BGH, Beschluss vom 25.11.2013 - NotZ(Brfg) 11/13
Fundstelle
openJur 2014, 326
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Senats für Notarsachen des Oberlandesgerichts Köln vom 24. Januar 2013 zuzulassen, wird abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Streitwert: 50.000 €.

Gründe

I.

Der im September 1942 geborene Kläger beantragte beim Beklagten, ihm über den 30. September 2012 hinaus die Ausübung des Notaramts zu gestatten. Dies lehnte der Beklagte unter Hinweis auf die in § 48a BNotO zwingend bestimmte Altersgrenze ab. Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er beantragt, ihm die notarielle Tätigkeit auf unbestimmte Zeit, jedenfalls bis zur Vollendung des 75. Lebensjahres zu erlauben und das Verfahren bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte über die Beschwerde eines anderen Notars, dessen Amt gemäß § 47 Nr. 1 1 BNotO wegen Erreichens der Altersgrenze des § 48a BNotO erloschen ist, auszusetzen. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen.

II.

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil der Vorinstanz zuzulassen, ist zulässig, aber unbegründet. Ein Zulassungsgrund (§ 124 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO) besteht nicht. Insbesondere hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO) noch bestehen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Oberlandesgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO).

Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind durch den Senatsbeschluss vom 22. März 2010 (NotZ 16/09, BGHZ 185, 30) und den die Verfassungsbeschwerde gegen diese Entscheidung zurückweisenden Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Januar 2011 (1 BvR 2870/10, NJW 2011, 1131) zum Nachteil des Klägers geklärt. Danach verstoßen § 47 Nr. 1 und § 48a BNotO weder gegen das Grundgesetz noch gegen das aus der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303/16) - fortan: Richtlinie - folgende Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters. Hieran hält der Senat auch unter Berücksichtigung der vom Kläger angeführten Gesichtspunkte fest.

1. Darauf, dass die Richtlinie auf das selbständige Notariat nach Auffassung des Senats nicht anwendbar ist (aaO Rn. 14 ff; vgl. auch Senatsbeschluss vom 26. November 2007 - NotZ 23/07, BGHZ 174, 273 Rn. 27; offengelassen: BVerfG aaO Rn. 11), kommt es entgegen der Ansicht des Klägers im Ergebnis nicht an. Selbst bei unterstellter Anwendbarkeit der Richtlinie verstößt die Altersgrenze nicht gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters (Senatsbeschluss vom 22. März 2010 aaO Rn. 22 ff; BVerfG aaO Rn. 11 ff), weil die für deutsche Notare geltende Altersgrenze nach den Maßstäben der Richtlinie beschäftigungspolitisch dadurch gerechtfertigt ist, dass anderenfalls für die Besetzung der nur in begrenzter Anzahl zur Verfügung stehenden Stellen (§ 4 Satz 1 BNotO) nicht, jedenfalls nicht mit der erforderlichen Vorhersehbarkeit und Planbarkeit gewährleistet wäre, dass lebensältere Notare die ihnen zugewiesenen Stellen für lebensjüngere freimachen und diesen eine Perspektive eröffnet wird, den angestrebten Beruf des Notars binnen angemessener Zeit ausüben zu können (Senat aaO Rn. 29). Diese Würdigung wird auch nicht durch die vom Kläger zitierten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 131, 113), des Arbeitsgerichts Hamburg (BeckRS 2009, 50505) und des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main (BeckRS 2009, 37463) in Frage gestellt.

In der eine tarifvertraglich vereinbarte Altersgrenze von 60 Jahren für Berufspiloten betreffenden Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht (aaO) ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichtet. Dieser hat in seinem Urteil vom 13. September 2011 (C-447/09 - Prigge u.a., NJW 2011, 3209) in jener Sache einen Verstoß gegen die Richtlinie nur deshalb angenommen, weil diese Altersgrenze, ab der Flugzeugführer als körperlich nicht mehr fähig zur Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit gelten sollten, im Widerspruch zu nationalen und internationalen Regelungen stand, in 4 denen dieses Alter auf 65 Jahre festgelegt war (aaO Rn. 75). Eine vergleichbare Konstellation ist hier nicht gegeben.

Die zitierte Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamburg hatte ebenfalls ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zum Gegenstand. In seinem daraufhin ergangenen Urteil vom 12. Oktober 2010 (C-45/09 - Gisela Rosenbladt u.a., NJW 2010, 3767) hat der Gerichtshof - in inhaltlicher Entsprechung mit der Rechtsauffassung des Senats - ausgeführt, dass Klauseln über die automatische Beendigung der Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten, die eine Altersrente beantragen können, als Teil einer nationalen Politik gerechtfertigt sein können, mit der über eine bessere Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen der Zugang zur Beschäftigung gefördert werden soll. Die damit verfolgten Ziele seien grundsätzlich als eine im Rahmen des nationalen Rechts objektive und angemessene Rechtfertigung für eine von den Mitgliedstaaten angeordnete Ungleichbehandlung wegen des Alters anzusehen (aaO Rn. 62). Weiter hat er den weiten Ermessensspielraum derjenigen, die auf nationaler Ebene die Rechtslage gestalten, nicht nur bei der Entscheidung über die Verfolgung eines bestimmten sozial- und beschäftigungspolitischen Ziels, sondern auch bei der Festlegung der für seine Erreichung geeigneten Maßnahmen betont (aaO Rn. 69; siehe auch EuGH, Urteil vom 6. November 2012 - C-152/11 - Odar, NJW 2013, 587 Rn. 47; siehe hierzu Senatsbeschluss vom 22. März 2010 aaO Rn. 27 f). Dementsprechend hat der Gerichtshof die in Rede stehende tarifvertragliche Regelung, aufgrund derer Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten, die das Rentenalter von 65 Jahren erreicht haben, ohne weiteres enden, für mit der Richtlinie vereinbar gehalten.

Die vom Kläger angeführte Entscheidung des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main (aaO), das die zwingende beamtenrechtliche Altersgrenze für den Eintritt in den Ruhestand für mit der Richtlinie unvereinbar gehalten hat, ist vereinzelt geblieben und vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof aufgehoben worden (NVwZ 2010, 140).

Überdies hat der Gerichtshof seinem Urteil vom 6. November 2012 (C-286/12, juris) zur Herabsetzung der Altersgrenze für ungarische Richter, Staatsanwälte und Notare von 70 Jahren auf 62 Jahre erneut hervorgehoben, dass die Gewährleistung einer ausgewogenen Altersstruktur, um die Einstellung und Beförderung jüngerer Bediensteter zu begünstigen, ein legitimes Ziel einer Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik ist, das eine Altersgrenze rechtfertigt (aaO Rn. 60, 62 f m.w.N.). Dies entspricht ebenfalls den Ausführungen in dem Senatsbeschluss vom 22. März 2010 (aaO Rn. 29). Der Gerichtshof hat den Verstoß der betreffenden ungarischen Regelung gegen die Richtlinie dementsprechend damit begründet, dass das legitime Ziel nicht mit geeigneten und erforderlichen Mitteln erreicht werden sollte. Der Gerichtshof beanstandete, dass die in Rede stehende Regelung eine plötzliche und erhebliche Senkung der Altersgrenze für das zwingende Ausscheiden aus dem Dienst vornahm, ohne Übergangsmaßnahmen vorzusehen, die geeignet gewesen wären, das berechtigte Vertrauen der Betroffenen zu schützen, die eine Einbuße von mindestens 30 % ihres Gehalts hätten hinnehmen müssen (aaO Rn. 68, 70). Von einer derartigen Fallgestaltung ist der Kläger aufgrund der von ihm beanstandeten, bereits seit dem 3. Februar 1991 (Art. 1 Nr. 12 des Gesetzes zur Änderung des Berufsrechts der Notare und Rechtsanwälte vom 29. Januar 1991, BGBl. I S. 150) in Kraft befindlichen Regelungen nicht betroffen.

2. Auch das vom Kläger angeführte, den Staatsangehörigkeitsvorbehalt des § 5 BNotO a.F. betreffende Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 24. Mai 2011 (C-54/08, NJW 2011, 2941) stützt seine Rechtsposition nicht. Die Altersgrenze des § 48a BNotO findet ihre Rechtfertigung in der Sicherung einer geordneten Altersstruktur und der Notwendigkeit, im Interesse der beruflichen Perspektive lebensjüngerer Anwärter für eine ausreichende Fluktuation zu sorgen (Senatsbeschluss vom 22. März 2010 aaO). Diese Erfordernisse wiederum sind zwangsläufige Folge dessen, dass Notarstellen aufgrund von § 4 Satz 1 BNotO nur in begrenzter Anzahl zur Verfügung stehen (vgl. Senat aaO). Nach dem Urteil des Gerichtshofs vom 24. Mai 2011 (aaO Rn. 98) gehört die Begrenzung der Zahl und der örtlichen Zuständigkeit der Notare zu den Beschränkungen von Art. 43 EG (= Art. 49 AEUV), die durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden können, weil mit den notariellen Tätigkeiten in diesem Interesse liegende Ziele verfolgt werden, die insbesondere dazu dienen, die Rechtmäßigkeit und die Rechtssicherheit von Akten zwischen Privatpersonen zu gewährleisten. Auf die vom Kläger erörterte Frage, ob das Urteil des Gerichtshofs Auswirkungen auf die Einordnung der notariellen Tätigkeit als Ausübung eines öffentlichen Amts (§ 1 BNotO) hat, weil er gemeint hat, die Bereichsausnahme des Art. 51 Abs. 1 i.V.m. Art. 62 AEUV (Ausübung öffentlicher Gewalt) gelte nicht für die notarielle Urkundstätigkeit (siehe hierzu jedoch BVerfG NJW 2012, 2639 Rn. 46 ff; Senatsurteil vom 4. März 2013 - NotZ(Brfg) 9/12, NJW 2013, 1605 Rn. 19 [für BGHZ vorgesehen]), kommt es demnach nicht an.

3. Unbehelflich für seine Rechtsposition ist die für sich genommen sicherlich zutreffende Erwägung des Klägers, nach der Vollendung des 70. Lebensjahrs sei nicht generell davon auszugehen, dass die körperlichen und geistigen Kräfte von Notaren so sehr nachgelassen hätten, dass das Ausscheiden aus 9 dem Amt zwingend erscheine. Nicht gesundheitliche Erwägungen, sondern Gründe der geordneten Altersstruktur und der Berufsaussichten für jüngere Anwärter sind für die Altersgrenze des § 48a BNotO maßgeblich.

Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang geltend macht, es habe sich nach Einführung der notariellen Fachprüfung gemäß §§ 7a ff BNotO mittlerweile ein Mangel an Nachwuchsinteressenten für das Anwaltsnotariat eingestellt, rechtfertigt dies nicht, § 48a BNotO nicht mehr anzuwenden, selbst wenn dieser Befund zutreffen und sich verstetigen sollte. Ob, wann und in welcher Weise der Gesetzgeber die Rechtslage geänderten tatsächlichen Verhältnissen anpasst, liegt in seinem, von den Gerichten schon aus Gründen der Gewaltenteilung zu respektierenden Gestaltungsspielraum. Dass sich die Bewerberverhältnisse derart massiv gewandelt hätten, dass mit der Beibehaltung der Altersgrenze des § 48a BNotO der dem Gesetzgeber zustehende weite Spielraum überschritten wäre, ist auch nicht ansatzweise ersichtlich.

4. Die Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte über die Beschwerde eines anderen ehemaligen Notars, dessen Amt aufgrund des Erreichens der Altersgrenze des § 48a BNotO gemäß § 47 Nr. 1 BNotO erlosch, war und ist ebenso wenig geboten wie ein Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art. 267 AEUV.

a) Die Voraussetzungen einer Aussetzung der Entscheidung des Rechtsstreits gemäß § 94 VwGO i.V.m. § 111b Abs. 1 BNotO sind nicht erfüllt. Das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist nicht prä-

judiziell im Sinne des § 94 VwGO, der wörtlich und inhaltlich mit § 148 ZPO übereinstimmt. Die Vorgreiflichkeit nach dieser Vorschrift besteht nicht schon dann, wenn die gleiche Rechtsfrage in beiden Verfahren entscheidungserheblich ist. § 148 ZPO stellt nicht auf sachliche oder tatsächliche Zusammenhänge zwischen verschiedenen Verfahren ab, sondern auf die Abhängigkeit vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses. Allein die tatsächliche Möglichkeit eines Einflusses genügt dieser gesetzlichen Voraussetzung nicht und wäre im Übrigen auch ein konturenloses Kriterium, das das aus dem Justizgewährleistungsanspruch folgende grundsätzliche Recht der Prozessparteien auf Entscheidung ihres Rechtsstreits in seinem Kern beeinträchtigen würde (BGH, Beschluss vom 13. September 2012 - III ZB 3/12, WM 2012, 2024 Rn. 13 mwN; zu § 94 VwGO auch Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl., § 94 Rn. 4a).

b) Die Voraussetzungen für ein Vorabentscheidungsersuchen des Senats an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV sind gleichfalls nicht erfüllt. Der Senat nimmt insoweit zunächst auf die Ausführungen in seinem Beschluss vom 22. März 2010 (NotZ 16/09, BGHZ 185, 31 Rn. 32 ff; siehe hierzu auch BVerfG NJW 2011, 1131 Rn. 14) Bezug. Soweit er in Nummer II 1 und 2 des vorliegenden Beschlusses ergänzende Erwägungen zum Unionsrecht angestellt und sich hierbei insbesondere mit weiteren Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union auseinandergesetzt hat, liegen die Würdigungen ebenfalls derart auf der Hand, dass eine Vorlage gemäß Art. 267 AEUV nach den Maßstäben der sogenannten acte clair-Doktrin (siehe hierzu z.B. Senatsbeschlüsse vom 22. März 2010 aaO Rn. 33 f und vom 26. November 2007 - NotZ 23/07, BGHZ 174, 273 Rn. 34) ausscheidet. Vielmehr stützen diese Entscheidungen die Auffassung des Senats offenkundig.

Schlick Diederichsen Herrmann Strzyz Frank Vorinstanz:

OLG Köln, Entscheidung vom 24.01.2013 - 2 X (Not) 13/12 -