Niedersächsisches OVG, Urteil vom 20.02.2014 - 1 LB 189/11
Fundstelle
openJur 2014, 4984
  • Rkr:
Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 2. Kammer (Einzelrichter) - vom 11. April 2011 wird geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der vollstreckbaren Kostenforderung abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die Genehmigung für sein Einfamilienhaus ohne Einschränkung auf betriebsbezogenes Wohnen erteilt worden ist.

Der Kläger ist Gründer und war bis 2001 Eigentümer des 1978 auf dem Gelände des bisherigen Forstbetriebs und Wildparks Heidenhof eingerichteten Freizeitparks „Heide-Park“. Zum Betriebsgrundstück gehörte ursprünglich auch das nordöstlich des Parks gelegene Flurstück 3/6 in der Gemarkung Dittmern, das zunächst mit drei Nurdach-Häusern bebaut war und damals im Außenbereich lag.

Am 9.9.1981 stellte der Kläger erfolglos eine Bauvoranfrage für ein zusätzliches Wohnhaus auf dem Flurstück 3/6, das er als Betriebsleiter benötige. Diese Bauvoranfrage lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 12.3.1982 mit der Begründung ab, das Vorhaben sei im Außenbereich nicht privilegiert. Am 13.1.1983 beantragte der Kläger erneut die Erteilung eines Bauvorbescheids „zur Errichtung eines Ersatzwohnbaus für zwei Nurdach-Häuser“.  Der Ersatzbau sollte eine Wohnfläche von 326,8 m² (gegenüber insgesamt ca. 245 m² Wohnfläche der beiden Nurdachhäuser) erhalten. In der Antragsbegründung heißt es, wegen der Bewirtschaftung des Freizeitparks sei es unumgänglich, dass der Kläger seine Wohnung am Freizeitpark habe, weil eine dauernde Aufsicht über die Anlagen erforderlich sei. Die bestehenden Nurdachhäuser in einen modernen, wohngerechten Zustand zu bringen, sei so teuer, dass der Abbruch und die Errichtung eines Ersatzbaus wirtschaftlicher sei. Da die sechsköpfige Familie des Klägers aufgrund geschäftlicher Verpflichtungen einen großen Haushalt führe, sei ein Raumbedarf im beantragten Umfang begründet. In einem Vermerk vom 26.1.1983 führte der Beklagte aus, das Vorhaben sei nach § 35 Abs. 5 Ziff. 1 BBauG zu beurteilen und erfülle dessen Voraussetzungen. Mit Bescheid vom 27.4.1983 erteilte er dem Kläger den begehrten Bauvorbescheid, und zwar nach der Nebenbestimmung Nr. 02 „gemäß § 35 Abs. 5 Ziff. 1 des Bundesbaugesetzes unter der Bedingung…, dass die vorhandenen 3 Nur-Dachhäuser im Zusammenhang mit dieser Maßnahme abgebrochen werden.“ Der Bauvorbescheid wurde mit Bescheid vom 26.9.1984 erneuert, mit der Nebenbestimmung, dass die mit dem ursprünglichen Bescheid erteilten Auflagen und Bedingungen auch für den neuen Bescheid gälten.

Am 14.1.1985 beantragte der Kläger eine Baugenehmigung für den „Neubau eines Einfamilienhauses“ mit 672,7 m² Wohnfläche. Unter „Angaben über Bauvoranfragen“ heißt es: „Ein Bauvorbescheid wurde am 26.9.1984 erteilt.“ Der Bauvorbescheid war den eingereichten Bauvorlagen beigefügt. Mit Bescheid vom 7.3.1985 lehnte der Beklagte den Bauantrag ab und führte zur Begründung aus, das Vorhaben sei nicht nach § 35 Abs. 1 BBauG privilegiert und nicht nach § 35 Abs. 2 BBauG zulässig. Das Vorhaben weiche hinsichtlich Wohnfläche, Länge und Höhe von der mit Bauvorbescheid erteilten Zustimmung erheblich ab. Zudem fehle der Antrag auf gleichzeitigen Abbruch der drei Nurdachhäuser. Mit Schreiben vom 1.4.1985 erhob der Kläger Widerspruch. In nachfolgenden Gesprächen erklärte er sich bereit, die Wohnfläche des Vorhabens auf 418,49 m² zu reduzieren, indem er verschiedene bisher als Aufenthaltsräume vorgesehene Räume als „Bodenraum“ deklarierte, der nicht zum Aufenthalt vorgesehen sei. Zur Begründung der verbleibenden Gebäudevergrößerung gegenüber dem Vorbescheid berief er sich in einem Schreiben vom 29.5.1985 auf eine Vergrößerung seiner Familie und erweiterte Repräsentationspflichten infolge des gestiegenen Bekanntheitsgrades des Heide-Parks. Mit Schreiben vom 5.6.1985 nahm er seinen Widerspruch zurück. Unter dem 26.8.1985 erteilte der Beklagte dem Kläger die beantragte Baugenehmigung mit der geänderten Zweckbestimmung der Räumlichkeiten. Die Nebenbestimmung Nr. 15 lautete: „Die vorhandenen drei Nurdachhäuser sind bis zur Bezugsfertigkeit des Neubaus abzubrechen und restlos zu beseitigen“, Nebenbestimmung Nr. 18: „Ein weiterer Ausbau des Gebäudes für Aufenthaltszwecke ist nicht zulässig.“ Einen zunächst gegen das Vorhaben aufgrund von dessen Dimensionierung erhobenen Widerspruch nahm die Stadt Soltau nach Rücksprache mit dem Beklagten wieder zurück. Mit Nachtragsgenehmigung vom 12.2.1987 genehmigte der Beklagte weitere Änderungen der Raumnutzung im Keller- und Erdgeschoss.

Das Haus wurde mit diesen sowie weiteren, nicht genehmigten Abweichungen im Dachgeschoss und Spitzboden, errichtet. Der Kläger riss zwei der Nurdachhäuser ab, nicht jedoch das dritte. Im März 1988 drang der Beklagte auch auf dessen Beseitigung, die der Kläger mit Schreiben vom 10.3.1988, 6.4.1988 und in Gesprächen bis ins Jahr 1994 hinein mit der Begründung ablehnte, er benötige das Nurdachhaus zur Verwaltung des Heide-Parks. Das Nurdachhaus steht weiterhin.

Im Jahr 1999 wurde auf Antrag des Klägers eine Baulast in das Baulastenverzeichnis eingetragen, nach der das „mit einem Betriebsleiterwohnhaus bebaute“ Klägergrundstück und das Betriebsgrundstück des Heide-Parks nur gemeinsam genutzt werden dürften. Ende 1999 trat der Bebauungsplan Wolterdingen Nr. 5 „Heide-Park“ in Kraft, der für das Flurstück 3/6 ein Sondergebiet „Betriebsbezogenes Wohnen“ festsetzte, in dem nach der textlichen Festsetzung (nur) Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter zulässig sind. Einen nachfolgenden Antrag auf Löschung der Baulast durch den Notar des Klägers mit der Begründung, die Bindung des „Betriebsleiterwohnhauses“ sei nun durch den Bebauungsplan gesichert, lehnte der Beklagte ab. Mit Vertrag vom 14.12.2001 vermietete der Kläger das Haus an die I. J. K. L.., die zwischenzeitlich den Heide-Park, ohne das Haus, erworben hatte, mit der Bindung, dass das Haus nur für Mitglieder des Managements zu Wohnzwecken und Zwecken der Repräsentation genutzt werden dürfe. Das Mietverhältnis dauerte bis 2005; ob das Haus danach leer stand oder gelegentlich vom in der Schweiz lebenden Kläger bei vorübergehenden Aufenthalten genutzt wurde, ist umstritten.

Mit Schreiben vom 21.8.2009 beantragte der Kläger vom Beklagten die Bestätigung, dass das streitgegenständliche Gebäude ohne Einschränkungen zu Wohnzwecken genutzt werden könne. Mit Schreiben vom 1.9.2009, auf Gegenvorstellungen des Klägers abschließend bestätigt am 8.12.2009, lehnte der Beklagte dies ab.

Am 18.2.2010 hat der Kläger Klage mit dem Antrag erhoben

festzustellen, dass mit Bescheid des Beklagten vom 26. August 1985 die Errichtung eines Wohngebäudes ohne Einschränkungen auf einen bestimmten Nutzerkreis genehmigt worden ist.

Dieser Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 11.4.2011 stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, der Bauherr bestimme mit seinem Bauantrag, was Gegenstand der Baugenehmigung sein solle, wobei zur Auslegung auch die Bauvorlagen heranzuziehen seien. Der Bauantrag beziehe sich auf den Neubau eines Einfamilienhauses. Hinweise auf eine Einschränkung des Nutzungszwecks auf einen bestimmten Personenkreis – Betriebsleiter – seien weder den eingereichten Bauunterlagen noch den „Grünstempeln“ des Beklagten zu entnehmen. Auch bei den Verhandlungen nach Ablehnung des ursprünglichen Bauantrags des Klägers habe die Frage, ob die Baugenehmigung auf einen bestimmten Nutzerkreis zu beschränken sei, keine Rolle gespielt. Für eine unbeschränkte Genehmigung spreche auch der Widerspruch der Stadt Soltau, der ebenfalls keinen Hinweis auf eine beabsichtigte Nutzungsbeschränkung enthalte. Solche ergäben sich auch nicht aus der Vorgeschichte des Bauantrags. Dass die Nurdachhäuser privilegiert genutzt worden seien, sei nicht belegt, aber auch unerheblich. Die Ablehnung der Bauvoranfrage vom 9.9.1981 behandle das Vorhaben des Klägers nicht als Betriebsleiter-Wohnhaus, sondern als sonstiges Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 2 BBauG. Der Bauvorbescheid vom 27.4.1983 beziehe sich auf § 35 Abs. 5 Nr. 1 BBauG. Ob damit eine Baugenehmigung für ein auf den Betriebsleiter eingeschränktes Wohnen in Aussicht gestellt worden sei, sei zweifelhaft, da unklar sei, ob die Nurdachhäuser Betriebsleiterwohnhäuser gewesen seien. Jedenfalls komme dem Bauvorbescheid aber keine Bindungswirkung mehr für die Baugenehmigung zu. Der Bauantrag erwähne den Bauvorbescheid nur, berufe sich aber nicht auf dessen Bindungswirkung. Auch der Beklagte habe durch den Hinweis auf die erheblich gesteigerte Größe des beantragten Baus zutreffend eine Bindungswirkung verneint. Der Beklagte könne sich nicht auf Umstände berufen, die nach Erteilung der Baugenehmigung eingetreten seien. Weder die Erwähnung eines „Betriebsleiterwohnhauses“ im Baulastverfahren, noch im Bebauungsplan könnten nachträglich etwas am Inhalt der Baugenehmigung ändern. Es lägen keine Hinweise darauf vor, dass die Nutzung des Gebäudes zu Wohnzwecken in einer Weise aufgegeben worden sei, die zum Verlust des Bestandsschutzes – nach dem Zeitmodell des Bundesverwaltungsgerichts oder nach der großzügigeren Rechtsprechung des erkennenden Senats – führe.

Zur Begründung der vom Senat wegen besonderer Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zugelassenen Berufung führt die Beigeladene aus: Die Baugenehmigung sei anhand des Bauantrags auszulegen. Dieser beziehe sich entgegen dem Verwaltungsgericht auf den Bauvorbescheid, der im Bauantrag nicht nur erwähnt, sondern ihm beigefügt gewesen sei; zudem sei auch nur so erklärlich, weshalb der Kläger 1984 dessen Verlängerung beantragt habe. Der Bauvorbescheid sei im Baugenehmigungsverfahren verbindlich gewesen. Der Bauvorbescheid seinerseits sei anhand der Bauvoranfrage auszulegen, die sich auf betriebsbezogenes Wohnen bezogen habe. Der Kläger habe in der Bauvoranfrage das Erfordernis betriebsnahen Wohnens betont. Im Genehmigungsverfahren habe er sich nochmals auf betriebliche Erfordernisse bezogen. Bei der Auslegung sei ferner zu berücksichtigen, dass das Gebäude tatsächlich betriebsbezogen genutzt worden sei, dass die Bauvoranfrage vom 9.9.1981 sich auf betriebliche Erfordernisse gestützt habe, dass der Kläger im Genehmigungsverfahren auf Briefpapier des Heide-Parks kommuniziert habe, dass das Grundstück faktisch eng an den Heide-Park angebunden sei und dass eine unbeschränkte Wohnnutzung nicht genehmigungsfähig gewesen wäre. Ferner sei der Kläger in der Baulasterklärung sowie Rahmen des Genehmigungsverfahrens implizit selbst davon ausgegangen, sein Gebäude sei nur für betriebsbezogenes Wohnen genehmigt. Jedenfalls vermittle die Baugenehmigung keinen Bestandsschutz (mehr). Zum einen habe der Kläger abweichend von der Genehmigung gebaut. Zum anderen habe er das dritte Nurdachhaus nicht abgerissen, obwohl dies Bedingung für die Errichtung des Haupthauses gewesen sei. Schließlich habe er eine ggf. einst zulässige unbeschränkte Wohnnutzung eingestellt bzw. so geändert, dass weder nach dem Zeitmodell des Bundesverwaltungsgerichts, noch nach der Rechtsprechung des Senats noch ein Bestandsschutz bestehe.

Die Beigeladene beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er führt aus, da die Baugenehmigung gem. § 70 Abs. 1 Satz 3 NBauO der Schriftform bedürfe, müssten sich etwaige Einschränkungen des Nutzungszwecks aus der Genehmigung selbst oder den grüngestempelten Bauvorlagen ergeben. Der Kläger habe das Vorhaben in seinem Schreiben vom 29.5.1985 eindeutig als „Privathaus“ bezeichnet. Der Bauvorbescheid könne aus den vom Verwaltungsgericht genannten Gründen sowie deshalb nicht zur Auslegung herangezogen werden, da er nicht mit einem Genehmigungsvermerk versehen sei. Im Übrigen sei der Bauvorbescheid nach § 35 Abs. 5 Satz 1 BBauG erteilt worden, der nur für nicht privilegierte Vorhaben gelte. Auf den Zweck der Nurdachhäuser komme es nicht an; allerdings seien diese vor Entstehung des Heide-Parks und daher ersichtlich nicht als dessen Betriebsleiterwohnhäuser errichtet worden. Die Vorgänge nach Erteilung der Baugenehmigung könnten für deren Auslegung keine Rolle spielen. Die Baulast sei im Übrigen vom Beklagten verlangt worden. Die Baugenehmigung sei auch nicht erloschen. Dass das letzte der Nurdachhäuser noch nicht beseitigt sei, führe selbst dann, wenn die Beseitigung Bedingung der Genehmigung sei, nur zum Aufschub von deren Wirksamkeit, nicht aber zu ihrem Erlöschen; im Übrigen handele es sich dabei um eine Auflage. Mit der zeitweiligen Vermietung des Hauses sei die Wohnnutzung nicht aufgegeben worden; die Nutzung durch Mitglieder des Managements des Heide-Parks halte sich im Rahmen des genehmigten Nutzungsspektrums. Seit 2009 werde die Nutzung allein durch den Beklagten verhindert. Im Übrigen ende die Genehmigungswirkung auch nach längerer Nutzungsunterbrechung nur, wenn sich aus dieser ein Verzichtswille ergebe. Der Bestandsschutz sei auch nicht durch eine über die Genehmigung hinausgehende Nutzung von Dachgeschossräumen zu Aufenthaltszwecken entfallen, da die Kubatur des Gebäudes beibehalten worden sei.

Der Beklagte stellt keinen Antrag und schließt sich im Wesentlichen den Ausführungen der Beigeladenen an.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe

Die Berufung ist begründet. Die zulässige Feststellungsklage ist unbegründet, da das Rechtsverhältnis, dessen Feststellung der Kläger begehrt - seine Berechtigung nach Maßgabe der Baugenehmigung vom 26.8.1985, sein Wohnhaus zum allgemeinen statt nur zum betriebsbezogenen Wohnen zu nutzen - nicht besteht. Die Baugenehmigung ist vielmehr dahingehend auszulegen, dass das Gebäude als Betriebsleiterwohnhaus genehmigt ist.

Bei der Auslegung der Baugenehmigung ist das Verwaltungsgericht zutreffend von dem Ansatz ausgegangen, dass der Gegenstand der Baugenehmigung durch den Bauantrag des Bauherrn bestimmt wird und dass neben der textlichen Bezeichnung der Baumaßnahme auch die grüngestempelten Bauvorlagen heranzuziehen sind. Das schließt es indes nicht aus, bei der Auslegung der Baugenehmigung auch weitere Indizien zu berücksichtigen; das Schriftformerfordernis des § 75 Abs. 3 NBauO a.F. steht einer Auslegung anhand von außerhalb der Genehmigung liegenden Umständen nicht entgegen; dies gilt jedenfalls dann, wenn diese Umstände ihrerseits schriftlich dokumentiert sind und wenn in der Genehmigung bzw. den genehmigten Bauvorlagen zumindest ein Bezug zu diesen hergestellt ist - vergleichbar der „Andeutungstheorie“ bei der Auslegung von Testamenten (vgl. BGH, Urt. v. 8.12.1982 - IVa ZR 94/81 -, BGHZ 86, 41). Als Auslegungshilfe geeignet ist danach insbesondere der Inhalt eines Bauvorbescheides, auf den der Bauherr in seinem - seinerseits mit Genehmigungsvermerk versehenen - Antrag Bezug nimmt. Gerade dann, wenn ersichtlich ist, dass er sich auf die Bindungswirkung des Bauvorbescheides berufen möchte, ist – sofern sich nicht aus dem Bauantrag etwas anderes ergibt – davon auszugehen, dass er die in der Bauvoranfrage bereits spezifizierten Vorhabendetails beibehalten möchte.

Hier hat der Kläger seine Auffassung, ein Vorhaben, wie es Gegenstand der Bauvoranfrage war, zur Genehmigung zu stellen, bereits durch den Hinweis auf die Erteilung des Bauvorbescheids in seinem Bauantrag hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht; denn als bloßer nachrichtlicher Hinweis auf Bauvorbescheide, die schon aus Sicht des Antragstellers keinen Bezug zum Vorhaben aufwiesen, wie ihn offenbar das Verwaltungsgericht sieht, wäre dieser sinnlos. Darauf, dass der Kläger den Bauvorbescheid zusätzlich seinem Antrag beigefügt hat, kommt es angesichts dessen nicht an. Dass das zur Genehmigung gestellte Vorhaben hinsichtlich des Maßes der Nutzung erheblich von dem Vorhaben abwich, dessen Genehmigung durch den Bauvorbescheid zugesagt war, bedeutet nicht, dass der Kläger sich auch hinsichtlich des Nutzungszwecks vom Gegenstand seiner Bauvoranfrage lösen wollte. Hinreichende sonstige positive Indizien dafür, dass mit dem Bauantrag eine unbeschränkte Wohnnutzung begehrt wurde, gibt es nicht. Die Bezeichnung im Bauantrag als „Einfamilienhaus“ bzw. im Schreiben vom 29.5.1985 als „Privat-Haus“ sind insoweit einer Auslegung zugänglich; denn auch ein Betriebsleiterwohnhaus ist ein Einfamilienhaus und kann als Privathaus des Betriebsleiters - im Gegensatz zu seinem Büro - bezeichnet werden, zumal wenn er, wie hier, der Betriebsinhaber ist.

Der somit zur Auslegung des Bauantrags heranzuziehende Bauvorbescheid bezieht sich seinerseits auf ein Betriebsleiterwohnhaus. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen wird man dabei dem Umstand, dass die erste, abgelehnte, Bauvoranfrage des Klägers vom 9.9.1981 sich ganz ausdrücklich auf ein Betriebsleiterwohnhaus bezog, zwar keine große Bedeutung beimessen können; dieser Vorgang war mit dem Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 12.3.1982 abgeschlossen, der Kläger nahm mit seiner zweiten Bauvoranfrage hierauf keinen Bezug mehr. Allerdings berief sich der Kläger auch zur Begründung seiner zweiten Bauvoranfrage ausdrücklich auch auf seine Bedürfnisse als Betriebsleiter:

„Es ist wegen der Bewirtschaftung des Parks unumgänglich, dass [der Kläger] seine Wohnung am Freizeit-Park hat, weil eine dauernde Aufsicht der Anlagen erforderlich ist.“

Daran muss er sich bei der Auslegung seiner Bauvoranfrage festhalten lassen, selbst wenn der Beklagte seine Angaben, womöglich rechtsirrig – offenbar hielt er Betriebsleiterhäuser von Freizeitparks generell nicht für privilegiert, vgl. den Ablehnungsbescheid vom 12.3.1982 –, nicht zum Anlass nahm, eine Privilegierung seines Vorhabens in Erwägung zu ziehen und den Bauvorbescheid ausschließlich auf der Grundlage des für nichtprivilegierte Vorhaben geltenden § 35 Abs. 5 Nr. 1 BBauG erteilte. Eine Baugenehmigung bzw. ein Bauvorbescheid geht nicht deshalb über den Bauantrag bzw. die Bauvoranfrage hinaus, weil die von der Genehmigungsbehörde herangezogene Rechtsgrundlage dies ermöglichen würde.

Zusätzlich zur Bedeutung des Bauvorbescheids spricht im Baugenehmigungsverfahren selbst der Umstand, dass der Kläger im Schreiben vom 29.5.1985 zur Rechtfertigung des Umfangs seines Vorhabens auf dessen Erforderlichkeit für die Ausübung seiner Tätigkeit als Betriebsleiter hinweist, dafür, dass er nach wie vor die dienende Funktion des Hauses für den Betrieb zum konstitutiven Merkmal seines Bauantrags machte. Auch dass der Kläger für den Schriftverkehr im Baugenehmigungs- und Bauvoranfrageverfahren stets Briefpapier des Heide-Parks verwendet hat, das Haus auf dem damals noch ungeteilten Betriebsgrundstück errichtet und einheitlich mit dem Park erschlossen werden sollte, unterstreicht diesen Eindruck.

Angesichts des solcherart beschränkten Bauantrags ist es unerheblich, ob der Beklagte noch von einer Bindungswirkung des Bauvorbescheids ausging und ob er das Vorhaben des Klägers als privilegiert ansah. Allerdings ist anzumerken, dass der Beklagte die Baugenehmigung entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts tatsächlich auf den Bauvorbescheid gestützt haben dürfte. Im Zusammenhang mit der Prüfung, wie das Vorhaben des Klägers doch noch genehmigt werden könnte, hat der Beklagte in internen Vermerken berechnet, um wieviel Quadratmeter das „abgespeckte“ Vorhaben den Umfang des mit Bauvorbescheid genehmigten Gebäudes übersteige – offenbar um zu prüfen, ob man hier mit viel gutem Willen noch eine Identität annehmen könne. Zudem verglich er die Dimension des Gebäudes mit dem Betriebsleiterwohnhaus des Vogelparks Walsrode. Dafür, dass der Beklagte versuchte, an den Bauvorbescheid anzuknüpfen, spricht ferner, dass auch ihm klar sein musste, dass ein nicht betriebsbezogenes und nicht von dem Bauvorbescheid gedecktes Wohnhaus in den zur Genehmigung gestellten Dimensionen im Außenbereich so offensichtlich unzulässig gewesen wäre, dass selbst die Nichtigkeit einer entsprechenden Baugenehmigung nicht ausgeschlossen sein dürfte.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.