LG Frankfurt am Main, Urteil vom 22.02.2013 - 2-21 O 69/12
Fundstelle
openJur 2014, 4222
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Fortbestand eines Bausparvertrages.

Die Beklagte betreibt eine Bausparkasse. Die Klägerin schloss am 23.1.1995 mit der Beklagten einen Bausparvertrag über eine Bausparsumme von DM 10.000,00, Tarif A7 ab (Anlagen K1, B1). Dieser Tarif beinhaltet einen Guthabenzins von 4%. Vertragsbeginn war der 24.1.1995. Dem Vertrag lagen die Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge Tarif A (ABB-A) zugrunde (Anlage B2). Am 12.8.1998beantragte die Klägerin die Erhöhung der Bausparsumme auf DM20.000,00. Die Vertragsänderung wurde zum 1.9.1998 wirksam (Anlagen K4, B3). Am 30.8.2004 beantragte die Klägerin die Erhöhung der Bausparsumme auf € 27.500,00 (Anlagen K5, B5). Der Vertragsänderung lag die nunmehr gültige Fassung der ABB-A zugrunde (Anlage B6). Die Bestimmung des § 5 II ABB lautet:

„Nimmt der Bausparer die Zuteilung nicht fristgemäß an …, wird der Vertrag fortgesetzt.

Die ABB sehen in § 15 I ein jederzeitiges Kündigungsrecht des Bausparers, jedoch kein einseitiges Kündigungsrecht der Bausparkasse für den Fall der vollständigen Besparung vor.

Mit Schreiben vom 5.3.2007 teilte die Beklagte der Klägerin mit,die Bausparsumme von € 27.500 könne erstmalig zum 30.4.2007zugeteilt werden (Anlagen K6, B7). In dem Schreiben heißt es:

„Für die Auszahlung von Bausparguthaben und Bauspardarlehen haben Sie verschiedene Möglichkeiten:…3. Das Guthaben und den Darlehensanspruch später nutzen.-> Ihr Bausparvertrag läuft unverändert. …“

Die Klägerin nahm das Bauspardarlehen nicht in Anspruch. Am 31.12.2011 wies der Kontostand inkl. Sonderzinsen € 30.789,92auf. Mit Schreiben vom 3.1.2012 kündigte die Beklagte den Bausparvertrag zum 16.4.2012 (Anlage K8).

Die Klägerin ist der Auffassung, die Kündigung sei unwirksam.Mit § 5 II ABB sowie mit dem Schreiben vom 5.3.2007 sei das gesetzliche Kündigungsrecht der Beklagten ausgeschlossen worden.Selbst wenn ein gesetzliches Kündigungsrecht bestünde, würde sich dieses nicht nach § 488 III BGB, sondern nach § 489 I Nr. 2 BGBrichten. Der Vertrag könne damit frühestens 10 Jahre nach dem Eintritt der erstmaligen Zuteilungsreife eintreten.

Die Klägerin beantragt,

a) festzustellen, dass die von der Beklagten gegenüber der Klägerin ausgesprochene Kündigung des Bausparvertrags Nr. X vom 03.01.2012 zum 16.04.2012 unwirksam ist;b) festzustellen, dass der bei der Beklagten bestehende Bausparvertrag Nr. X der Klägerin über den 16.04.2012 hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, ihr stünde ein Kündigungsrecht nach § 488 III BGB zu.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist mit dem Antrag zu a) unzulässig und mit dem Antrag zu b) unbegründet.

1. Mit dem Antrag zu a) begehrt die Klägerin Feststellung, dass die ausgesprochene Kündigung unwirksam ist. Insoweit fehlt es an einem Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO). Bei zivilrechtlichen Dauerschuldverhältnissen kann bei einem Streit wegen der Kündigung - anders als im arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzprozess nach § 4 KSchG - nur der (Fort-)Bestand des Vertrages zum Gegenstand der begehrten Feststellung gemacht werden, nicht aber die Wirksamkeit der Kündigung, die bloße Vorfrage hierzu ist (vgl.BGH NJW 2000, 354). Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin auf den Beschluss des BGH vom 25.2.1997 – XI ZR 3/97. Die Entscheidung verhält sich nicht zu der Frage, ob ein auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Darlehenskündigung gerichteter Antrag zulässig ist. Für den Antrag zu b) ist ein Feststellungsinteresse gegeben.

2. Die Beklagte hat den Bausparvertrag zum 16.04.2012 wirksam gekündigt und dadurch das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis beendigt.

a) Der Beklagten steht ein Kündigungsrecht nach § 488 III BGBzu. Die Darlehensvorschriften gelten grundsätzlich auch für Bauspardarlehen und Spareinlagen (Palandt/Weidenkaff, 72. Aufl.,vor § 488 Rn. 17, 23).

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin haben die Parteien das ordentliche Kündigungsrecht der Beklagten nicht durch Einbeziehung der allgemeinen Geschäftsbedingungen (ABB) ausgeschlossen. Die allgemeinen Bausparbedingungen schließen das Kündigungsrecht der Bausparkasse nicht ausdrücklich aus, wenn die Bausparsumme durch die Ansparungen vollständig erreicht wurde. Soweit in § 5 II, IIIABB die Rede davon ist, dass der Vertrag fortgesetzt wird, wenn das Darlehen bei Zuteilung nicht angenommen wird, regelt dies die Lage bei einem ungekündigten Vertrag. Ein Ausschluss des gesetzlichen Kündigungsrechts ist damit nicht verbunden.

c) Ein Ausschluss des Kündigungsrechts kann auch nicht aus Sinn und Zweck des Vertrages abgeleitet werden. Die ABB sehen zwar für den Fall der Zuteilungsreife kein Kündigungsrecht der Bausparkasse vor.

Sie vermitteln aber auch nicht den Eindruck einer abschließenden Regelung, die keinen Raum mehr für das gesetzliche Kündigungsrecht lässt. Die Übersparung des Bausparvertrages liegt außerhalb des eigentlichen Vertragszwecks des Bausparvertrages und wird in den ABB gerade nicht abschließend geregelt (OLG Stuttgart, Urt. v.14.10.2011 – 9 U 151/11 – zit. nach juris). Zweck des Bausparvertrages ist nicht die zinsgünstige Geldanlage, sondern die Erlangung eines Bauspardarlehens (vgl. Präambel der ABB-A). Es handelt es sich um einen einheitlichen Vertrag mit zwei Stufen.Zunächst wird vom Bausparer bis zur Zuteilungsreife ein Guthaben angespart. Hierfür erhält er die vereinbarte Guthabenverzinsung.Nach Zuteilung kann der Bausparer bestimmungsgemäß das Bauspardarlehen in Höhe der Differenz zwischen der vertraglich vereinbarten Bausparsumme und dem bis zur Zuteilung angesammelten Guthaben in Anspruch nehmen. Zwar ist der Bausparer nicht verpflichtet, nach Zuteilung das Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen (§ 15 II ABB). Spart der Bausparer, wie im vorliegenden Fall, die vertraglich vereinbarte Bausparsumme vollständig an, ist jedoch die Gewährung eines Bauspardarlehens nicht mehr möglich.Denn in diesem Fall besteht keine durch ein Darlehen zu überbrückende Lücke zwischen Bausparguthaben und Bausparsumme. Der eigentliche Vertragszweck ist damit nicht mehr gegeben.

d) Das Kündigungsrecht der Beklagten wurde auch nicht durch das Schreiben vom 5.3.2007 vertraglich ausgeschlossen. Die Beklagte teilte der Klägerin mit, die Bausparsumme könne nun zugeteilt werden. Zu diesem Zeitpunkt waren € 19.616,89 angespart. Es bestand folglich ein Darlehensanspruch in Höhe von € 7.883,11(= Differenz zur Bausparsumme in Höhe von € 27.500,00). Nach dem Schreiben bestand auch die Möglichkeit, das Guthaben und den Darlehensanspruch erst später zu nutzen. In diesem Fall laufe der Bausparvertrag unverändert weiter. Selbst wenn man darin eine rechtsgeschäftliche Erklärung sehen wollte, lag jedenfalls zum Zeitpunkt der Kündigung im Jahr 2012 eine neue Lage vor. Denn ab 2011 war die Bausparsumme vollständig angespart, so dass die Gewährung des vertraglich vorgesehenen Darlehens nicht mehr möglich war. Dem Schreiben vom 5.3.2007 kann nicht entnommen werden, dass zeitlich unbegrenzt - auch für den Fall der vollständigen Ansparung der Bausparsumme - das gesetzliche Kündigungsrecht ausgeschlossen werden sollte.

e) Die Beklagte hat ihre Kündigung nicht durch das Schreiben vom 5.7.2012 zurückgenommen. Darin teilte sie der Klägerin mit, dass der Bausparvertrag ab dem 31.8.2012 zuteilungsreif sei. Nach dem Vortrag der Beklagten wurde das Schreiben irrtümlich versandt. Dies liegt angesichts der Gesamtumstände auch nahe. Dem Schreiben kann jedenfalls kein rechtsgeschäftlicher Erklärungswert dahingehend entnommen werden, dass der bereits beendete Vertrag nun doch fortgesetzt werden soll (§§ 133, 157 BGB). Es handelt sich erkennbar um ein standardisiertes Schreiben und nimmt auf die Kündigung in keiner Weise Bezug. Außerdem heißt es in dem Schreiben ausdrücklich, eine Besparung über € 27.500,00 sei nicht möglich.

f) Die Beklagte hat das Darlehen fristgemäß am 3.1.2012 zum 16.4.2012 gekündigt. Die Kündigungsfrist beträgt nach § 488 III BGBdrei Monate. Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin auf die zehnjährige Kündigungsfrist des § 489 I Nr. 2 BGB. Danach kann der Darlehensnehmer einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz erst nach Ablauf von 10 Jahren nach dem vollständigen Empfang kündigen. Diese Vorschrift ist auf die Kündigung des streitgegenständlichen Bausparguthabens weder direkt noch analog anwendbar. Gemeint sind mit § 489 I BGB nur Darlehen, bei denen die Sollzinsbindung für einen begrenzten Zeitraum vereinbart ist,binnen dessen das Darlehen nicht ordentlich kündbar ist (Palandt/Weidenkaff, 72. Aufl., § 489 Rn. 3). Um einen solchen Vertrag handelt es sich hier nicht. Der Bausparvertrag sieht während der Ansparphase keine Zinsbindung für einen begrenzten Zeitraum vor. Nach § 3a ABB kann der Bausparer (= Darlehensgeber)die Tarifvariante jederzeit wechseln. Es handelt sich um ein Darlehen im Sinne des § 488 III S. 1 BGB, für dessen Rückzahlung ein konkreter Zeitpunkt nicht bestimmt ist.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.