder aus elternbezogenen Umständen gerechtfertigt ist, den Unterhaltsanspruch zu verlängern.

a) Die Zeit der Verpflichtung, Unterhalt zu leisten, verlängert sich gemäß § 1615l Abs. 2 Satz 4 und 5 BGB über das dritte Lebensjahr des Kindes hinaus, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht; hierbei sind insbesondere die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen. Im Unterschied zum früheren Recht reicht dabei eine einfache Unbilligkeit für die Verlängerung des Unterhaltsanspruchs über drei Jahre hinaus aus. Bei der Verlängerung des Unterhaltsanspruchs über das dritte Lebensjahr des Kindes hinausgehend handelt es sich jedoch um eine Ausnahmeregelung im Sinne einer positiven Härteklausel. Für die Voraussetzungen einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die Dauer von drei Jahren hinaus trägt der Unterhaltsberechtigte die Darlegungs- und Beweislast. Er hat also zunächst darzulegen und zu beweisen, dass keine kindgerechte Einrichtung für die Betreuung des gemeinsamen Kindes zur Verfügung steht oder dass aus besonderen Gründen eine persönliche Betreuung erforderlich ist. Auch Umstände, die aus elternbezogenen Gründen zu einer eingeschränkten Erwerbspflicht und damit zur Verlängerung des Betreuungsunterhalts führen können, hat der Unterhaltsberechtigte darzulegen und zu beweisen (BGH, FamRZ 2010, 444 Rn. 27).

b) Solche kind- oder elternbezogenen Gründe für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die Vollendung des dritten Lebensjahres von T. hinaus sind hier nicht festzustellen. Die Betreuung und Pflege von T. steht einer Erwerbstätigkeit der Antragstellerin, die ihren Bedarf von 800,00 EUR monatlich abdecken würde, nicht entgegen. Dass die Antragstellerin wegen der Geburt und der nachfolgenden Betreuung des Kindes ihr Studium unterbrochen hat, während der Antragsgegner in diesem Zeitraum sein Studium abschließen konnte, stellt keinen Umstand dar, der aus Billigkeitsgründen eine Verlängerung des Betreuungsunterhaltes rechtfertigen würde.

aa) Die Behinderung des Kindes T. als kindbezogener Grund erfordert zwar eine von der Antragstellerin belegte erheblich intensivere persönliche Betreuungsleistung als Mutter, als dies bei einem gleichaltrigen gesunden Kind der Fall wäre. Gleichwohl trifft die Antragstellerin für die Zeit ab November 2013 eine Erwerbsobliegenheit, die über eine halbschichtige Erwerbstätigkeit hinausgeht und die ihr Einkünfte in Höhe von monatlich 800,00 EUR ermöglichen würde. Gegenteiliges hat die insoweit beweisbelastete Antragstellerin nicht bewiesen.

T. wird inzwischen seit September 2012 in der Einrichtung Villa im Z. in K. im Rahmen einer Einzelintegrationsmaßnahme an fünf Tagen in der Woche betreut. Nach dem Vortrag der Antragstellerin besucht T. die Einrichtung regelmäßig täglich von 9:00 Uhr bis 15:00 Uhr. Es kann dahinstehen, ob auch eine Betreuung des Kindes innerhalb der längeren Öffnungszeiten durchführbar ist, da bereits die bisherige Handhabung der Antragstellerin eine tägliche Arbeitszeit von bis zu fünf Stunden ermöglicht. Unstreitig ist die Kindertagesstätte auf die Betreuung behinderter Kinder spezialisiert und deckt auch therapeutische Maßnahmen ab. Soweit die Antragstellerin darauf verweist, infolge der häufigen Erkrankungen des Kindes an der Ausübung einer Tätigkeit gehindert zu sein, ist festzustellen, dass zum Beispiel die häufig auftretende Bindehautentzündung oder Erkältungen nicht unbedingt eine persönliche Betreuung durch die Mutter erforderlich machen und gegebenenfalls eine Abholung und Betreuung des Kindes durch weitere Personen denkbar sind. Dass solche Personen, zum Beispiel die Großeltern, nicht zur Verfügung stehen, hat die Mutter nicht vorgetragen. Im Übrigen war T. im aufgeführten Zeitraum Januar 2013 bis Januar 2014 zum Beispiel in den Monaten April, Juni, Juli und August 2013 jeweils nur an einem Tag erkrankt. Auch bei nicht behinderten Kindern treten im Vorschulalter gehäuft in den Herbst- und Wintermonaten Erkrankungen der aufgeführten Art auf, die der betreuende Elternteil, gegebenenfalls mit familiärer Unterstützung, aufzufangen hat. Der Aufnahme einer Arbeitstätigkeit stehen auch die Therapiemaßnahmen, die die Mutter für T. wahrnimmt, nicht entgegen, da bereits bisher die Krankengymnastik frühestens um 16:00 Uhr begonnen hat; bei den weiteren Therapieterminen ist nicht ersichtlich, dass diese nicht ebenfalls ab 16:00 Uhr wahrgenommen werden könnten. Insofern kommt es nicht darauf an, ob bereits vergleichbare Therapieangebote in der Kindertagesstätte bestehen, die im Hinblick auf die Erwerbsobliegenheit der Antragstellerin wahrgenommen werden müssten.

Es können daher keine kindbezogenen Gründe in einem Ausmaß festgestellt werden, bei dem die Antragstellerin außer Stande wäre, ihren Lebensbedarf durch eigene Erwerbsanstrengungen im Umfange einer Teilzeittätigkeit von 25 Wochenstunden zu bestreiten. Dabei geht der Senat davon aus, dass die Antragstellerin infolge ihrer Vorbildung und des bisher absolvierten Studiums eine Arbeitsstelle z.B. im Lektorat bei einem Verlag, als Mitarbeiterin in der Verwaltung einer Hochschule, bei einer Privatschule oder bei einer gemeinnützigen Organisation zumindest mit einem Stundenlohn von 10,00 EUR brutto finden kann. Bei 110 Stunden monatlich ergäbe dies ein Bruttoentgelt von 1.100,00 EUR. Bei Lohnsteuerklasse 1 und einem halben Kinderfreibetrag fallen 19,66 EUR Steuern, 103,95 EUR Rentenversicherung, 16,50 EUR Arbeitslosenversicherung, 11,28 EUR Pflegeversicherung und 90,20 EUR Krankenversicherung an, sodass sich ein Nettoeinkommen von 858,41 EUR errechnet (www.nettolohn.de/brutto-netto-ergebnis). Unter Berücksichtigung berufsbedingter Aufwendungen verbleibt ein das Existenzminimum geringfügig übersteigendes erzielbares Einkommen.

bb) Als ein elternbezogener Grund ist die starke Belastung der Antragstellerin durch die besondere Betreuungsbedürftigkeit des Kindes anzuerkennen. Dies führt dazu, dass der Antragstellerin eine Vollzeittätigkeit nicht zugemutet werden kann. Bei T. liegt auch außerhalb der Betreuungsmöglichkeiten in der Kindertagesstätte ein überdurchschnittlich hoher Betreuungsaufwand vor. T. ist nicht nur zu 100 % schwerbehindert, er ist auch in Pflegestufe II eingestuft. Diese Einstufung setzt einen erheblichen pflegerischen Bedarf voraus, der nicht nur zeigt, dass kindbezogene Gründe für die Verlängerung des Unterhaltsanspruchs sprechen können, sondern gleichzeitig die Belastung der Mutter indiziert. Dies steht jedoch einer Erwerbstätigkeit der Antragstellerin in der Zeit der Fremdbetreuung des Kindes nicht entgegen.

Dass die Antragstellerin wegen der Geburt und der nachfolgenden Betreuung des Kindes ihr Studium unterbrochen hat, während der Antragsgegner in diesem Zeitraum sein Studium abschließen konnte, stellt keinen Umstand dar, der aus Billigkeitsgründen eine Verlängerung des Betreuungsunterhaltes nach § 1615l Abs. 2 Satz 4 und 5 BGB rechtfertigen würde. Solche elternbezogenen Gesichtspunkte können eine Verlängerung des Unterhaltsanspruchs nur begründen, wenn aus einer gemeinsamen Lebensplanung der Beteiligten ein entsprechender Vertrauenstatbestand abgeleitet werden kann (vgl. BGH FamRZ 2010, 444 Rn. 26). Dies ist hier nicht der Fall. Offensichtlich haben die Beteiligten vor der Geburt des Kindes nicht zusammengelebt, so dass ein Vertrauen der Antragstellerin auf die weitere Absicherung durch den Antragsgegner aus einer gemeinsamen Lebensplanung im Hinblick auf das beiderseitige Studium nicht gerechtfertigt ist. Allein die Tatsache, dass beide Beteiligten vor der Geburt des Kindes in vergleichbarer Ausbildungssituation gewesen sind und dass der Antragsgegner in der Zwischenzeit sein Studium beenden konnte, rechtfertigt es nicht, den Antragsgegner zu verpflichten, bis zur Beendigung der Ausbildung der Antragstellerin Unterhalt zu bezahlen (vgl. Krenzler/Borth/Caspary, Anwaltshandbuch Familienrecht, 2. Auflage 2012, Kapitel 6, Rn.1443). Die Verlängerung des Unterhaltsanspruchs der nichtehelichen Mutter über das dritte Lebensjahr des Kindes hinaus gemäß § 1615l BGB ist als Ausnahmeregelung konzipiert; für nicht miteinander verheiratete Eltern fehlt eine § 1575 BGB entsprechende Regelung. In § 1575 BGB ist insbesondere das Vertrauen des unterhaltsbegehrenden Ehegatten auf Ausgleich ehebedingter Ausbildungsnachteile geschützt. Eine vergleichbar schützenswerte Vertrauenssituation der Beteiligten liegt hier nicht vor, so dass sich auch in einer Gesamtschau unter Billigkeitsgesichtspunkten die Heranziehung des Rechtsgedankens des § 1575 BGB verbietet. Die Antragstellerin ist darauf zu verweisen, gegebenenfalls ihren Unterhaltsanspruch gegenüber ihren Eltern geltend zu machen oder sich um BAföG-Leistungen zu bemühen. Sie verliert ihren Ausbildungsunterhaltsanspruch gegenüber ihren Eltern nicht deshalb, weil sich infolge einer Schwangerschaft und der anschließenden Kinderbetreuung die Ausbildung verzögert hat (BGH FamRZ 2011, 1560).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 243 FamFG.

Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren bestimmt sich nach §§ 40, 51 Abs. 1, Abs. 2 FamGKG (laufender Unterhalt (12 x 800,00 EUR=) 9.600,00 EUR und Rückstände 2.340,00 EUR = 11.940,00 EUR).

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, soweit der Unterhaltsanspruch für die Zeit ab November 2013 abgelehnt worden ist. Das Oberlandesgericht Nürnberg (FamRZ 2010, 577) hat in einer vergleichbaren Konstellation den Unterhaltsanspruch einer Studentin gemäß § 1615l BGB nach Vollendung des dritten Lebensjahres des betreuten Kindes bejaht. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erforderlich, § 70 Abs. 2 Nr. 2 FamFG.