OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 02.04.2014 - 2 Ausl A 104/13
Fundstelle
openJur 2014, 9689
  • Rkr:
Tenor

1. Der Antrag des Verfolgten, den Rechtsstreit (Az. 28 O 111/14)an das Landgerichts Berlin zurückzuverweisen, wird zurückgewiesen.

2. Der Antrag auf erneute Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung (§ 33 IRG) wird zurückgewiesen.

3. Der Antrag, die vorliegende Auslieferungssache dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen (Art. 267 Abs. 3 AEUV) wird zurückgewiesen

4. Der Antrag auf Aufhebung der Bewilligungsentscheidung „des Bundesamtes für Justiz“ wird als unzulässig zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die US-amerikanischen Behörden ersuchen um Auslieferung des Verfolgten zum Zwecke der Strafverfolgung.

Der Senat hat mit Beschluss vom 24.06.2013 den Verfolgten in vorläufige Auslieferungshaft genommen und die hiergegen gerichteten Einwendungen mit Beschluss vom 06.08.2013 zurückgewiesen. Nach dem Senatsbeschluss vom 16.08.2013 dauert die vorläufige Auslieferungshaft als förmliche fort, wobei über deren weitere Fortdauer am 15.10.2013 und 12.12.2013 entschieden wurde. Mit Beschluss vom 22.01.2014 hat der Senat die Auslieferung für zulässig erklärt und mit Beschluss vom 14.02.2014 den Antrag,erneut über die Zulässigkeit der Auslieferung zu entscheiden zurückgewiesen. Auf diese Beschlüsse wird Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 17.02.2014 hat die 2. Kammer des Bundesverfassungsgerichts einstimmig den Antrag des Verfolgten auf einstweilige Anordnung gegen den Vollzug der Auslieferung abgelehnt und die Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache am 12.03.2014 nicht zur Entscheidung angenommen.

Am 20.03.2014 hat die Bundesregierung die Auslieferung des Verfolgten an die USA bewilligt und dies den US-amerikanischen Behörden bekannt gegeben.

Unter Az. 28 O 111/14 hat der Verfolgte zwischenzeitlich beim Landgericht Berlin im Zivilrechtsweg i.E. Feststellungsklage gegen die Bundesrepublik Deutschland auf Schadensersatz erhoben, sowie eine einstweilige Anordnung beantragt mit folgendem Inhalt:

„(…) anzuordnen, dass die Beklagte (Bundesrepublik Deutschland) die Auslieferung des Klägers (Verfolgter) an die USAjedenfalls bis zu einem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu ihren Gunsten ggfs. nach entsprechender Vorabentscheidung durch den EuGH nicht bewilligt und die Auslieferung stoppt.“

Diesen Antrag hat das Landgericht Berlin mit Beschluss vom 20.03.2014 abgetrennt und gemäß § 281 Abs. 1 ZPO bindend an das nach §§ 13 Abs. 1, 33 IRG sachlich ausschließlich zuständige OLGFrankfurt verwiesen.

Mit Verfügung des Senats vom 03.04.2013 hat dieser den Beistand über das am 28.03.2014 eingegangene Verfahren informiert und um Klarstellung gebeten, ob der vom Landgericht Berlin verwiesene Antrag aufrechterhalten bleiben soll, da zwischenzeitlich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergangen ist und nach der Begründung in der Antragsschrift vom Verfolgten ausdrücklich keine Verweisung an den Senat gewünscht wurde.

Mit Schriftsatz vom 31.03.2014 hat der Verfolgte durch seinen Beistand die im Tenor beschiedenen Anträge gestellt.

II.

Der Antrag des Verfolgten, den Rechtsstreit (Az. 28 O 111/14) an das Landgericht Berlin zurückzuverweisen, wird zurückgewiesen.

Die Verweisung durch Beschluss vom 20.03.2014 ist gem. § 281 ZPObindend, da sie nicht willkürlich ist.

Der Antrag des Verfolgten ist vom Landgericht Berlin bei der gebotenen Auslegung zu Gunsten des Verfolgten als Antrag nach § 33IRG ausgelegt worden, der als zulässiges Rechtsmittel vor Vollzug einer Auslieferung mit dem Ziel, selbige zu „stoppen“vorrangig ist. Dabei kann dahinstehen, dass der Verfolgte trotz Antrag keine Verweisung an den Senat wünschte, da dieser die angesprochene Rechtsfrage bereits beschieden hatte und der Verfolgte entsprechend der missverständlichen Begründung in der Klageschrift wohl an eine Vorlage gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV an den EuGH dachte. Diese Möglichkeit besteht durch Neubeantragung nach wie vor, während der Antrag nach § 33 IRG mit Bewilligung,spätestens mit Vollzug der Auslieferung ausgeschlossen wäre.

Entsprechend hat der Beistand mit Schriftsatz vom 31.03.2014„unabhängig und parallel“ einen erneuten Antrag nach §33 IRG gestellt. Der Senat behandelt sowohl den vom Landgericht Berlin verwiesenen, als auch den mit Schriftsatz vom 31.03.2014erneut gestellten Antrag als zusammenhängendes Begehren, da beide Anträge inhaltlich sich i.E. gegen den Vollzug der Auslieferung richten.

Der Antrag auf erneute Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung (§ 33 IRG) wird zurückgewiesen.

Da die Auslieferung des Verfolgten an die USA am 20.03.2014durch die Bundesregierung bewilligt und den US-amerikanischen Behörden durch entsprechende Verbalnote bekannt gegeben worden ist,ist die Bundesrepublik eine völkerrechtliche Bindung eingegangen,die grundsätzlich einer erneuten Entscheidung durch den Senat nach § 33 IRG entgegensteht (vgl. Lagodny in Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, IRG 5. Aufl. § 33 Rdn. 7).

Ob und unter welchen Voraussetzungen eine Durchbrechung dieser völkerrechtlichen Bindung zulässig sein kann, kann hier dahinstehen, da bereits die Voraussetzungen des § 33 IRG nicht gegeben sind.

Denn mit Schriftsatz vom 31.03.2014 werden keine „neuen“ dem Senat zum Zeitpunkt der Zulässigkeitsentscheidung nicht bekannten Tatsachen vorgetragen.Der Schriftsatz wiederholt vielmehr den bisherigen rechtlichen Standpunkt, der bereits vom Senat in seiner Zulässigkeitsentscheidung vom 22.01.2014 ausführlich beschieden wurde. Mit Beschluss vom 14.02.2014 hat der Senat sich erneut im Rahmen eines Antrags nach § 33 IRG mit dieser Rechtsfrage befasst und auf Basis der vom Verfolgten eingelegten Begründung für seine Verfassungsbeschwerde beschieden. Das Bundesverfassungsgericht hat die Begründung des Senats mit Beschluss vom 17.02.2014 ausdrücklich bestätigt und einstimmig den Antrag des Verfolgten auf einstweilige Anordnung gegen den Vollzug der Auslieferung abgelehnt und die Verfassungsbeschwerde mit Beschluss vom 12.03.2014 nicht zur Entscheidung angenommen.

Die nunmehr vom Beistand vorgelegte Entscheidung des EuGH vom 27.03.2014 (C-322/13) ist zwar nach diesen Entscheidungen ergangen,hat aber weder vom Tatsächlichen noch vom Rechtlichen erkennbar Relevanz für das vorliegenden Auslieferungsverfahren. Es handelt sich um einen Fall der zivilrechtlichen Binnendiskriminierung innerhalb der EU gegenüber EU-Bürgern, während das vorliegende Auslieferungsverfahren, wie bereits ausgeführt, das Verhältnis zwischen einem EU-Staat und einem Drittstaat im strafrechtlichen Auslieferungsverkehr unter der besonderen Berücksichtigung der EU-Abkommen mit diesem Drittstaat betrifft. Gleiches gilt für die Ausführungen in dem Schriftsatz des Bevollmächtigten des Verfolgten in dessen Zivilverfahren vor dem Landgericht Berlin vom 25.03.2014,die dem Senat am 02.04.2014 übermittelt worden sind. Auch die dort angeführten Belege betreffen i.E. nicht die vorliegende Konstellation. So betrifft die angeführte Entscheidung des EuGH vom 05.09.2012 (C-42/11) einen Fall der Strafvollstreckung und nicht wie hier eine Auslieferung zur Strafverfolgung, bei der die Voraussetzungen andere sind. Darüber hinaus hat sich der EuGH mit einem Fall der Binnendiskriminierung bezogen auf eine besondere Regelung in der französischen Prozessordnung auseinandergesetzt,die abweichend vom § 83b IRG zu einer Benachteiligung von EU-Bürgern innerhalb der EU führt.

Der Antrag die vorliegende Auslieferungssache dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen (Art. 267 Abs. 3 AEUV) wird zurückgewiesen

Für eine Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 AEUV besteht keine Veranlassung, da keine Vorlagefrage betroffen ist, die eine Vorabentscheidung durch den EuGH zugänglich ist. Auch dazu hat der Senat bereits Ausführungen gemacht, die das Bundesverfassungsgericht gebilligt hat.

Der Antrag auf Aufhebung der Bewilligungsentscheidung „des Bundesamtes für Justiz“ wird als unzulässig zurückgewiesen.

Die Bewilligung erfolgt durch die Bundesregierung vertreten durch das Auswärtige Amt. Es gibt keine Rechtsgrundlage auf der der Senat zu der begehrten Maßnahme berechtigt wäre.

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