OLG Nürnberg, Beschluss vom 14.01.2014 - 4 U 2123/13
Fundstelle
openJur 2014, 2270
  • Rkr:

Überflutungsschäden auf einem landwirtschaftlichen Grundstück, die durch einen auf ein Nachbargrundstück zugewanderten Biber verursacht werden, begründen keine Störerhaftung des für das Nachbargrundstück Verantwortlichen.

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Weiden i. d. Opf. vom 30.09.2013 wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

III. Das Urteil des Landgerichts Weiden i. d. Opf. ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1. Die zulässige Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Der Senat hat mit Beschluss vom 17.12.2013 folgenden Hinweis erteilt:

Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, dass der Tatbestand des § 1004 BGB nicht erfüllt ist, wenn die Beeinträchtigung ausschließlich auf Naturkräfte zurückgeht. Der Abwehranspruch setzt voraus, dass die Beklagte als Störerin verantwortlich ist. Der bloße Umstand des Eigentums an demjenigen Grundstück, von dem die Einwirkung ausgeht, reicht dazu nicht aus; die Beeinträchtigung muss vielmehr wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers zurückgehen (vgl. BGH NJW 1995, 2633 mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung). Durch Naturereignisse ausgelöste Störungen sind dem Eigentümer eines Grundstücks nur dann zuzurechnen, wenn er sie durch eigene Handlungen ermöglicht hat oder wenn die Beeinträchtigung durch ein pflichtwidriges Unterlassen herbeigeführt worden ist (BGHZ 90, 255, 266; 114, 183, 187; 122, 283, 284). Dies entspricht auch der ganz überwiegenden Auffassung in der Literatur (vgl. Palandt, BGB, 73. Aufl., § 1004 Rn 19).

4Es liegt am Problem des gesetzlich nicht näher geregelten Störerbegriffs, dass insbesondere im Bereich von Natureinwirkungen aus dem Zustand eines Grundstücks immer wieder schwierige Abgrenzungsprobleme auftreten, die sich nicht begrifflich allgemein gültig, sondern nur in wertender Betrachtungsweise von Fall zu Fall lösen lassen. Legt man für die Frage, ob ein Eigentümer eine natürliche Einwirkung "durch eigene Handlungen ermöglicht" hat, den rein naturwissenschaftlichen Kausalitätsbegriff zugrunde, so würden dem Grundstückseigentümer viel zu weitgehend auch Einwirkungen zugerechnet, die ein allgemeines Risiko darstellen und für die er nach Sinn und Zweck der nachbarrechtlichen Regelung des Nutzungskonflikts (§§ 903 ff BGB) nicht mehr verantwortlich gemacht werden kann. Der Grundstückseigentümer hätte dann beispielsweise auch durch eine Nutzungsänderung im Rahmen landwirtschaftlicher Bewirtschaftung als Oberlieger auf abschüssigem Gelände den verstärkten Abfluss von Oberflächenwasser auf das Nachbargrundstück ermöglicht (vgl. BGHZ 114, 187) oder durch Pflanzen von Bäumen deren späteres Umstürzen bei Sturm verursacht (vgl. BGHZ 122, 285). Der Bundesgerichtshof hat in diesen Fällen jedoch eine Verantwortung der Grundstückseigentümer abgelehnt. Er hat in einem Fall auf die seit jeher bestimmungsgemäß betriebene normale landwirtschaftliche Nutzung und die natürliche Eigenart des Grundstücks (BGHZ 114, 188; vgl. auch BGHZ 90, 255, 267) und im anderen Fall darauf abgestellt, dass der vom Eigentümer geschaffene Zustand (Anpflanzen und Aufzucht widerstandsfähiger Bäume) keine konkrete Gefahrenquelle für das Nachbargrundstück gebildet habe und Sturmschäden bei gesunden Bäumen normalerweise nicht zu erwarten seien (BGHZ 122, 285).

Ähnlich verhält es sich mit den hier vorliegenden (und für den Kläger störenden) Aktivitäten der Biber. Über die allgemeine Eignung des Grundstücks der Beklagten als Wohn- und Wirkungsstätte der Biber hinaus, hat die Beklagte keine konkrete Gefahrenquelle geschaffen, die sich später verwirklicht hat. Die vom Kläger beanstandeten Einwirkungen gehen auf ein zufälliges Naturereignis - der Einwanderung der Biber - zurück, das alle Grundstückseigentümer als allgemeines Risiko trifft und zur natürlichen Eigenart nahezu jedes Wassergrundstücks gehört. Das zeigt sich nicht zuletzt auch daran, dass Biber (heutzutage) auch in innerstädtischen Bereichen von Großstädten anzutreffen sind. Die streitgegenständliche Beeinträchtigung kann bei wertender Betrachtung mithin auch nicht mehr mittelbar auf den Willen des Grundstückseigentümers zurückgeführt werden. Auch die außerordentlich weitgehende und vom Bundesgerichtshof bisher abgelehnte sogenannte Eigentumstheorie bejaht eine Verantwortlichkeit für Störungen durch derartige Einflüsse unmittelbar kraft Eigentums nur dann, wenn sich die der Sache selbst innewohnende Gefährlichkeit verwirklicht. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

Eine Störereigenschaft der Beklagten käme daher nur dann in Betracht, wenn ihr ein pflichtwidriges Unterlassen vorzuwerfen wäre. Der Kläger verweist lediglich allgemein auf die Möglichkeit der Beklagten, Maßnahmen zu ergreifen, damit keine Beeinträchtigungen für ihn entstehen. Hierzu besteht aber genauso wenig eine Pflicht der Beklagten wie zu dem vom Kläger geforderten Einwirken auf die Gemeinde S. und/oder das Landratsamt N. als untere Naturschutzbehörde.

Der Klageanspruch ist auch unter dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses nicht gegeben. In der Regel begründet dieser auf Treu und Glauben fußende Gedanke keine selbständigen Ansprüche, sondern wirkt sich hauptsächlich als bloße Schranke der Rechtsausübung aus (vgl. BGHZ 88, 344, 351). Darüber hinaus kann das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme der Nachbarn untereinander nicht ohne weiteres die fehlenden Tatbestandsvoraussetzungen des § 1004 BGB und damit die Anspruchsgrundlage ersetzen. Mit Rücksicht auf die nachbarrechtlichen Sonderregelungen muss dies vielmehr eine aus zwingenden Gründen gebotene Ausnahme bleiben und kann nur dort zur Anwendung kommen, wenn ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend geboten erscheint. Auch dann würde dem Betroffenen in erster Linie das Recht zustehen können, selbst auch auf dem Grundstück seines insoweit duldungspflichtigen Nachbarn Bekämpfungsmaßnahmen durchzuführen, wenn die Einwirkungen einerseits zu unzumutbaren Beeinträchtigungen führen und die entsprechende Duldungspflicht den Nachbarn nur gering belastet. Ein derartiger Anspruch wird hier aber nicht geltend gemacht.

2. Der Kläger hält an seiner in der Berufung vertretenen Auffassung fest, dass es unbillig erscheine, ihn darauf zu verweisen, Selbstmaßnahmen zu ergreifen, wenn über Jahre hinweg regelmäßig von dem Grundstück der Beklagten Gefahren ausgehen. Er erleide seit Jahren Ernteausfälle wegen der ständigen Überflutung seines Grundstücks. Er könne auch dauerhaft keine geeigneten Maßnahmen ergreifen, um das Problem zu beseitigen. Er meint, dass die Beklagte aus nachbarschaftlicher Treuepflicht die Verpflichtung treffe, Schäden abzuwenden. Die Beklagte betreibe keine bestimmungsgemäße landwirtschaftliche Nutzung. Weiterhin verweist er auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz vom 01.06.2011, Az. 1 U 1299/10.

3. Die Stellungnahme des Klägers zum Hinweis des Senats führt nicht zu einer Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Beurteilung, insbesondere betrifft die vom Kläger zitierte Entscheidung des OLG Koblenz vom 01.06.2011 (1 U 1299/10) eine nicht vergleichbare Fallkonstellation.

Im dort entschiedenen Fall hatte der Streitverkündete durch die Drainierung seines Grundstücks einen Verstoß gegen das Landeswassergesetz begangen, weil ein Grundstückseigentümer den natürlichen Abfluss des Wassers nicht so verändern darf, dass Nachteile für andere Grundstücke entstehen. Die dortige Beklagte als unmittelbar benachbarte Grundstückeigentümerin haftete als mittelbare Störerin, weil über ihr Grundstück die vom Grundstück der Streitverkündeten abfließenden Wassermassen gleichsam konzentriert ihren Weg zum Grundstück der Klägerin fanden. Da darin eine nachteilige Wirkung für deren Grundstück lag, hatte sie einen (gleichsam drittschützenden) Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB i. V. m. dem Landeswassergesetz, wobei die entsprechende Schutzpflicht zu Gunsten der Unterlieger sich aus der durch den (baulichen) Zustand des Beklagtengrundstücks geschaffenen Gefahrerhöhung (Verkehrssicherungspflicht) und letztlich im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ihre Grundlage findet.

Bei der hier streitgegenständlichen Konstellation fehlt es aber bereits an einem Rechtsverstoß (und damit an der Störereigenschaft) durch einen Nachbarn. Die Beklagte hat nicht (pflichtwidrig) durch Maßnahmen auf ihrem Grundstück eine Gefahrerhöhung für das Grundstück des Klägers geschaffen. Sie konnte als Eigentümerin über die Nutzung oder Nichtnutzung ihres Grundstücks grundsätzlich frei entscheiden (§ 903 BGB). Die Beklagte ist nicht verpflichtet, eine "normale landwirtschaftliche Nutzung" zu betreiben. Dass sie ihr Grundstück "verwahrlosen" lassen würde, behauptet auch der Kläger nicht. Vielmehr handelt es sich um ein naturbelassenes Grundstück mit einem Wassergraben und Uferbewuchs. Anders als nach den Landeswassergesetzen (für den umgekehrten Fall) gibt es auch keine (drittschützende) Pflicht, zugunsten eines Nachbarn den natürlichen Abfluss des Wassers so zu verändern, dass keine Nachteile für andere Grundstücke entstehen. Vielmehr hat die Natur - der Biber - selbst den Ablauf des Wassers ohne Zutun der Beklagten verändert. Dafür haftet die Beklagte nicht.

Der Senat hält eine mündliche Verhandlung nicht für geboten. Da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert, hat der Senat die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 S. 2, §§ 711, 713 ZPO.