AG Rostock, Urteil vom 20.12.2013 - 47 C 228/13
Fundstelle
openJur 2014, 977
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.360,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.01.2013 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheits leistung in Höhe von 110 % vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger fordert die geleistete Anzahlung für eine Kreuzfahrtreise nach deren Stornierung zurück.

Der Kläger buchte für sich und seine Ehefrau bei der Beklagten eine Kreuzfahrt durch die Karibik zu einem Preis in Höhe von 9.048,00 €. Die Reise sollte vom 24.11. bis 08.12.2012 stattfinden. Gebucht war eine Balkonkabine zum "A... PREMIUM Preis". Gegenstand der Buchung war auch ein An- und Abreisepaket; der Flug sollte in der Comfort Class erfolgen. Der Kläger leistete eine Anzahlung in Höhe von 1.360,00 €.

Die vom Kläger ursprünglich gebuchten Flugplätze in der Comfort Class waren nach der Stornierung später nicht mehr buch bar. Auch die vom Kläger ursprünglich gebuchte Kabine Nummer 8154 war für die stornierte Reise erneut verbucht worden.

In der Katalogbeschreibung der Beklagten zum Leistungsumfang der Preiskategorie A... PREMIUM heißt es u.a.:

"Umbuchungsgebühr bis 60 Tage vor Abreise****
(z.W. Änderung des Abflugortes, der Kabine oder des Reisetermins) einmalig kostenfrei."

Unter der entprechenden Tabelle befinden sich zu den Sternchen Erklärungen in weißer Schrift auf blauen Untergrund und deutlich kleineren Buchstaben. Hier heißt es:

"Näheres auf Seit 112."

Zur Darstellung wird auf die Anlage K10 (Blatt 45 d.A) Bezug genommen.

Auf Seite 112 sind die dem Vertrag zugrundeliegenden allgemeinen Reisebedingungen der Beklagten abgedruckt. Unter der Überschrift "7 Rücktritt durch den Kunden/Umbuchung" sind unter 7.2 unterschiedliche sogenannte Stornopauschalen geregelt. Unter 7.4 heißt es u.a.:

"Ein Anspruch des Kunden auf Änderung von Reiseleistungen nach Vertragsabschluss, z.B. hinsichtlich des Reisetermins, des Abflugortes oder Reiseziels, der Unterkunft oder Verpflegungsart, der Kabine oder Beförderungsart (Umbuchungen) besteht nicht. Für Umbuchungen, die auf Wunsch des Kunden dennoch unter Beibehaltung des Gesamtzuschnitts der Reise vorgenommen werden (insbesondere unter Beibehaltung der Reisedauer) werden bis 60 Tage vor Reisebeginn von A... Cruises folgende Kosten berechnet:
- für Umbuchung innerhalb von A... PREMIUM keine
..."

Aus privaten Gründen konnte der Kläger die gebuchte Reise nicht durchführen. Er wollte die Karibikreise in zwei andere Kreuzfahrten zu den Kanaren und nach Nordeuropa umbuchen. Dies lehnte die Beklagte ab. Der Kläger stornierte deshalb mit Schreiben vom 21.08.2012 die gebuchte Reise. Die Beklagte berechnete dem Kläger entsprechend Ziffer 7.2 ihrer Reisebedingungen, Stornokosten in Höhe von insgesamt 1.756,00 € und verweigerte dem Kläger die Rückzahlung der geleisteten Anzahlung.

Die Ehefrau des Klägers trat diesen Ansprüchen im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Reise ab.

Der Kläger ist der Auffassung, die Regelungen unter Ziffer 7.2 der allgemeinen Reisebedingungen der Beklagten (sogenannte Stornopauschalen) seien unwirksam. Dies gelte auch für die Regelung unter Ziffer 7.4.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.360,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz der EZB p.a. seit dem 09.01.2013 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, auf der streitgegenständlichen Reise seien 11 Kabinen frei geblieben. Eine Kabine habe der Kabine entsprochen, die der Kläger gebucht hatte.

Weiterhin ist die Beklagte der Auffassung, der Kläger sei hinsichtlich von Ansprüchen seiner Ehefrau nicht aktiv legitimiert. Die von dem Kläger vorgelegte Abtretungserklärung sei zu unbestimmt.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 398 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Anzahlung für die bei der Beklagten gebuchte Karibikreise in Höhe von 1.360,00 €.

Zunächst ist festzustellen, dass der Kläger für die Rückforderung der geleisteten Anzahlung insgesamt aktiv legitimiert ist. Dahingestellt bleiben kann, ob er bereits aufgrund der Buchung für sich und seine Ehefrau berechtigt ist, die gesamte Anzahlung zu fordern. Jedenfalls mit der vorgelegten Abtretungserklärung sind mögliche separate Ansprüche seiner Ehefrau wirksam auf den Kläger übertragen worden. Bedenken gegen die Wirksamkeit der Abtretung bestehen nicht. Die Abtretungserklärung ist ausreichend bestimmt.

Dem Kläger ist in Höhe der geleisteten Anzahlung von 1.360,00 € ein Schaden entstanden, da es ihm nicht ermöglicht wurde, entgegen der im Katalog aufgezeigten Möglichkeit eine Umbuchung der Reise vorzunehmen. Nach der Katalogbeschreibung hatte der Kläger, der die Reise mit der Preis kategorie PREMIUM buchte, die Möglichkeit eine einmalige kostenlose Umbuchung vorzunehmen. Dies wurde von der Beklagten zu Unrecht verweigert. Soweit die Beklagte aufgrund der dann erfolgten Stornierung eine Stornierungsgebühr forderte und aus diesem Grund die Rückzahlung der Anzahlung verweigerte ist dem Kläger ein Schaden in entsprechender Höhe entstanden.

Die Beklagte kann sich nicht unter Hinweis auf Ziffer 7.4 ihrer allgemeinen Reisebedingungen darauf berufen, dass der Kläger keinen Anspruch auf eine Umbuchung hatte. Diese Klausel ist gemäß §§ 305c, 306 BGB unwirksam.

Gemäß § 305c Abs.1 BGB sind Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages so ungewöhnlich sind, dass der Vertrags partner des Verwender mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertrags bestandteil geworden. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Nach der Katalogbeschreibung war der Kläger als Reisender, der eine Reise nach dem A... PREMIUM Tarif buchte, berechtigt, eine einmalige kostenfreie Umbuchung vorzunehmen. Schon die Regelung darüber, dass es eine Umbuchungsgebühr gibt unterstellt für einen unbefangenen Dritten, der sich mit den Leistungen der Beklagten beschäftigt, dass eine Umbuchung möglich ist. Dies wird dadurch verstärkt, dass in dem vom Kläger gebuchten höchsten Leistungsniveau die Umbuchung einmalig kostenfrei erfolgen könne. Dahingestellt bleiben kann, ob von dem Reisenden angesichts dieser Aussage noch zu verlangen ist, zu prüfen, was mit "Näheres" auf Seite 112" gemeint oder geregelt ist. Jedenfalls erschließt sich dem unbefangenen Leser der allgemeinen Reisebedingungen der Beklagten auch beim Lesen dieser Reisebedingungen nicht sofort, dass bereits grundsätzlich kein Anspruch auf eine Umbuchung besteht. Diese Regelung ist unter der Überschrift "7 Rücktritt durch den Kunden/Umbuchung" erst unter Ziffer 7.4 enthalten, weder hervorgehoben und beim Überfliegen der Reisebedingungen leicht zu überlesen bzw. für einen Nicht juristen zunächst leicht misszuverstehen. Letzteres zumindest im Zusammenhang mit der vorgenannten Darstellung einer kostenlosen Umbuchungsmöglichkeit im Katalog. Hinzu kommt, dass es drucktechnisch einfach gewesen wäre, bereits bei den Darstellungen der Leistungen im Katalog darauf hinzuweisen, dass kein Anspruch auf eine Umbuchung besteht. Ohne diesen Hinweis in der Leistunqsdarstellung ist diese im Zusammenhang mit der Regelung unter Ziffer 7.4 der Reisebedingungen auch irreführend.

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind Überraschend im Sinne vom § 305c BGB, wenn es sich hierbei um eine objektiv ungewöhnliche Klausel handelt. Diese liegt vor, weil sie im Widerspruch zu der Werbung bzw. Leistungsdarstellung für den Preistarif A... PREMIUM, wie er im Katalog dargestellt ist, steht.

Hinzu kommt ein Überraschungsmoment. Dies bedeutet, dass der Reisende mit der Klausel nicht zu rechnen braucht. Zwischen den Erwartungen des Kunden und dem Klauselinhalt muss eine Diskrepanz bestehen, der Klausel muss ein Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt innewohnen (Palandt/Grüneberg BGB, 73. Auflage, § 315c Rn. 3 f m.w.N.). Angesichts der Darstellung der Umbuchungsmöglichkeit im Katalog muss der Reisende vorliegend nicht damit rechnen, dass er hinsichtlich einer Umbuchungsmöglichkeit lediglich vom Wohlwollen der Beklagten abhängig ist.

Für die Frage, welche Vorstellungen und Erwartungen der Kunde vom Inhalt des Vertrages hatte und haben durfte kommt es auf die gesamten, bei Vertragsschluss obwaltenden Umstände an. Maßgeblich ist also nicht nur der Inhalt des ausdrücklich vereinbarten und der vorausgegangenen Verhandlungen sondern auch der Eindruck, den der Kunde nach der (z.B. in Katalogen und Prospekten enthaltenen) Werbung des Verwenders, nach seinem äußeren Auftreten sowie nach dem "äußeren Erscheinungsbild des Vertrages", d.h. aufgrund der Aufmachung, der drucktechnischen Anordnung und des Schriftbildes der von dem Verwender vorgelegten Urkunden von dem zu erwartenden Vertrags inhalt gewinnen konnte. Dabei kommt es grundsätzlich auf die Vorstellungen und Erwartungen an, die ein redlicher Kunde von durchschnittlicher Geschäftserfahrung, Aufmerksamkeit und Umsicht sich vom Inhalt des Vertrages aufgrund der genannten Umstände gebildet hätte. Im Einzelfall kann daher aufgrund der besonderen Umstände des Vertragsabschlusses auch eine "üblichen" Klausel eine Überraschungswirkung zukommen (MüKo/Basedow, BGB 6. Aufl., § 305c R.n. 6).

Klauseln, die im Widerspruch zu den Werbeangaben des Verwenders oder zu den vom Verwender gewählten Vertragstyp stehen, sind in aller Regel als überraschend anzusehen (Errmann/Rohloff, BGB § 305c Rn. 13; Lepp/Salamon juris PK- BGB Band 2, 6. Auflage Rn. 34; Palandt/Grüneberg BGB 73. Auflage, § 305c Rn. 3).

ZUsammenfassend wäre dem Kläger, wenn die Beklagte entsprechend ihrer Darstellung im Katalog eine Umbuchung vorgenommen hätte, ein Stornierungsschaden in Höhe der von der Beklagten geltend gemachten Stornierungsgebühr nicht entstanden.

Aus den vorstehenden Gründen kann es dahingestellt bleiben, ob die von der Beklagten in ihren Reisebedingungen geregelten Stornopauschalen angemessen sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Vielen Dank für die Einsendung der Entscheidung gilt RAin Annegret Boeddecker, LL.M..