VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.05.2014 - 1 S 815/13
Fundstelle
openJur 2014, 10756
  • Rkr:

1. Der Begriff der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten in § 22 Abs. 2 und 3 PolG umfasst nur die Verhütung von Straftaten (Verhinderungsvorsorge), nicht jedoch die Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten (Strafverfolgungsvorsorge). Der Einsatz besonderer Mittel der Datenerhebung auf der Grundlage dieser Ermächtigungsnorm muss primär auf die Verhütung von Straftaten ausgerichtet sein.

2. Es erscheint zweifelhaft, ob § 22 Abs. 2 und 3 PolG i.V.m. § 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG, soweit sie zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten (mit erheblicher Bedeutung) die Datenerhebung durch den Einsatz besonderer Mittel ermöglichen über Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Straftaten begehen, den Anforderungen an die Bestimmtheit polizeilicher Ermächtigungsgrundlagen im Vorfeld einer Gefahr und des Anfangsverdachts einer Straftat genügen.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 27. November 2012 - 3 K 1607/11 - geändert, soweit die Klage abgewiesen wurde. Es wird festgestellt, dass auch der vom Regierungspräsidium Freiburg - Landespolizeidirektion - gegenüber dem Kläger ab dem 19.04.2010 vorgenommene verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Lichtbildern und Bildaufnahmen, der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur selbsttätigen Bildaufzeichnung und der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes auf Tonträger rechtswidrig waren.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit des verdeckten Einsatzes technischer Mittel nach § 22 PolG.

Der am xx.xx.1958 geborene Kläger, ein ehemaliger Polizeibeamter im Dienste des Beklagten, wurde mit Urteil des Landgerichts xxx vom 05.11.1990 - xxx - wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in sieben Fällen, davon in sechs Fällen in Tateinheit mit homosexuellen Handlungen, sowie homosexueller Handlungen in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nach den strafgerichtlichen Feststellungen lernte der Kläger seine Opfer überwiegend über seine ehrenamtliche Tätigkeit für die xxx kennen, für die er u.a. als Betreuer Freizeiten für Kinder und Jugendliche durchführte. Kinder und Jugendliche, die ihn sexuell interessierten, veranlasste er, ihn in seiner Wohnung zu besuchen. Dort zeigte er ihnen zunächst regelmäßig harmlose Videofilme, und ging bei Folgebesuchen dazu über, Pornofilme zu zeigen, um eine sexuelle Stimulanz herbeizuführen. An einem Jugendlichen vollzog der Kläger den Analverkehr, die übrigen Kinder bzw. Jugendlichen veranlasste er zu wechselseitigem Onanieren und/oder Oralverkehr. Von einigen der Opfer fertigte der Kläger Nacktaufnahmen. Die Strafkammer ging aufgrund der eingeholten Sachverständigengutachten von einer verminderten Schuldfähigkeit des Klägers aus und berücksichtigte bei der Strafzumessung sein umfassendes Geständnis. Zu seinen Gunsten wurde auch die freiwillig aufgenommene psychotherapeutische Behandlung sowie der Umstand berücksichtigt, dass die Kinder die sexuellen Handlungen freiwillig mitgemacht und keine psychischen Folgeschäden erlitten hätten. Die Vollstreckung der Reststrafe wurde nach Verbüßung der Halbstrafe zum 16.03.1992 zur Bewährung ausgesetzt. Der Arzt und Psychotherapeut W. R. bestätigte mit Schreiben vom 01.02.1993 den erfolgreichen Abschluss der Psychotherapie. Mit Beschluss vom 03.05.1994 verkürzte die Strafvollstreckungskammer die ursprünglich auf drei Jahre festgesetzte Bewährungszeit um zehn Monate. Die Reststrafe wurde mit Wirkung vom 26.05.1994 erlassen.

Seit 1996 ermittelte die Staatsanwaltschaft xxx wiederholt gegen den Kläger wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Kindern. Die Ermittlungsverfahren wurden jeweils gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, in einem Fall wurde bereits das strafrechtliche Ermittlungsverfahren mangels eines Anfangsverdachts im Sinn des § 152 Abs. 2 StPO nicht eingeleitet.

Im März 2007 gab ein damals 22jähriger Beschuldigter einer Raubstraftat im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung an, er sei im Alter von 13 oder 14 Jahren von dem Kläger viermal zum Oral- und Analverkehr gezwungen worden. In dieser Sache verurteilte das Landgericht xxx den Kläger mit Urteil vom 10.03.2010 - xxx - wegen sexuellen Missbrauchs in vier Fällen eines zur Tatzeit 1995/1996 11jährigen Jungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. Die Verurteilung erfolgte nach einer Verständigung gemäß § 257 c StPO.

Der Kläger ist 1. Vorsitzender des Wassersportvereins IG xxx, der mit dem Yachtclub xxx eine gemeinsame Bootsanlegestelle in xxx xx xxx unterhält. Von dieser Anlegestelle aus unternimmt der Kläger mit seinem Kajütboot Ausfahrten auf dem Rhein. Immer wieder nimmt er dabei auch männliche Kinder und Jugendliche mit, mit denen zusammen er auch auf dem Boot übernachtet. Vor dem Hintergrund der strafrechtlichen Vorgeschichte des Klägers war dieses Verhalten Gegenstand einer gemeinsamen Vorstandssitzung beider Vereine am 15.11.2005. Der Kläger erklärte damals, sein Fehlverhalten liege mittlerweile 16 Jahre zurück und sei bei der Aufnahme in den Verein bekannt gewesen. Schon aus Eigeninteresse nehme er nur Kinder und Jugendliche auf das Boot mit, mit deren Eltern er gut bekannt sei.

Ein Beamter der Kantonspolizei xxx, der Mitglied des YC xxx ist, teilte am 11.03.2010 einem Kollegen von der Kriminalpolizei xxx mit, dass im YC xxx in den letzten Jahren immer wieder beobachtet worden sei, wie der Kläger mit männlichen Kindern und Jugendlichen mit seinem Boot auf dem Rhein unterwegs sei und auch übernachte. Darauf angesprochen, habe er erklärt, dass alles mit den Eltern abgesprochen und auch sonst in Ordnung sei.

Am 19.04.2010 ordnete das Regierungspräsidium Freiburg - Landespolizeidirektion -, gestützt auf § 22 PolG, für die Zeit bis zum 19.07.2010 die längerfristige Observation, den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Lichtbildern und Bildaufzeichnungen, den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur selbsttätigen Bildaufzeichnung, den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Standortbestimmung und den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes auf Tonträger gegen dem Kläger an. In der Antragsschrift des Dezernats Sonderfälle/Organisierte Kriminalität des Regierungspräsidiums vom 14.04.2010 hieß es, der homosexuell orientierte Kläger, der - wie das Verfahren vor dem Landgericht xxx im Jahr 1990 ergeben habe - zudem an einer ausgeprägten Persönlichkeitsstörung leide, habe über viele Jahre hinweg Kontakt zu männlichen Kindern und Jugendlichen gesucht, sie in seiner Wohnung, in seinem Bett und auf seinem Boot übernachten lassen. Diese Situationen habe er zur Begehung von Sexualstraftaten genutzt, und zwar auch, als im Zusammenhang mit dem Verfahren vor dem Landgericht xxx im Jahre 1990 der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt gewesen sei bzw. als Freigänger während der Verbüßung der anschließenden Strafhaft. Wie die weiteren strafrechtlichen Ermittlungsverfahren in den 90er Jahren gezeigt hätten, habe durch die Vernehmung der geschädigten Jungen kein Tatnachweis geführt werden können, weil diese wegen ihrer Scham- und Schuldgefühle keine belastenden Aussagen gemacht hätten. Im Jahre 1989 seien bei der Durchsuchung der Wohnung des Klägers viele Lichtbilder von den nackt fotografierten Jungen gefunden worden. Daraufhin seien die Geschädigten eher bereit gewesen, belastende Angaben zu den sexuellen Handlungen zu machen. Dass der Kläger nun wiederum 10- bis 16jährige Jungen in der Regel mit Einverständnis der Eltern in seiner Wohnung und auf seinem Boot übernachten lasse, begründe zwar nicht den Anfangsverdacht einer Straftat, weshalb strafprozessuale Maßnahmen nicht in Betracht kämen. Die verdeckten Observationsmaßnahmen dienten aber dazu, festzustellen, ob der Kläger weiterhin Kinder und Jugendliche in seinen Wohnbereich aufnehme und mit ihnen dort nächtige, um so potentiell Geschädigte zu erkennen und zu identifizieren, damit bevorstehende Straftaten erkannt und ggf. ein Strafverfahren eingeleitet werden könne. Die verdeckten Observationen seien geeignet und erforderlich, weil durch Maßnahmen mit geringerer Eingriffstiefe die vollzugspolizeiliche Aufgabe der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten nicht erfüllt werden könne.

Am 12.07.2010 wurde die Anordnung der verdeckten Observationsmaßnahmen bis zum 19.10.2010 verlängert. In der Antragsschrift vom 09.07.2010 führte das Dezernat Sonderfälle/Organisierte Kriminalität u.a. aus, durch die bislang durchgeführten Maßnahmen sei festgestellt worden, dass der Kläger sowohl in seiner alten als auch in der neuen Wohnung tagsüber wiederholt Besuch von Jugendlichen gehabt habe. Der am 24.01.1994 geborene xxx-xxx sei insgesamt fünfmal zu Besuch in den Wohnungen gewesen, an sechs weiteren Tagen habe der Kläger ihn im Auto mitgenommen und an zehn Tagen sei er zusammen mit ihm meistens für mehrere Stunden auf dem Kajütboot gewesen. Nach einem gemeinsamen Tag auf dem Boot habe er in einer Art und Weise, die einen sexuellen Bezug vermuten lasse, gesagt, „geil, geiler, geiler, am geilsten“, und kurz darauf noch einmal, „es war so geil“. Zu dem am 03.08.1995 geborenen, allerdings noch sehr kindlich aussehenden xxx habe der Kläger einen noch engeren Kontakt gehabt. Er sei dreimal mit ihm für mehrere Stunden auf dem Kajütboot gewesen und sei oft zusammen mit ihm Auto gefahren. Wiederholt habe ihn der Jugendliche auch in seiner Wohnung besucht und fünfmal dort übernachtet. Zweimal hätten sie sich zusammen auf einem Gartengelände mit einer Hütte aufgehalten. Bereits zuvor sei das Kraftfahrzeug des Klägers insgesamt 24mal in der Nähe des Gartengrundstücks festgestellt worden, und zwar teilweise für mehr als zwei Stunden. Durch die polizeirechtlichen Maßnahmen hätten zwar noch keine konkreten sexuellen Handlungen zwischen dem Kläger und den bisher identifizierten Jugendlichen beweissicher festgestellt werden können. Die Verhaltensweisen des Klägers bezüglich sexuell motivierter Kontakte zu männlichen Kindern und Jugendlichen hätten sich über die Jahre hinweg jedoch nicht verändert. Der Kläger suche über die Schaffung eines Vertrauensverhältnisses u.a. mit den Eltern Kontakt zu den Jungen und verbringe mit ihnen seine Freizeit. Insbesondere die Übernachtungen des 14jährigen xxx begründeten den Verdacht eines sexuellen Verhältnisses. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft bestehe derzeit jedoch noch kein Anfangsverdacht einer Straftat.

Im Zuge der weiteren Observationen wurde im August 2010 festgestellt, dass der Kläger mit einem 12jährigen Jungen im Einverständnis mit dessen Eltern einen zweiwöchigen Urlaub auf dem Kajütboot machen wollte. Bereits die Nacht vom 19. auf den 20.08.2010 verbrachte der Kläger zusammen mit diesem Jungen und xxx in seinem Kajütboot auf dem Rhein, bevor sie am 20.08.2010 rheinabwärts nach xxx fuhren, wo das Boot für mehrere Tage anlegte. Am 24.08.2010 leitete die Staatsanwaltschaft ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Anfangsverdachts von Straftaten gemäß §§ 176, 176 a und 182 StGB ein. Der Verdacht konnte jedoch durch die - richterlich angeordnete - Durchsuchung der Person, der Wohnung, des Arbeitsplatzes und des Kajütbootes des Klägers am 26.08.2010 nicht erhärtet werden. Die verdeckten polizeilichen Maßnahmen wurden daraufhin beendet.

In dem Abschlussbericht des Regierungspräsidiums Freiburg - Landespolizeidirektion - vom 28.06.2011 hieß es, es bestehe die begründete Vermutung, dass durch die am 26.08.2010 durchgeführte Durchsuchung ein unmittelbar bevorstehender sexueller Missbrauch des damals 12jährigen xxx auf dem Kajütboot habe verhindert werden können. Es sei zu scheinbar unauffälligen körperlichen Annäherungsversuchen des Klägers mit einer von dem Jungen nicht erkannten sexuellen Motivation gekommen.

Mit Verfügung vom 15.07.2011 stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Dem Kläger könnten keine sexuellen Kontakte zu Kindern im Sinn des § 176 StGB oder ein sexueller Missbrauch von Jugendlichen nachgewiesen werden. Die als Zeugen vernommenen Kinder und Jugendlichen, die sich u.a. auf dem Boot des Klägers aufgehalten hätten und als Tatopfer in Betracht kämen, hätten in Abrede gestellt, dass sie jemals Sexualverkehr mit dem Kläger gehabt hätten oder dass er versucht habe, sexuelle Handlungen an ihnen vorzunehmen. Auch die weiteren vernommenen Zeugen, insbesondere die Eltern bzw. Angehörigen der Jungen, hätten angegeben, keine Wahrnehmungen über einen Missbrauch gemacht zu haben. Die molekulargenetische Untersuchung von Spermaspuren an dem auf dem Boot sichergestellten Bettzeug und der Abgleich mit den DNA-Mustern der als Tatopfer in Betracht kommenden Zeugen habe nicht zu Ergebnissen geführt, die geeignet seien, diese Angaben zu widerlegen. Die Durchsuchung der Wohnung und des Bootes des Klägers sowie die Auswertung der bei ihm sichergestellten Datenträger hätten ebenfalls keine Tatnachweise erbracht.

Am 19.08.2011 erhob der Kläger Feststellungsklage zum Verwaltungsgericht Freiburg, zu deren Begründung er vortrug: Auch nach Beendigung der auf § 22 PolG gestützten Maßnahmen dauere der Eingriff in sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung fort. Ungeachtet der Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens behaupte das Regierungspräsidium Freiburg weiterhin, dass gegen ihn ein Tatverdacht bestehe. Das erforderliche Feststellungsinteresse ergebe sich unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitierung aus dem tiefen Eingriff in seine Grundrechtspositionen. Die verdeckten polizeilichen Maßnahmen seien auch in der Sache rechtswidrig. Den Polizeibehörden sei seit Jahren bekannt gewesen, dass der Kläger seine Freizeit mit Kindern und Jugendlichen auf dem Kajütboot verbringe, ohne dass es zu Straftaten gegen deren sexuelle Selbstbestimmung gekommen sei. Irgendwelche Besonderheiten, die eine andere Beurteilung hätten rechtfertigen können, habe es nicht gegeben. Stattdessen seien kriminalistische Bauchgefühle für das Vorgehen des Beklagten ausschlaggebend gewesen. Die polizeiliche Aufgabenwahrnehmung wäre ohne die verdeckten Maßnahmen auch weder gefährdet noch beeinträchtigt worden. Denn der Beklagte hätte als mildere Ermittlungsmaßnahme etwa die Kinder und Jugendlichen bzw. deren Eltern zu etwaigen sexuellen Übergriffen seitens des Klägers befragen oder das Kajütboot auf molekulargenetische Spuren sexueller Handlungen hin untersuchen können. Das habe umso näher gelegen, als ohnehin höchstens ein Gefahrenverdacht bestanden habe. Zudem sei das Ziel des Beklagten nicht die präventive Datenerhebung zur Verhinderung von Straftaten gewesen. Vielmehr sei es darum gegangen, unabhängig von einem konkreten Anfangsverdacht Beweise für ein zukünftiges Strafverfahren zu beschaffen. Dies sei jedoch unzulässig, weil der Bundesgesetzgeber die Strafverfolgungsvorsorge im Rahmen seiner Zuständigkeit für das gerichtliche Verfahren mit den §§ 100 c, 100 d, 163 f und 100 h StPO abschließend geregelt habe.

Der Beklagte trat der Klage entgegen. Er führte aus, es habe sich bei den angeordneten Maßnahmen um solche der Gefahrenabwehr gehandelt, weshalb es nicht auf einen strafrechtlichen Anfangsverdacht ankomme. Durch die strafprozessuale Durchsuchung habe auch tatsächlich eine schwere Straftat i.S. des § 176 a StGB verhindert werden können. Dem Behördenleitervorbehalt aus § 22 Abs. 6 Satz 1 PolG sei Rechnung getragen und der Kläger sei entsprechend § 22 Abs. 8 PolG nachträglich über die verdeckten Maßnahmen unterrichtet worden. Die materiellen Voraussetzungen des § 22 Abs. 3 PolG hätten ebenfalls vorgelegen. Es habe konkrete, objektiv nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der Kläger ein Verbrechen gegen die sexuelle Selbstbestimmung in Form des (schweren) sexuellen Missbrauchs von Kindern, der sexuellen Nötigung oder der Vergewaltigung begehen könne. Der Kläger habe weiterhin Kontakt zu männlichen Kindern und Jugendlichen gepflegt, was für einen Mann seines Alters und mit seiner Vorgeschichte großen Bedenken begegne. Die vom Kläger an den Tag gelegten Verhaltensweisen, die in seiner Persönlichkeit gründeten und ein gewisses Schema erkennen ließen, begründeten die Vermutung, er werde auch zukünftig sexuell motivierte Straftaten zum Nachteil von Kindern und Jugendlichen begehen. Alle von ihm ausgewählten Kinder stammten aus sozial schwachen Familien. Durch das Anbieten und Gewähren von Vergünstigungen in Form von Nachhilfe, Freizeitaktivitäten, Bootsaufenthalten, Liebesbekundungen per SMS, Massagen und Geschenken habe der Kläger immer wieder ein Vertrauensverhältnis zu den Kindern geschaffen. Angesichts seiner rechtskräftigen Verurteilungen könne daraus auf den Hang zur Begehung erheblicher Straftaten geschlossen werden. Mildere Mittel hätten nicht zur Verfügung gestanden. Eine zeitliche und räumliche Rundumüberwachung habe nicht stattgefunden. Dem Kernbereich privater Lebensgestaltung des Klägers sei dadurch hinreichend Rechnung getragen worden, dass sein Wohnbereich weder durch Videoaufzeichnungen noch akustisch überwacht worden sei.

Mit Urteil vom 27.11.2012 (- 3 K 1607/11 - juris) hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die gegenüber dem Kläger ab dem 19.04.2010 vorgenommene längerfristige Observation sowie der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Standortbestimmung rechtswidrig waren, weil der Beklagte die formellen Anforderungen des in § 22 Abs. 6 Satz 1 PolG geregelten Behördenleitervorbehalts nicht beachtet habe.

Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Die weiteren besonderen Mittel der Datenerhebung, deren Einsatz angeordnet worden sei, unterlägen weder dem Behördenleitervorbehalt gemäß § 22 Abs. 6 Satz 1 PolG noch einem Richtervorbehalt. Auch in der Sache sei der Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung rechtmäßig erfolgt. Die vom Beklagten getroffenen Maßnahmen hätten der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung gedient. Es hätten tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass der Kläger künftig solche Straftaten begehen werde. Entgegen der Auffassung des Klägers seien die besonderen Mittel der Datenerhebung zur Verhütung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung und nicht zur Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten eingesetzt worden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anwendung besonderer Mittel der Datenerhebung seien in § 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG auch hinreichend bestimmt bezeichnet. Die für eine ausreichende Bestimmtheit erforderliche tatbestandseinengende Funktion werde durch die Beschränkung der Datenerhebung auf den in § 20 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 PolG genannten Personenkreis erreicht. Zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten dürften nur Daten über Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Straftaten begehen bzw. über Kontakt- und Begleitpersonen solcher Personen erhoben werden. Bloße Vermutungen oder allgemeine Erfahrungssätze reichten grundsätzlich nicht aus, um das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte zu begründen, der Betroffene werde zukünftig Straftaten begehen. Es müssten vielmehr Tatsachen festgestellt werden, die eine solche Gefahrenprognose tragen. Hier hätten während des gesamten Zeitraums des Einsatzes der besonderen Mittel der Datenerhebung tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorgelegen, der Kläger werde erneut eine Straftat des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern begehen. Ermessensfehler seien nicht ersichtlich. Insbesondere habe die Landespolizeidirektion ihre Entscheidung nicht auf einen unzutreffenden Sachverhalt gestützt. Die vom Kläger gegen die Erforderlichkeit der Maßnahmen vorgebrachten Einwände griffen ebenfalls nicht durch. Die Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung sei schließlich nicht wegen einer Verletzung des Kernbereichs der persönlichen Lebensführung des Klägers rechtswidrig gewesen.

Der Kläger trägt zur Begründung seiner vom Senat zugelassenen Berufung ergänzend und vertiefend im Wesentlichen vor: Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts seien die angeordneten Maßnahmen insgesamt materiell rechtswidrig. Die Maßnahmen seien bereits deshalb nicht von § 22 PolG gedeckt, weil sie zu repressiven Zwecken angeordnet worden seien. Sie hätten die Einleitung und erfolgreiche Durchführung eines Strafverfahrens ermöglichen sollen. Unabhängig davon hätten die Voraussetzungen einer Gefahr im präventiv-polizeilichen Sinne nicht vorgelegen. Die letzte Vortat habe zum Zeitpunkt der Anordnung der Maßnahmen über 15 Jahre zurückgelegen. Der Kläger habe im Anschluss an die erste Verurteilung eine Psychotherapie durchgeführt und erfolgreich abgeschlossen. Neben den Vorstrafen habe allein der Umstand vorgelegen, dass sich (auch) männliche Kinder und Jugendliche auf dem Boot des Klägers aufhielten. Dies reiche nicht aus, um eine auf Tatsachen gestützte Gefahr zu begründen. Die kumulative Anordnung nahezu sämtlicher nach § 22 PolG möglicher Maßnahmen sei auch unverhältnismäßig. Deutlich mildere Maßnahmen, die zumindest in gleicher Weise geeignet seien, präventive Wirkung zu entfalten, lägen auf der Hand. Besonders nahe liege die zeugenschaftliche Befragung der Jugendlichen und ihrer Eltern sowie die Anordnung eines behördlichen Umgangsverbots. Schließlich sei § 22 PolG insbesondere im Fall der vorliegenden Kumulation der Maßnahmen bis hin zur vorgenommenen „polizeilichen Totalüberwachung“ und den damit verbundenen (letztlich irreversiblen) Grundrechtseingriffen ohne Richtervorbehalt mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 27. November 2012 - 3 K 1607/11 - zu ändern, soweit das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen hat, und festzustellen, dass auch der vom Regierungspräsidium Freiburg - Landespolizeidirektion - gegenüber dem Kläger ab dem 19.04.2010 vorgenommene verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Lichtbildern und Bildaufnahmen, der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur selbsttätigen Bildaufzeichnung und der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes auf Tonträger rechtswidrig waren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor: Mit Blick auf die Eingriffsintensität der besonderen Datenerhebung nach § 22 PolG bestehe nicht das Erfordernis eines Richtervorbehalts. Der Gesetzgeber habe sich bei der Änderung des Polizeigesetzes über die Intensität des Grundrechtseingriffs Gedanken gemacht und die Eingriffstiefe typischerweise nicht dem unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung zugeordnet, sondern die Erweiterung der technischen Observationsmöglichkeiten je nach Einsatzart als gegenüber herkömmlichen Überwachungsmethoden milderes Mittel eingestuft. Dies gelte auch für die vorliegende Konstellation, in der für die konkrete Straftatenvorbeugung ein passgenauer Überwachungsrahmen an Maßnahmen geschnürt worden sei. Der Einsatz von GPS, eines Abhörgeräts im Auto, Observierung und Videoüberwachung seien spezifisch auf den Gefahrenkontext des Klägers zugeschnitten gewesen und hätten seinen persönlichen Rückzugsraum an Privatheit geachtet. Bis zur Türschwelle seien jedoch Erkenntnisse gesammelt und polizeiliche Ressourcen bereitgehalten worden, um im nach Lage der Dinge hinreichend wahrscheinlichen Ernstfall unverzüglich einschreiten zu können. Der Umstand, dass von mehreren polizeilichen Mitteln Gebrauch gemacht worden sei, führe nicht automatisch zu einer Vertiefung der grundrechtsrelevanten Eingriffsschwelle. Die Überwachungstätigkeit sei jeweils an die konkrete Erkenntnislage angepasst worden. Begonnen habe man mit der Überwachung per Videoaufzeichnung vom Boot, dem verdächtigsten Rückzugsraum des Klägers. Auf der Grundlage der weiteren Beobachtung sei die Überwachung nach und nach auf die GPS-Überwachung und die Verwanzung des Autos ausgeweitet worden, bevor letztlich der Hauseingang überwacht worden sei. Dies sei situationsangemessen aufgrund der tatsächlichen Entwicklung und der daran jeweils orientierten Gefahrenprognose sowie der aktualisierten taktischen Lage erfolgt. Die Überwachung sei im Rahmen der originär polizeilichen Aufgabe der Gefahrenabwehr erfolgt. Die Maßnahmen seien klar auf den Schutz gefährdeter Kinder ausgerichtet gewesen. Es handele sich um eine geradezu typische Konstellation der Verhinderungsvorsorge, in welcher der Grad des strafprozessualen Anfangsverdachts verneint worden sei, der Polizei jedoch genügend Prognoseeckpunkte vorgelegen hätten, um berechtigterweise von einer Gefährdung besonders schutzbedürftiger Personen ausgehen zu dürfen. Durch die Sammlung von Daten sei die Polizei ihrem Auftrag zur Gefahrenabwehr vor sexuellem Missbrauch von Kindern in konkret-effizienter Art und Weise nachgekommen. Durch die Erhebung der Kontakte zu potentiellen Opfern, deren Häufigkeit, Ausprägung und Umfeld habe die Polizei diese Erkenntnisse mit bekannten Mustern des Klägers und kriminalistischem Erfahrungswissen abgleichen können, um so den Zeitpunkt eines ernsthaft zu befürchtenden Umschlagens der Gefahr zur Tat eruieren und absichern zu können. Das planvolle Vorgehen des Klägers bei der Annäherung an knabenhafte Jungen und der gemeinsame Aufenthalt an privaten Orten (Boot, Wohnung, Auto) habe den Verhaltensmustern der Vortaten entsprochen. Bei dem Kläger handele es sich um einen einschlägigen Wiederholungstäter, dessen Sexualtrieb mit Hang zu männlichen Kindern und Jugendlichen sich trotz einer Therapie nach der ersten Verurteilung nicht verändert habe. Das planmäßige Vorgehen unter Aufbau eines freundschaftlichen Verhältnisses mit dem Potential zum Antesten sexueller Grenzen habe der kriminellen Energie der Vortaten entsprochen. Das „Wann“ eines manifesten Einsatzes obliege gewissen polizeitaktischen Erwägungen. Ein Abwarten signalisiere hier keineswegs ein Zuwarten auf strafrechtliche Erkenntnisse. Vielmehr sei es den konkreten Umständen des Einzelfalls geschuldet, wann eine Gefahr unmittelbar in die Tat umzuschlagen drohe. So könne sich etwa bei jugendlichen Begleitern über 14 Jahren ein anderer Bewertungsmaßstab ergeben als bei Kindern unter 14 Jahren, wo es von vornherein nicht auf die Freiwilligkeit der sexuellen Handlung ankomme. Die unmittelbare Gefahr sei hier anhand der Erkenntnisse über einen bevorstehenden Bootsurlaub mit einer möglichen, kindlichen Zielperson für sexuelle Übergriffe eingetreten. Die beabsichtigte gemeinsame Reise auf dem Boot samt der langen Zeitspanne des Beisammenseins auf engstem Raum hätte den Überwachungsradius überfordert und dem Kläger ein optimales Umfeld des sexuellen Zugriffs geboten. Dieses Risiko habe man nicht eingehen können. Deshalb seien die Durchsuchung angeordnet und die präventiven Maßnahmen gestoppt worden.

Dem Senat liegen die Akten des Verwaltungsgerichts, die Akten der Strafverfahren vor dem Landgericht xxx (xxx zzgl. Sonderbände und Bewährungsheft sowie xxx), die Akten der Staatsanwaltschaft xxx zum Ermittlungsverfahren xxx, drei Bände Akten mit Fotokopien aus polizeilichen Ermittlungsverfahren sowie die Akten des Regierungspräsidiums Freiburg, soweit deren Vorlage nicht gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO vom Innenministerium verweigert worden ist, vor. Hierauf sowie auf die angefallenen Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Gründe

I. Die Berufung ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufungsbegründungsschrift wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO) und entspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO).

II. Die Berufung ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht teilweise als unbegründet abgewiesen. Der vom Regierungspräsidium Freiburg - Landespolizeidirektion - angeordnete Einsatz besonderer Mittel der Datenerhebung war insgesamt materiell rechtswidrig.

1. Die Klage ist als allgemeine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig.

a) Der Kläger konnte seine Rechte nicht durch eine Gestaltungsklage in Form der Anfechtungsklage verfolgen, so dass die Feststellungsklage nicht nach § 43 Abs. 2 VwGO ausgeschlossen ist. Es fehlt an einem anfechtbaren Verwaltungsakt. Die Datenerhebung durch Anwendung der in § 22 PolG genannten besonderen Mittel erfolgt in der Form des Realakts. Die Anordnungen vom 19.04.2010 und vom 12.07.2010 haben rein innerdienstlichen Charakter und sind nicht im Sinn des § 35 VwVfG auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet, was bereits daraus zu ersehen ist, dass die Maßnahmen verdeckt und damit ohne Kenntnis des Klägers vorgenommen werden sollten und auch vorgenommen wurden (vgl. VG Freiburg, Urt. v. 06.07.2005 - 1 K 439/03 - VBlBW 2006, 152; Beschl. v. 29.12.2010 - 4 K 2629/10 - VBlBW 2011, 239; Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, Kommentar, 7. Aufl., § 22 Rn. 71).

b) Durch den verdeckten Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung nach § 22 PolG ist zwischen dem Kläger und dem Beklagten eine Rechtsbeziehung entstanden, die ein konkretes und streitiges (vergangenes) Rechtsverhältnis im Sinn des § 43 VwGO darstellt.

c) Das berechtigte Feststellungsinteresse ergibt sich aus dem tiefen Eingriff in das in Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG verankerte allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers in seiner Ausprägung als Schutz der Privatsphäre und in das ebenfalls aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie aus dem Gebot auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG). Die Grundrechte schützen den Bürger vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen jeder Art, auch vor solchen durch schlichtes Verwaltungshandeln (Verwaltungsrealakt) (BVerwG, Urt. v. 25.01.2012 - 6 C 9.11 - BVerwGE 141, 329 <332 Rn. 22>). Vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG müssen polizeiliche Maßnahmen in Fällen gewichtiger, in tatsächlicher Hinsicht jedoch überholter Grundrechtseingriffe auch im Hauptsacheverfahren einer gerichtlichen Klärung zugeführt werden können, wenn sich die direkte Belastung durch die angegriffene Maßnahme nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung nicht erlangen kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77; BVerwG, Urt. v. 16.05.2013 - 8 C 14.12 - BVerwGE 146, 303 < 311 f. Rn. 32>; Senatsurt. v. 12.07.2010 - 1 S 349/10 - VBlBW 2010, 468 <469> [juris Rn. 23]). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Zwar geht es - anders als etwa im Versammlungsrecht - nicht um Maßnahmen, die sich typischerweise kurzfristig erledigen, doch steht vorliegend der verdeckte Charakter der Maßnahmen der Inanspruchnahme von Rechtsschutz vor Beendigung des Einsatzes entgegen. Denn nach § 22 Abs. 8 Satz 1 PolG wird der Betroffene von den verdeckt durchgeführten Maßnahmen erst nach deren Abschluss unterrichtet.

2. Die Klage ist auch begründet. Bereits gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Maßnahmen, die Gegenstand des Berufungsverfahrens sind, bestehen gewisse Bedenken, wobei offen bleiben kann, ob diese letztlich durchgreifen (a). Die Maßnahmen erweisen sich jedenfalls als materiell rechtswidrig, weil sie - was nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 22 PolG gedeckt ist - zum Zweck der Strafverfolgungsvorsorge eingesetzt wurden (b). Darüber hinaus erscheint zweifelhaft, ob § 22 Abs. 2 und 3 PolG i.V.m. § 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG, soweit sie zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten (mit erheblicher Bedeutung) die Datenerhebung durch den Einsatz besonderer Mittel ermöglichen über Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Straftaten begehen, den Anforderungen an die Bestimmtheit polizeilicher Ermächtigungsgrundlagen im Vorfeld einer Gefahr und des Anfangsverdachts einer Straftat genügen (c).

Bei der Prüfung ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des streitgegenständlichen Verwaltungshandelns, dessen Rechtswidrigkeit festgestellt werden soll, abzustellen. Maßstab ist daher § 22 PolG in der vom 22.11.2008 bis zum 28.11.2012 gültig gewesenen Fassung des Gesetzes vom 18.11.2008 (GBl. S. 390). Die nachfolgenden Änderungen der Vorschrift durch die Gesetze vom 20.11.2012 (GBl. S. 625) und vom 23.07.2013 (GBl. S. 233) bleiben außer Betracht.

a) aa) Die im Berufungsverfahren noch streitgegenständlichen Maßnahmen des verdeckten Einsatzes technischer Mittel zur Anfertigung von Lichtbildern und Bildaufnahmen, des verdeckten Einsatzes technischer Mittel zur selbsttätigen Bildaufzeichnung und des verdeckten Einsatzes technischer Mittel zur Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes auf Tonträger unterliegen anders als die längerfristige Observation und der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Standortbestimmung nicht dem Behördenleitervorbehalt des § 22 Abs. 6 PolG.

bb) Die Maßnahmen unterliegen auch keinem Richtervorbehalt. Ein Richtervorbehalt ist im Grundgesetz für die Durchsuchung von Wohnungen (Art. 13 Abs. 2 GG), für die Überwachung von Wohnungen (Art. 13 Abs. 3 und 4 GG) und für die Freiheitsentziehung (Art. 104 Abs. 2 GG) vorgesehen. Wie von Art. 13 Abs. 4 GG gefordert stellt § 23 Abs. 2 PolG die Datenerhebung in oder aus Wohnungen (durch verdeckten Einsatz technischer Mittel, also insbesondere durch sog. Wanzen oder Richtmikrofone) ausdrücklich unter Richtervorbehalt. Für die hier angeordneten Maßnahmen nach § 22 PolG lässt sich ein Richtervorbehalt nicht aus dem Grundgesetz herleiten. Was Art. 13 Abs. 2 - 4 und Art. 104 Abs. 2 GG für Eingriffe in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung und für die Freiheitsentziehung vorschreiben, ist grundsätzlich nicht auf andere Grundrechtseingriffe übertragbar (vgl. Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Aufl., Rn. 577). Es ist in erster Linie Sache des Gesetzgebers, zu entscheiden, durch welche organisatorischen und verfahrensrechtlichen Vorkehrungen er der Gefahr einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts entgegenwirkt. Dafür stehen ihm neben dem Richtervorbehalt auch sog. Behördenleitervorbehalte, Unterrichtungspflichten gegenüber dem Betroffenen u.ä. zur Verfügung. Nur bei besonders gravierenden Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht kann ein Richtervorbehalt von Verfassungs wegen geboten sein (BVerfG, Urt. v. 27.02.2008 - 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07 - BVerfGE 120, 274 [Online-Durchsuchung]). Nach dieser Entscheidung ist die heimliche Infiltration eines informationstechnischen Systems grundsätzlich unter den Vorbehalt richterlicher Anordnung zu stellen, weil sie den Zugang zu einem Datenbestand eröffnet, der herkömmliche Informationsquellen an Umfang und Vielfältigkeit bei weitem übertreffen kann. Solche informationstechnischen Systeme würden nach den gegenwärtigen Nutzungsgepflogenheiten typischerweise bewusst zum Speichern auch persönlicher Daten von gesteigerter Sensibilität - etwa in Form privater Text-, Bild- oder Tondateien - genutzt. Der verfügbare Datenbestand könne detaillierte Informationen über die persönlichen Verhältnisse und die Lebensführung des Betroffenen, die über die verschiedene Kommunikationswege geführte private und geschäftliche Korrespondenz oder auch tagebuchartige persönliche Aufzeichnungen umfassen (BVerfG, a.a.O. S. 305, 323 [juris Rn. 213, 239]). Bei einem Grundrechtseingriff von derart hohem Gewicht wie dem heimlichen Zugriff auf ein informationstechnisches System reduziere sich der Spielraum des Gesetzgebers dahingehend, dass die Maßnahme grundsätzlich unter den Vorbehalt richterlicher Anordnung zu stellen sei (BVerfG, a.a.O. S. 231 [juris Rn. 241]). Für die längerfristige GPS-Observation in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, die ursprünglich nicht unter Richtervorbehalt stand, hat das BVerfG demgegenüber nicht zwingend einen solchen verlangt (BVerfG, Urt. v. 12.04.2005 - 2 BvR 581/01 - BVerfGE 112, 304 <318>).

Auch wenn nicht zu verkennen ist, dass der gegen den Kläger angeordnete verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Lichtbildern und Bildaufzeichnungen und der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur selbsttätigen Bildaufzeichnung gravierende Eingriffe in den Bereich der persönlichen Lebensführung bewirken, so bleiben sie doch in ihrer Intensität hinter den von Verfassungs wegen unter einem Richtervorbehalt stehenden Maßnahmen deutlich zurück. Maßgeblich ist hier vor allem, dass die gegen den Kläger eingesetzten besonderen Mittel der Datenerhebung sich auf Vorgänge beziehen, die zur Wahrnehmung durch Dritte zwar häufig nicht bestimmt sind, der Kläger aber auch - etwa im Unterschied zu den Gegebenheiten bei einem informationstechnischen System - nicht darauf vertrauen konnte, dass sie Dritten grundsätzlich verborgen bleiben, zumal sie sich letztlich in der Öffentlichkeit abspielten und der Kläger schon deshalb damit rechnen musste, dass Dritte davon Kenntnis erlangen.

cc) Schwerer wiegt der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes auf Tonträger (§ 22 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 PolG), der hier durch Abhören und Aufzeichnen der vom Kläger in seinem Kraftfahrzeug geführten Gespräche durchgeführt wurde. Zwar ist das Kraftfahrzeug nicht in gleicher Weise ein privater Rückzugsraum wie die Wohnung, doch können die Inhalte eines in einem Kraftfahrzeug geführten Gesprächs im Regelfall nicht von Dritten wahrgenommen werden. Die Gesprächspartner werden daher regelmäßig darauf vertrauen, dass ihr Gespräch nicht von Dritten mitgehört wird. Daher erscheint es bedenklich, dass der Landesgesetzgeber insoweit keinerlei verfahrensmäßige Absicherungen vorgesehen hat. Weder hat er einen Richtervorbehalt angeordnet, wie dies der Bundesgesetzgeber für die vergleichbaren strafprozessualen Maßnahmen getan hat (§ 100 f Abs. 4 i.V.m. § 100 b Abs. 1 StPO), noch hat er diese Maßnahme dem Behördenleitervorbehalt des § 22 Abs. 6 PolG unterworfen. Einzige verfahrensrechtliche Vorkehrung ist die Unterrichtungspflicht nach Beendigung der Maßnahme (§ 22 Abs. 8 PolG), die jedoch Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht zu verhindern vermag, sondern lediglich die Möglichkeit eröffnet, im Wege einer Feststellungsklage nachträglichen Rechtsschutz zu erlangen. Ob dies verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, erscheint fraglich, bedarf hier jedoch keiner Entscheidung, weil die Maßnahme sich unabhängig von der Frage, ob § 22 PolG insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als materiell rechtswidrig erweist (unten b).

dd) Anders als viele andere Polizeigesetze (vgl. etwa Art. 33 Abs. 5 Satz 4 BayPAG; § 30 BremPolG; weitere Nachweise bei Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl., E 315 f.) verlangt § 22 PolG weder eine schriftliche Anordnung der Maßnahmen noch eine Begründung. Auch die Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zur Durchführung des Polizeigesetzes (VwV PolG) vom 18.07.1997 (GABl. 1997, 406) enthält derartige Regelungen nur für die besonderen Mittel der Datenerhebung, die dem Behördenleitervorbehalt nach § 22 Abs. 6 PolG unterliegen (vgl. Nr. 1 der Regelung zu § 22 Abs. 6 PolG). Weil ohne eine behördliche Dokumentation gerichtlicher Rechtsschutz kaum möglich ist, ergibt sich eine entsprechende Verpflichtung jedoch aus Art. 19 Abs. 4 GG (Rachor, a.a.O. E 318; BVerfG, Urt. v. 20.02.2001 - 2 BvR 1444/00 - BVerfGE 103, 142 <159 f.> zur behördlichen Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung bei Gefahr im Verzug). Darüber hinaus ist die Pflicht zur Dokumentation heimlicher Ermittlungsmaßnahmen eine aus dem betroffenen Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung abgeleitete Notwendigkeit (Rachor, ebd.; BVerfG, Urt. v. 12.04.2005 - 2 BvR 581/01 - BVerfGE 112, 304 <320> zur GPS-Observation). Auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung, wie sie etwa in § 25 Abs. 2 Satz 2 PolG für die Ausschreibung von Personen und Kraftfahrzeugen vorgesehen ist, muss die Anordnung des Einsatzes besonderer Mittel der Datenerhebung daher schriftlich erfolgen sowie begründet und befristet werden.

Diesen Anforderungen genügen die schriftlichen Einsatzanordnungen vom 19.04.2010 und vom 12.07.2010. Sie enthalten selbst zwar keine Begründung. Die Formulierung „aus vorstehenden Gründen angeordnet“ lässt jedoch erkennen, dass sie jeweils auf die unmittelbar davor in den Akten abgehefteten Anträge des Dezernats Sonderfälle/Organisierte Kriminalität vom 14.04.2010 bzw. vom 09.07.2010 Bezug nehmen, in denen jeweils ausführlich dargelegt wurde, auf welcher Tatsachengrundlage die Anwendung der besonderen Mittel der Datenerhebung zu welchem Zweck („Ziele der polizeirechtlichen Maßnahmen“) in Abgrenzung zu mangels hinreichendem Tatverdacht noch nicht möglichen strafrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen aus polizeilicher Sicht erforderlich ist.

b) Die Maßnahmen erweisen sich jedoch als materiell rechtswidrig, weil sie nicht primär auf die Verhütung von Straftaten, sondern auf die Strafverfolgungsvorsorge ausgerichtet waren, was bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung des § 22 Abs. 2 und 3 PolG nicht von dieser Norm gedeckt ist.

aa) Der Begriff der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten, der sich auch in anderen Vorschriften des Polizeigesetzes findet (vgl. § 20 Abs. 3, § 22 a Abs. 1 Satz 1, § 23 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 6, § 25 Abs. 1, § 36 Abs. 1 Nr. 2 und § 38), wird vom Gesetzgeber nicht definiert. Die §§ 19 bis 25 wurden als Vorschriften für Maßnahmen der Erhebung personenbezogener Daten mit dem Änderungsgesetz vom 22.10.1991 in das Polizeigesetz aufgenommen, nachdem man erkannt hatte, dass die Polizei hierfür verfassungsgemäße Eingriffsermächtigungen benötigt. Die damalige verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 18.05.1987 - 1 S 487/87 - NJW 1987, 3022; BVerwG, Urt. v. 20.02.1990 - 1 C 29.86 - NJW 1990, 2765 <2767> [juris Rn. 22 f.]), auf die der Gesetzgeber Bezug nahm (Begr. der LReg. zum Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Polizeigesetzes vom 07.05.1991, LT-Drs. 10/5230 S. 34), verstand die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten als einen Unterfall der Gefahrenabwehr. Die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten sollte sowohl die Verhütung von Straftaten (Verhinderungsvorsorge) als auch die Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten (Strafverfolgungsvorsorge) umfassen (LT-Drs. 10/5230 S. 38; Belz/Mußmann, a.a.O. § 20 Rn. 42; Wolf/Stephan/Deger, a.a.O., § 20 Rn. 20).

bb) Einer solchen Auslegung hat das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung zur Telekommunikationsüberwachung nach dem NdsSOG (Urt. v. 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 - BVerfGE 113, 348) die Grundlage entzogen. § 33 a Abs. 1 Nr. 2 und 3 NdsSOG a.F. ermächtigten die Polizei dazu, personenbezogene Daten durch Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation zur Vorsorge für die Verfolgung oder zur Verhütung von Straftaten von erheblicher Bedeutung zu erheben. Das BVerfG hat diese Regelung für nichtig erklärt. Das Land Niedersachsen habe die Gesetzgebungskompetenz nur für die Verhütung von Straftaten, nicht aber für die Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten. Die Verhinderung von Straftaten erfasse Maßnahmen, die drohende Rechtsverletzungen von vornherein und in einem Stadium verhindern sollten, in dem es noch nicht zu strafwürdigem Unrecht gekommen ist. Die Verhinderung einer Straftat liege daher in der Gesetzgebungskompetenz des Landes für die Gefahrenabwehr nach Art. 70 Abs. 1 GG. Die Vorsorge für die spätere Verfolgung von Straftaten (repressive Zielrichtung der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten) sei dagegen dem „gerichtlichen Verfahren“ und damit der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zuzuordnen (so jetzt auch BVerwG, Urt. v. 25.01.2012 - 6 C 9.11 - BVerwGE 141, 329 <336 f. Rn. 33>). Der Bundesgesetzgeber habe die Überwachung der Telekommunikation zu Zwecken der Strafverfolgung in den §§ 100 a, 110 b, 100 g und 100 i StPO umfassend geregelt. Dabei könne aus dem Umstand, dass die genannten Vorschriften an eine konkret begangene oder konkret vorbereitete Tat anknüpfen, also gerade keine Datenermittlung im Vorfeld der Begehung einer Straftat betreffen, nicht geschlossen werden, der Bundesgesetzgeber habe Raum für weitere landesgesetzliche Eingriffsnormen belassen wollen. Der Bundesgesetzgeber sei sich - wie die bestehenden Vorschriften in anderen Bereichen zeigten (etwa die §§ 81 b, 81 g StPO) - durchaus der kompetenzrechtlichen Möglichkeit bewusst gewesen, im Bereich der Strafverfolgung auch präventive Regelungen zu treffen (BVerfG, Urt. v. 27.07.2005, a.a.O. S. 372 f. [juris Rn. 109]). Der Verzicht des Bundesgesetzgebers darauf, die Telekommunikationsüberwachung im Vorfeldbereich noch weiter auszudehnen, sei eine bewusste Entscheidung. Anhaltspunkte dafür, dass der Bundesgesetzgeber insofern Parallelregelungen durch die Länder und damit Überschneidungen hätte in Kauf nehmen wollen, seien nicht erkennbar (BVerfG, a.a.O. S. 373 [juris Rn. 110]).

cc) Diese vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze sind auf die Befugnisse der Polizei zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten nach § 22 Abs. 2 und 3 PolG zu übertragen (1). Diese Vorschriften können daher nur Bestand haben, wenn eine verfassungskonforme Auslegung des Begriffs der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten dahingehend möglich ist, dass er nur die Verhütung von Straftaten (Verhinderungsvorsorge) umfasst (2).

(1) Auch die hier streitgegenständlichen Maßnahmen sind in der StPO umfassend geregelt (§ 100 f StPO: Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes; § 100 h StPO: Herstellung von Bildaufnahmen ohne Wissen des Betroffenen und Verwendung sonstiger besonderer für Observationszwecke bestimmter technischer Mittel). Anhaltspunkte dafür, dass der Bundesgesetzgeber insofern Parallelregelungen durch die Länder und damit Überschneidungen hätte in Kauf nehmen wollen, sind ebenfalls nicht erkennbar (ebenso Trurnit, VBlBW 2011, 458 <461>). Auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weist in diese Richtung. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 25.01.2012 - 6 C 9.11 - a.a.O.) die Vorschrift des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG, der die offene Videoüberwachung von Schwerpunkten der Straßenkriminalität zum Zweck der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten ermöglicht, als von der Kompetenz des Landesgesetzgebers gedeckt und nicht durch abschließende Regelungen der StPO gesperrt angesehen, es hat dabei jedoch explizit darauf abgestellt, dass sich die offene Beobachtung von Kriminalitätsschwerpunkten mittels Bildübertragung und -aufzeichnung im Hinblick auf ihr äußeres Gepräge, ihren Einsatzzweck und die grundrechtliche Betroffenheit der observierten Person deutlich von verdeckten, auf eine Zielperson fokussierten Ermittlungsmaßnahmen, wie sie in § 100 h und § 163 f StPO geregelt seien, unterscheide. Auch aus dem Regelungsinhalt des § 81 b 2. Alt. StPO, der die Aufnahme von Lichtbildern eines Beschuldigten für Zwecke künftiger Strafverfolgung ermögliche, trete kein Wille des Bundesgesetzgebers hervor, landesrechtliche Regelungen auszuschließen, die nach dem Muster des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG gestaltet sind (BVerwG, a.a.O. S. 339 ff. Rn. 37).

(2) Anders als im NdsSOG ist in § 22 PolG nicht ausdrücklich von der Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten die Rede. Der Begriff der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten lässt sich, auch wenn er nach der Vorstellung des Gesetzgebers auch die Strafverfolgungsvorsorge umfassen sollte, einschränkend verfassungskonform dahingehend auslegen, dass er nur die Verhütung von Straftaten umfasst (in diesem Sinne wohl auch Zeitler/Trurnit, Polizeirecht für Baden-Württemberg, 3. Aufl., Rn. 573; anders noch Trurnit, a.a.O. S. 461: Verfassungswidrigkeit der Vorschrift).

dd) Vorliegend kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagte den Begriff der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten in dem dargestellten eingeschränkten Sinne verstanden hat und der Einsatz der besonderen Mittel der Datenerhebung primär der Verhütung von Straftaten dienen sollte.

Die Verhütung von Straftaten erfasst nur Maßnahmen, die drohende Rechtsgutverletzungen von vornherein und in einem Stadium verhindern sollen, in dem es noch nicht zu strafwürdigem Unrecht gekommen ist (BVerfG, Urt. v. 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 - a.a.O. S. 369 [juris Rn. 98]). Hauptzweck ist nicht das Sammeln von Beweismitteln für ein mögliches, künftiges Strafverfahren, sondern das Verhindern der Straftat zu einem Zeitpunkt, zu dem die Strafbarkeitsschwelle noch nicht überschritten ist, in der Regel also im Planungs- oder Vorbereitungsstadium.

Sowohl die schriftlichen Begründungen der Anträge auf Anordnung des Einsatzes besonderer Mittel der Datenerhebung als auch die tatsächliche Durchführung des Einsatzes lassen vorliegend erkennen, dass Hauptziel der Maßnahmen die Strafverfolgungsvorsorge war. In den Antragsschriften vom 14.04.2010 und vom 09.07.2010 hieß es unter der Überschrift „Ziele der polizeilichen Maßnahmen“ jeweils, es sollten Erkenntnisse darüber erlangt werden, ob der Kläger weiterhin Kinder und Jugendliche in seinen Wohnbereich aufnehme bzw. mit ihnen dort nächtige. Dabei sollten die potentiell Geschädigten erkannt und identifiziert werden. Durch den Einbau von GPS-Satellitenortungssystemen und technischer Mittel außerhalb von Wohnungen zum Abhören und Aufzeichnen des nicht öffentlichen Wortes sollten Informationen gesammelt werden, die bevorstehende Straftaten erkennen ließen und ggf. die Einleitung und Durchführung eines Strafverfahrens ermöglichen sollten. Im Rahmen der Observation wurde u.a. festgestellt, dass der Kläger engen Kontakt zu einem Jungen mit sehr kindlichem Aussehen unterhielt, von dem zunächst nur der Vorname „xxx“ bekannt war. Nach den getroffenen Feststellungen hatte sich der Junge nicht nur mehrmals auf dem Kajütboot des Klägers aufgehalten, sondern auch bereits mindestens fünfmal in der Wohnung des Klägers übernachtet (28.05., 29.05., 30.05., 31.05. und 01.06.2010), ohne dass zum Zweck der Verhinderung etwaiger Straftaten eingeschritten wurde. Erst am 16.06.2010 gelang es mit den Mitteln der verdeckten Ermittlung, den Jungen zu identifizieren und sein Geburtsdatum zu ermitteln (03.08.1995). Bis zu diesem Zeitpunkt ging die Polizei davon aus, dass es sich bei dem Jungen möglicherweise um ein Kind unter 14 Jahren handele. Zur strafrechtlichen Bewertung der Erkenntnisse aus den bis dahin durchgeführten verdeckten Datenerhebungen hieß es in der Antragsschrift vom 09.07.2010, es hätten noch keine konkreten sexuellen Handlungen zwischen dem Kläger und den bisher identifizierten Jugendlichen beweissicher festgestellt werden können. Jedoch begründeten insbesondere die Übernachtungen des 14jährigen xxx den Verdacht eines sexuellen Hintergrunds des Verhältnisses zu den Jugendlichen. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft, die über den aktuellen Stand der Erkenntnisse informiert sei, sei jedoch noch kein Anfangsverdacht zur Einleitung eines Strafverfahrens erfüllt. Auch im August 2010 wurde nicht zum Zweck der Verhinderung befürchteter Straftaten eingeschritten, als festgestellt wurde, dass der Kläger beabsichtigte, mit einem 12jährigen Jungen einen zweiwöchigen Urlaub auf seinem Kajütboot zu verbringen. Aufgrund der akustischen Überwachung war am 19.08.2010 ermittelt worden, dass der Kläger den Jungen bei seinen Eltern abgeholt hatte, die diesem seine Krankenkassenkarte, seinen Kinderausweis und 15 € Taschengeld mitgegeben hatten. Weiter war ermittelt worden, dass der Kläger mit dem Jungen und mit dem 16jährigen xxx zu dem Boot fuhr, das mit den Einkäufen beladen wurde und auf dem die drei Personen zusammen übernachteten. Auch als das Boot am Morgen des 20.08.2010 den Liegeplatz verließ und rheinabwärts nach xxx fuhr, wurde nicht präventivpolizeilich eingeschritten. Vielmehr wurde erst am 24.08.2010 - das Boot befand sich immer noch auf einem Gästeliegeplatz des Motorboot & Yachtclubs xxx - ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und zugleich mit der Einleitung des Verfahrens beim Amtsgericht xxx ein Durchsuchungsbeschluss für die Person, die Wohnung, die Geschäftsräume, die Fahrzeuge und das Kajütboot des Klägers erwirkt. Angesichts dieses Geschehensablaufs ist die Einlassung des in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht informatorisch befragten Polizeibeamten xxx, man sei zunächst nicht eingeschritten, weil man keine Kenntnis gehabt habe, ob der Junge tatsächlich mit auf das Boot gehen würde, nicht nachvollziehbar. Soweit der Polizeibeamte auf die Nachfrage des Prozessbevollmächtigten, warum nach dem Beladen des Bootes nicht eingeschritten worden sei, antwortete, es sei eine Frage der Taktik gewesen, zu diesem Zeitpunkt habe noch keine Straftat festgestellt werden können, belegt dies gerade, dass Zweck der Maßnahmen nicht in erster Linie die Verhütung von Straftaten, sondern die Strafverfolgungsvorsorge war. Nur mittelbar sollten die Maßnahmen, die darauf zielten, Beweismittel zu sammeln, um irgendwann ein Ermittlungsverfahren einleiten zu können und den Kläger der Strafverfolgung zuzuführen, auch der Verhütung weiterer Straftaten dienen.

Gegen die Annahme, die Maßnahmen hätten der Verhütung von Straftaten gedient, spricht auch, dass sie hierzu objektiv nicht geeignet waren. Bezüglich etwaiger Sexualdelikte zum Nachteil der Jugendlichen, die in der Wohnung des Klägers übernachteten, war die Möglichkeit zu einem präventiven Einschreiten vor einer Verletzung des Rechtsguts der sexuellen Selbstbestimmung der Betroffenen schon deshalb nicht gegeben, weil die verdeckten Maßnahmen sich nicht auf die Wohnung selbst erstreckten und daher keine Erkenntnisse darüber gewonnen werden konnten, ob und wann es zu der befürchteten Rechtsgutsverletzung kommt.

Vor diesem Hintergrund lässt sich die präventive Zielrichtung der Maßnahmen auch nicht mit der abstrakten Erwägung begründen, dass im Konflikt zwischen präventivem und repressivem Tätigwerden für die Polizei der Rechtsgüterschutz stets Vorrang haben müsse (so das Verwaltungsgericht, a.a.O. Rn. 56).

Keiner Entscheidung bedarf es, ob in Fällen, in denen der verdeckte Einsatz technischer Mittel sowohl nach der Begründung der zugrunde liegenden Anordnung als auch nach der tatsächlichen Durchführung auf die Verhütung von Straftaten ausgerichtet ist, Fehleinschätzungen und -entscheidungen einzelner Polizeibeamter, die nicht an diesem Zweck ausgerichtet sind, die Rechtmäßigkeit des Einsatzes in Frage stellen. Denn das Nichteinschreiten bei befürchteten Straftaten zum Nachteil des xxx und das sehr späte Einschreiten - durch Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und gerade nicht durch präventivpolizeiliches Handeln - im Zusammenhang mit dem Bootsurlaub mit einem 12jährigen Jungen im August 2010 stellen sich nicht als Fehlentscheidungen einzelner Beamter dar, sie fügen sich vielmehr nahtlos in das mit den Maßnahmen verfolgte Konzept ein.

ee) Auf das Vorliegen einer erheblichen Gefahr (§ 22 Abs. 2 1. Alt. PolG) oder einer Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person (§ 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG) wurden die Anordnungen zu Recht nicht gestützt.

Eine Gefahr im polizeirechtlichen Sinne hat nämlich nicht bestanden. Ein Tätigwerden zum Zwecke der Gefahrenabwehr setzt eine konkrete Gefahr voraus. Eine solche liegt vor, wenn bei bestimmten Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen nach allgemeiner Lebenserfahrung oder fachlichen Erkenntnissen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für die polizeilichen Schutzgüter im Einzelfall, d.h. eine konkrete Gefahrenlage, einzutreten pflegt. Dabei hängt der zu fordernde Wahrscheinlichkeitsgrad von der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie dem Ausmaß des möglichen Schadens ab. Geht es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, wie etwa Leben und Gesundheit von Menschen, so kann auch die entferntere Möglichkeit eines Schadenseintritts ausreichen (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.07.2002 - 6 CN 8.01 - BVerwGE 116, 347; Senatsurteile vom 15.11.2007 - 1 S 2720/06 - VBlBW 2008, 134, vom 12.07.2010 - 1 S 349/10 - VBlBW 2010, 468 und vom 25.10.2012 - 1 S 1401/11 - VBlBW 2013, 178).

Anknüpfungspunkt für eine Gefahr kann vorliegend nur sein, dass der Kläger trotz der von ihm in der Vergangenheit begangenen Sexualstraftaten wieder ständig Kontakt zu Kindern und Jugendlichen gesucht und diese u. a. auf sein Kajütboot mitgenommen hat. Es erscheint indessen zweifelhaft, ob tatsächlich bei jeder dieser Kontaktaufnahmen alsbald mit der Begehung eines Sexualdelikts nach §§ 176 ff. StGB zu rechnen war. Auch wenn der Kläger in der Vergangenheit wiederholt solche Sexualdelikte begangen hat, so ist doch nichts dafür ersichtlich, dass quasi bei jeder Kontaktaufnahme mit einem minderjährigen Jungen alsbald mit der Vornahme strafbarer sexueller Handlungen gerechnet werden musste. Dies gilt umso mehr, als die letzte Tat bei Anordnung des Einsatzes besonderer Mittel der Datenerhebung bereits 15 Jahre zurücklag, seither einige Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurden und der Kläger zuletzt zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden war. Der Kläger hat zudem bei den von ihm begangenen Sexualstraftaten keine Gewalt angewendet, vielmehr ist es ihm immer gelungen, die Kinder soweit zu bringen, dass sie die Vornahme der sexuellen Handlungen „freiwillig“ über sich ergehen ließen. Dafür wird regelmäßig eine gewisse Zeitdauer des Kontakts erforderlich sein. Auch dürfte bei dieser „konsensualen“ Form der Tatbegehung nur ein Schaden für das Schutzgut der sexuellen Selbstbestimmung der betroffenen Kinder gedroht haben, nicht aber für ihr Leben, ihre Gesundheit oder ihre Freiheit. Da das Schutzgut der sexuellen Selbstbestimmung in § 22 Abs. 3 PolG nicht aufgeführt ist, kommt insoweit die Anordnung des verdeckten Einsatzes technischer Mittel zur selbsttätigen Bildaufzeichnung sowie des verdeckten Einsatzes technischer Mittel zur Aufzeichnung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes auf Tonträger nicht in Betracht. Auch die Anordnung des verdeckten Einsatzes technischer Mittel zur Anfertigung von Lichtbildern und Bildaufzeichnungen scheidet aus, weil es insoweit nach § 22 Abs. 2 PolG einer erheblichen Gefahr für das Schutzgut der sexuellen Selbstbestimmung bedürfte. Dies würde voraussetzen, dass die Verwirklichung eines Straftatbestandes unmittelbar bevorsteht (vgl. Wolf/Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 6. Aufl., § 22 Rn. 13 und § 28 Rn. 14).

c) Erweisen sich danach die streitgegenständlichen Maßnahmen insgesamt als rechtswidrig, weil sie nicht primär auf die Verhütung von Straftaten, sondern auf die Strafverfolgungsvorsorge ausgerichtet waren, kann der Senat offen lassen, ob die Feststellung der Rechtswidrigkeit auch aus anderen Gründen in Betracht gekommen wäre.

Es erscheint allerdings zweifelhaft, ob § 20 Abs. 2 und 3 PolG i.V.m. § 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG, soweit sie zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten (mit erheblicher Bedeutung) die Datenerhebung durch den Einsatz besonderer Mittel ermöglichen über Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Straftaten begehen, den Anforderungen an die Bestimmtheit polizeilicher Ermächtigungsgrundlagen im Vorfeld einer Gefahr und des Anfangsverdachts einer Straftat genügen.

Nach § 22 Abs. 2 und 3 PolG können die besonderen Mittel der Datenerhebung eingesetzt werden zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten (Abs. 2) bzw. von Straftaten mit erheblicher Bedeutung (Abs. 3), wobei der Begriff der Straftaten mit erheblicher Bedeutung in Abs. 5 legal definiert wird. Durch den Verweis auf § 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG ergibt sich, dass die Daten erhoben werden dürfen über Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Straftaten begehen.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen gleichen damit denen des § 33 a Abs. 1 Nr. 2 NdsSOG, den das Bundesverfassungsgericht u.a. mangels hinreichender Bestimmtheit für nichtig erklärt hat. Nach dieser Vorschrift durften Daten erhoben werden über Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen werden, wenn die Vorsorge für die Verfolgung oder die Verhütung dieser Straftaten auf andere Weise nicht möglich erscheint. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu ausgeführt (Urt. v. 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 - a.a.O. S. 377 ff. [juris Rn. 122 ff.]), dass bei polizeilichen Maßnahmen im Vorfeld der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung die Bestimmtheitsanforderungen spezifisch an dieser Vorfeldsituation ausgerichtet werden müssten. Die Situation der Vorfeldermittlung sei durch eine hohe Ambivalenz der potenziellen Bedeutung einzelner Verhaltensumstände geprägt. Die Indizien oder einzelne beobachtete Tätigkeiten könnten in harmlosen, strafrechtlich unerheblichen Zusammenhängen verbleiben; sie könnten aber auch der Beginn eines Vorgangs sein, der zur Straftat führt. Sehe der Gesetzgeber in solchen Situationen Grundrechtseingriffe vor, so habe er die den Anlass bildenden Straftaten sowie die Anforderungen an Tatsachen, die auf die künftige Begehung hindeuten, so bestimmt zu umschreiben, dass das im Bereich der Vorfeldermittlung besonders hohe Risiko einer Fehlprognose gleichwohl verfassungsrechtlich noch hinnehmbar ist. Die Norm müsse handlungsbegrenzende Tatbestandselemente enthalten, die einen Standard an Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit vergleichbar dem schaffen, der für die überkommenen Aufgaben der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung rechtsstaatlich geboten ist. Eine Ermächtigung, nach der die auf Tatsachen gegründete, nicht näher konkretisierte Möglichkeit genüge, dass jemand irgendwann in Zukunft Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen werde, werde dem Bestimmtheitsgebot nicht gerecht. Es seien vielfältige Anknüpfungen denkbar, die nach hypothetischem Kausalverlauf in der Straftatenbegehung eines potenziellen Täters münden könnten. Weder hinsichtlich möglicher Indikatoren und des Grads der Wahrscheinlichkeit eines solchen Ablaufs noch in zeitlicher Hinsicht sehe das Gesetz Beschränkungen vor. Die im Vorfeld künftiger Straftaten bestehenden Schwierigkeiten der Abgrenzung eines harmlosen von dem in eine Straftatenbegehung mündenden Verhaltens würden in der Ermächtigung nicht durch einschränkende Tatbestandsmerkmale bewältigt. Die Bestimmung der Voraussetzungen und Grenzen des Eingriffs obliege vielmehr der Polizei. Sie entscheide ohne nähere gesetzliche Vorgaben über die Grenzen der Freiheit des Bürgers und müsse sich die Maßstäbe dafür selbst zurechtlegen. Sie werde insoweit gewissermaßen tatbestandsergänzend tätig. Die Schaffung eingriffsbeschränkender Maßstäbe sei aber Aufgabe des Gesetzgebers. Die Unbestimmtheit und das damit einhergehende Risiko der Fehlprognose würden nicht durch die Ausrichtung auf "Straftaten von erheblicher Bedeutung" vermindert. Dieses Tatbestandsmerkmal biete keine Anhaltspunkte dafür, wann ein Verhalten auf die künftige Begehung solcher Straftaten hindeute.

Überträgt man diese - sehr hohen - Anforderungen an die Bestimmtheit polizeilicher Ermächtigungsgrundlagen im Vorfeld einer Gefahr und des Anfangsverdachts einer Straftat auf die hier herangezogene Ermächtigungsgrundlage des § 22 PolG, wird man ebenfalls von der Verfassungswidrigkeit der Norm ausgehen müssen. Zwar betraf die angeführte Entscheidung Eingriffe in Art. 10 GG, doch ist die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts nicht spezifisch auf Art. 10 GG zugeschnitten. Es spricht daher vieles dafür, dass die vom BVerfG aufgestellten Grundsätze auch für andere verdeckte Ermittlungsmethoden gelten, sofern sie zu vergleichbar intensiven Grundrechtseingriffen führen (vgl. Rachor, a.a.O., E 288 Fn. 347; Trurnit; VBlBW 2011, 458 <463>).

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.

Beschlussvom 15. Mai 2014

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 15.000,-- € festgesetzt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).