OLG Schleswig, Urteil vom 04.10.2013 - 7 U 46/13
Fundstelle
openJur 2013, 45743
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 13. Februar 2013 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kiel wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Streithelfers.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch den Beklagten und den Streithelfer wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von jeweils 110% des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte bzw. der Streithelfer Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Gründe

I.

Die Klägerin ist in Schleswig-Holstein Grundversorger im Sinne der StromGVV. Sie nimmt den Beklagten als Grundstückseigentümer auf die Bezahlung von Stromlieferungen für den Zeitraum vom 01.02.2007 bis zum 30.11.2010 für das Grundstück … in X in Anspruch.

Der Beklagte war am 29.01.2007 durch Zuschlag im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens Eigentümer des vorgenannten Grundstücks geworden. Mit Vertrag vom 02.02.2007, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 73 f. d. A. verwiesen wird, verpachtete der Beklagte den Grundbesitz an den Streithelfer – seinen Sohn - , der dort eine Pizzeria betreiben wollte. Der Kläger selbst war seinerzeit als Gastronom tätig, er betrieb zwei Gaststätten in Kiel.

Nach § 3 des Pachtvertrages war der Streithelfer verpflichtet, unter anderem die Stromkosten aufgrund eigenen Vertrages gegenüber dem Versorgungsunternehmen zu tragen. Dem kam der Streithelfer nicht nach, vielmehr entnahm er in der Folgezeit über die zwei in dem Haus vorhandenen Stromzähler – ein Zähler für den Betrieb der Pizzeria, ein weiterer offenbar für eine in der Gaststätte vorhandene Wohnung – erhebliche Mengen an Strom. Einen Vertrag mit der Klägerin über die Stromlieferung schloss er aber nicht, auch teilten weder er noch der Beklagte mit, dass der Streithelfer Strom entnehme.

In der Folgezeit erfolgten mehrfach Ablesungen, ohne dass entsprechende Rechnungen bezahlt wurden, zumal Zahlungsaufforderungen an die Förde-Sparkasse in Kiel gingen, die der Klägerin mehrfach mitteilte, dass sie mit dem Grundbesitz nichts mehr zu tun habe. Unter dem 14.12.2010 erstellte die Klägerin eine Gesamtabrechnung vom 01.02.2007 bis 30.11.2010 (Bl. 10 ff. d. A.), endend mit einem Betrag in Höhe von 32.539,09 €.

Im Wesentlichen den vorgenannten Betrag hat die Klägerin gegen den Beklagten geltend gemacht.

Sie hat die Auffassung vertreten, der Beklagte sei – infolge der Annahme ihrer Realofferte – als Grundstückeigentümer ihr Vertragspartner geworden.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 32.514,09 € nebst gestaffelter Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz sowie weitere Nebenkosten in Höhe von 45,00 € zu zahlen;

der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, nicht er, sondern sein Streithelfer sei Vertragspartner der Klägerin geworden. Zudem haben er und der Streithelfer die geltend gemachte Forderung auch der Höhe nach als nicht nachvollziehbar bestritten.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Realofferte der Klägerin auf Abschluss eines Stromlieferungsvertrages sei nicht an den Beklagten, sondern an den Streithelfer gerichtet. Zudem sei die Forderung der Klägerin der Höhe nach auch nicht schlüssig.

Mit ihrer Berufung, in der sie ihren erstinstanzlichen Antrag weiter verfolgt, wiederholt und vertieft die Klägerin im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen, während der Beklagte und sein Streithelfer unter Verteidigung des angefochtenen Urteils auf Zurückweisung der Berufung antragen.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf das angefochtene Urteil nebst darin enthaltener Verweisungen Bezug genommen; wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.

Der Senat hat – wie aus der Sitzungsniederschrift vom 03.09.2013 ersichtlich (Bl. 218 f. d. A.) – den Beklagten ergänzend persönlich angehört.

II.

Die Berufung der Klägerin erweist sich als unbegründet, denn im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Zwar teilt der Senat nicht die Auffassung des Landgerichts, die Klage sei der Höhe nach schon unschlüssig. Vielmehr hat die Klägerin durch die nur unzulässig bestrittenen Abrechnungen ihre Hauptforderung der Höhe nach schlüssig dargelegt; sowohl der Beklagte als Eigentümer als auch der Streithelfer als tatsächlicher Nutzer der Räumlichkeiten in X wären in der Lage gewesen, die Zählerstände – so sie denn nicht korrekt in die Abrechnung übernommen worden sein sollten – substantiiert zu bestreiten. Es findet sich allerdings nur pauschales, mithin unzulässiges Bestreiten, das unbeachtlich ist. Lediglich hinsichtlich der Nebenforderungen (Zinszeitpunkte und Mahnkosten) ist die Klage der Höhe nach ganz offensichtlich unbegründet.

Allerdings kann die Klage – wie vom Landgericht zutreffend ausgeführt – schon dem Grunde nach keinen Erfolg haben, weil der Beklagte schlicht nicht Vertragspartner der Klägerin geworden ist.

Denn nicht der Beklagte, sondern sein Streithelfer haben die Realofferte der Klägerin auf Abschluss eines Stromlieferungsvertrages angenommen.

Die Auffassung der Klägerin, grundsätzlich richte sich die Realofferte zum Abschluss eines Stromlieferungsvertrages an den Grundstückseigentümer, nur in dem Falle, dass ein ausdrücklicher Vertrag mit einem Dritten (Mieter oder Pächter) zustande komme, sei dies anders, findet weder in der obergerichtlichen Rechtsprechung noch in der einschlägigen Rechtsprechung des 8. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs eine Stütze. Auch geben für die Rechtsauffassung der Klägerin nichts her. In diesen Verordnungen ist lediglich der auf Grund einer Realofferte erfolgte konkludente Vertragsschluss beschrieben, wobei der Vertrag mit dem „Kunden“ zustande kommt. „Kunde“ kann dabei aber sowohl der Eigentümer als auch ein Nutzungsberechtigter – wie hier der Streithelfer – sein. Einzig wenn schon zuvor mit dem Beklagten – und sei es konkludent – ein Stromlieferungsvertrag zustande gekommen wäre, würde ein (weiterer) Vertragsschluss mit dem Streithelfer ausscheiden.

Zwar hat der Bundesgerichtshof beispielsweise mit Beschluss vom 15.01.2008 (VIII ZR 351/06) ausgeführt, dass Empfänger der im Leistungsangebot des Versorgungsunternehmens liegenden Realofferte zum Abschluss eines Versorgungsvertrages, gleich ob das Angebot Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme betreffe, typischerweise der Grundstückseigentümer bzw. derjenige, der die Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ausübe, sei. Diese Richtung komme einem Leistungsangebot des Versorgungsunternehmens nur dann nicht zu, wenn der Abnehmer der Versorgungsleistung bereits anderweitig feststeht. Aber mit Urteil vom 10.12.2008 (VIII ZR 293/07) hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich angeführt, dass auch der konkludente Abschluss eines Versorgungsvertrages mit einem Mieter der Annahme eines (ebenfalls konkludenten) Vertragsschlusses mit dem Grundstückseigentümer entgegenstehe.

Ebenso verhält es sich hier. Das in der Bereitstellung liegende Vertragsangebot der Klägerin hat durch Entnahme der Streithelfer, nicht hingegen der Beklagte angenommen.

Nur wenn der Beklagte zuvor – sei es auch nur kurzfristig – Strom entnommen hätte, könnte mit ihm (ebenfalls konkludent) ein Stromlieferungsvertrag zustande gekommen sein, der der Annahme eines zeitlich dann nachfolgenden konkludenten Vertragsschlusses mit dem Streithelfer entgegenstünde. Dafür ist aber weder etwas vorgetragen noch ersichtlich. Vielmehr hat der Beklagte nachvollziehbar dargelegt, dass unmittelbar nach dem Erwerb in der Zwangsversteigerung der Streithelfer – sein Sohn – die Gaststätte übernommen hätte; substantiiert entgegen getreten ist die Klägerin dem schon in erster Instanz nicht. Bestand mithin zwischen dem Streithelfer und der Klägerin ein schlüssig zustande gekommener Stromlieferungsvertrag, scheiden Ansprüche gegen den Beklagten aus.

Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass schlechterdings nicht nachvollziehbar ist, dass die Klägerin nicht frühzeitig verhindert hat, dass derartige Rückstände auflaufen. Nach ihrem eigenen Vortrag wurden Ablesungen vorgenommen, also müssen hier auch Informationen über den tatsächlich den Strom Entnehmenden vorgelegen haben. Zudem sind vom Senat verschiedene Verfahren entschieden worden, in denen die Klägerin nicht davor zurückschreckte, selbst Familien mit Kindern bei ganz geringfügigen Zahlungsrückständen mit Sperrung des Stromanschlusses zu drohen, sie hatte in diesen Fällen auch keine Schwierigkeiten, ihre Beauftragten vor Ort zum Zwecke der Stromsperre tätig werden zu lassen. Umso unverständlicher ist es, dass sie es hier über Jahre hingenommen hat, dass keinerlei Zahlungen erfolgt sind, vielmehr ein Rückstand von mehr als 30.000,00 € auflaufen konnte. Dies allein damit erklären zu wollen, die Klägerin als Grundversorger habe keinen direkten Kundenzugriff, liegt ersichtlich neben der Sache.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

Da es sich um die Entscheidung eines Einzelfalles handelt, der geprägt ist durch besondere Begebenheiten, liegt ein Grund zur Zulassung der Revision nicht vor.