VG Würzburg, Urteil vom 12.11.2013 - W 4 K 12.904
Fundstelle
openJur 2014, 6358
  • Rkr:

Windkraftanlagen; immissionsrechtliche Genehmigung; in Aufstellung befindliches Ziel der Raumordnung; unbenannter öffentlicher Belang; Vorbehalts- und Vorranggebiete mit Ausschlusswirkung; Regionalplan der Region Main-Rhön (3);

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für zwei Windkraftanlagen.

1.

Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 12. November 2011 die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gemäß § 4 BImSchG für die Errichtung von insgesamt zwei Windkraftanlagen auf den Grundstücken Fl.Nrn. ...48 und ...58 der Gemarkung B..., Marktgemeinde B...

Der geplante Standort liegt südöstlich von B... mit einem Abstand von ca. 900 m bzw. 1200 m zur nächsten Wohnbebauung. Die Nennleistung der Anlagen soll jeweils ca. 3,0 Megawatt betragen. Die Windkraftanlagen sollen eine Gesamthöhe von 185,9 m bei einer Nabenhöhe von 135,4 m und einem Rotordurchmesser von 101 m haben.

Nach dem ersten Entwurf der Verordnung zur Änderung des Regionalplans der Region Main-Rhön (Stand: 24.7.2011) befand sich der beantragte Standort auf dem Grundstück Fl.Nr. ...58 innerhalb des unter dem Abschnitt 5.3 „Windkraftanlagen“ geplanten Vorranggebiets für Windkraftanlagen WK 13 „Westlich Haard“, während der geplante Standort auf dem Grundstück Fl.Nr. ...48 außerhalb davon lag. Mit dem geänderten Entwurf (Stand: 24.7.2012) wurde ein Ausschlusskriterium „Abstand von 2000 Metern zu Kureinrichtungen“ aufgenommen, das dazu führte, dass das zwischenzeitlich in ein Vorbehaltsgebiet geänderte WK 13 räumlich zurückgenommen wurde und hierbei der geplante Standort auf dem Grundstück Fl.Nr. ...58 herausgefallen ist. In seiner Sitzung vom 2. Oktober 2013 beschloss der Planungsausschuss des Regionalen Planungsverbands Main-Rhön das Vorbehaltsgebiet WK 13 „Westlich Haard“ insgesamt zu streichen.

2.

Bereits mit Bescheid vom 24. September 2012 hatte das Landratsamt Bad Kissingen den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung abgelehnt.

Zur Begründung des Bescheids wurde im Wesentlichen ausgeführt: Dem Vorhaben stünden andere öffentlich-rechtliche Vorschriften i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG entgegen. Zunächst sei das Vorhaben planungsrechtlich unzulässig, weil ihm ein Ziel des in Aufstellung befindlichen Regionalplans des Regionalen Planungsverbands Main-Rhön als sonstiger öffentlicher Belang im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB entgegenstehe. Im Laufe des Verfahrens sei es zu Änderungen der Planung gekommen, mit der Folge, dass beide Standorte der beantragten Windkraftanlagen sich außerhalb eines Vorrang- oder Vorbehaltsgebiets befänden. Das in Aufstellung befindliche Ziel der Raumordnung in Abschnitt 5.3 „Windkraftanlagen“ erfülle die nach der Rechtsprechung erforderlichen Anforderungen für eine Berücksichtigung im Rahmen des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB. So sei hier ein Mindestmaß an inhaltlicher Konkretisierung gegeben. Der inhaltlich konkretisierte Entwurf rechtfertige darüber hinaus auch die hinreichend sichere Erwartung, dass er über das Entwurfsstadium hinaus zu einer verbindlichen Vorgabe i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG werde. Dieser öffentliche Belang stehe dem Vorhaben hier auch konkret entgegen. Darüber hinaus stünden den geplanten Windkraftanlagen Belange des Naturschutzes nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB entgegen. Durch das Vorhaben werde der Verbotstatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG erfüllt. So hätten die naturschutzfachlichen Erhebungen ergeben, dass in den Jahren 2011 und 2012 ein Rotmilan-Paar in einer Entfernung von 2 km zur nächstgelegenen Anlage registriert worden sei und dass das betreffende Gebiet regelmäßig von Rotmilanen zur Nahrungssuche aufgesucht werde. Damit ergebe sich für den Rotmilan ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko durch die geplanten Anlagen. Die erforderlichen Voraussetzungen für eine Ausnahme gemäß § 45 Abs. 7 BNatSchG seien nicht gegeben. Denn nach der fachlichen Bewertung würde sich der Erhaltungszustand der Population des Rotmilans durch das Vorhaben verschlechtern. Auch eine Befreiung gemäß § 67 BNatSchG komme nicht in Betracht.

3.

Hiergegen ließ die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten am 24. Oktober 2012 Klage erheben und beantragen,

den Bescheid des Landratsamts Bad Kissingen vom 24. September 2012 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin die begehrte Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von zwei Windkraftanlagen auf den Grundstücken Fl.Nrn. ...48 und ...58 der Gemarkung B... zu erteilen.

Zur Begründung wurde vorgetragen: Die Ablehnung des Antrags sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten, da diese einen Rechtsanspruch auf Erteilung der beantragten Genehmigung habe. Es sei schon von keiner die gesetzlichen Anforderungen des § 28 VwVfG einhaltenden Anhörung auszugehen. Im Antragsverfahren sei ein Gutachten des Dipl.Ing. F... T... S... vorgelegt worden, das bescheinige, dass bzgl. des Rotmilanpärchens kein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko i.S.v. § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG vorliege. Es werde auch auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Minden verwiesen, die sich mit einer aktuellen Studie des Michael-Otto-Instituts auseinandersetze. Danach sei die Gesamtpopulation von Rot- und Schwarzmilanen trotz der Errichtung tausender Windkraftanlagen konstant geblieben und ein signifikanter Rückgang dieser Populationen gerade nicht feststellbar. Komme es im Einzelfall zu einer Kollision, werde das einzelne Individuum durch die sog. Populationsreserve im nächsten Jahr ersetzt. Auffällig sei bei dem streitgegenständlichen Bescheid, dass nicht auf den Naturraum, sondern nur auf die bayerische Rhön-Population abgestellt werde, so dass die Erheblichkeitsschwelle von 1% schon bei der Tötung eines Tieres überschritten werde. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Rotmilan zwischenzeitlich aus der Roten Liste entlassen worden sei. Bei einer Untersuchung von 225 Monitoring-Flächen sei festgestellt worden, dass die Leistungen und die Anzahl von Windkraftanlagen zwischen 1991 und 2006 zwar erheblich angestiegen, die Bestandsgröße, die Bestandsdichte und der Bruterfolg der beobachteten Greifvögel jedoch in demselben Zeitraum stabil geblieben sei. Bei dieser Erkenntnislage könne die Beeinträchtigung von Vögeln als Kollisionsopfer nicht als signifikant eingeschätzt werden. Dem Vorhaben stünden auch keine in Aufstellung befindlichen Ziele der Raumordnung entgegen. Ein hinreichendes Maß an Verlässlichkeit, dass der Regionalplan über das Entwurfsstadium hinaus zu einer verbindlichen Vorgabe erstarken werde, liege hier nicht bzw. nicht mehr vor. Der Regionalplan Main-Rhön sei bislang immer noch nicht verabschiedet worden. Die bisherige Planung biete jedenfalls aktuell kein hinreichendes Maß an Verlässlichkeit mehr. Bei einer erneuten Sitzung des Planungsausschusses am 8. Januar 2013 sei eine erneute Anhörung beschlossen worden. Aus dem Protokoll dieser Sitzung ergebe sich, dass auch der Plangeber offensichtlich der Ansicht sei, dass der bisherige Entwurf der Nutzung der Windenergie nicht die von der Rechtsprechung geforderte Substanzialität verschaffe. Das bisherige Raster des bayerischen Windatlasses sei viel zu ungenau, um als sichere Tatsachengrundlage für die Windhöffigkeit dienen zu können. Auch werde bestritten, dass hier die Zielfestlegung wirksam sei; dies gelte insbesondere für die Festlegung eines 2000-m-Radius um Kureinrichtungen. In § 1 Abs. 6 BauGB, der die bei der Aufstellung von Bauleit- und Raumordnungsplänen „insbesondere“ zu berücksichtigenden Belange enthalte, seien Kureinrichtungen als besonders schutzwürdige Einrichtungen nicht genannt. Auch könne hier nicht von einer optisch bedrängenden Wirkung gesprochen werden. Bemerkenswert sei, dass die beantragten Windenergieanlagen sich außerhalb des genannten Radius befänden. Des Weiteren sei bei einer Größe der Vorranggebiete von hier gerade noch 0,6 % der in Betracht kommenden Potentialfläche von einer unzulässigen Verhinderungsplanung auszugehen. Schließlich sei bei der Ermittlung der sog. harten und weichen Tabuzonen offenbar weniger auf städtebaulich relevante Umstände als vielmehr auf die Gewichtungen von Einwendungen, die offensichtlich von Lokalkolorit geprägt seien, abgestellt worden.

4.

Das Landratsamt Bad Kissingen beantragte für den Beklagten,

die Klage abzuweisen.

Vom Klägerbevollmächtigten werde übersehen, dass das Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG grundsätzlich individuenbezogen zu verstehen und deshalb eine Betrachtung auf Populationsebene bei der Bewertung des Tötungsrisikos nicht angebracht sei. Auch lasse eine genaue Betrachtung des vorgelegten avifaunistischen Gutachtens des Büros S... den Schluss zu, dass das geplante Windenergieanlagen-Gelände von den Rotmilanen häufig genutzt werde. Es könne jedenfalls naturschutzfachlich vertretbar aus den vorhandenen Erkenntnismitteln abgeleitet werden, dass im vorliegenden Fall von einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko durch die beantragten Anlagen ausgegangen werden könne. Die Aussagen des Klägerbevollmächtigten zum Tötungsrisiko des Rotmilans durch Windkraftanlagen entsprächen nicht der Faktenlage, denn diese Vogelart gehöre nachweislich zu den häufigsten Anflugopfern von Windenergieanlagen in Deutschland. Eine Ausnahme nach § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5, Satz 2 BNatSchG scheitere auch daran, dass es für die Erzeugung von Energie aus regenerativen Energiequellen zumutbare Alternativen i.S.d. § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG gebe. Hinsichtlich des in Aufstellung befindlichen Ziels der Raumordnung sei nach wie vor das erforderliche Mindestmaß an inhaltlicher Konkretisierung gegeben. Es sei hinreichend sicher davon auszugehen, dass der inhaltlich konkretisierte Entwurf des Regionalplans Main-Rhön in Kapitel VII „Energieversorgung“ unter Abschnitt 5.3 „Windkraftanlagen“ über das Entwurfsstadium hinaus zu einer verbindlichen Vorgabe i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG erstarken werde. Es sei auch davon auszugehen, dass es sich hierbei um wirksame Zielfestlegungen handele. Abschließend sei darauf hinzuweisen, dass der Planungsausschuss des Regionalen Planungsverbandes Main-Rhön in seiner Sitzung vom 2. Oktober 2013 beschlossen habe, das einzige in der Nähe der geplanten Anlagen liegende Vorbehaltsgebiet WK 13 „Westlich Haard“ nunmehr insgesamt zu streichen. Ausschlaggebend hierfür seien insbesondere Belange des Artenschutzes gewesen sowie die visuelle Belastung des Nüdlinger Ortsteils Haard, der auch aus anderen Richtungen von Vorrang- bzw. Vorbehaltsgebieten für Windkraft umgeben sei. Im Rahmen der notwendig gewordenen dritten Anhörung könnten nur noch Einwände und Stellungnahmen zu den am 2. Oktober 2013 beschlossenen Änderungen abgegeben werden, so dass es am geplanten Standort bei einer Ausschlussfläche verbleiben werde und insoweit Planreife gegeben sei.

5.

In der mündlichen Verhandlung vom 12. November 2013 wurde die Sach- und Rechtslage mit den Parteien erörtert. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung, auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die als Versagungsgegenklage zulässige Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) ist unbegründet.

Denn die Voraussetzungen des § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO sind nicht gegeben. Die Klägerin wird durch die Ablehnung der beantragten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht in ihren Rechten verletzt, denn der geltend gemachte Anspruch besteht nicht. Maßgeblich ist hierbei die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. BayVGH, U.v. 24.9.2007 - 14 B 05.2149 - juris; Schmidt in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 113 Rn. 45).

Das geplante Vorhaben der Klägerin auf Errichtung von zwei Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von ca. 185,9 m bedarf nach Nr. 1.6 Spalte 2 des Anhangs zur 4. BImSchV i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der 4. BImSchV der immissionsrechtlichen Genehmigung im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG.

Nach § 6 Abs. 1 BImSchG ist die Genehmigung zu erteilen, wenn (1.) sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer aufgrund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden und (2.) andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen.

Nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB sind Vorhaben, die - wie hier - der Nutzung der Windenergie dienen, im Außenbereich zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Hier fehlt es an der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens, da ihm derartige öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB entgegenstehen.

1.

Den von der Klägerin begehrten Vorhaben stehen die Ziele des in Aufstellung befindlichen Regionalplans des Regionalen Planungsverbands Main-Rhön als unbenannter öffentlicher Belang nach § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB entgegen:

1.1.

Der Regionale Planungsverband Main-Rhön hat am 25. Juli 2011 die Änderung des Regionalplans Main-Rhön (3) Kapitel B VII „Energieversorgung“ Abschnitt 5.3. „Windkraftanlagen“ („X-te Verordnung zur Änderung des Regionalplans Main-Rhön (3)“) beschlossen. Hierzu hat der Planungsausschuss in einer Anlage „Normative Vorgaben“ aufgestellt. Der Regionalplan (Stand: Beschluss vom 2.10.2013) sieht künftig unter dem Punkt „5.3 Windkraftanlagen“ folgende Grundsätze (G) und Ziele (Z) vor:

„5.3.1 G Bei der Errichtung überörtlich raumbedeutsamer Windkraftanlagen soll durch eine vorausschauende Standortplanung vor allem darauf geachtet werden,

• dass unzumutbare Belästigungen der Bevölkerung durch optische und akustische Einwirkungen der Windkraftanlagen vermieden werden und

• dass der Naturhaushalt, das Landschaftsbild und die Erholungsfunktion der Landschaft sowie Bau- und Bodendenkmäler nicht erheblich beeinträchtigt werden.

Windkraftanlagen sollen möglichst in Windparks errichtet, Einzelanlagenstandorte sollen vermieden werden.

5.3.2 Z Überörtlich raumbedeutsame Windkraftanlagen sind in der Regel in den Vorrang- und Vorbehaltsgebieten für Windkraftnutzung zu konzentrieren und in den Gebieten außerhalb der Vorrang- und Vorbehaltsgebiete in der Regel ausgeschlossen.

Von der Regel des Satzes 1 ausgenommen

• sind die bereits errichteten oder rechtskräftig genehmigten Windkraftanlagen;

• ist die Errichtung von Windkraftanlagen in Sondergebieten (Konzentrationsflächen) für Windkraftnutzung, die in Flächennutzungsplänen dargestellt sind, die beim Inkrafttreten der X-ten Verordnung zur Änderung des Regionalplans der Region Main-Rhön (3) vom … bereits rechtswirksam sind.“

Es folgen dann unter dem Ziel in Ziffer 5.3.3 die namentliche Aufzählung von 23 künftigen Vorranggebieten und unter dem Grundsatz in Ziffer 5.3.4 die namentliche Aufzählung von 41 künftigen Vorbehaltsgebieten für Windkraftnutzung sowie der Verweis auf eine Karte. Der von der Klägerin vorgesehene Standort für die beiden streitgegenständlichen Windkraftanlagen findet sich nicht unter diesen Vorrang- oder Vorbehaltsgebieten.

1.2.

Gemäß § 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB dürfen raumbedeutsame Vorhaben nach den Absätzen 1 und 2 den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen; öffentliche Belange stehen raumbedeutsamen Vorhaben nach Absatz 1 nicht entgegen, soweit die Belange bei der Darstellung dieser Vorhaben als Ziele der Raumordnung in Plänen im Sinne des § 8 oder 9 des Raumordnungsgesetzes (ROG) abgewogen worden sind. Öffentliche Belange stehen nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB einem Vorhaben nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist. Hierfür müssen die Ziele wirksam festgelegt sein. In Aufstellung befindliche Ziele - wie hier - reichen hierfür grundsätzlich nicht aus (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 109. Erg.Lief. 2013, § 35 BauGB Rn. 126).

Allerdings ist in der Rechtsprechung (vgl. BVerwG, U.v. 1.7.2010 - 4 C 4/08; U.v. 27.1.2005 - 4 C 5/04; U.v. 13.3.2003 - 4 C 3/02; BayVGH, U.v. 17.11.2011 - 2 BV 10.2295 – alle juris; s.a. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielen-berg/Krautzberger, § 35 Rn. 126, 113a; Gatz, Windenergieanlagen in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis, 2009, Rn. 341) geklärt, dass ein in Aufstellung befindliches Ziel der Raumordnung, das - wie hier - zur Ausschlusswirkung gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB führen soll, als sonstiges Erfordernis der Raumordnung i.S.d. § 3 Nr. 4 ROG einem nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegierten Vorhaben als unbenannter öffentlicher Belang entgegenstehen kann. § 4 Abs. 1 und 3 ROG macht deutlich, dass im Fachrecht nicht bloß verbindliche Zielfestlegungen, sondern auch in Aufstellung befindliche Ziele der Raumordnung relevant sein können. Der Raumordnung kommt bereits in der Entstehungsphase von Zielbestimmungen maßgebliche Bedeutung zu. Die steuernde Kraft, die Ziele der Raumordnung nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG als „verbindliche Vorgaben“ haben, dokumentiert sich im Aufstellungsverfahren in rechtserheblichen Vorwirkungen als sonstige „Erfordernisse“ der Raumordnung i.S.d. § 3 Nr. 4 ROG. Der unterschiedlichen rechtlichen Qualität wird dadurch Rechnung getragen, dass Ziele, deren endgültige rechtliche Verfestigung noch aussteht, im Anwendungsbereich des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB nur eine Berücksichtigungspflicht begründen (so ausdrücklich BayVGH, U.v. 7.11.2011 - 2 BV 10.2295 - juris, Rn. 21).

Um im Zulassungsregime des § 35 BauGB relevant zu sein, muss das in Aufstellung befindliche Ziel der Raumordnung nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bestimmten Anforderungen genügen (BVerwG, U.v. 27.1.2005 - 4 C 5/04 - juris). Im Einzelnen:

1.3.

Erforderlich ist zunächst ein Mindestmaß an inhaltlicher Konkretisierung. Denn der Gesetzgeber lässt es nicht mit der Aufstellung eines Raumordnungsplans bewenden. Es genügt nicht der Hinweis des Trägers der Raumordnungsplanung, einen Aufstellungsbeschluss gefasst oder einen sonstigen Akt vollzogen zu haben, der sich als Einleitung eines Planungsverfahrens werten lässt. Der Gesetzgeber knüpft nach Maßgabe des § 4 Abs. 2 ROG Rechtsfolgen allein an die Zielaufstellung. Dabei kommen aus dem Kreis etwaiger in Aufstellung befindlicher Ziele nur solche als Zulassungshindernis in Betracht, die geeignet sind, ohne weiteren planerischen Zwischenschritt unmittelbar auf die Zulassungsentscheidung durchzuschlagen. Das zukünftige Ziel muss bereits so eindeutig bezeichnet sein, dass es möglich ist, das Bauvorhaben, das den Gegenstand eines bauordnungsrechtlichen Zulassungsverfahrens bildet, an ihm zu messen und zu beurteilen, ob es mit ihm vereinbar wäre. Die insoweit erforderliche Detailschärfe weist es erst auf, wenn es zeichnerisch oder verbal so fest umrissen ist, dass es anderen Behörden und der Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht werden kann. Dieses Stadium der Verlautbarungsreife ist regelmäßig erreicht, wenn es im Rahmen eines Beteiligungsverfahrens zum Gegenstand der Erörterung gemacht werden kann (BVerwG, U.v. 27.1.2005 - 4 C 5/04 - juris, Rn. 28).

Im vorliegenden Fall war der (erste) Entwurf zur Änderung des Regionalplans der Region Main-Rhön (3) in der Fassung vom 25. Juli 2011 bereits Gegenstand des Anhörungsverfahrens unter Einbeziehung der Öffentlichkeit gemäß § 10 Abs. 1 ROG i.V.m. Art. 13 BayLPlG. Der geänderter Entwurf (Stand: 24.7.2012), der ein weiches Ausschlusskriterium „Abstand von 2000 m zu Kureinrichtungen“ vorsieht, hat ebenfalls das Auslegungsverfahren durchlaufen. Im Änderungsentwurf nach dem Stand 2. Oktober 2013 ist das Vorbehaltsgebiet WK 13 „Westlich Haard“ vollständig gestrichen worden. Dieser Änderungsentwurf, der sich seit dem 29. Oktober 2013 im dritten Anhörungsverfahren befindet, ist bei der Regierung von Unterfranken als Höherer Landesplanungsbehörde sowie auf der Internet-Seite des Regionalen Planungsverbands Main-Rhön und der Regierung von Unterfranken für jedermann einsehbar. Die beiden die Windkraftnutzung betreffenden und sie steuernden Ziele Nrn. 5.3.2 und 5.3.3 des Regionalplanentwurfs sind - wie unter Ziffer 1.1 zitiert - bereits vollständig ausformuliert und auch zeichnerisch im Weg einer Karte dargestellt. Es ist daher von einer bereits hinreichenden Konkretisierung der künftigen Ziele auszugehen. Auch kann das klägerische Vorhaben bereits an den beiden in Aufstellung befindlichen Zielen im Rahmen des hier verfahrensgegenständlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens gemessen werden.

1.4.

Der inhaltlich konkretisierte Entwurf muss - zweitens - die hinreichend sichere Erwartung rechtfertigen, dass er über das Entwurfsstadium hinaus zu einer verbindlichen Vorgabe i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG erstarken wird.

Denn es würde - so ausdrücklich das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 27.1.2005 - 4 C 5/04 - juris, Rn. 29 f.) - dem Gewährleistungsgehalt des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zuwiderlaufen, ein ansonsten zulässiges Vorhaben an Zielvorstellungen des Planungsträgers scheitern zu lassen, bei denen noch nicht absehbar ist, ob sie je als zukünftiges Ziel der Raumordnung Außenwirksamkeit entfalten werden. Die Planung muss ein genügendes Maß an Verlässlichkeit bieten, um auf der Genehmigungsebene als Versagungsgrund zu dienen. Diesem Erfordernis ist erst dann genügt, wenn ein Planungsstand erreicht ist, der die Prognose nahe legt, dass die ins Auge gefasste planerische Aussage Eingang in die endgültige Fassung des Raumordnungsplans finden wird. Davon kann keine Rede sein, solange der Abwägungsprozess gänzlich offen ist. Gerade bei Plänen, die auf der Grundlage des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB aufgestellt werden, bedarf es eines Gesamtkonzepts, das dadurch gekennzeichnet ist, dass eine positive Ausweisung, die für eine bestimmte Nutzung substanziellen Raum schafft, mit einer Ausschlusswirkung an anderer Stelle kombiniert wird. Diese Wechselbezüglichkeit von positiver und negativer Komponente bringt es in der Regel mit sich, dass der Abwägungsprozess weit fortgeschritten sein muss, bevor sich hinreichend sicher abschätzen lässt, welcher der beiden Gebietskategorien ein im Planungsraum gelegenes einzelnes Grundstück zuzuordnen ist. Das bedeutet freilich nicht zwangsläufig, dass die zukünftige Ausschlusswirkung eines in Aufstellung befindlichen Ziels einem Außenbereichsvorhaben erst dann entgegengehalten werden kann, wenn der Planungsträger die abschließende Abwägungsentscheidung getroffen hat und es nur noch von der Genehmigung und der Bekanntmachung abhängt, dass eine Zielfestlegung entsteht, die die in § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB genannten Merkmale aufweist. Lässt sich bereits zu einem früheren Zeitpunkt absehen, dass die Windkraftanlage auf einem Grundstück errichtet werden soll, das in einem Raum liegt, der für eine Windenergienutzung von vornherein tabu ist oder aus sonstigen Gründen erkennbar nicht in Betracht kommt, so ist – worauf das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 27. Januar 2005 (4 C 5/04 – juris, Rn. 30) hingewiesen hat - das insoweit in Aufstellung befindliche Ziel der Raumordnung schon in dieser Planungsphase im Baugenehmigungsverfahren berücksichtigungsfähig. Ob und wie lange vor der abschließenden Beschlussfassung sich die Planung gegebenenfalls in Richtung Ausschlusswirkung verfestigen kann, beurteilt sich nach den jeweiligen Verhältnissen vor Ort. Je eindeutiger es nach den konkreten Verhältnissen auf der Hand liegt, dass der Bereich, in dem das Baugrundstück liegt, Merkmale aufweist, die ihn als Ausschlusszone prädestinieren, desto eher ist die Annahme gerechtfertigt, der Plangeber werde diesem Umstand in Form einer negativen Zielaussage Rechnung tragen.

Im vorliegenden Fall war der von der Klägerin geplante Standort auf dem Grundstück Fl.Nr. ...48 schon im ersten Entwurf des Regionalplans nicht in einem Vorbehalts- oder Vorranggebiet gelegen. Hieran hat sich im Laufe des Verfahrens nichts geändert, denn der fragliche Bereich ist auch im Entwurf vom 24. Juli 2012 wie auch in dem Entwurf, der sich derzeit in der Auslegung befindet, nicht als Vorrang- oder Vorbehaltsgebiet dargestellt. Das Gebiet, dem das Grundstück Fl.Nr. ...58 angehörte, war zwar im ersten Entwurf als Vorranggebiet dargestellt, hat aber bereits im zweiten Entwurf diesen Status verloren. Das Grundstück Fl.Nr. ...58 gehörte dieser in seiner Größe reduzierten und als Vorbehaltsgebiet abgestuften Fläche nicht mehr an. Denn dieser Bereich wurde im Verlauf des weiteren Planaufstellungsverfahrens auf seine Eignung anhand der vom Planungsausschuss beschlossenen Kriterien, hier des unter Anlage zum Ziel 5.3.2. genannten „weichen“ Ausschlusskriteriums „Abstand zu Kureinrichtungen von 2.000 m“, geprüft. Wie die Vertreter der Regierung von Unterfranken in der mündlichen Verhandlung – für die Kammer nachvollziehbar – erläutert haben, sei dies der wesentliche Grund für die Zurücknahme der Fläche des Vorbehaltsgebiets WK 13 „Westlich Haard“ gewesen, wobei allerdings noch andere Kriterien zur Streichung dieses Gebiets geführt hätten, vor allem artenschutzrechtliche Gründe, nämlich die Meldung über Rotmilan-Vorkommen, aber auch die Gefahr einer „Umzingelung“ der Ortschaft Haard. Bei diesen beiden letztgenannten Gründen handelt es sich um sog. Restriktionskriterien, die nach dem vom Regionalen Planungsverband in der Anlage zu 5.3.2 aufgestellten Kriterienkatalog die Windkraftnutzung im Einzelfall beschränken können. Diese Gefahr der Umzingelung wurde von den Vertretern der Regierung von Unterfranken in der mündlichen Verhandlung plausibel anhand von Kartenmaterial dargelegt. Denn diesem konnte entnommen werden, dass nördlich der Ortslage Haard das Vorranggebiet WK 71a, östlich von Haard das Vorbehaltsgebiet WK 70 und südöstlich bzw. südlich das Vorbehaltsgebiet WK 71 geplant ist, so dass zusammen mit dem nordwestlich von Haard ursprünglich vorgesehenen Gebiet WK 13 die Gefahr einer „Umzingelung“ drohte.

Nach allem ist nicht zu erwarten, dass das Baugrundstück Fl.Nr. ...48 erstmals und das Baugrundstück Fl.Nr. ...58 nochmals den Status eines Vorrang- oder Vorbehaltsgebiets erhalten werden. Dies wird auch deutlich in den von den Vertretern der Höheren Landesplanungsbehörde in der mündlichen Verhandlung gemachten Aussagen, dass nach ihrer derzeitigen Einschätzung im Bereich der Baugrundstücke nicht mehr mit einer Ausweisung als Vorrang- oder Vorbehaltsgebiet zu rechnen sei. Auf Nachfrage wurde dies für die Kammer nachvollziehbar damit begründet, dass der bisherige Beschluss zur Herausnahme des Gebiets wie auch die Beschlüsse über die Festlegung der Kriterien, die zur Herausnahme des Gebiets geführt haben, einstimmig gefallen seien.

1.5.

Schließlich ist hier auch von einer wirksamen Zielfestlegung auszugehen. Insoweit ist der Frage nachzugehen, ob dem Planentwurf Mängel anhaften, die sich als formelles oder materielles Wirksamkeitshindernis erweisen können. Denn ein in Aufstellung befindliches Ziel kann einem privilegierten Vorhaben nur dann als öffentlicher Belang entgegengehalten werden, wenn davon auszugehen ist, dass es so, wie es im Entwurfsstadium vorliegt, wird rechtliche Verbindlichkeit erlangen können (BVerwG, U.v. 27.1.2005 - 4 C 5/04 – juris, Rn. 31). Um im Anwendungsbereich des § 35 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BauGB als Zulassungshindernis in Betracht zu kommen, genügt es nicht, dass eine planerische Vorgabe die äußerlichen Merkmale eines Ziels der Raumordnung aufweist. Die Zielfestlegung muss wirksam sein. Ein in Aufstellung befindliches Ziel kann insoweit keine vergleichsweise stärkeren rechtlichen Wirkungen erzeugen. Seine Verhinderungskraft kann nicht weitergehen als die der späteren endgültigen Zielfestlegung.

Die Klägerin bringt insoweit vor, dass der Regionalplan-Entwurf mit materiellem Recht nicht vereinbar sei, weil wegen des geringen Anteils der Gebiete für Windkraftnutzung am Gesamtgebiet eine unwirksame Verhinderungsplanung vorliege. Dem kann sich die Kammer nicht anschließen:

Wie aus § 1 Abs. 1 ROG zu ersehen ist, hat die Raumordnung Planungscharakter. Damit sind Pläne, die auf dieser Planungsstufe aufgestellt werden, Abwägungsprodukte, die nach den in der Rechtsprechung zum Abwägungsgebot entwickelten Grundsätzen der gerichtlichen Prüfung unterliegen (vgl. BVerwG, U.v. 27.1.2005 - 4 C 5/04 - juris, Rn. 34). Die Klägerin hat indes keinen durchgreifenden Abwägungsmangel aufgezeigt. Insbesondere deutet derzeit nichts darauf hin, dass der Regionale Planungsverband Main-Rhön die Bedeutung der privaten Belange verkannt haben könnte. Mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist zwar ausdrücklich hervorzuheben, dass sich das Zurücktreten der Privilegierung in Teilen des Planungsgebiets nach der Wertung des Gesetzgebers nur dann rechtfertigen lässt, wenn die Planung die Gewähr dafür bietet, dass sich die betroffenen Vorhaben an anderer Stelle gegenüber konkurrierenden Nutzungen durchsetzen. Der Träger der Raumordnungsplanung darf das Instrumentarium, das ihm das Raumordnungsrecht an die Hand gibt, nicht für eine „Verhinderungsplanung" missbrauchen (vgl. BVerwG, Ue.v. 17.12.2002 - 4 C 15/01 und vom 13.3.2003 - 4 C 4/02 – beide juris). Neben einer gezielten – also rein negativen - Verhinderungsplanung ist auch eine bloße „Feigenblatt-Planung“, die auf eine verkappte Verhinderungsplanung hinausläuft, unzulässig (BayVGH, U.v. 17.11.2011 - 2 BV 10.2295 - juris). Eine solche liegt aber nicht schon dann vor, wenn die Festlegung von Konzentrationsflächen zu einer Art „Kontingentierung“ der Anlagenstandorte führt. Denn der Gesetzgeber sieht es als berechtigtes öffentliches Interesse an, die Windenergienutzung zu kanalisieren und zu steuern (BayVGH, U.v. 17.11.2011 - 2 BV 10.2295 - juris). In den Urteilen vom 17. Dezember 2002 (4 C 15/01 - juris) und vom 13. März 2003 (4 C 3/02 - juris) hat das Bundesverwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass sich der, gemessen an der Gesamtfläche, geringe Umfang einer Positivausweisung, isoliert betrachtet, nicht als Indiz oder gar Beleg für eine verkappte Verhinderungsplanung werten lässt.

Darüber hinaus kann hier nicht davon ausgegangen werden, wie die Klägerin meint, dass das Planungsergebnis der Windenergie nicht substanziell Raum verschaffen würde. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Die Gesamtfläche der Region Main-Rhön beträgt ca. 400.000 ha. Die sog. Potenzialfläche, also die Fläche, die sich nach Abzug „harter“ und „weicher“ Tabuzonen von der Gesamtfläche ergibt, beträgt ca. 100.000 ha (vgl. Niederschrift der Sitzung des Planungsausschusses vom 2.10.2013). Im 1. Entwurf gab es noch 52 Vorranggebiete mit einer Fläche von 5.654 ha und 42 Vorbehaltsgebiete mit einer Fläche von 7.157 ha. In dem aktuellen Planentwurf, der der derzeitigen Auslegung zu Grunde liegt, sind ausweislich der Begründung zur Änderung des Regionalplans noch 23 Vorranggebiete mit einer Fläche von 2.417 ha und 41 Vorbehaltsflächen mit einer Fläche von 4.379 ha und damit eine Gesamtfläche von ca. 6.796 ha eingeflossen. Dies entspricht in etwa 1,75 % der Regionsfläche bzw. 7 % der Potenzialfläche. Wenn man auf die Potenzialfläche abstellt (so das BVerwG, U.v. 13.12.2012 – 4 CN 1/11 – juris, Rn. 18) beträgt der Anteil allein der Vorrangflächen hiervon ca. 2,4 %. Wenn auch nicht verkannt wird, dass gegenüber dem ersten Entwurf die Größe der Vorrang- uns Vorbehaltsgebiete für Windkraftanlagen in der Region Main-Rhön deutlich reduziert wurde, kann die Kammer bei dem hier gegebenen Flächenverhältnis jedenfalls kein Indiz für eine bloße Verhinderungsplanung erkennen.

Das Vorbringen der Klägerin, dass Kureinrichtungen in § 1 Abs. 6 BauGB, der die bei der Aufstellung von Bauleit- und Raumordnungsplänen „insbesondere“ zu berücksichtigenden Belange enthalte, als besonders schutzwürdige Einrichtungen nicht genannt und dass damit diese Zielfestlegung nicht wirksam sei, kann der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Denn der Regionale Planungsverband Main-Rhön ist insoweit zu Recht von einem „weichen“ Ausschlusskriterium ausgegangen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. U.v. 13.12.2012 – 4 CN 1/11 – juris, Rn. 10 m.w.H. zur Rspr.) hat sich die im Abwägungsvorgang angesiedelte Ausarbeitung eines Planungskonzepts abschnittsweise zu vollziehen. Danach sind in einem ersten Schritt die Flächen zu ermitteln, auf denen die Errichtung und der Betrieb von Windkraftanlagen aus tatsächlichen und/oder rechtlichen Gründen schlechthin ausgeschlossen sind (sog. "harte" Tabuzonen). In einem zweiten Schritt sind diese Flächen nachvollziehbar um die Flächen zu reduzieren, auf denen Windkraftanlagen zwar tatsächlich und rechtlich errichtet und betrieben werden können, in denen sie aber nach städtebaulichen bzw. raumordnerischen Vorstellungen nicht aufgestellt werden sollen (sog. "weiche" Tabuzonen). Während „harte“ Tabuzonen einer Abwägung zwischen den Belangen der Windenergienutzung und widerstreitenden Belangen entzogen sind, sind „weiche“ Tabuzonen zu den Flächen zu rechnen, die einer Berücksichtigung im Rahmen der Abwägung zugänglich sind. Während also „harte“ Tabuzonen kraft Gesetzes als Konzentrationsflächen für Windenergienutzung ausscheiden, muss der Plangeber eine Entscheidung für „weiche“ Tabuzonen rechtfertigen (BVerwG, U.v. 13.12.2012 – 4 CN 1/11 – juris – Rn. 12 f.).

Diesen Anforderungen hat der Regionale Planungsverband Main-Rhön hinsichtlich der Festlegung eines „weichen“ Ausschlusskriteriums „Abstand von 2.000 m zu Kureinrichtungen“ Rechnung getragen: Der Regionale Planungsverband hat in der Änderungsbegründung klar zwischen „harten“ und „weichen“ Ausschlusskriterien differenziert und deutlich gemacht, dass die Bedeutung dieser Begriffe erkannt wurde (vgl. hierzu S. 17 „Methodik“). Der Regionale Planungsverband hat des Weiteren die Anwendung dieses „weichen“ Kriteriums mit städtebaulichen bzw. raumordnerischen Gründen begründet, wenn er ausführt (S. 20 der Änderungsbegründung), dass innerhalb der Region die fünf Kurorte Bad Bocklet, Bad Brückenau, Bad Kissingen, Bad Königshofen i. Grabfeld und Bad Neustadt a.d. Saale lägen, die sich zum Bäderland Bayerische Rhön zusammengeschlossen hätten und der Region einen speziellen Charakter bzw. Standortfaktor gäben. Daher sei auch das Ziel A IV im Regionalplan bestimmt, dass der Region Sonderfunktionen im Bereich Gesundheit, Wellness, Kur und Tourismus zukämen, die zu sichern und zu stärken seien. Um den besonderen Anforderungen dieser Sonderfunktionen gerecht zu werden, sei ein Abstand von 2.000 m zu den Kureinrichtungen vorzusehen. Damit hat der Regionale Planungsverband Main-Rhön aufgezeigt, wie er diesen Ausschlussgrund bewertet, d.h. er hat kenntlich gemacht, dass er – anders als bei „harten“ Ausschlusskriterien - einen Beurteilungsspielraum hat und hat die Gründe für seine Wertung offengelegt.

1.6.

Nach der im vorliegenden Fall vorzunehmenden Abwägung im Einzelfall steht der unbenannte öffentliche Belang in Form der in Aufstellung befindlichen Ziele der Raumordnung den Vorhaben auch entgegen.

Ob ein öffentlicher Belang einem privilegierten Vorhaben im Einzelfall entgegensteht, ist im Weg einer „nachvollziehenden“ Abwägung zu ermitteln (vgl. BVerwG, U.v. 1.7.2010 - 4 C 4/08 - juris; U.v. 27.1.2005 - 4 C 5/04 – juris, m.w.N.; BayVGH, U.v. 17.11.2011 - 2 BV 10.2295 – juris, Rn. 40). Dabei sind die öffentlichen Belange je nach ihrem Gewicht und dem Grad ihrer nachteiligen Betroffenheit einerseits sowie das kraft der gesetzlichen Privilegierung gesteigert durchsetzungsfähige Privatinteresse an der Verwirklichung des Vorhabens andererseits einander gegenüberzustellen. Ein in Aufstellung befindliches Ziel besitzt dabei nicht das Gewicht, das § 35 Abs. 3 Satz 2 und 3 BauGB den bereits wirksam festgelegten Zielen der Raumordnung verleiht. Es kann sich jedoch auch gegen ein privilegiertes Vorhaben durchsetzen (vgl. BVerwG, U.v. 1.7.2010 - 4 C 4/08; U.v. 13.3.2003 - 4 C 3/02 – beide juris). Um das private Interesse des Bauherrn an der Verwirklichung des Vorhabens gegen die in Aufstellung befindliche Planung nachvollziehend abwägen zu können, muss feststehen, welche Belange bereits Gegenstand der planerischen Abwägung waren und ob beim Baugrundstück besondere Umstände vorliegen, die bei der Abwägung noch nicht berücksichtigt wurden.

Im vorliegenden Fall wurde das fragliche Gebiet vom Regionalen Planungsverband aus mehreren Gründen für nicht geeignet gehalten, um als Vorrang-(oder Vorbehalts-)gebiet für die Nutzung von Windenergie dienen zu können. Es handelt sich also nicht nur um den Ausschluss eines Gebiets aus lediglich einem Grund. Damit liegt ein umso gewichtigerer öffentlicher Belang für die hier vorzunehmende Abwägung vor. Wenige Windkraftanlagen außerhalb der dafür vorgesehenen Vorranggebiete würden zudem das Planungsziel der Konzentration erheblich unterlaufen. Demgegenüber hat die Klägerin außer ihrem Interesse an der Verwirklichung ihres Vorhabens keine besonderen Umstände vorgetragen. Es ist auch nicht erkennbar, dass hinsichtlich der Baugrundstücke besondere Umstände vorliegen. Die Baugrundstücke sind (wohl) ausreichend windhöffig. Allerdings sind auch viele andere Flächen in der Region Main-Rhön vergleichsweise windreich. Im Ergebnis fällt somit hier die Abwägung zulasten der Klägerin aus.

2.

Mithin kam es auf die zwischen den Parteien thematisierte Frage, ob den Vorhaben auch Belange des Naturschutzes nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB entgegenstehen, weil der Rotmilan als besonders geschützte Art einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko i.S.v. § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ausgesetzt wäre, nicht mehr an.

Soweit die Klägerseite vorgetragen hat, dass hier vor Erlass des ablehnenden Bescheids vom 24. September 2012 eine den gesetzlichen Anforderungen des Art. 28 BayVwVfG (richtig statt § 28 VwVfG) genügende Anhörung nicht stattgefunden habe, kann dies der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Hierbei kann offenbleiben, ob die durch das Landratsamt Bad Kissingen durchgeführte Anhörung der Klägerin mit Schreiben vom 11. September 2012 nicht den Anforderungen des Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG genügt, denn die Anhörung kann auch noch – wie geschehen - im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden. Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG lässt nämlich die Nachholung bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz zu, um Rechtsbehelfe, die lediglich auf eine Verletzung rechtlichen Gehörs gestützt sind, nach Möglichkeit einzuschränken. Darüber hinaus würde selbst ein formell rechtswidriger Verwaltungsakt der Verpflichtungsklage der Klägerin nicht zum Erfolg verhelfen, da der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung aus materiell-rechtlichen Gründen (s.o. unter 1.) nicht gegeben ist.

Nach allem konnte die Klage keinen Erfolg haben und war mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.  

Beschluss

Der Streitwert wird auf 248.700,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 63 Abs. 1 GKG. Nach dem Streitwertkatalog 2013 (Ziff. 19.1.1) beträgt der Streitwert der Klage auf Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung 2,5 % der Investitionssumme (hier von 9.948.000,00 EUR).