LG Köln, Beschluss vom 10.09.2013 - 39 T 121/13
Fundstelle
openJur 2013, 44993
  • Rkr:
Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers vom 04.06.2013 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 16.05.2013 - Az. 282 M 0516/13 - wird dieser aufgehoben.

Der Gerichtsvollzieher wird angewiesen, den Antrag des Gläubigers vom 24.01.2013, dem Schuldner die sofortige Vermögensauskunft abzunehmen, nicht mit der Begründung abzulehnen, die vom Schuldner unter dem 07.12.2010 abgegebene eidesstattliche Versicherung gelte gemäß § 903 ZPO a. F. noch in 2013 fort.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gemäß § 21 GKG nicht erhoben.

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer und Gläubiger begehrt die Abnahme der Vermögensauskunft gegen den Schuldner, der zuletzt am 07.12.2010 die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat. Der Vollstreckungsauftrag wurde unter dem 24.01.2013 erteilt. Der Gerichtsvollzieher sendete den Auftrag unter dem 13.03.2013 als erledigt zurück und verwies auf die eidesstattliche Versicherung des Schuldners vom Dezember 2010.

Auf die weitere Aufforderung des Gläubigers, den Auftrag durchzuführen, da nunmehr die in § 802 d Abs. 1 ZPO statuierte zweijährige Frist zur Abgabe der Vermögensauskunft gemäß § 802 c ZPO maßgeblich sei. Der Gerichtsvollzieher lehnte die Ausführung des Auftrags ab.

Die hiergegen eingelegte Erinnerung des Gläubigers wies das Amtsgericht zurück mit der Begründung, dass die dreijährige Sperrfrist nach § 903 ZPO a.F. entgegen stünde. Auf nach altem Recht abgegebene eidesstattliche Versicherungen sei die dreijährige Sperrfrist gemäß § 903 ZPO a.F. weiter anwendbar, nicht die lediglich zweijährige Sperrfrist gemäß § 802d ZPO n.F.

Gegen diesen Beschluss hat der Gläubiger mit Schriftsatz vom 04.06.2013 sofortige Beschwerde eingelegt. Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht als Beschwerdegericht vorgelegt.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerechte sofortige Beschwerde des Gläubigers hat in der Sache den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg.

Die dreijährige Sperrfrist des § 903 ZPO a.F. steht der Abnahme der Vermögensauskunft vorliegend nicht entgegen, da nunmehr die Frist des § 802 d ZPO Anwendung findet. Die maßgebliche Sperrfrist von zwei Jahren gemäß § 802d ZPO war zum Zeitpunkt der Erteilung des Vollstreckungsauftrags abgelaufen.

Die Frage der Anwendbarkeit von § 903 ZPO a.F. gegenüber § 802d ZPO n.F. auf eidesstattliche Versicherungen, die nach altem Recht abgegeben wurden, wird in der Rechtsprechung uneinheitlich beantwortet. Soweit § 39 Nr. 4 EGZPO eine Übergangsvorschrift betreffend das Verhältnis eidesstattlicher Versicherungen nach altem Recht gegenüber der Vermögensauskunft nach neuem Recht enthält, ist dieser eine konkrete Aussage nicht zu entnehmen. Aus dieser Vorschrift geht zunächst lediglich hervor, dass eine eidesstattliche Versicherung im Rahmen von § 802d ZPO ebenso Sperrwirkung zukommt wie einer Vermögensauskunft nach neuem Recht. Über die konkret anwendbare Sperrfrist enthält die Norm keine Aussage.

Teilweise wird die dreijährige Sperrfrist gemäß § 903 ZPO a.F. für weiterhin maßgeblich gehalten, sofern die eidesstattliche Versicherung nach altem Recht abgegeben worden war (so etwa AG Berlin-Charlottenburg, Beschluss vom 28.03.2013 - 38 M 8030/13; AG Berlin-Charlottenburg, Beschluss vom 09.04.2013 - 34 M 8013/13; AG Hanau, Beschluss vom 22.04.2013 - 81 M 1479/13). Insoweit wird insbesondere auf die Gesetzesbegründung verwiesen, aus der nicht ersichtlich sei, dass man durch die erst spät im Gesetzgebungsverfahren erfolgte Verkürzung der Sperrfrist von (weiterhin) drei auf zwei Jahre auch die Sperrfrist für eidesstattliche Versicherungen habe verkürzen wollen (AG Hanau a.a.O.). Der Schuldner müsse auf die Fortgeltung der dreijährigen Sperrfrist vertrauen können, was sich entsprechend auch aus der Fortgeltung der §§ 915, 915a ZPO (a.F.) ergebe (AG Berlin-Charlottenburg, Beschluss vom 28.03.2013 - 38 M 8030/13).

Überwiegend und aus Sicht der Kammer zutreffend wird hingegen für die Berechnung der Sperrfrist allein § 802d ZPO als maßgeblich angesehen und § 903 ZPO a.F. für nicht mehr anwendbar erachtet (vgl. hierzu LG Duisburg, Beschluss vom 27.05.2013 - 7 T 74/13; LG Bayreuth, Beschluss vom 26.04.2013 - 42 T 54/13; LG Landshut, Beschluss vom 07.05.2013 - 34 T 869/13; AG Osnabrück, Beschluss vom 15.02.2013 - 27 M 59/13; AG Bad Segeberg, Beschluss vom 25.06.2013 - 6 M 430/13; BeckOK ZPO/Utermark/Fleck, Stand 01.04.2013, § 802d Rn. 1a; wohl auch Vollkommer, NJW 2012, 3861, 3864).

Eine Weitergeltung von § 903 ZPO a.F. ergibt sich aus § 39 Nr. 4 EGZPO nicht. Nach dieser Vorschrift steht im Rahmen des § 802d Abs. 1 S. 1 ZPO die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung der Abgabe einer Vermögensauskunft gleich. Daraus ergibt sich - lediglich -, dass der Schuldner sich auf die bereits erfolgte Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung gegenüber der Aufforderung zur Abgabe der Vermögensauskunft grundsätzlich stützen kann. Eine Aussage darüber, ob eine bestimmte weitere Sperrwirkung erhalten bleiben soll und damit § 903 ZPO a.F. ausdrücklich zur Anwendung berufen werden sollte, ist § 39 Nr. 4 EGZPO nicht zu entnehmen.

Auch ein redaktionelles Versehen ist nicht ersichtlich. Zwar sah der Gesetzesentwurf zunächst auch für die Vermögensauskunft eine dreijährige Sperrfrist vor (BT-Drucks. 16/10069, S. 25f), was vor dem Hintergrund des Aktualitätsbedürfnisses des Gläubigers, der schutzwürdigen Belange des Schuldners und der Belastung der Justiz für angemessen erachtet wurde. Die Beschlussempfehlung begründet schließlich die Herabsetzung auf zwei Jahre gegenüber dem Entwurf, "angesichts moderner, schnell wechselnder Lebensumstände" erscheine die bisherige Zeitspanne von drei Jahren heute zu lang. Keinerlei Anzeichen bestehen dafür, dass für Altfälle etwas Abweichendes gelten sollte. Im Gegenteil spricht die Begründung der Beschlussempfehlung gerade für die Anwendung der zweijährigen Sperrfrist auch auf Altfälle, denn die weitere Anwendung der dreijährigen Sperrfrist widerspräche der gleichzeitigen Feststellung, diese sei aufgrund der tatsächlichen Umstände als überholt anzusehen.

Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen demgegenüber nicht. Es handelt sich um einen Fall der unechten Rückwirkung, denn die belastenden Folgen - nämlich die Verpflichtung zur Abgabe der Vermögensauskunft bereits nach zwei Jahren - treten erst nach der Verkündung des Gesetzes ein. Eine solche Regelung ist nicht grundsätzlich unzulässig. Die unechte Rückwirkung ist mit den grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Vertrauensschutzes jedoch nur vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt (BVerfG, Beschluss vom 07.07.2010 - 2 BvL 14/02). Vor diesem Hintergrund bestehen verfassungsrechtliche Bedenken nicht, denn eine übermäßige Belastung schutzwürdiger Belange ist mit der Verkürzung der Sperrfrist nicht verbunden, zumal die Beschlussempfehlung bereits vom 17.06.2009 datiert. Insbesondere besteht auch vor dem Hintergrund von § 903 ZPO a.F. bzw. § 802d Abs. 1 ZPO n.F. kein grundsätzliches schutzwürdiges Interesse des Schuldners, während der gesamten Dauer der Sperrfrist keinesfalls eine erneute Erklärung abgeben zu müssen, denn bereits im Rahmen des § 903 ZPO a.F. war die erneute Abgabe innerhalb der Frist bei Glaubhaftmachung späteren Vermögenserwerbes möglich. Demgegenüber überwiegt im Sinne der Beschlussempfehlung der legitime Gesetzeszweck der Anpassung der Frist an die heutigen modernen, schnell wechselnden Lebensumstände.

Eine über die im Tenor hinausgehende Weisung an den Gerichtsvollzieher - etwa die Zwangsvollstreckung durchzuführen - kann durch das Beschwerdegericht nicht ausgesprochen werden, da eine solche Weisung einen Eingriff in die Prüfungskompetenz des Gerichtsvollziehers bedeutete (Stein/Jonas/Münzberg, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 22. Aufl., § 766 Rn. 55). Die Anweisung kann sich daher nur auf die Aspekte beschränken, die durch das Beschwerdegericht geprüft worden sind. Die Prüfung der weiteren Vollstreckungsvoraussetzungen und die Durchführung des Verfahrens obliegen weiterhin der Prüfungskompetenz des Gerichtsvollziehers.

In dem bislang einseitig geführten Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren ist nach Auffassung der Kammer die Kostenregelung des § 91 ZPO nicht zu Lasten des Schuldners anwendbar. Die Kosten können von diesem nur unter den Voraussetzungen des § 788 ZPO beigetrieben werden.

Beschwerdewert: Höhe der Forderung