BGH, Urteil vom 29.10.2010 - V ZR 48/10
Fundstelle
openJur 2010, 10518
  • Rkr:
Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen - das Urteil des 1. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 12. Februar 2010 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Hilfsantrag der Klägerin auch hinsichtlich der Bemessung des Wiederkaufspreises abgewiesen worden ist. In diesem Umfang wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 3, vom 29. Mai 2009 auf die Berufung der Klägerin geändert.

Es wird festgestellt, dass der Klägerin ein Anspruch auf Anpassung des in Nr. 11 des zwischen den Parteien am 23. August / 30. November 1938 geschlossenen Vertrages vereinbarten Wiederkaufspreises entsprechend dem Anstieg der allgemeinen Lebenshaltungskosten zusteht.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 9/10 und die Beklagte 1/10.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Mit notariellem Kaufvertrag aus dem Jahr 1938 erwarb die Klägerin, eine Wohnungsbaugenossenschaft, von der beklagten Stadt Grundstücke zu einem dem regulären Marktpreis entsprechenden Kaufpreis von 5 Reichsmark je Quadratmeter. Sie verpflichtete sich, auf den erworbenen Flächen Großwohnhäuser mit billigen Wohnungen von je etwa 52 qm Wohnfläche für die werktätige Bevölkerung zu errichten und näher bestimmte Mietobergrenzen einzuhalten.

In Nr. 11 des Kaufvertrages ist ein Wiederkaufsrecht der Beklagten vereinbart, welches bis zum 31. Dezember 2027 nur unter näher bestimmten Voraussetzungen, in der Zeit vom 1. Januar 2028 bis zum 31. Dezember 2028 jedoch unbedingt ausgeübt werden kann. Der Wiederkaufspreis entspricht dem vereinbarten Kaufpreis ohne Zinsen. Für die vertragsgemäß errichteten Gebäude ist eine Entschädigung von zwei Dritteln des gemeinen Werts zu leisten, den die Gebäude bei der Ausübung des Wiederkaufsrechts haben.

Die Klägerin möchte festgestellt wissen, dass die Beklagte ein etwaiges Wiederkaufsrecht nach Nr. 11 des Kaufvertrages nicht mehr ausüben kann; ferner verlangt sie von der Beklagten die Abgabe einer Löschungsbewilligung für die Auflassungsvormerkung, die deren bei Ausübung des Wiederkaufsrechts entstehenden Eigentumsübertragungsanspruch sichert. Hilfsweise beantragt die Klägerin festzustellen, dass die Ausübung des Wiederkaufsrechts insoweit unverhältnismäßig ist, als neben der reinen Bodenwertsteigerung ein inflationsbedingter Wertzuwachs abgeschöpft und nicht der vollständige Verkehrswert der aufstehenden Gebäude entschädigt wird.

Die Klage ist in den Tatsacheninstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter.

Gründe

I.

Das Berufungsgericht hält das Wiederkaufsrecht für wirksam. Es sei weder sittenwidrig noch wegen Verstoßes gegen kartellrechtliche Bestimmungen unwirksam. Die Beklagte sei auch nicht aufgrund des Übermaßverbots, welches sie als Körperschaft des öffentlichen Rechts beachten müsse, an der Ausübung des Wiederkaufsrechts gehindert. Dieses führe nicht zu einer unzumutbaren Lastenverteilung zum Nachteil der Klägerin. Der Zweck des Wiederkaufsrechts, es der Beklagten einerseits zu ermöglichen, das Grundstück nach 90 Jahren zurückzuerwerben und so Bodenwertsteigerungen der Allgemeinheit zu erhalten, sie andererseits hierzu aber nicht, wie bei einem Erbbaurecht, zu verpflichten, sei nicht zu beanstanden. Die Ausübungsfrist von 90 Jahren diene auch den Interessen der Klägerin, da sie sicherstelle, dass sich deren Investitionen über die Nutzungsdauer des Bauwerks amortisierten. Dass die Klägerin bei Ausübung des Wiederkaufsrechts nicht den vollen, sondern nur 2/3 des Verkehrswerts der von ihr errichteten Gebäude beanspruchen könne, halte sich, wie der Vergleich mit der Regelung in § 27 Abs. 2 ErbbauRG zeige, im Rahmen zulässiger Vereinbarungen. Entsprechendes gelte für die Festlegung des Wiederkaufspreises. Das Inflationsrisiko gehe zu Lasten des Käufers, wenn, wie hier, keine Wertsicherungsklausel vereinbart sei. Etwas anderes könne allenfalls hinsichtlich eines inflationsbedingten Wertverlusts gelten, welcher nach Ablauf der gesetzlichen Regelfrist von 30 Jahren seit der Vereinbarung des Wiederkaufsrechts, hier also seit 1968, entstanden sei. Auf eine solche Feststellung sei der hilfsweise gestellte Antrag jedoch nicht gerichtet.

II.

Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung überwiegend stand.

1. a) Ohne Rechtsfehler nimmt das Berufungsgericht an, dass das in Nr. 11 Abs. 3 des Kaufvertrages vereinbarte Wiederkaufsrecht, welches der Beklagten im Jahr 2028 unbedingt zusteht (nachfolgend: unbedingtes Wiederkaufsrecht), wirksam ist.

aa) Entgegen der Auffassung der Revision ist das Wiederkaufsrecht nicht deshalb unwirksam, weil es über die in § 462 Satz 1 BGB genannte Höchstfrist von 30 Jahren hinaus ausgeübt werden kann. Diese Vorschrift begrenzt die Ausübung eines Wiederkaufsrechts nur in den Fällen, in denen eine Frist nicht vereinbart worden ist. Sie hindert die Vertragsparteien nicht, längere Ausübungsfristen festzulegen (Senat, Urteil vom 21. April 1967 - V ZR 75/64, BGHZ 47, 387, 392); diese treten dann an die Stelle der gesetzlichen Frist (§ 462 Satz 2 BGB).

bb) Zutreffend ist ferner die Annahme des Berufungsgerichts, das unbeschränkte Wiederkaufsrecht verstoße nicht gegen die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB).

(1) Mit diesem Recht hat sich die Beklagte vorbehalten, den Grundstücksverkauf nachträglich in ein der Bestellung eines Erbbaurechts auf 90 Jahre vergleichbares Nutzungsverhältnis umzugestalten. Es ermöglicht ihr, im Jahr 2028 zu entscheiden, ob sie das Grundstück gegen Zahlung des Wiederkaufspreises und der vereinbarten Entschädigung für die von der Klägerin errichteten Gebäude zurückerwirbt, oder ob sie hiervon wegen der damit verbundenen Übernahme älterer und möglicherweise für sie nicht attraktiver Wohnhäuser absieht. Ein solches Wahlrecht ist für sich genommen nicht verwerflich. Dass der Wiederkaufsberechtigte im Zweifel die für ihn wirtschaftlich günstigere Alternative wählen und insbesondere Bodenwertsteigerungen abschöpfen wird, ist weder zu missbilligen noch führt es - sofern die Bedingungen des Wiederkaufs angemessen sind - zu einem groben Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung oder zu einer sonst unzumutbaren Belastung des Käufers (aA Kämmerer/Martini, BauR 2007, 1337, 1348). Dieser vermag zu erkennen und sich von Anfang darauf einzustellen, dass er das Grundstück nach der vereinbarten Frist, hier nach 90 Jahren, möglicherweise an den Verkäufer zurückübereignen muss, also bis zu der Entscheidung des Verkäufers über die Ausübung des Wiederkaufsrechts in wirtschaftlicher Hinsicht eher einem Erbbauberechtigten als einem Eigentümer gleichsteht. Dabei kann die Vereinbarung eines Wiederkaufsrechts statt eines Erbbaurechts auch für den Käufer vorteilhaft sein; beispielsweise ist er nur als Eigentümer in der Lage, das Grundstück als Kreditsicherheit zu nutzen. Dass er im Gegensatz zu einem Erbbauberechtigten den vollen Kaufpreis zahlt, wird durch den Wiederkaufspreis kompensiert. Wird das Wiederkaufsrecht ausgeübt, hat der Käufer dem Verkäufer als Gegenleistung für die Nutzung des Grundstücks die Nutzungen des Kaufpreises überlassen und damit einen dem Erbbauzins vergleichbaren Wert aufgewandt.

(2) Das Wiederkaufsrecht stellt sich auch nicht deshalb als sittenwidrig dar, weil als im Jahr 2028 zu zahlender Wiederkaufspreis der 1938 vereinbarte Kaufpreis ohne Wertsicherungsklausel bestimmt worden ist. Im Grundsatz ist es nicht unbillig, den Preis, zu welchem verkauft worden ist, als Wiederkaufspreis zu vereinbaren, da dies der Zweifelsregelung des § 456 Abs. 2 BGB (§ 497 Abs. 2 BGB aF) entspricht. Allerdings läge die Annahme eines groben Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung nahe, wenn die Beklagte bei Ausübung des Wiederkaufsrechts nur den (in Euro umgerechneten) Nominalbetrag des Kaufpreises als Wiederkaufspreis zahlen müsste, wenn also der - vorhersehbare - inflationsbedingte Wertverlust des Geldes über einen Zeitraum von 90 Jahren zu Lasten der Klägerin ginge. So verhält es sich hier, anders als das Berufungsgericht meint, aber nicht.

Bei Abschluss des Kaufvertrages im Jahr 1938 konnten die Parteien im Hinblick auf die Aufwertungsrechtsprechung des Reichsgerichts davon ausgehen, dass der Wiederkaufspreis auch ohne Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel dem seit Abschluss des Kaufvertrages gesunkenen Geldwert entsprechend aufgewertet werden würde. Das Reichgericht nahm bei einem Wiederkaufsrecht, wenn nicht Anhaltspunkte für das Gegenteil vorlagen, nämlich an, dass die Vertragsschließenden dem zum Wiederverkauf verpflichteten Käufer einen angemessenen Gegenwert für die Rückübereignung gewähren wollten, und wertete Wiederkaufspreise deshalb ohne weiteres auf (vgl. RGZ 119, 188; RG, JW 1927, 979; LZ 1925, 711). Infolge dieser Rechtsprechung entsprach es noch zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Parteien allgemeiner Auffassung, dass Veränderungen des Geldwertes in der Weise zu berücksichtigen seien, dass ein in Übereinstimmung mit der gesetzlichen Auslegungsregel des § 456 Abs. 2 BGB (§ 497 Abs. 2 BGB aF) festgesetzter Wiederkaufspreis die gleiche Kaufkraft wie der Kaufpreis haben müsste (vgl. Palandt/Pinzger, BGB, 1939, § 497 Anm. 4 aE sowie Staudinger/Ostler, BGB, 10. Aufl. [1937], § 497 Anm. 10). Dies lässt den Schluss zu, dass der Wiederkaufspreis nach übereinstimmender Vorstellung beider Parteien der allgemeinen Geldentwicklung angepasst werden sollte.

(3) Mangels einer von dem unbedingten Wiederkaufsrecht ausgehenden unbilligen Belastung der Klägerin kommt ein Verstoß gegen die guten Sitten auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Ausnutzung einer Monopolstellung in Betracht. Zudem hat das Berufungsgericht eine solche Stellung der Beklagten auf dem Hamburger Grundstücksmarkt nicht feststellen können; Verfahrensrügen hierzu sind von der Klägerin nicht erhoben worden.

cc) Sonstige Nichtigkeitsgründe sind von dem Berufungsgericht ohne Rechtsfehler verneint worden. An den Vorgaben, die sich aus § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB für städtebauliche Verträge ergeben, ist das Wiederkaufsrecht ebenso wenig zu messen wie an § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB (früher § 9 Abs. 1 AGBG), da diese Vorschriften bei Abschluss des Vertrages nicht existierten. Entgegen der Auffassung der Revision verstößt das Wiederkaufsrecht auch nicht gegen kartellrechtliche Vorschriften. Hätte die Beklagte das Grundstück - kartellrechtlich unbedenklich - mit einem Erbbaurecht zugunsten der Klägerin belastet, wäre es dem Grundstücksmarkt in vergleichbarer Weise wie durch das vereinbarte Wiederkaufsrecht entzogen gewesen.

b) Zutreffend nimmt das Berufungsgericht weiter an, die Beklagte sei nicht aufgrund ihrer sich aus dem öffentlichen Recht ergebenden Bindungen gehindert, das Wiederkaufsrecht im Jahr 2028 auszuüben.

aa) Als Körperschaft des öffentlichen Rechts hat die Beklagte allerdings nicht nur die Schranken von Treu und Glauben (§ 242 BGB), sondern insbesondere auch die Einhaltung des Übermaßverbots zu beachten. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bestimmt auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung das gesamte Handeln der öffentlichen Verwaltung, und zwar auch dann, wenn sie, wie hier, die Gestaltungsformen des Privatrechts wählt. Er verlangt, die Ausübung eines vertraglich vereinbarten Rechts auf das nach dessen Zweck erforderliche und angemessene Maß zu beschränken sowie unzumutbare Härten im Einzelfall zu vermeiden. Die Beklagte ist daher verpflichtet, vor der Ausübung eines ihr im Bereich des Verwaltungsprivatrechts zustehenden Rechts im Wege einer Ermessensentscheidung zu prüfen, ob und inwieweit es geltend gemacht werden soll (Senat, Urteil vom 16. April 2010 - V ZR 175/09, WM 2010, 1861 Rn. 18 mwN). Auf dieser Grundlage hat der Senat entschieden, dass ein Wiederkaufsrecht, welches die zweckentsprechende Nutzung eines zum Zwecke der Ansiedlung einer Familie verbilligt veräußerten Grundstücks sicherstellen soll, mehr als 30 Jahre nach seiner Begründung nicht mehr ausgeübt werden kann (Senat, Urteil vom 21. Juli 2006 - V ZR 252/05, WM 2006, 2046).

bb) Hieraus kann die Klägerin indessen nichts für sie Günstiges herleiten. Der mit der Beklagten geschlossene Kaufvertrag ist zwar dem Verwaltungsprivatrecht zuzuordnen, weil er, wie die Bauverpflichtung der Klägerin und die Mietpreisbindung deutlich machen, wohnungs- und sozialpolitischen Zwecken diente. Die Ausübungsfrist von 90 Jahren ist hier aber nicht unverhältnismäßig.

Nach welcher Zeitdauer die Ausübung eines zugunsten der öffentlichen Hand vereinbarten Wiederkaufsrechts unverhältnismäßig ist, hängt entscheidend von dessen Zweck ab (vgl. Senat, Urteil vom 22. Juni 2007 - V ZR 260/06, NJW-RR 2007, 1608, 1610). Dient es der Sicherung der Zweckbindung einer Subvention, muss seine Dauer in einem angemessenen Verhältnis zu dem mit der Subvention zulässigerweise verfolgten Zweck stehen. Die Nutzungs- und Verfügungsbeschränkungen, deren Einhaltung durch ein solches Wiederkaufsrecht typischerweise gewährleistet wird, dürfen dem Käufer nur für einen zeitlich begrenzten Zeitraum auferlegt werden; bei Grundstücken, die zum Zwecke der Errichtung von Einfamilienhäusern an Einzelpersonen verkauft werden, ist eine 30 Jahre übersteigende Dauer in aller Regel als unverhältnismäßig anzusehen.

Das hier vereinbarte unbedingte Wiederkaufsrecht dient dagegen weder der Sicherung einer Subvention noch der Durchsetzung von Nutzungs- oder Verfügungsbeschränkungen. Es hält der Beklagten unabhängig von dem Verhalten der Klägerin die Möglichkeit offen, nach 90 Jahren die Rückübereignung des Grundstücks zu näher festgelegten Konditionen zu verlangen. Ein solches Wiederkaufsrecht war in dem der Senatsentscheidung vom 21. Juli 2006 (V ZR 252/05, WM 2006, 2046) zugrunde liegenden Vertrag nicht enthalten; dort hatte sich die beklagte Körperschaft des öffentlichen Rechts vielmehr entschieden, das Grundstückseigentum endgültig auf die Käufer zu übertragen, sofern diese die ihnen auferlegten Nutzungs- und Verfügungsbeschränkungen beachteten.

Der unterschiedliche Zweck der Wiederkaufsrechte geht mit einer jeweils anderen Funktion der Ausübungsfrist einher. Von einem Wiederkaufsrecht, das eine Subvention sichert, kann, wenn der Subventionszweck verfehlt wird, jederzeit Gebrauch gemacht werden. Die Ausübungsfrist bildet die zeitliche Grenze, bis zu der dies möglich ist. Je länger sie ist, desto belastender wirkt das Wiederkaufsrecht für den Käufer, weil er während dieser Zeit die Nutzungs- und Verfügungsbeschränkungen beachten muss, die das Wiederkaufsrecht sichert, wenn er nicht Gefahr laufen will, das Eigentum an dem Grundstück zu verlieren.

Bei der hier vereinbarten Frist von 90 Jahren handelt es sich demgegenüber um den Zeitpunkt, zu dem das unbedingte Wiederkaufsrecht erstmals ausgeübt werden darf. Je länger sie ist, desto länger bleibt die Klägerin Eigentümerin des Grundstückes und desto länger kann sie dessen Nutzungen sowie die ihrer Investitionen ziehen. Umgekehrt bedeutete eine geringere Dauer eine größere Belastung, weil sich damit der Zeitraum verkürzte, in dem die Klägerin vor der Ausübung des Wiederkaufsrechts geschützt ist. Ihre Rechtsstellung hätte sich also nicht verbessert, sondern verschlechtert, wenn die Beklagte berechtigt gewesen wäre, das unbedingte Wiederkaufsrecht bereits nach 20 Jahren auszuüben. Führt ein längerer Zeitraum, bis zu dem ein Wiederkaufsrecht erstmals ausgeübt werden kann, aber nicht zu einer größeren und damit ab einem bestimmten Zeitpunkt unverhältnismäßigen Belastung des Käufers, lassen sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in zeitlicher Hinsicht keine Beschränkungen für dessen Ausübung ableiten.

2. Ohne Rechtsfehler und von der Revision unbeanstandet nimmt das Berufungsgericht ferner an, dass das in Nr. 11 Abs. 2 d) und e) vereinbarte bedingte Wiederkaufsrecht wirksam ist und dessen Ausübung nicht unverhältnismäßig wäre. Die Vereinbarung eines Wiederkaufsrechts für den Fall der Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung des Grundstücks und für den Fall, dass über das Vermögen der Klägerin der Konkurs oder das gerichtliche Vergleichsverfahren eröffnet wird, soll sicherstellen, dass die Beklagte das Grundstück auch dann zurückkaufen kann, wenn sie ihres unbeschränkten Wiederkaufsrechts wegen des Vermögensverfalls der Klägerin verlustig zu gehen droht. Es wirkt damit ähnlich wie ein als Inhalt des Erbbaurechts unter diesen Bedingungen vereinbarter Heimfallanspruch (vgl. § 2 Nr. 4 ErbbauRG); dieser kann während der gesamten Dauer des Erbbaurechts, also unter Umständen ebenfalls 90 Jahre lang entstehen.

Soweit das bedingte Wiederkaufsrecht (Nr. 11 Abs. 2) für den Fall des Eintritts weiterer Bedingungen vereinbart worden ist, hat die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auf dessen Ausübung verzichtet. Ob das Wiederkaufsrecht insoweit wirksam war, bedarf keiner Entscheidung, da die Klägerin nur die Feststellung erstrebt, dass die Beklagte ihr Wiederkaufsrecht heute nicht mehr ausüben kann.

3. Da das Wiederkaufsrecht weiterhin ausgeübt werden kann, geht das Berufungsgericht weiter zutreffend davon aus, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, die Löschung der Vormerkung zu bewilligen, die ihren bei Ausübung des Wiederkaufsrechts entstehenden Übereignungsanspruch sichert.

4. Die Revision hat jedoch teilweise Erfolg, soweit der hilfsweise gestellte Antrag abgewiesen worden ist, mit dem die Klägerin die Feststellung verlangt, dass die Beklagte an der Ausübung des Wiederkaufsrechts insoweit gehindert ist, als neben der reinen Bodenwertsteigerung ein inflationsbedingter Wertzuwachs abgeschöpft und als nicht der vollständige Verkehrswert der aufstehenden Gebäude entschädigt wird.

a) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist dieser Hilfsantrag Gegenstand des Revisionsverfahrens, obwohl spezifische Rügen insoweit nicht erhoben worden sind. Ist ein prozessualer Anspruch durch Erhebung einer hinreichenden Sachrüge zulässig in das Revisionsverfahren eingeführt worden, beschränkt sich die Prüfung nicht auf diese Rüge (§ 557 Abs. 3 Satz 1 ZPO). So liegt es auch hier. Der Hilfsantrag der Klägerin bezieht sich auf denselben prozessualen Anspruch wie der auf Feststellung gerichtete Hauptantrag, nämlich auf das Recht der Beklagten, das Wiederkaufsrecht auszuüben. Dabei bilden Einwendungen, die sich auf die Konditionen des Wiederkaufs beschränken, ein bloßes Minus gegenüber solchen, die der Rechtsausübung dauerhaft entgegenstehen. Durch die von der Revision erhobenen Einwendungen, aus denen sich ergeben soll, dass die Beklagte auf Dauer gehindert ist, das Wiederkaufsrecht auszuüben, ist den Anforderungen des § 551 Abs. 3 Nr. 2 ZPO folglich auch hinsichtlich des (unechten) Hilfsantrags genügt.

b) Die Abweisung des Hilfsantrags hält rechtlicher Nachprüfung teilweise nicht stand.

aa) Ohne Rechtsfehler nimmt das Berufungsgericht allerdings an, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, bei Ausübung des Wiederkaufsrechts für die von der Klägerin errichteten Gebäude eine weitergehende als die vertraglich vereinbarte Entschädigung zu leisten, nämlich zwei Drittel des gemeinen Werts, den die Gebäude am Tag des Zugehens der Wiederkaufserklärung haben. Diese Entschädigung entspricht der Entschädigung, die ein Erbbauberechtigter nach dem Erlöschen des Erbbaurechts infolge Zeitablaufs gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 ErbbauRG (mindestens) zu beanspruchen hat, und ist damit nicht unverhältnismäßig.

bb) Anders verhält es sich hinsichtlich der Bemessung des Wiederkaufspreises. Das Berufungsgericht geht zwar zutreffend davon aus, dass eine sinkende Kaufkraft des Geldes grundsätzlich nicht zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage führt, und dass deshalb § 313 BGB keine Handhabe bietet, in langfristige Verträge entgegen dem der Rechtsordnung zugrundeliegenden Nominalwertprinzip eine stillschweigende Wertsicherungsklausel hineinzuinterpretieren (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 313 Rn. 26). Es verkennt aber, dass hier schon deshalb etwas anderes gilt, weil die Auslegung des Vertrages ergibt, dass der Wiederkaufspreis dem Wert der Kaufkraft entsprechen sollte, den der Kaufpreis im Jahr 1938 hatte, und er deshalb entsprechend der Entwicklung der allgemeinen Lebenshaltungskosten an den heutigen Geldwert anzupassen ist (siehe oben II. 1. a) bb) (2)). Diese Auslegung kann der Senat selbst vornehmen, da das Berufungsgericht sie unterlassen hat und weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu erwarten sind (vgl. Urteil vom 25. September 1975 - VII ZR 179/73, BGHZ 65, 107, 112; Urteil vom 3. November 1993 - VIII ZR 106/93, BGHZ 124, 39, 45; st. Rspr.). Da der Rechtsstreit auch insoweit zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat in der Sache selbst entschieden (§ 563 Abs. 3 ZPO).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Krüger Stresemann Czub Roth Brückner Vorinstanzen:

LG Hamburg, Entscheidung vom 29.05.2009 - 303 O 172/07 -

OLG Hamburg, Entscheidung vom 12.02.2010 - 1 U 111/09 -