OLG Oldenburg, Urteil vom 04.02.2014 - 12 U 144/13
Fundstelle
openJur 2014, 5608
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 28.10.2013 verkündete Urteil des Einzelrichters der 9. Zivilkammer geändert.

Die Teilungsversteigerung betreffend das im Grundbuch von ……… Blatt ………eingetragene Grundstück, laufende Nummer ……des Bestandsverzeichnisses, Gemarkung ………, Flur …., Flurstück …….., Gebäude- und Freifläche zur Größe von 318 m², ……………………., wird für unzulässig erklärt.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.

Die Parteien sind gemeinsam mit einem Bruder Miterben zu je 1/3 des am 11.04.2007 verstorbenen Erblassers O…  B …. . Der Nachlass ist noch nicht auseinandergesetzt. Es bestehen unbefriedigte Nachlassverbindlichkeiten. Im Nachlass befinden sich neben weiteren erheblichen Vermögenswerten zehn Grundstücke. Für alle Grundstücke hat der Erblasser Teilungsanordnungen getroffen. Jeder Miterbe ist mit Grundstücken begünstigt. Das in Rede stehende Grundstück ………………….in ………. ist der Klägerin zugewiesen.

Der Beklagte hat die Teilungsversteigerung dieses Grundstück eingeleitet. Er macht geltend, die Versteigerung sei erforderlich, um dem Nachlass liquide Mittel zuzuführen. Vor einer Gesamtauseinandersetzung müssten Schulden beglichen werden. Mit der Versteigerung solle die endgültige Auseinandersetzung vorbereitet werden. Die Klägerin will die Versteigerung verhindern. Sie macht geltend, der Beklagte verstoße gegen die Teilungsanordnung des Erblassers.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es führt aus, der Beklagte könne jederzeit die Auseinandersetzung verlangen. Mit der Teilungsversteigerung wolle er die Gesamtauseinandersetzung der Erbengemeinschaft einleiten. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er in Wahrheit andere Ziele verfolge, liege bei der Klägerin.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Hiermit verfolgt sie ihr erstinstanzliches Rechtsschutzziel weiter.

Sie beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Teilungsversteigerung betreffend das im Grundbuch von …… Blatt …… eingetragene Grundstück, laufende Nummer …. des Bestandsverzeichnisses, Gemarkung ……, Flur …., Flurstück …….., Gebäude- und Freifläche, ……………….. zur Größe von 318 m² für unzulässig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte tritt der Berufung nach Maßgabe seiner Erwiderung und des nachgelassenen Schriftsatzes vom 27.1.2014 (Bl. 161 ff) entgegen. Er führt aus, das in Rede stehende Grundstück sei das Wertvollste. Daher sei die Versteigerung dieses Grundstücks der beste Weg, um die Schulden zu begleichen und sodann den Nachlass endgültig auseinanderzusetzen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil verwiesen.

II.

Die Berufung hat Erfolg.

Die Klägerin will erreichen, dass die nach §§ 180, 181 ZVG vom Beklagten eingeleitete Zwangsversteigerung zur Aufhebung der Gemeinschaft für unzulässig erklärt wird. Ihre Klage ist als unechte Drittwiderspruchsklage statthaft (OLG Karlsruhe FamRZ 2004, 1221). Da im Rahmen des vollstreckungsrechtlichen Verfahrens nach den §§ 180, 181 ZVG nicht überprüft wird, ob materiell-rechtliche Vorschriften der Zwangsversteigerung entgegenstehen, muss der Miteigentümer, der mit der Versteigerung nicht einverstanden ist, seine Rechte in analoger Anwendung der §§ 768, 771 ZPO auf dem Klagewege durchsetzen.

Die Klage ist begründet. Der Beklagte ist nicht berechtigt, die Versteigerung des Grundstücks zu betreiben.

In erster Linie steht der Versteigerung entgegen, dass sie der Teilungsanordnung des Erblassers widerspricht.

Eine Teilungsanordnung des Erblassers gemäß § 2048 S. 1 BGB führt zu einer schuldrechtlichen Bindung der Erben (BGH NJW 1981, 1837). Sie ist für alle Miterben verbindlich (vgl. BGH NJW-RR 1990, 1220, 1221; Soergel/Wolf, BGB, 13. Auflage, § 2048 Rdn. 2; Palandt /Weidlich, BGB, 73. Auflage, § 2048 Rdn. 4) und ersetzt in ihrem Umfang den von den Erben gemeinsam aufzustellenden Teilungsplan. Sie geht damit den gesetzlichen Regeln über die Auseinandersetzung vor (BGH NJW 2002, 2712; OLG München FamRZ 2010, 758 f). Insbesondere schließt sie die Befugnis der weiteren Miterben aus, zwangsweise die Teilungsversteigerung eines einzelnen Nachlassgrundstücks gem. § 180 ZVG zu betreiben (vgl. RG JW 1925, 2120f, Nr. 10; Staudinger/Werner, BGB, 2010, § 2042 Rdn. 40).

Die dem Teilungsplan zuwider laufende Versteigerung ist vorliegend auch nicht aus besonderen -  übergeordneten - Gründen ausnahmsweise statthaft. Zwar sind Fälle denkbar, in denen es aufgrund von Treu und Glauben möglich sein muss, einen Nachlassgegenstand unter Abweichung von der Teilungsanordnung und gegen den Willen des begünstigten Erben zu veräußern, und zwar dann, wenn ein schwerer Schaden vom Nachlass abgewendet werden muss. Ein solcher Sonderfall ist etwa denkbar, wenn die Teilungsversteigerung der einzige Weg ist, um eine Nachlassinsolvenz abzuwenden und der begünstigte Erbe keinen vernünftigen Grund anführen kann, der es rechtfertigen könnte, das ihm zugewandte Grundstück zu schonen. Darlegungs- und beweispflichtig für die Umstände, die einen solchen Sonderfall begründen könnten, ist aber der Miterbe, der das Recht für sich in Anspruch nimmt, dass er sich über die Teilungsanordnung des Erblassers zu Lasten des begünstigten Miterben hinwegsetzen kann.

Die Voraussetzungen für einen solchen Sonderfall sind vom Beklagten auch nicht ansatzweise dargetan. Der Beklagte führt lediglich ins Feld, das in Rede stehende Grundstück sei das Wertvollste, mit dem zu erwartenden Versteigerungserlös könnten die Nachlassverbindlichkeiten voraussichtlich getilgt werden.

Es kann auf sich beruhen, ob diese Behauptung richtig ist. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, ist nicht ersichtlich, dass nicht auch andere Wege zur Begleichung der Schulden zur Verfügung stehen, und zwar solche, die nicht einseitig zu Lasten der Klägerin gehen. Denkbar wäre zum Beispiel, dass andere Grundstücke veräußert und hierbei alle Miterben in etwa gleichmäßig belastet werden, so dass die geplante Entschuldungsaktion nicht allein zu Lasten der Klägerin geht. Ferner - und dies liegt am nächsten - kommt in Betracht, dass die Miterben die Erträge aus den Grundstücken zur Tilgung der Nachlassverbindlichkeiten verwenden. Die Miterben haben sich zwar darauf geeinigt, dass die Erträge jeweils dem Miterben zufließen, dem nach der Teilungsanordnung des Erblassers das einzelne Grundstück zufallen soll. Hierbei kann es sich aber nur um eine vorläufige Regelung handeln, die noch keine Aussage über die endgültige Verteilung trifft. Da nunmehr Verbindlichkeiten zu erfüllen sind, liegt es auf der Hand, die Erträge zumindest für die Zukunft zum Nachlass zu ziehen. Daneben kommt in Betracht, dass die Miterben die an sie geflossenen Vorschüsse zurückzahlen. Dies würde jedenfalls einer ordnungsgemäßen Verwaltung entsprechen. Da die Erträge - für Vergangenheit und Zukunft bis zur endgültigen Teilung - allen Miterben gemeinschaftlich gebühren, muss über sie ohnehin abgerechnet werden. Gründe, warum dieser Weg nicht gangbar ist, und zwar notfalls nach einem Rücktritt von der vorläufigen Vereinbarung zur Vereinnahmung der Erträge und Verwertung der in der Vergangenheit erwirtschafteten Überschüsse, sind vom Beklagten auch nach entsprechendem rechtlichen Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung nicht dargetan worden. Der Beklagte trägt selbst vor, dass die Erträge aus den Grundstücken jährlich ca. 100.000,- € betragen. Allein die in der Vergangenheit erwirtschafteten Beträge übersteigen den zu erwartenden Versteigerungserlös. Ohne Erfolg macht der Beklagte in diesem Zusammenhang geltend, die beiden anderen Miterben würden eine dementsprechende sachgerechte Verwendung der Erträge verweigern. Dies berechtigt den Beklagten auch aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht, einen anderen Weg zu gehen und einseitig die Klägerin heranzuziehen. Demgemäß kann nicht festgestellt werden, dass ein besonderer Grund vorliegt, von der Teilungsanordnung des Erblassers abzuweichen und einseitig die Klägerin zu belasten.

Daneben hat die Klage deswegen Erfolg, weil der Beklagte mit der Teilungsversteigerung auch gegen § 2042 BGB verstößt. Die Möglichkeit, die Versteigerung von Nachlassgrundstücken zu betreiben, steht dem Beklagten nur als Ausfluss seines Rechts auf Auseinandersetzung nach § 2042 BGB zu. Grundvoraussetzung ist, dass die Versteigerung die Gesamtauseinandersetzung der Erbengemeinschaft bezweckt (vgl. RG JW 1919, 42, 43, Nr. 9). Bei Zweifeln darüber, ob eine Gesamt- oder Teilauseinandersetzung bezweckt wird, kann ausnahmsweise im Betreiben der Zwangsvollstreckung selbst das Betreiben der Gesamtauseinandersetzung gesehen werden (vgl. RG JW 1919, 42, 43 Nr. 9), sofern die Versilberung eines Nachlassgegenstands den ersten Schritt auf Herbeiführung der Gesamtauseinandersetzung bildet (vgl. RG JW 1919, 42, 43, Nr. 9).

Der Beklagte betreibt derzeit nicht die Gesamtauseinandersetzung. Er legt es gerade nicht darauf an, alle unteilbaren Nachlassgegenstände zu Geld zu machen. Er will nur einen einzelnen Nachlassgegenstand veräußern. Dabei würde er  noch nicht einmal den Zugriff auf den Versteigerungserlös erhalten. Der Erlös würde in den Nachlass fallen. Da die Verwaltung des Nachlasses den Miterben gemeinschaftlich zusteht, wäre damit noch nicht einmal klar, dass der Erlös zu dem Zweck verwendet wird, den sich der Beklagte vorstellt. Denkbar ist, dass die Erbengemeinschaft andere Maßnahmen beschließt, durch die die Verbindlichkeiten getilgt werden. Zwar kann ausnahmsweise auch eine gegenständlich beschränkte Teilauseinandersetzung gegen den Willen eines Miterben zulässig sein. Erforderlich ist dabei aber, dass besondere Gründe hierfür vorliegen und der widersprechende Miterben keine berechtigten Interessen gegen die Teilauseinandersetzung geltend macht (vgl. BGH NJW 1985, 51, 52; KG NJOZ 2003, 2609, 2610; MüKo/Ann, BGB, 6. Auflage, § 2042 Rn. 19; Staudinger/Werner, 2010, § 2042 Rdn. 30). Darlegen und beweisen muss diesen Ausnahmetatbestand derjenige, der Rechte hieraus ableitet (RG JW 1919, 42, 43). Insoweit kann auf die Ausführungen zur Bindungswirkung der Teilungsanordnung Bezug genommen werden. Das sich aus Teilungsanordnung ergebende berechtigte Interesse der Klägerin gegen die Versteigerung überwiegt. Da andere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, die alle Miterben gleichmäßig belasten, besteht kein Grund dafür, dass die Klägerin einer Teilauseinandersetzung in der vom Beklagten angestrebten Form zustimmen muss.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.