BGH, Beschluss vom 06.11.2013 - I ZB 48/13
Fundstelle
openJur 2014, 7588
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 10 W 20/13

Die gerichtliche Zurückweisung des Antrags, die Klageschrift in einer Streitigkeit um einen Domainnamen dem im Inland wohnenden Admin-C der im Ausland ansässigen Beklagten zuzustellen, ist nicht mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 14. Mai 2013, wird auf Kosten der Klägerin mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der 17. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 9. April 2013 als unzulässig verworfen wird.

Gründe

I. Die Klägerin hat beantragt, die beim Landgericht eingereichte Klage, die eine Streitigkeit um einen Domainnamen zum Gegenstand hat, dem im Inland wohnhaften Admin-C der in den Vereinigten Staaten von Amerika ansässigen Beklagten zuzustellen. Das Landgericht hat diesen Antrag abgelehnt. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin ist erfolglos geblieben. Hiergegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Klägerin, mit der sie die Abänderung des landgerichtlichen Beschlusses und die Zustellung der Klage an den Admin-C der Beklagten erstrebt.

II. Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde für unbegründet erachtet und dazu ausgeführt: Die Voraussetzungen einer Zustellung der Klage gemäß § 184 ZPO lägen nicht vor, weil diese Vorschrift nicht für verfahrenseinleitende Schriftstücke gelte, sondern eine vorangegangene Zustellung mit der Aufforderung voraussetze, einen Prozessbevollmächtigen zu bestellen. Auch eine Zustellung gemäß § 171 ZPO an den Admin-C sei nicht möglich, weil nicht vorgetragen sei, dass dieser rechtsgeschäftlich als Prozessvertreter bevollmächtigt worden sei. Insbesondere ergebe sich die Erteilung einer allgemeinen rechtsgeschäftlichen Vollmacht nicht aus den Domain-Bedingungen der DENIC.

III. Die Rechtsbeschwerde der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde der Klägerin im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde war unzulässig. Die Ablehnung des Antrags, die Klage dem Admin-C der Beklagten zuzustellen, ist nicht mit der sofortigen Beschwerde angreifbar. Deshalb ist die Rechtsbeschwerde mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beschwerde der Klägerin als unzulässig verworfen wird. Das sich aus § 577 Abs. 2 Satz 1 ZPO ergebende Verbot der reformatio in peius steht dem nicht entgegen (vgl. zu § 557 Abs. 1 ZPO BGH, Urteil vom 15. November 2012 - I ZR 128/11, GRUR 2013, 647 Rn. 10 = WRP 2013, 770 - Rechtsmissbräuchlicher Zuschlagsbeschluss, mwN).

1. Gemäß § 567 Abs. 1 ZPO findet die sofortige Beschwerde gegen im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amts- oder Landgerichte statt, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist (§ 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) oder wenn es sich um solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidungen handelt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist (§ 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO).

2. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.

a) Die Vorschriften, nach denen sich die Zustellung einer Klageschrift an einen Prozessvertreter und Zustellungsbevollmächtigten des Beklagten richtet (§ 253 Abs. 1, §§ 166 ff. ZPO), sehen eine sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der Zustellung an einen Prozessbevollmächtigten des Beklagten statt an den Beklagten selbst nicht vor (§ 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

b) Mit der Ablehnung der Zustellung der Klageschrift an einen Zustellungsbevollmächtigten des im Ausland wohnenden Beklagten wird auch kein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen (§ 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO).

Die sofortige Beschwerde ist nach Ablehnung eines Gesuchs nur statthaft, wenn der Erlass der angefochtenen Entscheidung einen Antrag der Partei voraussetzt. Die sofortige Beschwerde findet dagegen nicht statt, wenn die angefochtene Entscheidung ohne Antrag von Amts wegen ergehen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2004 - XII ZB 35/04, NJW 2005, 143, 144; Beschluss vom 13. November 2008 - IX ZB 231/07, NJW-RR 2009, 210 Rn. 12; MünchKomm.ZPO/Lipp, 4. Aufl., § 567 Rn. 11; Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl., § 567 Rn. 14).

Davon ist auch vorliegend auszugehen. Die Klageschrift wird von Amts wegen zugestellt (§ 253 Abs. 1, §§ 166 ff. ZPO). Auch über die im Streitfall fragliche Zustellung an einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten einer im Ausland ansässigen Partei gemäß § 184 ZPO oder § 171 ZPO entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen von Amts wegen, ohne dass diese Entscheidung isoliert durch eine sofortige Beschwerde angefochten werden kann (vgl. zu § 184 ZPO MünchKomm.ZPO/Häublein aaO § 184 Rn. 7).

3. Die Ablehnung der Zustellung der Klageschrift an den inländischen Admin-C kann auch nicht einem Verfahrensstillstand gleichgesetzt werden, bei dem die sofortige Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 252 ZPO statthaft sein kann (vgl. MünchKomm.ZPO/Gehrlein aaO § 252 Rn. 13). Eine Analogie setzt voraus, dass die in den §§ 166 ff. ZPO nicht vorgesehene Anfechtbarkeit auf einer planwidrigen Regelungslücke beruht und eine mit der gerichtlichen Anordnung der Aussetzung des Verfahrens vergleichbare Interessenlage besteht. Eine planwidrige Regelungslücke besteht nicht, weil die Zustellung an die im Ausland ansässige Partei erfolgen kann. Die damit verbundene zeitliche Verzögerung ist notwendige Folge der im Gesetz vorgesehenen, der Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dienenden Auslandzustellung. Damit liegt eine andere Interessenlage vor als bei einer gerichtlichen Anordnung der Aussetzung des Verfahrens im Sinne von § 252 ZPO.

Bornkamm Büscher Schaffert Kirchhoff Löffler Vorinstanzen:

LG Stuttgart, Entscheidung vom 09.04.2013 - 17 O 456/13 -

OLG Stuttgart, Entscheidung vom 14.05.2013 - 10 W 20/13 -