OLG Köln, Beschluss vom 16.01.2014 - 19 U 149/13
Fundstelle
openJur 2014, 10339
  • Rkr:
Tenor

I. Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das am 13.08.2013 verkündete Urteil der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 29 O 22/13 - gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.

Gründe

I.

Die Berufung der Beklagten hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zu Grunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO). Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO). Ebenso wenig ist eine Entscheidung des Senats durch Urteil zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO) oder aus anderen Gründen eine mündliche Verhandlung geboten (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO).

Das Landgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.

1.

Die Beklagte schuldet der Klägerin das für den Monat April 2011 ausstehende Resthonorar in Höhe von 806,13 € aus § 611 Abs. 1 BGB.

Bei dem zwischen den Parteien begründeten Rechtsverhältnis handelt es sich um einen Dienstvertrag. In Folge dessen kann die Beklagte werkvertragliche Gewährleistungsrechte wegen einer angeblichen Schlechtleistung der Klägerin nicht geltend machen.

a.

In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes erfolgt die Zuordnung von EDV-Verträgen pp. zu den Vertragstypen des Bürgerlichen Gesetzbuches nach dem von den Parteien vereinbarten Vertragszweck, wie er in der vertraglichen Leistungsbeschreibung und dem hieran anknüpfenden Parteiwillen, insbesondere auch in der verobjektivierten Kundenerwartung, zum Ausdruck kommt, und rechtfertigt sich letztlich auch aus einem Vergleich mit Verträgen, die ähnliche Gegenstände betreffen (vgl. zu Internetsystemverträgen BGH, Urt. v. 04.03.2010 - III ZR 79/09, BGHZ 184, 345 m.w.n.). Bei typengemischten Verträgen, die im Zusammenhang mit Leistungen im Bereich der elektronischen Datenverarbeitung in der Regel vereinbart werden, sind für jede Leistung die Vorschriften des entsprechenden Vertragstyps des BGB heranzuziehen, es sei denn, die Eigenart des Vertrages verbietet eine solche Vorgehensweise; dann ist das Recht denjenigen Vertragstypus heranzuziehen, der den rechtlichen oder wirtschaftlichen Schwerpunkt des Vertrages bildet (vgl. dazu BGH, Urteil v. 29.10.1980 - VIII ZR 326/79, NJW 1981, 341 f.; Grüneberg in: Palandt, BGB, 72. Aufl. 2013, Überbl. v § 311, Rz 24 ff.).

b.

Auf der Grundlage dieser Kriterien unterfällt das Vertragsverhältnis der Parteien einheitlich dem Dienstvertragsrecht des BGB.

Der Dienstvertrag ist ein gegenseitiger schuldrechtlicher Vertrag, in dem sich der eine Teil zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere zur Leistung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Der Dienstverpflichtete schuldet - anders als bei dem Werkvertrag - nicht die Herstellung und Verschaffung eines individuellen Werkes, sondern allein die nicht erfolgsbezogene Leistung der versprochenen Dienste.

Die Auslegung des Vertrages der Parteien mit Rücksicht auf den verfolgten Zweck und die Leistungsbeschreibung ergibt seine Einordnung als Dienstvertrag.

Bereits nach dessen Wortlaut hat sich die Klägerin allein im Rahmen eines Dienstverhältnisses und nicht eines Werkvertrages verpflichten wollen. Anhaltspunkte dafür, dass die vertragliche Verbindung der Parteien gleichwohl - und sei es auch nur im Hinblick auf einzelne Teile der geschuldeten Leistungen - erfolgsbezogen und mithin als Werkvertrag einzuordnen wäre, liegen nicht vor.

Nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien wandte sich die Beklagte mit dem Ziel an die Klägerin, den Umsatz über ihren Webshop zu steigern. Die Klägerin betreibt eine Werbeagentur und verfügt daneben über das notwendige Fachwissen, um internetbasierte Verkaufsportale im Hinblick auf ihre Kompatibilität für die Algorithmen einschlägiger Suchmaschinen zu optimieren. Ausweislich des Leistungsumfanges beschränkten sich ihre vertraglichen Verpflichtungen aber nicht allein auf eine solche Optimierung des von der Beklagten betriebenen Webshops. Vielmehr haben die Parteien einen Marketing-Vertrag geschlossen, der daneben das Angebot der Beklagten über verschiedene Vertriebswege bewerben und vermarkten sollte. So beinhaltet der Leistungsbereich "H-Adwords" eine internetbasierte Werbekampagne, bei der die Anzeigen der Bekagten lediglich bei der Eingabe vorher definierter Suchworte in das Eingabefenster der Suchmaschine H erscheinen und nach der die Vergütung bei entsprechendem "Klick" des Anwenders auf die Anzeige anfällt. Auch die Leistungsinhalte Affiliate-Marketing und die Listung der Beklagten bei den einschlägigen Preissuchmaschinen beschreiben vor allem in der Zusammenschau mit der Vereinbarung des monatlich zu entrichtenden Pauschalhonorars Marketingaktivitäten, bei denen nicht etwa der Entwurf einer Anzeige oder eines Vertragswerkes mit dem Werbepartner als werkvertragliche Leistung im Vordergrund stehen, sondern die eine Dienstleistung zum Inhalt haben (zum Werbeagenturvertrag vgl. insoweit OLG Hamburg, Urteil v. 29.08.1996 - 3 U 121/95, juris). Demgemäß werden auch Online-Marketingverträge von der Rechtsprechung ohne Weiteres dem Dienstvertragsrecht unterworfen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 05.05.2011 - I-10 U 51/11 u.a., juris; LG Düsseldorf, Urteil v. 13.06.2013 - 23 S 168/12, juris; Urteil v. 06.10.2010 - 23 S 267/09 u.a., juris).

Dass die Klägerin daneben auf Abruf zu Leistungen im Bereich des Webcontrolling - mithin der Analyse des Nutzerverhaltens bei Besuchen des Webshops mit dem Ziel einer Verbesserung des Angebots - und der Suchmaschinenoptimierung verpflichtet war, führt nicht zu einer Einordnung als Werkvertrag. Der Beklagten ist zwar insoweit zuzugeben, dass er im Hinblick auf die Optimierung der Webseite für Suchmaschinen werkvertragliche Elemente enthält, weil hier Programmierungsarbeiten anfallen. Indes geht die Beklagte fehl, wenn sie den Vertrag der Parteien deshalb insgesamt dem Werkvertragsrecht unterwerfen will. Denn die Suchmaschinenoptimierung bildete erkennbar nicht den Schwerpunkt des Vertrages, der vielmehr unter Vereinbarung eines differenzierten Leistungskataloges insgesamt darauf ausgerichtet war, das Betriebsergebnis der Beklagten in Bezug auf den Webshop zu verbessern, wobei die Provisionspflicht der Beklagten bei Erreichung eines bestimmten Umsatzzieles ebenfalls nicht so gedeutet werden kann, die Klägerin habe dieses oder überhaupt ein anderes, besseres Umsatzziel als Erfolg ihrer Bemühungen geschuldet. Hierfür fehlt jeglicher Anhaltspunkt. Denn die Parteien haben die Vergütung der Klägerin zunächst pauschal angesetzt; die Umsatzprovision kann vor diesem Hintergrund allenfalls als Bonus zugunsten der Klägerin verstanden werden.

Der Vertrag ist im Hinblick auf seine Eigenart als besonderer Marketingvertrag vielmehr einheitlich dem Dienstvertragsrecht zu unterstellen, da die Verpflichtung der Klägerin zur Beratung und Umsetzung von Marketingmaßnahmen der Schwerpunkt des Vertrages ist. Demnach liegt der geschuldete Erfolg insbesondere nicht in einem verbesserten Ranking des Webshops bei Suchanfragen über H, zumal die Klägerin einen solchen Erfolg bei verständiger Würdigung und auch nach der objektivierten Kundenerwartung der Beklagten nicht hat versprechen können. Insoweit bleibt auch die Beklagte Vortrag dazu schuldig, welches Ranking von der Beklagten denn hätte erreicht werden sollen.

c.

Schließlich könnte die Beklagte deshalb selbst dann nicht erfolgreich Gewährleistungsrechte geltend machen, wenn die Leistungen der Klägerin in Bezug auf die Suchmaschinenoptimierung dem Werkvertragsrecht unterstellt würden. Dass die Klägerin im Hinblick hierauf Leistungen erbracht hat, etwa die Implementierung einer Sitemap, stellt die Beklagte letztlich nicht in Abrede. Dass sie in Bezug auf - welches ? - geschuldete Ranking nicht erfolgreich gewesen seien, ist dem Vortrag der Beklagten nicht zu entnehmen. Für einen gesteigerten Umsatz stand die Klägerin nicht ein. Die Besucherzahlen haben sich - worauf das Landgericht zu Recht hingewiesen hat - nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien jedenfalls verbessert. Dass die Webseite der Beklagten grundsätzlich zur Suchmaschinenoptimierung ungeeignet gewesen sei, wie die Beklagte in der Berufungsinstanz behauptet, stellt die Klägerin in Abrede. Umstände, die eine solche Bewertung der Beklagten stützen könnten, trägt die Beklagte nicht vor.

d.

Die Klägerin hat die geschuldeten Dienste geleistet. Dass sie für die Beklagte gänzlich wertlos gewesen wären und die Beklagte dieserhalb dem Vergütungsanspruch der Klägerin einen Schadensersatzanspruch in gleicher Höhe entgegen halten könnte, ist nicht ersichtlich. Insoweit nimmt der Senat auf die ausführlichen und überzeugenden Erwägungen des Landgerichts Bezug, denen er beitritt. Die Besucherzahlen des Webshops sind - wie auch der dort generierte Umsatz -- gestiegen, wenn sie auch hinter den Erwartungen der Beklagten zurück blieben.

2.

Aus diesem Grund hat die Berufung auch keinen Erfolg, soweit sie die Verurteilung der Klägerin auf Rückzahlung der geleisteten Honorare begehrt.

Die Beklagte kann einen solchen Anspruch schließlich nicht auf ein Aufklärungsverschulden der Klägerin im Rahmen des Dienstvertrages stützen. Wenn sie hierzu behauptet, der Webshop sei für eine Suchmaschinenoptimierung nicht geeignet gewesen, und die Klägerin habe die Beklagte vor Durchführung des Vertrages oder jedenfalls innerhalb des ersten Monats hierauf hinweisen müssen, kann der Senat eine solche Pflichtverletzung der Klägerin nicht feststellen. Die Klägerin hat bestritten, dass der Webshop für eine Optimierung nicht geeignet sei. Die Beklagte hat hierzu offenbar auch gar keine eigenen Erkenntnisse und wiederholt insoweit lediglich eine - ebenfalls bestrittene - angebliche diesbezügliche Äußerung der Klägerin. Umstände, die ihre Einschätzung untermauern könnten, trägt sie nicht vor. Sie sind auch sonst nicht ersichtlich. Denn die Klägerin hat ausweislich des unstreitigen Vortrages der Parteien eine Sitemap implementiert und daneben in ihrer Onsite Analyse vom 05.09.2011 (Anlage 6, Bl. 87 ff.GA) weitere Maßnahmen zur Optimierung vorgeschlagen, betreffend den Quellcode, die sog. Spaghetti-Markups u.s.w.. Schließlich haben sich die Besucherzahlen tatsächlich verbessert, so dass auch hieraus nicht abgeleitet werden kann, die Maßnahmen seien sämtlich ohne Erfolg geblieben.

Darüber hinaus bildete die Suchmaschinenoptimierung nur einen Teil der geschuldeten Leistungen, so dass ein Kündigungsrecht aus § 313 Abs. 3 S. 2 BGB nicht entstanden wäre. Dass der Beklagten ein weiteres Festhalten am Vertrag, ggf. dessen Anpassung unzumutbar gewesen wäre, ist nicht ersichtlich.

Zu dem weiteren Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.356 € trägt die Beklagte in der Berufungsschrift nicht mehr vor. Ein solcher Anspruch steht ihr auch nicht zur Seite. Die an die C e.G. gezahlten Beträge dienten der Durchführung von Vorschlägen der Klägerin in Bezug auf den Internetauftritt, die sie in Erfüllung ihrer Vertragspflichten unterbreitet hatte. Die Vorschläge waren wie ausgeführt nicht wertlos; die mit ihrer Ausführung verbundenen Kosten sind daher auch kein Schaden der Beklagten.

Die Zinsforderung teilt das Schicksal der Hauptforderung; ungeachtet dessen kann die Beklagte aber auch nicht aus § 288 Abs. 2 BGB Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz verlangen, da sie Schadensersatz und kein Entgelt fordert (vgl. dazu Grüneberg in: Palandt, BGB, 72. Aufl. 2013, § 288 Rz 8 und § 286 Rz 27).

II.

Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb der ihr gesetzten Frist. Auf die Möglichkeit der Rücknahme der Berufung zum Zweck der Ersparnis eines Teils der im zweiten Rechtszug anfallenden Gerichtsgebühren wird ausdrücklich hingewiesen.