BGH, Beschluss vom 25.11.2013 - NotZ(Brfg) 7/13
Fundstelle
openJur 2014, 1573
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Notarsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 30. Januar 2013 zuzulassen, wird abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Streitwert: 25.000 €.

Gründe

Ein Grund zur Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO) besteht nicht.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO) sind nicht ersichtlich. Der Rechtssache fehlt auch die grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO). Entscheidungserhebliche Verfahrensfehler (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO) liegen nicht vor.

1. Das Oberlandesgericht hat mit Recht davon abgesehen, gemäß § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG eine Vorabentscheidung über den Rechtsweg zu treffen. Zutreffend hat es die Ausführungen im Schriftsatz des Klägers vom 11. Januar 2013 nicht dahin gehend verstanden, dass die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten bestritten werden sollte. Außer den insoweit von der Vorinstanz angeführten Gesichtspunkten spricht gegen die Annahme, der Kläger habe eine Rechtswegrüge nach der genannten Vorschrift erheben wollen, dass er selbst Klage zum Oberlandesgericht erhoben und auch einen Verweisungsantrag an das Gericht eines anderen Rechtswegs nicht gestellt hat.

Soweit der Kläger beanstanden wollte, dass der Notarsenat mit Richtern besetzt war, die der Dienstaufsicht des Präsidenten des Oberlandesgerichts unterliegen, der zugleich Beklagter in dieser Sache ist, ist diese Rüge unbegründet. Die Besetzung des Notarsenats mit Richtern des Oberlandesgerichts ist von §§ 101 f. i.V.m. § 111 Abs. 4 BNotO vorgegeben und führt, ohne dass im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, nicht zu Bedenken gegen die Unvoreingenommenheit der Richter (Senatsbeschluss vom 21. Februar 2011 - NotZ(Brfg) 7/10, juris Rn. 4). Umstände, aus denen sich eine konkrete Besorgnis ergeben könnte, die Richter des Notarsenats des Oberlandesgerichts Celle hätten die gebotene Neutralität gegenüber dem Beklagten nicht gewahrt, hat der Kläger nicht vorgetragen. Dass der Vorsitzende des Notarsenats ebenso wie der Präsident des Oberlandesgerichts dem Präsidium des Gerichts angehört, stellt einen solchen Umstand nicht dar. Ohne dass es für die Entscheidung noch erheblich ist, ist ergänzend anzumerken, dass die richterlichen Mitglieder des Notarsenats in Abweichung von dem in § 21e Abs. 1 Satz 2 GVG bestimmten Jährlichkeitsprinzip für die Dauer von fünf Jahren bestellt werden

102 Satz 1 BNotO). Deshalb ist die Befürchtung des Klägers unbegründet, der Präsident des Oberlandesgerichts könne als Vorsitzender des Präsidiums ohne weiteres darauf hinwirken, ihm nicht genehme Richter des Notarsenats zu ersetzen.

Aufgrund der in § 111 Abs. 1, 2 BNotO bestimmten Zuständigkeit des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs für verwaltungsrechtliche Notarsachen scheidet auch der vom Kläger gerügte Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG aus. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Zuweisung dieser Sachen zu Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit bestehen ebenfalls nicht (vgl. Senatsbeschluss vom 5. November 1962 - NotZ 11/62, BGHZ 38, 208, 210 ff.; Schippel/Bracker/Herrmann, BNotO, 9. Aufl., § 111 Rn. 1; ferner auch BGH, Beschluss vom 20. März 1961 - AnwZ (B) 15/60, NJW 1961, 1211, 1212 zur Anwaltsgerichtsbarkeit).

Die inmitten stehenden Rechtsfragen sind sämtlich geklärt, so dass entgegen der Ansicht des Klägers auch der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO nicht besteht.

2. Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Oberlandesgerichts bestehen auch nicht, soweit es in Übereinstimmung mit dem angefochtenen Bescheid die Voraussetzungen für die vorläufige Amtsenthebung des Klägers nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNotO i.V.m. § 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 2 BNotO für gegeben erachtet hat.

Neben der Zerrüttung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Notars, die regelmäßig anzunehmen ist, wenn gegen ihn Zahlungsansprüche in erheblicher Größenordnung bestehen oder gerichtlich geltend gemacht werden, Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse gegen ihn erlassen, fruchtlose Pfändungsversuche unternommen, Verfahren zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gemäß § 807 ZPO eingeleitet oder Haftbefehle zur Erzwingung dieser Versicherung gegen ihn erlassen worden sind, ist bereits eine Wirtschaftsführung des Notars, die Gläubiger dazu zwingt, wegen berechtigter Forderungen Zwangsmaßnahmen zu ergreifen, als solche nicht hinnehmbar. Ohne Belang ist dabei, aus welchen Gründen diese Maßnahmen erforderlich werden. Dies gilt selbst dann, wenn sie nicht auf schlechte wirtschaftliche Verhältnisse, Vermögenslosigkeit oder Überschuldung des Notars zurückzuführen sind. Unbeachtlich ist ferner, ob den Notar ein Verschulden an der Situation trifft, die ihn zu seiner Art der Wirtschaftsführung veranlasst (st. Rspr. z.B. Senatsurteil vom 22. Juli 2013 - NotZ(Brfg) 13/12, juris Rn. 15; Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2009 - NotZ 14/08, juris Rn. 11 mwN).

Nach den vom Oberlandesgericht getroffenen Sachverhaltsfeststellungen, gegenüber denen der Kläger im Ergebnis durchgreifende Rügen nicht erhoben hat, sind diese Voraussetzungen für die vorläufige Amtsenthebung erfüllt. Danach haben seit dem Jahr 2000 Gläubiger des Klägers in wenigstens 46 Fällen wegen titulierter Forderungen die Zwangsvollstreckung gegen den Kläger eingeleitet. 26 dieser Vollstreckungsvorgänge stammen aus den letzten vier Jahren vor der inzwischen mit dem gesondert angefochtenen Bescheid vom 12. Februar 2013 ausgesprochenen endgültigen Amtsenthebung des Klägers. Auch wenn, wie das Oberlandesgericht weitgehend berücksichtigt hat, die Zwangsvollstreckungen in vier dieser Fälle insgesamt (Nummern 25, 27, 37, 44 der Aufstellung des Oberlandesgerichts) und in zwei weiteren Vorgängen teil-8 weise unzulässig (Nummern 33 und 46 der Aufstellung) gewesen sein mögen, verbleibt es dabei, dass die Gläubiger des Klägers in jüngerer Zeit in einer erheblichen Anzahl Zwangsvollstreckungen gegen den Kläger haben betreiben müssen.

Für die Annahme, dass sich die Gläubiger des Klägers lediglich in einer kurzen, vorübergehenden und inzwischen überwundenen Phase der beruflichen Tätigkeit des Notars veranlasst gesehen haben, ihre Forderungen zwangsweise beizutreiben, so dass eine die Interessen der Rechtsuchenden gefährdende Art der Wirtschaftsführung zu verneinen sein könnte (vgl. Senatsbeschluss vom 2. Januar 2013 - NotZ(Brfg) 13/12, juris Rn. 5), gibt es keinen Anhaltspunkt. Im Gegenteil ist der Kläger ausweislich der vom Senat eingeholten Auskunft der Oberfinanzdirektion Niedersachsen vom 13. September 2013 bis zum Erlass der seine endgültige Amtsenthebung anordnenden Verfügung des Beklagten vom 12. Februar 2013 und darüber hinaus (vgl. zur Frage der Beachtlichkeit von - hier aber nicht zugunsten des Klägers eingetretenen - Änderungen der Sachlage nach der Verwaltungsentscheidung über die Amtsenthebung z.B. Senatsbeschluss vom 22. März 2004 - NotZ 23/03, NJW 2004, 2018, 2019 mwN einerseits und BVerfG NJW 2005, 3057, 3058; Eylmann/Vaasen/Custodis, BNotO/BeurkG, 3. Aufl., § 50 Rn. 158; Schippel/Bracker/Püls, BNotO, 9. Aufl. § 50 Rn. 46b andererseits) immer wieder mit erheblichen Beträgen in Rückstand mit seinen steuerlichen Verpflichtungen gekommen. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass insbesondere eine nicht nur vereinzelt nachlässige Handhabung steuerlicher Verpflichtungen eine für einen Notar nicht hin-

nehmbare Art der Wirtschaftsführung darstellt, die erhebliche Zweifel an seiner wirtschaftlichen Zuverlässigkeit begründet (Senatsurteil vom 22. Juli 2013 - NotZ(Brfg) 13/12, juris Rn. 17). Für eine ungeordnete Wirtschaftsführung spricht auch, dass der Kläger sich außerstande zeigte, selbst kleinere Beträge (z.B. 141 € OFD M. 7. April 2010; 121 € Land B. 17. Mai 2010; 219 € Finanzverwaltungsamt S. 27. Dezember 2011; 268,50 € OFD N. 18. Mai 2012) pünktlich auszugleichen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 26. März 2001 - NotZ 23/00, NdsRpfl 2001, 308, juris Rn. 9 und vom 17. November 2008 - NotZ 130/07, ZNotP 2009, 116, juris Rn. 15).

Entgegen der Ansicht des Klägers ist es unbeachtlich, dass in einer Reihe von Fällen die Zwangsvollstreckungsaufträge der Gläubiger nicht mehr zur Anordnung von Vollstreckungsmaßnahmen geführt haben, weil die zugrunde liegenden Forderungen zuvor beglichen wurden. Schon die Tatsache, dass sich ein Notar wiederholt erst nach der Beantragung von Zwangsvollstreckungsverfahren bereitfindet oder in die Lage versetzt wird, gegen ihn gerichtete titulierte Forderungen zu begleichen, begründet die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden infolge der Art der Wirtschaftsführung (Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2009 - NotZ 14/08, juris Rn. 25).

Ebenfalls unerheblich ist, ob es die wirtschaftliche Lage des Klägers erlaubte, die gegen ihn gerichteten Forderungen ohne weiteres zu begleichen. Auch wenn die Ursache dafür, dass die Gläubiger wegen ihrer titulierten Ansprüche die Zwangsvollstreckung betreiben müssen, nicht im finanziellen Un-

vermögen des Notars liegt, ist es eine mit seinem Amt unvereinbare Art der Wirtschaftsführung, es überhaupt auf die Beantragung von Vollstreckungsmaßnahmen ankommen zu lassen (vgl. Senatsurteil vom 22. Juli 2013 aaO Rn. 15 und Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2009 aaO Rn. 11).

Das wirtschaftliche Gebaren eines Notars, wie es das Oberlandesgericht im vorliegenden Fall festgestellt hat, belegt in aller Regel die von § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO vorausgesetzte Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden. Zahlungsschwierigkeiten des Notars und insbesondere gegen ihn geführte oder ihm drohende Maßnahmen der Zwangsvollstreckung begründen die Gefahr, dass er etwa Kostenvorschüsse nicht auftragsgemäß verwendet oder gar zur Tilgung eigener Verbindlichkeiten auf ihm treuhänderisch anvertraute Gelder zurückgreift. Hierbei genügt eine abstrakte Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden. Es ist nicht erforderlich, dass sich bereits in einem konkreten Fall Anhaltspunkte ergeben haben, der Notar könne aufgrund einer wirtschaftlichen Zwangslage sachwidrigen Einflüssen auf seine Amtsführung nicht entgegentreten oder er habe gar bereits Fremdgelder weisungswidrig für sich verbraucht. Dies folgt daraus, dass die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden in den beiden ersten Tatbestandsvarianten des § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO nur allgemein aus den wirtschaftlichen Verhältnissen beziehungsweise der Art seiner Wirtschaftsführung resultieren muss, während der dritte Tatbestand dieser Vorschrift demgegenüber gerade an konkrete Amtstätigkeiten des Notars anknüpft, indem sie als Amtsenthebungsgrund die durch die Art der Durchführung von Verwahrungsgeschäften bedingte Gefährdung der Rechtsuchenden normiert (st. Rspr. z. B. Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2009 aaO Rn. 12 mwN). Dementsprechend waren zusätzliche Feststellungen zu einer konkreten Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden, deren Fehlen der Kläger moniert, nicht notwendig.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO bestehen nicht. Ebenso wie § 50 Abs. 1 Nr. 6 BNotO, dessen Übereinstimmung mit dem Grundgesetz das Bundesverfassungsgericht bestätigt hat (NJW 2005, 3057), schützt die Bestimmung als wichtigen Gemeinwohlbelang die Rechtsuchenden vor Gefahren, die in der Art der Wirtschaftsführung eines Notars begründet sind. Sie ist, weil sie, wie oben ausgeführt, nicht bei vorübergehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten eingreift, auch verhältnismäßig (vgl. BVerfG aaO). Die Voraussetzungen der Vorschrift sind nicht zuletzt aufgrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung hinreichend konkretisiert.

Schließlich hat das Oberlandesgericht mit Recht einen Ermessensfehler des Beklagten verneint. Insbesondere widerspricht die Anwendung von § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO im Einzelfall nicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Vorinstanz hat sich mit den insoweit inmitten stehenden Fragen eingehend und sorgfältig befasst. Der Senat teilt die Würdigung des Oberlandesgerichts.

Die weiteren vom Kläger in seinem Zulassungsantrag gegen die Richtigkeit der anzufechtenden Entscheidung angeführten Gesichtspunkte hat der Senat ebenfalls geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet.

3. Die im vorliegenden Fall im Zusammenhang mit den Voraussetzungen der vorläufigen Amtsenthebung nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind sämtlich durch die Senatsrechtsprechung geklärt, so dass insoweit auch der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO nicht besteht.

Galke Diederichsen Herrmann Strzyz Frank Vorinstanz:

OLG Celle, Entscheidung vom 11.02.2013 - Not 8/12 - 17